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VfGH vom 14.03.1997, g233/97

VfGH vom 14.03.1997, g233/97

Sammlungsnummer

14801

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit der Ausweitung des Haftungsprivilegs des Wegehalters nach dem ABGB auf Mautstraßen nach dem BG betr Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften; sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung innerhalb der Gruppe der Mautstraßenerhalter

Spruch

§ 15 des Bundesgesetzes betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften, BGBl. Nr. 826/1992, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die verfassungswidrige Vorschrift ist auch in der beim Landesgericht Innsbruck zu 3 R 355/96b anhängigen Rechtssache nicht mehr anzuwenden.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere Vorschriften treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Landesgericht Innsbruck ist eine Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck anhängig, mit dem eine Schadenersatzklage gegen die Alpen Straßen Aktiengesellschaft als Straßenhalterin der Brenner-Autobahn abgewiesen wurde. Diesem Zivilprozeß liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger, der zum Befahren der Brenner-Autobahn aufgrund einer gelösten Jahresmautkarte berechtigt war, konnte beim Befahren der genannten Autobahn einem auf der Fahrbahn liegenden Wagenheber nicht mehr rechtzeitig ausweichen. Beim Überfahren des Gegenstandes entstand beim Fahrzeug des Klägers ein Schaden in näher bezeichneter Höhe. Der Kläger vertritt den Standpunkt, die Beklagte habe ihre Aufsichtspflicht als Straßenhalterin vernachlässigt, weil von ihr Kontrollfahrten nicht in hinreichendem Ausmaß durchgeführt worden seien. Der auf der Fahrbahn gelegene Gegenstand sei deshalb nicht rechtzeitig entfernt worden. Die Beklagte hafte aufgrund des durch die entrichtete Maut geschlossenen Vertrages und könne sich nicht auf das Haftungsprivileg des § 1319a ABGB berufen.

Das Erstgericht beurteilte diesen Sachverhalt rechtlich im wesentlichen dahin, daß die Haftung der Beklagten zufolge des § 15 des Bundesgesetzes betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften nach § 1319a ABGB zu beurteilen sei. Die beklagte Partei hafte daher als Halterin der Brenner-Autobahn gemäß der durch § 1319a ABGB normierten Haftungsbeschränkung nur für Schäden, die durch einen von der Beklagten (oder von ihren Leuten) vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldeten, mangelhaften Zustand der Autobahn entstanden seien. Da dies nach Auffassung des Erstgerichtes nicht der Fall war, wies es das Klagebegehren ab.

1.1. Aus Anlaß der beim Landesgericht Innsbruck gegen dieses Urteil anhängigen Berufung stellt dieses Gericht mit Beschluß vom , 1 R 471/95, gemäß Art 89 Abs 2 B-VG beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 15 des Bundesgesetzes betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften, BGBl. 826/1992, gemäß Art 140 B-VG als verfassungswidrig aufzuheben.

1.2. § 15 des Bundesgesetzes betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften, BGBl. 826/1992 (Paragraphen ohne Gesetzesbezeichnung beziehen sich im folgenden auf dieses Gesetz), hat folgenden Wortlaut:

"Die Bestimmungen des § 1319a des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches finden uneingeschränkt auch auf Bundesstraßen Anwendung, bei welchen die Erhaltung den Gesellschaften (§§1 und 3) übertragen wurde."

2. Das antragstellende Berufungsgericht hegt das Bedenken, daß die Ausweitung des durch § 1319a ABGB normierten Haftungsprivileges des Wegehalters auch auf Bundesstraßen, für deren Benützung ein Entgelt eingehoben wird, zu einer gleichheitswidrigen Behandlung anderer Mautstraßenhalter führe und begründet dies im wesentlichen wie folgt:

"... Durch die Mauteinnahmen verfügt der Straßenhalter oder der für ihn tätige Unternehmer im Gegensatz zu einem sonstigen Straßenhalter über finanzielle Mittel, die er zur Erhaltung der Straße und deren gefahrloser Benützung verwenden kann, was auch den höheren Haftungsmaßstab rechtfertigt. Gleichzeitig wird der Maut entrichtende Benützer aber auch auf einen höheren Sicherheitsstandard vertrauen, kann er doch davon ausgehen, daß das vereinnahmte Entgelt zur Schaffung eines entsprechenden (höheren) Sicherheitsstandards herangezogen wird.

Während (der) die Einschränkung der Haftung für Schadenszufügung spezifische Deliktstatbestand des § 1319a ABGB ... nur unter der Maßgabe der Unentgeltlichkeit und Interessenneutralität als verfassungskonform erachtet wurde, sieht nunmehr § 15 des Bundesgesetzes betreffend Maßnamen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften, BGBl. 1992/826, die Ausdehnung des Haftungsprivilegs des § 1319a ABGB auch auf Bundesstraßen vor, bei welchen die Erhaltung den in §§1 und 3 BG BGBl. 1992/826 angeführten Gesellschaften übertragen wurde, somit auch auf die durch Verschmelzung der Arlberg-Straßentunnel Aktiengesellschaft und der Brenner-Autobahn Aktiengesellschaft geschaffene Alpen Straßen Aktiengesellschaft.

Dieser nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen unter Wahrung öffentlicher Interessen zu führenden Gesellschaft (§10 Abs 1 cit.leg.) wurde die Einhebung des Benützungsentgelts an (künftigen) Mautstrecken überlassen (§8 Abs 1 cit.leg.) und wurde ihr mit der Einhebung des Benützungsentgelts auch die bauliche und betriebliche Erhaltung in wirtschaftlichem und betrieblich zweckmäßigem Umfang übertragen.

Durch die durch diese gesetzliche Bestimmung erfolgte Erweiterung des Haftungsprivilegs auch auf von den darin genannten Gesellschaften errichtete und gehaltene Bundesstraßen, für die Maut zu entrichten ist, kommt es in zweierlei Richtung zu einer gleichheitswidrigen Behandlung Dritter.

Einerseits haften andere Straßenhalter, die die Benützung einer Straße von der Entrichtung einer Maut abhängig machen, nach wie vor für die Einhaltung vertraglicher Schutzpflichten und zwar für jede Fahrlässigkeit, wobei es nicht darauf ankommt, ob durch die Einhebung des Entgelts ein Gewinn erzielt wird oder dieses zur Bestreitung der Erhaltungskosten hinreicht oder nicht. Andere als die in §§1 und 3 cit.leg. genannten Gesellschaften kommen daher nicht in den Genuß des Haftungsprivilegs, auch wenn sie den gleichen Zweck verfolgen sollten.

Andererseits macht es für den Benützer der Mautstraßen keinerlei Unterschied, an welche Gesellschaft die Maut entrichtet wird, da dessen Erwartungshaltung in die Sicherheit und den Erhaltungszustand der Straße nicht davon abhängt, an welche Gesellschaft er die Maut entrichtet. ..."

Nach Meinung des antragstellenden Gerichtes ist der durch das angefochtene Gesetz geschaffene gleichheitswidrige Zustand nicht mehr tolerierbar.

3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung verteidigt. Nach Auffassung der Bundesregierung wäre eine "andere Interpretation, die den verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes den Boden entzöge, ... immerhin möglich". Die durch die angefochtene Bestimmung vorgenommene Ausdehnung des Haftungsprivileges sei sachlich gerechtfertigt, weil "ein in Betracht kommendes Interesse des Mauteinhebungsberechtigten sowohl an der Mauteinhebung als auch an der Verkehrseröffnung der betreffenden Bundesstraßenstrecke" nicht vorliege. Dazu wird wie folgt ausgeführt:

"... Die beiden Bundesstraßengesellschaften (derzeit Alpen Straßen AG und Österreichische Autobahnen- und Schnellstraßen AG) heben die Mauten lediglich namens des Bundes ein, sind also nur als Inkassanten für den Bund tätig. Der nach Abzug der Beträge für die in ArtII § 4 Abs 1 des ASFINAG-Gesetzes vorgesehenen Aufwendungen verbleibende Mautüberschuß wird an die Autobahnen- und Schnellstraßen Finanzierungs-AG (ASFINAG) abgeführt. Da dieser Betrag nicht einmal ausreicht, um die jährlich anfallenden Zinsen für die von der ASFINAG aufgenommenen Anleihen zu entrichten, hat der Bund jährlich der ASFINAG den Differenzbetrag zu leisten. Eine Änderung der Mauteinnahmen oder der Ausgaben für Errichtung und Erhaltung der den Bundesstraßengesellschaften übertragenen Bundesstraßenstrecken schlägt sich auch bilanziell bei den Bundesstraßengesellschaften nicht nieder, es erhöht oder verringert sich lediglich der vom Bund zu leistende Zuschuß an die ASFINAG. Das bedeutet, daß die Bundesstraßengesellschaften kein geschäftliches Interesse an der Mauteinhebung haben, da sie wegen der rechtlichen Konstruktion der außerbudgetären Bundesstraßenfinanzierung gar keine Gewinne erzielen oder Verluste erleiden können. So ist es nicht verwunderlich, daß die fehlende Möglichkeit einer Gewinnerzielung in den Gesetzesmaterialien (820 BlgNR 18.GP, 3) als Rechtfertigung für den Regelungsinhalt der nunmehr angefochtenen Bestimmung angeführt wird.

Die Bundesstraßengesellschaften haben aber auch kein anderes in Betracht kommendes Interesse an der Bemautung von Bundesstraßenstrecken, da sie mit der Durchführung der Bemautung allein eine gesetzlich vorgeschriebene Aufgabe erfüllen. Diese Aufgabe macht aber nicht den Kern des Tätigkeitsbereiches der Gesellschaften aus, der jedenfalls in Planung, Errichtung und Erhaltung von Bundesstraßenstrecken besteht, nicht aber in der Bemautung einzelner Bundesstraßenteilstrecken, die auf den bilanziell darstellbaren Geschäftsgang der Gesellschaften wiederum keinerlei Einfluß ausüben können. Die Bundesstraßengesellschaften haben schließlich auch kein eigenes Interesse an der Verkehrseröffnung von Bundesstraßenstrecken als solchen, da ihnen als bloß ausführenden Trägern der ausgegliederten Privatwirtschaftsverwaltung im Bereich der Bundesstraßen nicht die umfassende Wahrung allgemeiner Interessen an Errichtung und Erhaltung eines leistungsfähigen Bundesstraßennetzes zugeschrieben werden kann.

Eine Aufhebung der angefochtenen Bestimmung lediglich wegen der Entscheidung des Gesetzgebers, zumindest auf einigen Bundesstraßenteilstrecken einen Teil der Kosten direkt durch fahrleistungsorientierte Leistungen der Straßenbenützer zu bedecken, würde daher zu einer sachlich nicht rechtfertigbaren Differenzierung hinsichtlich der Wegehaftung zwischen bemauteten und nicht bemauteten Bundesstraßenstrecken führen.

Die dem Bund übertragene Aufgabe des Baues und der Erhaltung von Bundesstraßen wird zum Teil durch eine außerbudgetäre Finanzierung bewältigt, zu diesem Zwecke wurden Aktiengesellschaften, nämlich die Bundesstraßengesellschaften, eingerichtet. Die Beschaffung der Kreditmittel ist der ASFINAG übertragen. Für die zur Bewältigung der diesen Straßengesellschaften mittels Gesetz und Verordnungen vorgeschriebenen Aufgaben aufgenommenen Kreditmittel haftet der Bund. Vom gesamten im Rahmen dieser ausgegliederten Verwaltung hergestellten Straßennetz ist lediglich ein geringer Teil mautpflichtig. Diese Mauterlöse werden, wie oben ausgeführt, als Bundeseinnahme zur teilweisen Abdeckung der Refinanzierung aller aus Kreditmitteln hergestellten Bundesstraßen verwendet und dienen auch der Erhaltung der mautpflichtigen Strecken.

... Aus dem Gesagten ergibt sich, daß das für die Benützung der mautpflichtigen Strecken geleistete Entgelt in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Kosten (einschließlich des Zinsendienstes) der Errichtung und Erhaltung der mautpflichtigen Strecken und des damit im Zusammenhang stehenden hochrangigen Straßennetzes steht. Die gegebene Sachlage kommt daher den vom Verfassungsgerichtshof in seinem zitierten Erkenntnis VfSlg. 8254 hervorgehobenen Gesichtspunkten der Unentgeltlichkeit und Interessenneutralität zumindest sehr nahe, und zwar sowohl dann, wenn nur die beteiligten Gesellschaften als auch dann, wenn die mittelbar involvierten Gebietskörperschaften in die Betrachtung einbezogen werden ... ."

Die Bundesregierung stellt den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, daß die in Rede stehende Bestimmung nicht verfassungswidrig ist. Für den Fall der Aufhebung stellt sie den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art 140 Abs 5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von 18 Monaten bestimmen, um die allenfalls erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art 140 B-VG bzw. des Art 139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (zB VfSlg. 9811/1983, 10296/1984, 11565/1987, 12189/1989).

Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Da auch den sonstigen Erfordernissen des § 62 Abs 1 zweiter Satz VerfGG entsprochen ist, ist der Antrag des Gerichtes zulässig.

2. Der Antrag ist auch begründet:

2.1. Gemäß § 1319a ABGB haftet der Wegehalter für den Zustand des Weges nur bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Verschulden. Da Haftungsfolgen nach den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Prinzipien grundsätzlich bei jedem Verschulden eintreten, wird durch § 1319a ABGB eine Privilegierung des Wegehalters normiert. Der Verfassungsgerichtshof ging in seiner Entscheidung

VfSlg. 8254/1978 davon aus, daß das Vorliegen einer "besonderen Interessenlage" in bezug auf allgemein zugängliche Wege eine zureichende Rechtfertigung für die Begrenzung der Haftung des Wegehalters bietet. Die Gesichtspunkte der Unentgeltlichkeit und der Interessenneutralität der Verkehrseröffnung vermögen eine Milderung der Haftung, die im Bereich des ABGB grundsätzlich schon bei leichter Fahrlässigkeit eintritt, zu tragen. In diesem Erkenntnis legte der Verfassungsgerichtshof weiters dar, daß es Sache der ordentlichen Gerichte sei, zu prüfen, ob und auf welche Weise der Anwendungsbereich der Regelung des § 1319a ABGB auf diese, der Entscheidung zugrunde gelegenen, typischen Fälle (nämlich der unentgeltlichen Wegbenützung) eingeschränkt oder dem Bedürfnis nach angemessener Berücksichtigung abweichender Interessenlagen sonst Rechnung getragen werden kann. Eine solche von diesen "Normalsachverhalten" abweichende Interessenlage wurde von den Gerichten insbesondere darin erblickt, daß die Benützung der Straße gegen Entrichtung eines Entgeltes erfolgte. Nach der ständigen Rechtsprechung des OGH hat der Mautstraßenhalter auf der Grundlage eines mit einem Straßenbenützer entgeltlich geschlossenen (Maut-)Vertrages bei Erfüllung seiner vertraglich übernommenen Schutz- und Sorgfaltspflichten für jedes Verschulden einzustehen (zB ZVR 1982/193, ZVR 1983/58, RZ 1990/53). Die Rechtsprechung (und auch die herrschende Lehre) geht davon aus, daß § 1319a ABGB - als typische Deliktsnorm - die Haftung aus anderen Haftungstatbeständen, insbesondere die Haftung ex contractu, unberührt läßt (vgl. OGH SZ 52/135, 59/112 und Koziol-Welser, Grundriß des Bürgerlichen Rechts I10, 481).

2.2. Durch die angefochtene Bestimmung wird - der oben dargestellten Judikaturlinie entgegengesetzt - materiell eine Ausweitung der durch § 1319a ABGB normierten Haftungsbeschränkung auch auf Mautstraßen bewirkt, sofern die Maut von den in den §§2 und 4 genannten - durch Verschmelzung der in den §§1 und 3 angeführten Gesellschaften entstandenen - (Aktien-)Gesellschaften (Österreichische Autobahnen- und Schnellstraßen AG und Alpen Straßen AG) eingehoben wird. Aus VfSlg. 8254/1978 folgt, daß eine - von den allgemeinen Grundsätzen des Schadenersatzrechtes abweichende - Beschränkung der Haftung des Wegehalters bei Vorliegen einer "besonderen Interessenlage" in bezug auf im Gemeingebrauch stehende Wege als verfassungskonform anzusehen ist, so zB wenn der Halter des Weges kein besonderes Interesse an der Verkehrseröffnung hat oder die Benutzung der Straße unentgeltlich erfolgt. Die Entgeltlichkeit der Verkehrseröffnung stellt im gegebenen Fall auch den tragenden Gesichtspunkt dar, weshalb das Vorliegen einer - die Milderung der Haftung rechtfertigenden - besonderen Interessenlage verneint werden muß.

Das aus folgenden Gründen:

Die Alpen Straßen AG ist eine Sondergesellschaft, die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen unter Wahrung der öffentlichen Interessen zu führen ist (§10). Durch das Bundesgesetz vom , mit dem eine Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG) errichtet wird, mit dem die Planung und Errichtung von Bundesstraßenteilstrecken übertragen wird und mit dem das Bundesministeriengesetz 1973 geändert wird, BGBl. 591/1982 idF BGBl. 383/1996, (die Novellen zum ASFINAG-Gesetz hatten keine Auswirkungen auf den Inhalt der angefochtenen Norm) wurden der Alpen Straßen AG die kompetenzrechtlich dem Bund vorbehaltenen Aufgaben der Errichtung und Erhaltung (vgl. Art 10 Abs 1 Z 9 B-VG iVm § 7 BundesstraßenG 1971 BGBl. 286 idF BGBl. 159/1990) der (mautpflichtigen) Brenner-Autobahn (einer Bundesstraße) übertragen. Hiefür wird dieser Gesellschaft das von ihr namens des Bundes eingehobene Benützungsentgelt insoweit überlassen, als damit die Kosten der baulichen Erhaltung der Straße sowie die Verwaltungskosten der Gesellschaft abgedeckt werden. Darüber hinausgehende Einnahmen aus den Benützungsentgelten hat die Alpen Straßen AG an die ASFINAG abzuführen. Die ASFINAG ist eine ausschließlich dem Bund gehörende Gesellschaft, die als zentrale Finanzierungs-, Koordinations- und Mittelverteilungsgesellschaft für die übrigen, für die Erhaltung und Errichtung von Bundesstraßen eingerichteten Sondergesellschaften fungiert (vgl. Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 222). Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in VfSlg. 8937/1980 zum Ausdruck gebracht, daß in Konstellationen wie der hier vorliegenden, in welchen Benützungsentgelte durch juristische Personen des Privatrechts namens des Bundes eingehoben werden, der Bund als Betreiber der Straßen anzusehen ist. Dem Bund kommt daher ein allenfalls erwirtschafteter Gewinn aus den Mauteinnahmen der Brenner-Autobahn zu. Der Straßenhalter bezieht durch diese Mauteinnahmen (zusätzliche) finanzielle Mittel, die er für die Erhaltung der Straße und deren gefahrlose Benützung ohnehin aufbringen müßte (die Erhaltungspflicht für Bundesstraßen ergibt sich für den Bund aus Art 10 Abs 1 Z 9 B-VG iVm § 7 BundesstraßenG 1971 BGBl. 286 idF BGBl. 159/1990). Der Mautstraßenhalter wird daher regelmäßig über mehr finanzielle Mittel zur Straßenerhaltung verfügen als ein Straßenhalter, der die Benützung der Straßen der Allgemeinheit unentgeltlich ermöglicht. Schon diese Betrachtung ergibt, daß die angefochtene Bestimmung an wesentliche Unterschiede im Tatsachenbereich die gleichen Rechtsfolgen knüpft (vgl. dazu zB VfSlg. 8004/1977, 8938/1980). Es ist dem antragstellenden Gericht zuzustimmen, daß die Entgeltlichkeit der Benützung ein haftungsrelevantes Element darstellt, das die Subsumierung unter das allgemeine Haftungsregime des ABGB - Haftung bei leicht fahrlässigem Verschulden - geboten erscheinen läßt. Dies auch deshalb, weil der Benützer einer Mautstraße ob des dem Mautstraßenhalter zufließenden Entgeltes zu Recht auf höhere Sicherheitsstandards vertrauen kann. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Ausweitung der Haftungsbegrenzung auf die in den §§2 und 4 genannten Gesellschaften und somit eine haftungsrechtliche Gleichstellung mit Wegehaltern, die für die Benützung von Straßen kein Entgelt erhalten, sachlich nicht gerechtfertigt.

2.3. In den Materialien (vgl. Bericht des Bautenausschusses 820 BlgNR 18 GP) wird ausgeführt, warum eine Ausdehnung des Haftungsprivileges dennoch geboten erscheint:

"Da die Mauteinhebung auf Bundesstraßen nicht der Erzielung eines Gewinnes, sondern lediglich der Finanzierung der unbedingt notwendigen Bau- und Erhaltungsmaßnahmen der Bundesstraßen dient, scheint eine Differenzierung, wie sie derzeit die Judikatur vornimmt, in Gesellschaftsstraßen und Straßen in Verwaltung des Bundes bzw. in Mautstraßen und Straßen, die ohne Entgelt benützt werden können, nicht gerechtfertigt. Die Bestimmungen des § 1319a ABGB sollen auch auf Gesellschaftsstraßen uneingeschränkt Anwendung finden."

Daran anknüpfend versucht auch die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme darzulegen, daß die fehlende Möglichkeit der Gewinnerzielung eine Gleichsetzung mit unentgeltlich überlassenen Straßen rechtfertigt.

Der Verfassungsgerichtshof vermag darin aber kein taugliches sachliches Rechtfertigungselement zu erkennen. Der von der Bundesregierung vorgebrachte Umstand der fehlenden Möglichkeit der Gewinnerzielung vermag eine Milderung der Haftung nicht zu tragen, weil haftungsrechtliche Konsequenzen für den Geschädigten nicht davon abhängig sein können, wie der Betreiber einer Mautstraße wirtschaftet. Zum anderen ist die Möglichkeit der Erzielung von Gewinnen aus den Mauteinnahmen für den Bund nicht ausgeschlossen. Wie oben unter 2.2. dargelegt, muß hier ein "Durchblick" auf den hinter der Alpen Straßen AG stehenden Bund erfolgen (vgl. zB. VfSlg. 10841/1986); in diesem Sinne auch Peter Schwarzenegger, Ist § 15 BG BGBl. 826 verfassungswidrig? ZVR 1995, 261).

2.4. Schließlich ist dem antragstellenden Gericht auch dahingehend beizupflichten, daß durch die vorgenommene gesetzliche Normierung eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung innerhalb der Gruppe der Mautstraßenhalter geschaffen wird, weil andere als die in den §§2 und 4 (bzw. §§1 und 3 - s. oben unter 2.2.) genannten Mautstraßenhalter auch für leicht fahrlässiges Verhalten einzustehen haben, und das unabhängig davon, ob mit den jeweiligen Mauteinnahmen ein Gewinn erzielt wird oder ob diese zur Abdeckung der anfallenden Erhaltungs- und Verwaltungskosten hinreichen. Der Verfassungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, warum es gerechtfertigt sein sollte, gerade (und nur) diese genannten Gesellschaften gegenüber anderen Mautstraßenhaltern zu privilegieren.

3. Die von der Bundesregierung ins Treffen geführte Möglichkeit einer "anderen Interpretation" der angefochtenen Bestimmung in dem Sinn, daß durch § 15 lediglich die deliktische Haftung des Wegehalters beschränkt wird (wodurch eine Haftung aus Vertrag nach den allgemeinen Grundsätzen des ABGB unberührt bliebe), kann die dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die durch § 15 vorgenommene Haftungsbeschränkung nicht entkräften. Eine verfassungskonforme Auslegung kann hier deshalb nicht in Betracht gezogen werden, weil der Wortlaut der angefochtenen Bestimmung, insbesondere des Wortes "uneingeschränkt", insoweit völlig eindeutig ist und keine andere Auslegung des § 15 erlaubt, somit die von der Bundesregierung vorgeschlagene verfassungskonforme Interpretation ausschließt.

4. Das Vorbringen der Bundesregierung kann die vom antragstellenden Gericht dargelegten Bedenken nicht zerstreuen. Da der Verfassungsgerichtshof auch keine anderen Rechtfertigungsgründe zu erkennen vermag, entspricht die in Prüfung stehende Norm dem Sachlichkeitsgebot des Art 7 Abs 1 B-VG nicht. § 15 war daher wegen Widerspruches zum Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufzuheben.

5. Da eine förmliche Einbeziehung des erst kürzlich zu G233/97 eingelangten Antrages des Landesgerichtes Innsbruck 3 R 355/96b, in das vorliegende Gesetzesprüfungsverfahren im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen nicht mehr möglich war, hat der Verfassungsgerichtshof beschlossen, von der ihm gemäß Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen und die Anlaßfallwirkung auch auf die beim Landesgericht Innsbruck zu 3 R 355/96b anhängige Rechtssache auszudehnen (vgl. VfSlg. 11455/1987, 12948/1991, ua.).

6. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B-VG.

Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 und § 65 VerfGG.

III. Diese Entscheidung konnte

gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.