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VfGH vom 30.09.1993, g23/93

VfGH vom 30.09.1993, g23/93

Sammlungsnummer

13555

Leitsatz

Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsverfahrens trotz Vorliegen eines bloßen Kassationsbescheides im Anlaßverfahren; Beschwer im Anlaßverfahren gegeben; Präjudizialität der materiell-rechtlichen Norm; Aufhebung der Regelung über die Bewilligungspflicht der Facharzttätigkeit auf mehr als einem Sonderfach wegen Verstoßes gegen die Erwerbsausübungsfreiheit; kein öffentliches Interesse an der Ausübung einer solchen fachärztlichen Tätigkeit nur bei Vorliegen eines Bedarfs; bloßer Konkurrenzschutz

Spruch

Der erste und der zweite Satz des § 13 Abs 3 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1984 - ÄrzteG), Anlage 1 der Kundmachung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom , BGBl. Nr. 373/1984, mit der das Ärztegesetz wiederverlautbart wird, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 314/1987, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B251/92 eine auf Art 144 B-VG gegründete Beschwerde anhängig, die sich gegen einen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien wendet, mit welchem ein Bescheid der Österreichischen Ärztekammer gemäß § 66 Abs 2 AVG 1991 behoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Österreichische Ärztekammer zurückverwiesen worden war. Diese hatte mit dem behobenen Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers, er ist Facharzt für Innere Medizin, ihm gemäß § 13 Abs 3 Ärztegesetz 1984 (im folgenden: ÄrzteG 1984) die Ausübung der Facharzttätigkeit auch in dem Sonderfach "Lungenkrankheiten" zu bewilligen, abgelehnt.

2. Aus Anlaß der Beratung über die Beschwerde entstanden im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungskonformität der ersten beiden Sätze des § 13 Abs 3 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1984 - ÄrzteG), Anlage 1 der Kundmachung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom , BGBl. Nr. 373/1984, mit der das Ärztegesetz wiederverlautbart wird, idF BGBl. Nr. 314/1987, weshalb er beschloß, die Verfassungsmäßigkeit dieser beiden Sätze gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen zu prüfen.

3. § 13 ÄrzteG 1984 idF BGBl. Nr. 314/1987 - die in Prüfung gezogene Regelung ist hervorgehoben - lautet:

"§13. (1) Ärzte, die die Erfordernisse für die Ausübung des ärztlichen Berufes als Facharzt für ein Sonderfach der Heilkunde erfüllt haben (§3 Abs 2 und 4 sowie § 11), sind zur selbständigen Ausübung einer ärztlichen Berufstätigkeit als Facharzt auf diesem Teilgebiet der Heilkunde als Sonderfach berechtigt.

(2) Fachärzte haben ihre ärztliche Berufstätigkeit auf ihr Sonderfach zu beschränken. Dies gilt nicht für Tätigkeiten im Rahmen der betriebsärztlichen Betreuung im Sinne der §§22 ff des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972. Fachärzte eines klinischen Sonderfaches dürfen unter den Voraussetzungen des § 15 a in organisierten Notarztdiensten (Notarztwagen bzw. Notarzthubschrauber) fächerüberschreitend tätig werden.

(3) Die Ausübung der Facharzttätigkeit auf mehr als einem Sonderfach bedarf der Bewilligung der Österreichischen Ärztekammer. Eine solche Bewilligung darf nur einem freiberuflich tätigen Facharzt erteilt werden, wenn eine ausreichende fachärztliche Betreuung der Bevölkerung in dem für die Ausübung des betreffenden Sonderfaches in Aussicht genommenen Ort und dessen Einzugsgebiet nicht gewährleistet ist. Die Bewilligung ist zurückzunehmen, wenn der für die Erteilung maßgebend gewesene Bedarf nicht mehr vorhanden ist. Gegen den Bescheid der Österreichischen Ärztekammer steht die Berufung an den Landeshauptmann offen, in dessen Bereich die Tätigkeit ausgeübt werden soll."

4. Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem Prüfungsbeschluß vorläufig davon aus, daß die Beschwerde zulässig ist, daß die in Prüfung gezogene Regelung von der belangten Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendet wurde und daß auch er sie bei der Beurteilung der vorliegenden Beschwerde anzuwenden haben werde, sodaß das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig sein dürfte. Seine inhaltlichen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen umschrieb der Verfassungsgerichtshof folgendermaßen:

"Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen die ersten beiden Sätze des § 13 Abs 3 ÄrzteG das Bedenken, daß sie in das durch Art 6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung eingreifen. Sie errichten eine Schranke schon für den Zugang zu einer Erwerbstätigkeit, die der Betroffene, der alle subjektiven Voraussetzungen erfüllt, aus eigener Kraft nicht überwinden kann. Eine solche, durch eine Bedarfsprüfung errichtete Schranke stellt grundsätzlich einen schweren Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsausübungsfreiheit dar, der nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nur dann angemessen ist, wenn die die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkende gesetzliche Regelung durch das öffentliche Interesse geboten, geeignet, zur Zielerreichung adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist (vgl. VfSlg. 11558/1987 und G198,200/90 ua. jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

Gerade das öffentliche Interesse an und die sachliche Rechtfertigung der in Prüfung gezogenen Regelung aber scheinen dem Verfassungsgerichtshof im gegenständlichen Fall zu fehlen. Die in Rede stehende gesetzliche Vorschrift dürfte lediglich einem Konkurrenzschutz niedergelassener Ärzte vor umfangreicher qualifizierten Kollegen dienen. Der Regelung dürfte auch anzulasten sein, daß sie legitime Interessen der Patienten an einem Mehrfachangebot fachärztlicher Kenntnisse unberücksichtigt läßt. Sie scheint daher auch der fachärztlichen Versorgung der Bevölkerung abträglich zu sein. Warum Ärzte, die in mehr als einem der in § 6 der Ärzte-Ausbildungsordnung genannten klinischen Sonderfächer die nötigen Kenntnisse erworben haben, diese nicht als Facharzt für mehrere Bereiche anbieten und einsetzen dürfen, ist dem Verfassungsgerichtshof zunächst nicht einsichtig. Die in Prüfung gezogene Regelung führt dazu, daß ein Patient gezwungen wird, nacheinander verschiedene Fachärzte zu konsultieren, obwohl die fachlichen Voraussetzungen für die Behandlung von einem Arzt bereits erfüllt würden.

Der Verfassungsgerichtshof ist daher vorläufig der Ansicht, daß die in Prüfung gezogene Regelung gegen das Gleichheitsgebot und die Verfassungsvorschrift des Art 6 StGG verstößt."

5. Die Bundesregierung hat von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand genommen, hinsichtlich der Prozeßvoraussetzungen jedoch u.a. ausgeführt:

"... Die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen einen Bescheid setzt unter anderem ein Interesse des Beschwerdeführers an der Beseitigung des angefochtenen Bescheides voraus. Ein solches Interesse des Beschwerdeführers ist nur gegeben, wenn er durch den Bescheid beschwert ist. Das ist im Falle eines auf Antrag des Beschwerdeführers erlassenen Bescheides nur dann der Fall, wenn der Bescheid vom Antrag des Beschwerdeführers zu dessen Nachteil abweicht ... Dabei kommt es nicht auf die subjektive Beurteilung durch den Beschwerdeführer, sondern darauf an, ob bei Anlegung eines objektiven Maßstabes gesagt werden kann, daß der angefochtene Bescheid die Rechtsposition des Beschwerdeführers zu dessen Nachteil verändert (Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G842/88, und VfSlg. 12452/1990).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist ein Behebungsbescheid gemäß § 62 Abs 2 AVG ein rein verfahrensrechtlicher Bescheid (vgl. auch VwSlg. 5653 A/1961, 5934 A/1963), der die materielle Rechtslage unberührt läßt, und in ein anderes verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht als in das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht einzugreifen vermag (z.B. VfSlg. 3779/1960, 7555/1975, 9328/1982).

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Begehren des Beschwerdeführers im Ergebnis Rechnung getragen und jener behördliche Ausspruch beseitigt, durch dessen Inhalt sich der Beschwerdeführer beschwert erachtet (VfSlg. 10087/1984). Es dürfte aber auch keine Beschwer durch die Bindung an die Begründung des angefochtenen Bescheides eingetreten sein.

Aus der Durchführung einer Bedarfsprüfung allein wird in das durch Art 6 StGG geschützte Recht noch nicht eingegriffen, für einen Eingriff bedarf es vielmehr eines Bescheides, der die Ausübung des Berufes mangels Bedarfes untersagt. Es ist nämlich durchaus möglich, daß als Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens hervorkommt, daß eine ausreichende fachärztliche Betreuung der Bevölkerung an dem für die Ausübung des betreffenden Sonderfaches in Aussicht genommenen Ort nicht gewährleistet ist und daher die Ausübung der Facharzttätigkeit auch im zweiten Sonderfach zu genehmigen wäre. Der Beschwerdeführer könnte in diesem Fall nicht behaupten, in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt zu sein.

... Mit seinem Zuwarten würde der Beschwerdeführer auch nicht Gefahr laufen, daß die Bindungswirkung des kassatorischen Bescheides den Verfassungsgerichtshof daran hindern würde, gemäß Art 144 B-VG den im zweiten Rechtsgang ergehenden, allenfalls grundrechtswidrigen Bescheid aufzuheben bzw. dieses Verfahren zu unterbrechen und ein Gesetzesprüfungsverfahren gemäß Art 140 B-VG einzuleiten.

Die Bindungswirkung eines Bescheides bezieht sich nämlich nur auf den Spruch (vgl. das Erkenntnis VfSlg. 5542/1967). Unanfechtbar werden könnte daher nur die Feststellung der Berufungsbehörde, die Ärztekammer habe keine Ermittlungen darüber geführt, ob eine ausreichende fachliche Betreuung der Bevölkerung in dem für die Ausübung des betreffenden Sonderfaches in Aussicht genommenen Ort und dessen Einzugsgebiet gewährleistet sei und daß ein solches Ermittlungsverfahren daher durchzuführen sein wird. Nicht abgesprochen wurde im Berufungsbescheid darüber, ob der Bedarf nach Ausübung des betreffenden Sonderfaches in dem in Aussicht genommenen Ort besteht. Diesbezüglich kann daher auch keine Bindungswirkung entstehen, sodaß der Bekämpfung eines hierüber absprechenden zweitinstanzlichen Bescheides nichts entgegenstünde. Im übrigen müßte sich dieser Bescheid auf § 13 Abs 3 des Ärztegesetzes 1984 stützen, sodaß eine Beschwerde gemäß Art 144 B-VG gegen diesen Bescheid dem Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit bieten würde, ein Verfahren gemäß Art 140 B-VG einzuleiten, zumal der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 11719/1988 hinsichtlich der Bindungswirkung eines Vorstellungsbescheides erkannt hat, daß diese ihn nicht daran hindere, die dem (ersten und dem zweiten) Vorstellungsbescheid zugrundeliegenden - und daher im Sinne des Art 140 Abs 1 B-VG anzuwendenden - Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen (vgl. auch die in diesem Erkenntnis zitierte Vorjudikatur).

Diese Erkenntnisse scheinen davon auszugehen, daß eine möglicherweise sonst vorliegende Bindungswirkung den Verfassungsgerichtshof in der Beurteilung verfassungsrechtlicher Fragen nicht binden kann. Der Beschwerdeführer wird daher auch in seinem Rechtsschutzbedürfnis nicht verletzt, wenn erst die Beschwerde gegen einen die Bewilligung allenfalls verweigernden Bescheid des Landeshauptmannes zugelassen wird.

Dafür sprechen auch Überlegungen der Prozeßökonomie und das Anliegen, zu verhindern, daß ein schlußendlich nicht beschwerter Beschwerdeführer ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof führt.

... Wenn aber die Beschwerdelegitimation des Antragstellers im gegenwärtigen Verfahrensstadium fehlt, wäre die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde zurückzuweisen. In diesem Fall wäre aber § 13 Abs 3 erster und zweiter Satz des Ärztegesetzes 1984 nicht anzuwenden und es erhebt sich die Frage, ob das Gesetzesprüfungsverfahren nicht einzustellen wäre."

6. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

6.1. Zur Zulässigkeit:

6.1.1. Entgegen der Ansicht der Bundesregierung, daß dem Beschwerdeführer im Anlaßbeschwerdeverfahren die Beschwerdelegitimation fehle, weil durch den angefochtenen Bescheid jener behördliche Ausspruch, durch dessen Inhalt sich der Beschwerdeführer beschwert erachte, beseitigt worden sei, ist der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid tatsächlich beschwert. Dieser weicht nämlich zum Nachteil des Beschwerdeführers von dessen Berufungsantrag ab. Denn wie sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt, hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den abweislichen Bescheid der Österreichischen Ärztekammer den Antrag gestellt, "die Berufungsbehörde wolle der Berufung Folge geben und den angefochtenen Bescheid im Sinne einer Genehmigung des Ansuchens abändern." Da die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid zwar behoben, nicht aber in der Sache selbst zugunsten des Beschwerdeführers entschieden, sondern die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Behörde erster Instanz verwiesen hat, kann nicht davon gesprochen werden, daß - wie die Bundesregierung unzutreffenderweise meint - "dem Begehren des Beschwerdeführers im Ergebnis Rechnung getragen (wurde)". Das aber heißt, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid jedenfalls (formell) beschwert ist. Dazu kommt, daß im Anlaßverfahren die Zurückverweisung unter Zugrundelegung einer Norm erfolgte, die ihn mit einer Bedarfsprüfung belastet; auch insofern ist eine Beschwer offensichtlich gegeben.

6.1.2. Der Verfassungsgerichtshof wird daher in der Sache zu entscheiden haben. Die Annahme des Verfassungsgerichtshofes in seinem Einleitungsbeschluß, daß die in Prüfung gezogene Regelung von der belangten Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendet wurde und daß auch er sie bei der Beurteilung der vorliegenden Beschwerde anzuwenden haben werde, trifft ebenfalls zu. Aus der Feststellung der Berufungsbehörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides, daß die Österreichische Ärztekammer "keine Ermittlungen darüber geführt (hat), ob eine ausreichende fachärztliche Betreuung der Bevölkerung in dem für die Ausübung des betreffenden Sonderfaches in Aussicht genommenen Ort und dessen Einzugsgebiet gewährleistet oder nicht gewährleistet ist" und daß nach Ansicht der Berufungsbehörde "die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens im Hinblick auf die Ausübung des betreffenden zweiten Sonderfaches wesentlich gewesen" wäre, erhellt, daß bei der Erlassung des angefochtenen verfahrensrechtlichen Bescheides gemäß § 66 Abs 2 AVG auch die maßgebliche materielle Vorschrift mitangewendet wurde, nämlich die in Prüfung gezogenen ersten beiden Sätze des § 13 Abs 3 ÄrzteG 1984.

6.1.3. Da die beim Verfassungsgerichtshof zu B251/92 anhängige Beschwerde zulässig ist und da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist das von Amts wegen eingeleitete Verfahren zur Prüfung der genannten Gesetzesbestimmung zulässig.

6.2. In der Sache:

6.2.1. § 13 Abs 3 ÄrzteG 1984 sieht in seinen ersten beiden Sätzen vor, daß einem freiberuflich tätigen Facharzt die Ausübung der Facharzttätigkeit auf mehr als einem Sonderfach nur dann von der Österreichischen Ärztekammer bewilligt werden darf, wenn eine ausreichende fachärztliche Betreuung der Bevölkerung in dem für die Ausübung des betreffenden Sonderfaches in Aussicht genommenen Ort und dessen Einzugsgebiet nicht gewährleistet ist.

Diese - in Prüfung gezogenen - Bestimmungen beschränken sohin Fachärzte, welche die subjektiven Voraussetzungen für die Ausübung ihres Berufes auf mehr als einem Sonderfach aufweisen, hinsichtlich des Umfanges ihrer ärztlichen Tätigkeit und greifen insofern in das Recht auf freie Berufsausübung ein.

6.2.2. Der Gesetzgeber ist nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 3968/1961, 4011/1961, 5871/1968, 9233/1981) durch Art 6 StGG ermächtigt, die Ausübung der Berufe dergestalt zu regeln, daß sie unter gewissen Voraussetzungen erlaubt oder unter gewissen Umständen verboten ist (also auch den Erwerbsantritt behindernde Vorschriften zu erlassen), sofern er dadurch den Wesensgehalt des Grundrechtes nicht verletzt und die Regelung auch sonst nicht verfassungswidrig ist.

Eine gesetzliche Regelung, welche die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkt, ist nur zulässig, wenn das öffentliche Interesse sie gebietet, sie zur Zielerreichung geeignet und adäquat ist und sie auch sonst sachlich gerechtfertigt werden kann (vgl. zB VfSlg. 10179/1984, 10386/1985, 10932/1986, 11276/1987, 11483/1987, 11494/1987, 11503/1987, 11749/1988, G198,200/90 ua., ).

Errichtet das Gesetz eine Schranke schon für den Zugang zu einer Erwerbstätigkeit, die der Betroffene, der alle subjektiven Voraussetzungen erfüllt, aus eigener Kraft nicht überwinden kann - eine Schranke, wie sie etwa die Bedarfsprüfung darstellt -, so liegt grundsätzlich ein schwerer Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsausübungsfreiheit vor, der nur angemessen ist, wenn dafür besonders wichtige öffentliche Interessen sprechen und wenn keine Alternativen bestehen, um den erstrebten Zweck in einer gleich wirksamen, aber das Grundrecht weniger einschränkenden Weise zu erreichen (vgl. auch hiezu die oben zitierte Rechtsprechung).

6.2.3. Dem in seinem Prüfungsbeschluß geäußerten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, daß gerade das öffentliche Interesse an und die sachliche Rechtfertigung der in Prüfung gezogenen Regelung im gegenständlichen Fall zu fehlen scheine, ist die Bundesregierung argumentativ nicht entgegengetreten. Auch sonst ist im Verfahren nichts hervorgekommen, was die in Prüfung gezogene Regelung sachlich rechtfertigen könnte oder sie vom Standpunkt des öffentlichen Interesses aus notwendig machen würde.

Ein öffentliches Interesse an einer flächendeckenden, qualifizierten (fach-)ärztlichen Versorgung der Bevölkerung ist wohl - wie der VfGH mit Erk. vom G198,200/90 ua. und G338/91 ausgesprochen hat - zu bejahen. Es sieht § 13 Abs 1 ÄrzteG 1984 für Ärzte mit einer Qualifikation für ein Sonderfach unabhängig vom Vorliegen eines Bedarfes keine behördliche Bewilligung bei der Ausübung ihres Berufes vor, und zwar selbst dann nicht, wenn ein ausreichendes Angebot an entsprechenden fachärztlichen Leistungen bereits besteht. Auch für die Ausübung einer fachärztlichen Tätigkeit in mehreren Sonderfächern ist eine nur bei Vorliegen eines Bedarfes zu erteilende behördliche Bewilligung nicht im öffentlichen Interesse gelegen. Sachliche Gründe, die eine Bewilligungspflicht rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar; solche wurden auch nicht behauptet. Die dennoch vorgesehene Bedarfsprüfung zielt somit - wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Einleitungsbeschluß bereits angenommen hat - offensichtlich auf einen Konkurrenzschutz für niedergelassene Ärzte, die ihre Facharzttätigkeit auf bloß einem Sonderfach ausüben, vor Ärzten mit mehrfacher Qualifikation zum Facharzt ab. Sie dient somit nicht dem öffentlichen Interesse an einer qualifizierten (fach-)ärztlichen Versorgung der Bevölkerung, weil sie in mehr als einem Sonderfach qualifizierten Ärzten nur bei Vorliegen des Bedarfes ermöglicht, ihre spezifischen Qualifikationen zum Nutzen der Bevölkerung einzusetzen.

Die in Prüfung gezogene Regelung ist auch unsachlich, weil sie Patienten zwingt, auch dann, wenn die von ihnen konsultierten Fachärzte die fachliche Qualifikation besäßen, ihren Beruf auf mehr als einem Sonderfach auszuüben, die allenfalls notwendige Behandlung durch einen weiteren Facharzt in Anspruch zu nehmen; die von der Regelung betroffenen Ärzte werden also tatsächlich zu Lasten der Patienten benachteiligt. Eine Rechtfertigung dafür ist nicht zu finden.

Die ersten beiden Sätze des § 13 Abs 3 ÄrzteG 1984 waren daher als verfassungswidrig aufzuheben.

Die übrigen Aussprüche stützen sich auf Art 140 Abs 5 und 6

B-VG.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.