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VfGH vom 06.03.1992, g231/91

VfGH vom 06.03.1992, g231/91

Sammlungsnummer

13019

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrags auf Aufhebung von Bestimmungen des AbfallwirtschaftsG wegen zu weit gefaßtem Antragsbegehren; Abweisung eines Antrags auf Aufhebung einer Bestimmung des AbfallwirtschaftsG betreffend Genehmigungsverfahren für Abfallbehandlungsanlagen für nicht gefährliche Abfälle; Inanspruchnahme der Bedarfskompetenz nach Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG aufgrund eines objektiven Bedürfnisses nach einheitlicher Regelung

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen, soweit damit die Aufhebung des § 11 Abs 3 sowie des § 17 Abs 2 des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. 325/1990, begehrt wird.

Der Antrag auf Aufhebung des § 29 Abs 1 Z 3 und Z 6 des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. 325/1990, wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Kärntner Landesregierung beantragt auf Grund ihres Beschlusses vom unter Berufung auf Art 140 Abs 1 B-VG, die §§11 Abs 3, 17 Abs 2 sowie 29 Abs 1 Z 3 und Z 6 des Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG), BGBl. 325/1990, als verfassungswidrig aufzuheben.

Die angefochtenen gesetzlichen Bestimmungen lauten in Zusammenhalt mit - dem von der Kärntner Landesregierung nicht angefochtenen - § 3 AWG:

"Geltungsbereich

§3. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für gefährliche Abfälle (§2 Abs 5) und Altöle (§21).

(2) Für nicht gefährliche Abfälle gilt dieses Bundesgesetz nur hinsichtlich der §§1, 2, 5, 7 bis 10, 11 Abs 3, 14, 17 Abs 2, 18 Abs 4, 29 und 34 bis 37.

(3) Dieses Bundesgesetz gilt nicht für ...

(4) ..."

"Getrennte Sammlung

§11. (1) Gefährliche Abfälle und Altöle sind von anderen Abfällen so getrennt zu sammeln, zu lagern, zu befördern und zu behandeln, daß Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs 3 vermieden werden.

(2) ...

(3) Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten unter Bedachtnahme auf die im Sinne des § 1 Abs 2 Z 2 erforderliche Abfallverwertung mit Verordnung bestimmen, welche Materialien jedenfalls einer getrennten Sammlung, Lagerung und Behandlung zuzuführen sind, soweit dies technisch möglich und nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist.

(4) ..."

"Verwertungs- und Behandlungsgrundsätze

§17. (1) ...

(2) Beim Abbruch von Baulichkeiten sind,

1. verwertbare Materialien - soweit dies nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden oder technisch nicht möglich ist - einer Verwertung zuzuführen,

2. nicht verwertbare Abfälle einer Behandlung im Sinne des § 1 Abs 2 Z 3 zuzuführen.

(3) - (5) ..."

"Genehmigung für besondere Abfall- und

Altölbehandlungsanlagen

§29. (1) Die Errichtung oder wesentliche Änderung sowie die Inbetriebnahme von

1. Anlagen von Gebietskörperschaften zur thermischen oder stofflichen Verwertung oder sonstigen Behandlung von gefährlichen Abfällen,

2. Anlagen von Unternehmen, deren überwiegender Betriebszweck die Übernahme von nicht im eigenen Betrieb anfallenden gefährlichen Abfällen zur thermischen oder stofflichen Verwertung oder sonstigen Behandlung ist,

3. Anlagen zur thermischen Verwertung oder sonstigen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen oder Altölen, ausgenommen zur stofflichen Verwertung, mit einer Jahreskapazität von mindestens 10.000 Tonnen,

4. Deponien für gefährliche Abfälle mit einem Gesamtvolumen von mindestens 10.000 m3,

5. Untertagedeponien für gefährliche Abfälle,

6. Deponien für nicht gefährliche Abfälle mit einem Gesamtvolumen von mindestens 100.000 m3

bedarf einer Genehmigung des Landeshauptmannes.

Für Anlagen gemäß Z 3 und 6 bleiben landesrechtliche Vorschriften, die sich nicht auf das Genehmigungsverfahren beziehen - unbeschadet der Regelung des Abs 13 - unberührt.

(2) - (18) ..."

2. Zur Begründung ihres Antrages führt die Kärntner Landesregierung aus, daß für die angefochtenen Gesetzesstellen kein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften im Sinne des Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG für nicht gefährliche Abfälle vorhanden sei.

Im Lichte der "föderalistischen Interpretationsmaxime", wonach die Kompetenztatbestände der Art 10 bis 12 B-VG gegenüber der Generalkompetenz der Länder im Sinne des föderalistischen Prinzips der österreichischen Bundesverfassung (Art2 B-VG) einschränkend auszulegen seien, dürfe der Bundesgesetzgeber von Verfassungs wegen seine Bedarfskompetenz gemäß Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle "nur bei Nachweis eines entsprechenden nachhaltigen Bedürfnisses nach der Erlassung bundeseinheitlicher Vorschriften in Anspruch nehmen". Dem rechtspolitischen Entscheidungsfreiraum des Bundesgesetzgebers seien durch Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG "engere Grenzen in der Form einer objektiven Legitimierbarkeit gesetzt als dies bei der Inanspruchnahme der Bedarfskompetenz nach Art 11 Abs 2 B-VG der Fall ist, wo bereits der bloße Wunsch nach homogenen (Verfahrens-)Normen ausreicht, um eine entsprechende Regelungskompetenz des Bundes zu begründen".

Zu den angefochtenen Bestimmungen führt die Kärntner Landesregierung ihre Bedenken folgendermaßen näher aus:

Zu § 11 Abs 3 AWG:

Da der Begriff "Materialien" in § 11 Abs 3 AWG - auf Grund einer "systematischen Interpretation des § 11 AWG" - in einem umfassenden Sinn zu verstehen sei, beziehe sich die Verordnungsermächtigung auch auf (in die Landeszuständigkeit fallende) nicht gefährliche Abfälle, wie etwa Altglas, Altpapier, Alttextilien udgl. Inwieweit hinsichtlich der Sammlung, Lagerung und Behandlung solcher Abfälle ein Bedarf nach bundeseinheitlichen Regelungen bestehen soll, ist der Kärntner Landesregierung nicht erkennbar. Insbesondere der Hinweis in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum AWG (1274 BlgNR 17. GP, S. 27), daß die den Warenverkehr einschränkenden Regelungen im Lichte von Art 4 B-VG bundeseinheitlich gelten sollen, begründe keinen Bedarf nach bundeseinheitlichen Vorschriften, weil nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes länderweise verschiedene Regelungen einer in die Landeskompetenz fallenden Sachmaterie Art 4 B-VG nicht widersprechen.

Zu § 17 Abs 2 AWG:

Auch § 17 Abs 2 AWG liege kein Bedarf nach bundeseinheitlichen Regelungen im Sinne des Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG zu Grunde.

§ 17 Abs 2 AWG wiederhole bloß die abfallwirtschaftlichen Grundsätze des § 1 Abs 2 leg.cit. und übertrage sie ausdrücklich auf eine (traditionell) landesrechtliche Regelungsmaterie. Da sich die grundsätzliche Geltung des abfallwirtschaftlichen Zielprioritätenkataloges bereits verbindlich aus § 1 Abs 2 AWG ergebe, könne schon allein deshalb ein Bedarf nach spezifischen bundeseinheitlichen Regelungen für die Entsorgung von Abbruchmaterial nicht gegeben sein, weil auch die Länder bei einer eigenständigen Regelung der Behandlung des Bauschuttes von den Grundsätzen des § 1 Abs 2 AWG auszugehen hätten. Durch die Inanspruchnahme der Bedarfsgesetzgebungskompetenz des Bundes für den Bereich des Abbruchmaterials werde - mangels verbleibender Länderzuständigkeit - eine den jeweiligen lokalen Gegebenheiten entsprechende und länderspezifische Regelung durch die Länder überhaupt unmöglich gemacht.

Zu § 29 Abs 1 Z 3 und Z 6 AWG:

Aus den Ausführungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum AWG (1274 BlgNR 17. GP, S. 39) zu § 29 Abs 1 AWG, wonach "gerade bei Anlagen von derartigen Größenordnungen ... eine Inanspruchnahme der Bedarfsgesetzgebungskompetenz des Bundes für Anlagen für nicht gefährliche Abfälle auf Grund der damit verbundenen multidimensionalen Effekte gerechtfertigt (erscheint)", läßt sich nach Ansicht der Kärntner Landesregierung ein Bedarf nach bundeseinheitlichen Regelungen nicht nachvollziehbar herleiten. Es sei nicht einzusehen, daß durch die Inanspruchnahme der Bedarfskompetenz durch den Bund in diesem Bereich den Ländern die Möglichkeit genommen werde, "den jeweiligen lokalen Gegebenheiten Rechnung tragende Genehmigungsvoraussetzungen für Abfallbehandlungsanlagen sowie Abfalldeponien bezüglich nicht gefährlicher Abfälle zu treffen". Es werde ein "wesentlicher Teil der den Ländern zur Regelung vorbehaltenen Abfallwirtschaft hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle ohne Notwendigkeit vom Bund in Anspruch genommen und der sachliche Zusammenhang mit den korrespondierenden sonstigen abfallwirtschaftlichen landesrechtlichen Regelungen hinsichtlich dieser Art von Abfällen unterbrochen".

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie begehrt, den Antrag der Kärntner Landesregierung auf Aufhebung der §§11 Abs 3 und 17 Abs 2 AWG zurückzuweisen, in eventu auszusprechen, daß die §§11 Abs 3, 17 Abs 2 sowie 29 Abs 1 Z 3 und 6 AWG nicht als verfassungswidrig aufzuheben sind. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu bestimmen, um die allenfalls erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.

Unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Abgrenzung des Anfechtungsumfanges in Normenkontrollverfahren (VfSlg. 6674/1972, 7376/1974, 7726/1975, 7786/1976, 8155/1977, 8461/1978; ) führt die Bundesregierung aus, daß nicht die §§11 Abs 3 und 17 Abs 2 AWG als Sitz der von der Kärntner Landesregierung geltend gemachten Verfassungswidrigkeit zu bezeichnen gewesen wären, sondern die Zitate "11 Abs 3" und "17 Abs 2" in § 3 Abs 2 AWG, der den Geltungsbereich des AWG für nicht gefährliche Abfälle regelt. Der Antrag, die §§11 Abs 3 und 17 Abs 2 AWG als verfassungswidrig aufzuheben, sei daher zurückzuweisen, weil die §§11 Abs 3 und 17 Abs 2 AWG sowohl für gefährliche als auch für nicht gefährliche Abfälle gelten, hinsichtlich der Regelung gefährlicher Abfälle aber eine Verfassungswidrigkeit von der antragstellenden Landesregierung nicht behauptet werde. Die Aufhebung der §§11 Abs 3 und 17 Abs 2 AWG würde sohin auch Bestimmungen aus der Rechtsordnung eliminieren, gegen die die vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken von vornherein nicht bestehen.

Zur Bedarfskompetenz des Bundes führt die Bundesregierung unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Kompetenztatbestandes "Abfallwirtschaft" aus, daß sich Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG zwar seinem Wortlaut nach insoferne von Art 11 Abs 2 B-VG

unterscheide, als die Kompetenz nach letzterer Verfassungsstelle bereits dann aktualisiert werden dürfe, wenn ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften "als vorhanden erachtet wird", während es bei Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG darauf ankomme, daß ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften "vorhanden ist". Dieser sprachliche Unterschied zwischen Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG und Art 11 Abs 2 B-VG dürfe "freilich auch nicht überbewertet werden". Der rechtspolitischen Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers dürften im Fall des Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG durch das Erfordernis einer "objektiven Bedarfslage" zwar engere Grenzen gesetzt sein, als dies bei Art 11 Abs 2 B-VG der Fall ist. Der Verfassungsgesetzgeber habe aber nicht normiert, daß ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften etwa nur dann vorhanden wäre, wenn die einheitliche Vorschrift zur Regelung des Gegenstandes erforderlich, im Sinne von unerläßlich, wäre (so die Formulierung in Art 11 Abs 2 letzter Halbsatz und Art 15 Abs 9 B-VG). Die Auffassung der antragstellenden Landesregierung, daß die Bedarfskompetenz gemäß Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG nur bei Nachweis eines entsprechenden nachhaltigen Bedürfnisses nach bundeseinheitlichen Vorschriften in Anspruch genommen werden dürfe, finde daher im Wortlaut des Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG keine Stütze. Vielmehr dürfte die Auffassung von Funk (Die neuen Umweltschutzkompetenzen des Bundes, in: Walter (Hrsg.), Verfassungsänderungen 1988, S. 63, 74) zutreffen, daß die Unterschiede zwischen Art 10 Abs 1 Z 12 und Art 11 Abs 2 B-VG "kaum ins Gewicht" fallen, weil auch beim Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG "die im Verhalten des Gesetzgebers (Regelungsverzicht oder Schaffung von Regelungen) zum Ausdruck kommende Einschätzung der Bedarfslage durch den Gesetzgeber eine wesentliche Rolle spielen wird". Ein objektives Bedürfnis vorausgesetzt, reiche auch im Fall des Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG der Wunsch des Bundesgesetzgebers nach bundeseinheitlichen Vorschriften betreffend die Abfallwirtschaft hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle aus, um eine entsprechende Regelungskompetenz des Bundes zu begründen. Für eine restriktive Auslegung im Sinne des föderalistischen Prinzips bleibe kein Raum, zumal keine Zweifel über die Bundeszuständigkeit bestehen.

Zu den angefochtenen Gesetzesstellen führt die Bundesregierung im einzelnen aus:

Die angefochtenen Bestimmungen seien hinsichtlich der Frage des Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Gestaltung vor dem Hintergrund umweltpolitischer Erwägungen zu beurteilen. Entsprechend den Zielsetzungen des § 1 AWG (deren bundesgesetzliche Festlegung auch hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle wohl auch von der antragstellenden Landesregierung für verfassungskonform erachtet werde) seien so viele Altstoffe wie möglich vom Abfallstrom fernzuhalten, um die Kapazität thermischer Abfallbehandlungsanlagen zu schonen und den Bedarf an Deponien so klein wie möglich zu halten. Voraussetzung für die effiziente Verwertung von Altstoffen sei, daß sie in richtiger Qualität und Menge anfallen und am richtigen Ort mit ökonomisch vertretbaren Kosten eingesetzt werden können.

Zu § 11 Abs 3 AWG:

Aus dem Wortlaut des § 11 Abs 3 AWG gehe hervor, daß die Abfalltrennung der Zielsetzung der Abfallverwertung gemäß § 1 Abs 2 Z 2 AWG diene. Es bestehe aus abfallwirtschaftlicher Sicht ein erhebliches Bedürfnis daran, daß die Verwertungskreisläufe in Österreich grundsätzlich nicht auf einzelne Bundesländer beschränkt sind, was auch dem Prinzip der Wirtschaftsgebietseinheit gemäß Art 4 B-VG entspreche. Nur wenn Abfälle nach einheitlichen Kriterien getrennt würden, könnten sie auch einem geordneten Verwertungskreislauf zugeführt werden. Das Fehlen einheitlicher Kriterien für die Abfalltrennung könne eine bedarfsbezogene länderübergreifende Errichtung von Recyclinganlagen, wie all jene Tätigkeiten, die der Verwertung von Abfällen dienen, beträchtlich erschweren. Der Bund sei jedenfalls zuständig, die Trennung gefährlicher Abfälle von nicht gefährlichen Abfällen zu regeln (§11 Abs 1 AWG). Als Verordnungsermächtigung für die Präzisierung dieser Trennungsverpflichtung sei § 11 Abs 3 AWG daher jedenfalls verfassungskonform. Die in § 11 Abs 3 AWG erfolgte Inanspruchnahme der Bedarfskompetenz des Bundes habe die Kompetenz der Länder nur insofern eingeschränkt, als diese nicht mehr zuständig seien, zu normieren, welche Abfälle getrennt zu lagern, zu sammeln oder zu behandeln sind. Die Regelung der Art und Weise der Abfalltrennung von nicht gefährlichen Abfällen verbleibe jedoch weiterhin im Zuständigkeitsbereich der Länder.

Folge man der Auffassung, daß der Bundesgesetzgeber von seiner Bedarfskompetenz hinsichtlich der Trennung von nicht gefährlichen Abfällen nur insoferne Gebrauch gemacht hat, als eine Verordnung gemäß § 11 Abs 3 AWG tatsächlich erlassen wird, würde § 11 Abs 3 AWG gegenwärtig überhaupt nicht in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder eingreifen.

Zu § 17 Abs 2 AWG:

Gerade in bezug auf die Verwertung und Entsorgung von Materialien, die beim Abbruch von Baulichkeiten anfallen, bestehe aus abfallwirtschaftlicher Sicht ein "erheblicher Handlungsbedarf":

Durch § 17 Abs 2 AWG sollen Umweltgefährdungen, die von einer ungeordneten Ablagerung von Bauschutt und Straßenaufbruch ausgehen können, reduziert werden; insbesondere diene die Regelung der Senkung der Landschaftsraumbelastung und der Deponieraumeinsparung, der Senkung des Rohstoffverbrauches durch Kreislaufzuführung, der Senkung des Energieverbrauches sowie der Einsparung von Transportwegen.

Da vor allem die Vermischung von nicht kontaminiertem mit belastetem Bauschutt zur unnötigen Entstehung großer Abfallmengen führe, sei es aus abfallwirtschaftlicher Sicht nicht zu vertreten, weiterhin Deponien mit ungefährlichen Bauschuttmaterialien zu füllen.

Die Verwertbarkeit von Baurestmassen sei nur bei sachgemäßer Trennung nach einzelnen Kategorien möglich. Diese Trennung müsse in einem "größeren regionalen Verband ... in gleicher Weise" geregelt werden, weil eine ungleiche Regelung mit unterschiedlichen Festlegungen von Kategorien, in die zu trennen ist, die Verwertung veruneinheitlichen und damit zumindest volkswirtschaftlich gesehen verteuern sowie zu einem "Mülltourismus" der Baurestmassen in Gebiete, in denen in weniger Kategorien als am Anfallsort zu trennen ist, führen würde. Dies würde unnötige Transportwege, Überschußmassen und eine Erschwerung der Kontrolle der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen am Anfallsort bedeuten.

Die Verwertung der einzelnen Kategorien von Baurestmassen sei unter den derzeitigen wirtschaftlichen Gegebenheiten im Regelfall betriebswirtschaftlich unrentabel, aus volkswirtschaftlicher Sicht jedoch dringend geboten und zum überwiegenden Teil auch technisch möglich.

Die Behandlung von Baurestmassen könne mit der Behandlung der übrigen Abfallstoffe nicht verglichen werden, weil diese (vor allem Hausmüll) von der lokalen Müllabfuhr abgeführt und im Gemeinde-, Bezirks- bzw. Landesbereich einer weiteren Behandlung zugeführt würden, während jene von der bauausführenden Unternehmung übernommen würden und ihr weiterer Verbleib bis zum Inkrafttreten des § 17 Abs 2 AWG weitgehend ungeregelt war.

Ein Bedarf nach einer bundeseinheitlichen Regelung ergebe sich auch daraus, daß nur dadurch die bundeseinheitliche Wettbewerbsgleichheit zwischen den betroffenen Bauunternehmen herbeigeführt werden könne. Im Hinblick auf die abfallwirtschaftliche Notwendigkeit eines flächendeckenden Netzes von Verwertungsanlagen und Deponien (gerade für Baurestmassen) sei die bundeseinheitliche Regelung des § 17 Abs 2 AWG daher sowohl aus volkswirtschaftlicher als auch aus abfallwirtschaftlicher Sicht notwendig.

Zu § 29 Abs 1 Z 3 und Z 6 AWG:

Ein Bedarf nach bundeseinheitlichen Regelungen hinsichtlich der Festlegung der Genehmigungsvoraussetzungen für die in § 29 Abs 1 Z 3 und Z 6 AWG genannten Anlagen sei gegeben, "weil in den letzten Jahren alte Deponiestandorte ebenso wie Altstandorte von Unternehmen zu ernsten Umweltproblemen geführt haben (Altlastenproblematik)". Unter Bedachtnahme auf die Zielsetzungen des AWG seien daher die Deponierung von Abfällen auf das unbedingt erforderliche Ausmaß zu begrenzen und dafür einheitliche Standards festzulegen. Zur Erreichung dieser Zielsetzungen erscheine gerade im Fall der im § 29 Abs 1 Z 3 und Z 6 AWG genannten Anlagen eine bundeseinheitliche Festlegung der Genehmigungsstandards notwendig. Bundeseinheitliche Genehmigungs-(Mindest-)standards seien vor allem aus umweltpolitischer Sicht, aber auch zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen unbedingt erforderlich; sie dienten weiters der Vermeidung von unnötigen Transporten.

Abschließend weist die Bundesregierung darauf hin, daß auch im internationalen Bereich eine Vereinheitlichung von Umwelt-, Bau- und Betriebsnormen für Abfalldeponien angestrebt werde (Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften über Abfalldeponien - KOM (91) 102 endg. SYN 335, von der Kommission vorgelegt am ).

II. 1. Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur (vgl. VfSlg. 7376/1974, 7786/1976) ausgesprochen hat, hat er den Umfang der zu prüfenden und im Falle ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden gesetzlichen Bestimmungen gemäß Art 140 Abs 1 B-VG derart abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist im Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt. Der Gerichtshof hat diese Überlegungen (etwa in VfSlg. 8155/1977 sowie im Erkenntnis vom , G170/88) auch auf Gesetzesprüfungsverfahren sinngemäß angewendet, die auf Antrag einer Regierung eingeleitet wurden. Derartige Anträge auf Aufhebung von gesetzlichen Bestimmungen wurden zurückgewiesen, sofern die angefochtenen Gesetzesbestimmungen einer isolierten Aufhebung und damit auch einer gesonderten Prüfung nicht zugänglich waren.

In VfSlg. 8461/1978 führte der Verfassungsgerichtshof aus, "daß ein Gesetzesprüfungsverfahren dazu führen soll, die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit - wenn sie tatsächlich vorläge - zu beseitigen, daß aber der nach Aufhebung verbleibende Teil des Gesetzes möglichst nicht mehr verändert werden soll, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist, daß also keine oder möglichst wenige Regelungen aufgehoben werden sollen, gegen die sich die vorgebrachten Bedenken nicht richten. Ein Anfechtungsantrag muß also (auch) diesen engstmöglichen Teil des Gesetzes erfassen, um dem VfGH die Möglichkeit zu geben, seine Aufhebungstätigkeit i.S. der vorstehenden Grundgedanken auszuüben."

Der Verfassungsgerichtshof hat daher in jenem Erkenntnis einen Gesetzesprüfungsantrag zurückgewiesen, der gesetzliche Bestimmungen in einem Umfang betraf, gegen die sich die vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht wendeten.

Überträgt man diese Rechtsauffassung auf die von der Kärntner Landesregierung angefochtenen §§11 Abs 3 und 17 Abs 2 AWG und liest man diese Bestimmungen in Zusammenhalt mit § 3 Abs 2 AWG, so folgt daraus, daß der Antrag der Kärntner Landesregierung auf Aufhebung der §§11 Abs 3 und 17 Abs 2 AWG zurückzuweisen ist:

§ 11 Abs 3 und § 17 Abs 2 AWG beziehen sich auf die getrennte Sammlung von Abfallmaterialien sowie auf Verwertungs- und Behandlungsgrundsätze für Abfälle beim Abbruch von Baulichkeiten. Beide Bestimmungen gelten jedenfalls für gefährliche Abfälle, wie sich einesteils aus der Zusammenschau des Abs 3 mit dem Abs 1 des § 11 AWG, andernteils auf Grund der faktischen Vermengung gefährlicher mit ungefährlichen Abfällen beim Abbruch von Baulichkeiten (im Sinne des § 17 Abs 2 AWG) ergibt. Die Geltung dieser Bestimmungen für nicht gefährliche Abfälle, - und nur darauf beziehen sich die verfassungsrechtlichen Bedenken der Kärntner Landesregierung -, folgt ausschließlich aus § 3 Abs 2 AWG, wonach "für nicht gefährliche

Abfälle ... dieses Bundesgesetz nur hinsichtlich der §§... 11 Abs 3,

... 17 Abs 2, ... (gilt)". Die beantragte Aufhebung der §§11 Abs 3 und 17 Abs 2 AWG, die sich jedenfalls auch auf gefährliche Abfälle beziehen, würde sohin Bestimmungen aus der Rechtsordnung eliminieren, gegen die sich die vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht richten. Der Gesetzesprüfungsantrag ist sohin insoweit unzulässig.

2. Zulässig ist hingegen der Antrag der Kärntner Landesregierung, die Z 3 und Z 6 des § 29 Abs 1 AWG als verfassungswidrig aufzuheben, weil sich der sachliche Geltungsbereich dieser Bestimmungen bereits ihrem Wortlaut nach (und auch unabhängig von § 3 Abs 2 AWG) auf "nicht gefährliche Abfälle" beschränkt. Den von der Kärntner Landesregierung geltend gemachten kompetenzrechtlichen Bedenken kann sohin - im Falle ihres Zutreffens - durch Aufhebung nur der Z 3 und Z 6 des § 29 Abs 1 AWG durch den Verfassungsgerichtshof Rechnung getragen werden.

3. Die Bedenken erweisen sich jedoch in der Sache als nicht gerechtfertigt:

a. Nach Meinung der Kärntner Landesregierung widerspricht die bundesgesetzliche Regelung der Genehmigung der Errichtung oder wesentlichen Änderung sowie der Inbetriebnahme von "Anlagen zur thermischen Verwertung oder sonstigen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen oder Altölen, ausgenommen zur stofflichen Verwertung, mit einer Jahreskapazität von mindestens 10.000 Tonnen" (so die Z 3 des § 29 Abs 1 AWG) sowie von "Deponien für nicht gefährliche Abfälle mit einem Gesamtvolumen von mindestens 100.000 m3" (so die Z 6 des § 29 Abs 1 AWG) der

bundesstaatlichen Kompetenzverteilung. Dies deshalb, weil es an dem gemäß Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG für die Regelungszuständigkeit des Bundesgesetzgebers hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle erforderlichen "Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften" fehle.

b. Gemäß Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG (in der Fassung der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1988, BGBl. 685) ist die "Abfallwirtschaft hinsichtlich gefährlicher Abfälle, hinsichtlich anderer Abfälle nur soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften vorhanden ist", Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung.

Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur B-VG-Novelle 1988 (607 BlgNR 17. GP, S. 8) ist zu entnehmen, "daß der Begriff der Abfallwirtschaft in einem umfassenden Sinne als die Summe aller Maßnahmen zur Vermeidung, Verminderung, Verwertung und schadlosen Behandlung sowie Beseitigung von Abfällen (aller Art) zu verstehen ist". Neben der Zuständigkeit für die Abfallwirtschaft hinsichtlich gefährlicher Abfälle soll eine Zuständigkeit des Bundes für sonstige, also nicht gefährliche Abfälle nur insoweit bestehen, als "ein - objektives - Bedürfnis nach einer bundeseinheitlichen Regelung besteht". Der Verfassungsgesetzgeber hat sohin die in VfSlg. 7792/1976 vom Verfassungsgerichtshof untersuchte Kompetenzlage hinsichtlich der Abfallbeseitigung von Grund auf verändert; er hat insbesondere den in jenem Erkenntnis dargestellten Annexcharakter des Abfallbeseitigungsrechtes aufgegeben. (So auch der Ausschußbericht, 817 BlgNR 17. GP, S. 2, dem entgegen Funk, Die neuen Umweltschutzkompetenzen des Bundes, in:

Walter (Hrsg.), Verfassungsänderungen 1988, 1989, S. 76 f, zu folgen ist, weil das Verständnis des Abfallrechtes als Annexmaterie mit der Schaffung eines neuen Kompetenztatbestandes "Abfallwirtschaft" in Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG ohne ausdrückliche Willensäußerung des Verfassungsgesetzgebers unverträglich erscheint. Vgl. auch Merli,

Zum Verhältnis von Bundes- und Landesrecht bei abfallwirtschaftsrechtlichen Anlagengenehmigungen, ÖZW 1991, S. 104 f.)

In den zitierten Erläuterungen (S. 9) ist weiter ausgeführt:

"Die Bedarfsregelungen in Art 10 Abs 1 Z 12 und Art 11 Abs 5 sind an das Vorliegen eines objektiven Bedarfes gebunden, der nach den Erfordernissen einer zweckentsprechenden Gestaltung der Rechtslage aus umweltpolitischer Sicht zu beurteilen ist. Ein solcher Bedarf kann sich ... etwa daraus (ergeben), daß die aus der derzeitigen terminologischen und begrifflichen Vielfalt im Bereich der Abfallregelungen sich ergebenden Probleme durch einheitliche Bestimmungen bereinigt werden sollen oder in sonstiger Weise einheitliche Standards (insbesondere im Hinblick auf die Umwelterfordernisse) erforderlich sind. Ein sachliches Erfordernis zur Erlassung einheitlicher Vorschriften wird etwa auch bezüglich der Abfallvermeidungsproblematik gegeben sein."

Im Bericht des Verfassungsausschusses (817 BlgNR 17. GP, S. 2) heißt es:

"Ein 'Bedürfnis' im Sinne des 'Abfallwirtschaftstatbestandes' wird jedenfalls anzunehmen sein, wenn die Situation auf dem Gebiet der Abfallwirtschaft in mehreren Bundesländern eine einheitliche Regelung nahelegt."

Dem Verfassungsgesetzgeber zufolge soll es sohin für die Inanspruchnahme der Bedarfskompetenz hinsichtlich anderer (also nicht gefährlicher) Abfälle durch den Bundesgesetzgeber nach Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG nicht - allein - auf dessen Gutdünken ankommen, sondern auf das objektive Bedürfnis nach zweckentsprechenden bundeseinheitlichen Regelungen, insbesondere aus umweltpolitischer Sicht.

Gleichwohl macht das Erfordernis eines objektiven Bedürfnisses nach Erlassung einheitlicher Vorschriften gemäß Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG die Auffassung des - einfachen - Bundesgesetzgebers darüber, ob die Abfallwirtschaft auch hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle einheitlicher Vorschriften bedarf, verfassungsrechtlich nicht unerheblich. Nur daraus, daß der Bundesgesetzgeber ein entsprechendes Bedürfnis nach einheitlichen Vorschriften im Wege ihrer Erlassung erst wahrnehmen muß, läßt sich nämlich umgekehrt ableiten, daß die Gesetzgebungskompetenz der Länder für die Abfallwirtschaft kraft Art 15 Abs 1 B-VG in Verbindung mit Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG hinsichtlich anderer (sohin nicht gefährlicher) Abfälle soweit aufrecht bleibt, als von der Bedarfskompetenz vom Bundesgesetzgeber kein Gebrauch gemacht wurde. Wäre die Bedarfskompetenz gemäß Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG ausschließlich objektiv zu verstehen, so wäre eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz der Länder nicht nur bei Inanspruchnahme durch den Bundesgesetzgeber, sondern auch dann ausgeschlossen, wenn sie vom Bundesgesetzgeber nicht wahrgenommen wird. Eine derartige Deutung des Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG widerspräche aber nicht nur dem herkömmlichen Verständnis einer Bedarfskompetenz als konkurrierender Zuständigkeit (des Bundes und der Länder), sondern auch dem Grundsatz einer föderalistischen Auslegung der Kompetenzverteilung (vgl. VfSlg. 2977/1956).

Für die Interpretation des Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG und die daraus sich ergebende Reichweite der Regelungszuständigkeit des Bundesgesetzgebers für die Abfallwirtschaft hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle kommt es sohin darauf an, daß der Bundesgesetzgeber für seine Regelung objektive, mithin sachlich nachvollziehbare Gründe ins Treffen führen kann, die seine Annahme eines Bedürfnisses "nach Erlassung einheitlicher Vorschriften" hinsichtlich anderer (als gefährlicher) Abfälle rechtfertigen. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn derartige Gründe für eine gleiche rechtliche Behandlung gefährlicher und nicht gefährlicher Abfälle sprechen.

c. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 29 AWG (1274 BlgNR 17. GP, S. 39 f) weisen darauf hin, daß es "im Interesse der Transparenz und der gehobenen Qualität der Verfahren ... in Hinkunft bei besonders wichtigen Behandlungsanlagen (Deponien ab einer bestimmten Größenordnung, Anlagen zur thermischen oder stofflichen Verwertung oder sonstigen Behandlung für gefährliche Abfälle, hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle Anlagen zur thermischen Verwertung und sonstigen Behandlung mit einer bestimmten Jahreskapazität) nur mehr ein eigenständiges abfallrechtliches Anlagenbewilligungsverfahren geben (soll)", wobei "gerade bei Anlagen von derartigen Größenordnungen ... eine Inanspruchnahme der Bedarfsgesetzgebungskompetenz des Bundes für Anlagen für nicht gefährliche Abfälle auf Grund der damit verbundenen multidimensionalen Effekte gerechtfertigt (erscheint)".

Im Gesetzesprüfungsverfahren äußerte die Bundesregierung ferner die Meinung, daß die Genehmigung von Abfallbehandlungsanlagen gemäß § 29 AWG in einem Verwaltungsverfahren erfolgen soll, "das von den Grundsätzen der Verfahrens- und Entscheidungskonzentration geprägt ist". Als Bezugsgröße für die in § 29 Abs 1 Z 3 AWG als Untergrenze genannte Jahreskapazität von 10.000 Tonnen bei Anlagen zur thermischen Verwertung oder sonstigen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen wurden laut Äußerung der Bundesregierung "Altölverfeuerungsanlagen und Zementanlagen, in denen Altreifen zugefeuert wurden, herangezogen. Diese sollten im Hinblick auf die Umwelterfordernisse einem bundeseinheitlichen Genehmigungsverfahren unterliegen." Die in § 29 Abs 1 Z 6 AWG normierte Einbeziehung von Deponien mit einem Gesamtvolumen von mindestens 100.000 m3 in das bundeseinheitliche Genehmigungsverfahren erfolgte "unter Bedachtnahme auf die Zielsetzungen des Abfallwirtschaftsgesetzes, die Deponierung von Abfällen auf das unbedingt erforderliche Ausmaß zu begrenzen und ... dafür einheitliche Standards festzulegen".

Der Bundesgesetzgeber hat bei Inanspruchnahme der Bedarfskompetenz nach Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG hinsichtlich der Genehmigung besonderer Abfallbehandlungsanlagen für nicht gefährliche Abfälle seine ihm verfassungsrechtlich eingeräumte Kompetenz nicht überschritten, weil er nach sachlich einsichtigen Kriterien, sohin in objektiv nachvollziehbarem Umfang eine Standardisierung und Vereinheitlichung des Rechtes der Abfallbehandlungsanlagen und ihrer Genehmigung unter Einbeziehung nicht gefährlicher Abfälle herbeiführte und dabei die abfallwirtschaftsrechtliche Kompetenz des Landesgesetzgebers, wie sie sich aus Art 15 in Verbindung mit Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG ergibt, lediglich im unbedingt erforderlichen Ausmaß zurückdrängte.

Der Einwand der Kärntner Landesregierung gegen die Regelung des

§29 Abs 1 Z 3 und Z 6 AWG, daß "den Ländern (dadurch) die

Möglichkeit genommen wird, den jeweiligen lokalen Gegebenheiten

Rechnung tragende Genehmigungsvoraussetzungen für

Abfallbehandlungsanlagen sowie Abfalldeponien bezüglich nicht

gefährlicher Abfälle zu treffen" und "damit ... ein wesentlicher

Teil der den Ländern zur Regelung vorbehaltenen Abfallwirtschaft

hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle ohne Notwendigkeit vom Bund

in Anspruch genommen" wird, ist nicht stichhältig: Es ist nicht nur

von der Sache her, also objektiv zu rechtfertigen, daß für

Abfallbehandlungsanlagen für gefährliche Abfälle ebenso wie - ab der

in den Z 3 und 6 des § 29 Abs 1 AWG genannten Größenordnung - für nicht

gefährliche Abfälle bundesgesetzlich einheitlich vorgeschriebene und

im Wege der Verordnung nach § 29 Abs 18 AWG von den zuständigen

Bundesministern zu konkretisierende "Standards" gelten; sondern es

bleiben daneben auch für Anlagen gemäß den Z 3 und 6 des § 29 Abs 1 AWG

entsprechend dem letzten Satz dieser Bestimmung landesrechtliche

Vorschriften unberührt, soweit sie nicht durch das bundesrechtlich

durch § 29 AWG vereinheitlichte Genehmigungsverfahren inhaltlich

ersetzt wurden (vgl. etwa die Erläuterungen zur Regierungsvorlage

zum AWG, 1274 BlgNR 17. GP, S. 27, wonach "die Regelungsbefugnis der

Länder zur Standortfestsetzung und zur diesbezüglichen Enteignung im

Hinblick auf Anlagen für nicht gefährliche Abfälle ... unberührt

(bleibt)", und dies. Erläuterungen, S. 39, 40, wonach "eine

Zurückdrängung anderer landesrechtlicher Vorschriften ... durch die

Inanspruchnahme der Bedarfsgesetzgebungskompetenz des Bundes hinsichtlich Anlagen für nicht gefährliche Abfälle nicht erfolgen (soll)"; "insbesondere soll auch die abfallwirtschaftliche Kompetenz der Länder nicht berührt werden und somit dem Landesgesetzgeber auch die Kompetenz zukommen, eine Eingrenzung der Entsorgungsgebiete vorzusehen." Im selben Sinn Raschauer, Landesgesetzgebungsbefugnis im Abfallrecht, ecolex 1991, S. 358; und Merli, Zum Verhältnis von Bundes- und Landesrecht bei abfallwirtschaftsrechtlichen Anlagengenehmigungen, ÖZW 1991, S. 106 ff; aA Schmelz, Abfallbehandlungsanlagen im Normenlabyrinth, ecolex 1991, S. 572 f).

d. Das von der Kärntner Landesregierung vorgetragene Bedenken, daß die Z 3 und Z 6 des § 29 Abs 1 AWG im Widerspruch zur bundesstaatlichen Kompetenzverteilung stehen, weil es diesbezüglich an einem "Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften" im Sinne des Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG fehle, trifft sohin nicht zu. Die Standardisierung der Genehmigungsvoraussetzungen und des Genehmigungsverfahrens für die Errichtung von Anlagen zur Verwertung, Behandlung, Deponierung von gefährlichen Abfällen sowie für die Errichtung entsprechender Anlagen für nicht gefährliche Abfälle ab einer bestimmten Größenordnung bildet ein in der Sache berechtigtes, daher objektiv nachvollziehbares Anliegen des Bundesgesetzgebers aus umweltpolitischer Sicht. Ein entsprechendes Bedürfnis ist schon deshalb als vorhanden zu erachten, weil dadurch die an sich differenzierten rechtlichen Voraussetzungen und Genehmigungsgrundsätze bei Anlagen für gefährliche Abfälle und bei Anlagen für nicht gefährliche Abfälle durchwegs zu verhältnismäßig gleichen Sicherheitsstandards führen, sodaß umgekehrt vermieden wird, daß das Anforderungsprofil an Anlagen für ungefährliche Abfälle im Verhältnis zu den gesetzlichen Anforderungen an Anlagen für gefährliche Abfälle länderweise erhebliche Unterschiede aufweist; weil ferner nur durch einheitliche bundesrechtliche Genehmigungsstandards die rechtliche Begünstigung oder Benachteiligung derartiger Anlagen von Bundesland zu Bundesland einschließlich der dadurch bewirkten Wettbewerbsverzerrungen und der dadurch möglicherweise ausgelösten unwirtschaftlichen Mülltransporte hintangehalten werden können.

Da die von der Kärntner Landesregierung gegen die Z 3 und Z 6 des § 29 Abs 1 AWG vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht zutreffen, war diesbezüglich der Antrag auf Aufhebung abzuweisen.