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VfGH vom 23.06.2004, G228/03

VfGH vom 23.06.2004, G228/03

Sammlungsnummer

17242

Leitsatz

Aufhebung der eine sukzessive Gerichtszuständigkeit bei Verneinung eines Entschädigungsanspruches durch die Verwaltungsbehörde ausschließenden Worte einer Bestimmung des Bgld Naturschutz- und Landschaftspflegegesetzes wegen Widerspruchs zur EMRK; Erfordernis der Entscheidung durch ein Tribunal auf Grund Vorliegens eines civil rights

Spruch

Die Worte "der Höhe" in § 48 Abs 6 erster Satz des Gesetzes vom über den Schutz und die Pflege der Natur und Landschaft im Burgenland (Burgenländisches Naturschutz- und Landschaftspflegegesetz - NG 1990), LGBl. Nr. 27/1991, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Die aufgehobenen Teile der Bestimmung sind nicht mehr anzuwenden.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Landeshauptmann von Burgenland ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl B1749/02 eine Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1. Mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück Nr. 5757/114, KG Neusiedl am See, unter Berufung auf § 3 der Natur- und Landschaftsschutzverordnung Neusiedlersee, LGBl. Nr. 22/1980, in Verbindung mit § 5 lita Z 1, § 6 Abs 1 litb sowie § 81 Abs 2, 5 und 6 des Burgenländischen Naturschutz- und Landschaftspflegegesetzes, LGBl. Nr. 27/1991 (idF: NG 1990) abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis vom , Z 2000/10/0059 als unbegründet abgewiesen.

2. Am stellte der Beschwerdeführer bei der Burgenländischen Landesregierung einen Entschädigungsantrag gemäß § 48 NG 1990 für die ihm durch die Abweisung des Antrages auf naturschutzbehördliche Bewilligung entstandenen vermögensrechtlichen Nachteile. Die Burgenländische Landesregierung wies diesen Antrag mit Bescheid vom als unbegründet ab, da § 48 NG 1990 nur Vermögensnachteile betreffe, die durch eine Schutzgebietsausweisung bzw. sonstige Maßnahmen zum Schutz von Pflanzen und Tieren oder geschützten Gebieten entstünden. Da es sich im vorliegenden Fall um die Abweisung eines gemäß § 5 lita Z 1 NG 1990 genehmigungspflichtigen Vorhabens handle, finde § 48 leg. cit. keine Anwendung. Die genannte Bestimmung gelte nicht für Entschädigungsansprüche im Hinblick auf Bescheide, mit denen naturschutzbehördliche Genehmigungsansuchen abgewiesen worden seien.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK), sowie die Verfassungswidrigkeit von § 18a Burgenländisches Raumplanungsgesetz und von § 13 Abs 1 und § 48 NG 1990 behauptet. Der bekämpfte Bescheid sei willkürlich ergangen; vor dem Beitritt Österreichs zur EU und der "Übernahme des Natura 2000-Netzwerkes" habe es in der betreffenden Siedlung niemals Einwände gegen die Errichtung von Wohn- und Ferienhäusern gegeben. Es sei eine Auswirkung dieser verschärfenden neuen Rechtslage, dass erstmalig die widmungsgemäße Nutzung einer Liegenschaft unter Bezugnahme auf EU-Richtlinien versagt worden sei. Die Bestimmung des § 48 Abs 1 lita NG 1990 sei daher im vorliegenden Fall anzuwenden, andernfalls sei die Regelung verfassungswidrig. In den mit dem bekämpften Bescheid im Zusammenhang stehenden abweisenden Naturschutzbescheiden fänden sich wiederholt Verweise auf das Naturschutzgebiet und den geschützten Lebensraum, in dem sich das Grundstück Nr. 5757/114 befinde. Es sei verwunderlich, dass diese Rechtsgrundlagen von der belangten Behörde nicht in Erwägung gezogen worden seien. Deren Vorgangsweise komme einer Enteignung gleich; § 18a Burgenländisches Raumplanungsgesetz sei verfassungswidrig; die darin normierte Möglichkeit einer Widmungsänderung mittels eines vereinfachten Verfahrens verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz und den Grundsatz der Unversehrtheit des Eigentums. Gemäß § 48 Abs 1 litc NG 1990 sei dem Grundeigentümer durch die Landesregierung eine Entschädigung zu leisten, wenn ihm "durch Anordnung zur Pflege geschützter oder beeinträchtigter Gebiete" vermögensrechtliche Nachteile entstünden. Der die geplanten Baumaßnahmen abweisende Naturschutzbescheid sei als solche "angeordnete Maßnahme" zu sehen. Bei einer praxisnahen Beurteilung der Regelung des § 48 leg. cit. bedürfe es einer den Entschädigungswerber unterstützenden Auslegung. Die Bestimmung sei sowohl hinsichtlich der Frist von 2 Jahren zur Antragstellung als auch wegen der "angemaßten Zuständigkeit der Landesregierung zur Entscheidung über den Entschädigungsanspruch" verfassungswidrig. § 13 Abs 1 NG 1990 sei "gesetzwidrig", weil er Verbote hinsichtlich eines lediglich als "Umgebung" definierten Gebietes aufstelle und das Verhalten der Behörde nicht ausreichend determiniere.

II. 1. Aus Anlass der Beschwerde zu B1749/02 hat der Verfassungsgerichtshof am gemäß Art 140 Abs 1 B-VG beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit der Worte "der Höhe" in § 48 Abs 6 erster Satz des Gesetzes vom über den Schutz und die Pflege der Natur und Landschaft im Burgenland (Burgenländisches Naturschutz- und Landschaftspflegegesetz - idF: NG 1990), LGBl. Nr. 27/1991, von Amts wegen zu prüfen.

2. § 48 NG 1990, LGBl. Nr. 27/1991 in der Fassung LGBl. Nr. 31/2001 lautet (die hiermit aufgehobene Wortfolge ist hervorgehoben; der diese beinhaltende Abs 6 steht in der Stammfassung LGBl. Nr. 27/1991 in Geltung):

"Entschädigung und Einlösung

§48. (1) Wenn keine Vereinbarung mit dem Grundeigentümer getroffen werden kann (§4 Abs 3), ist in nachstehenden Fällen bei einer erheblichen Minderung des Ertrages oder einer nachhaltigen Erschwernis der Wirtschaftsführung oder bei Unzulässigkeit oder wesentlichen Einschränkungen der Bewirtschaftungs- oder Nutzungsmöglichkeiten dem Eigentümer von der Landesregierung auf Antrag eine Entschädigung der hiedurch entstehenden vermögensrechtlichen Nachteile zu leisten:

a) bei Erklärung oder im Verfahren zur Erklärung von Gebieten zu geschützten Feuchtgebieten (§7 Abs 3), zu Naturschutzgebieten (§§21, 55 Abs 1), von Lebensraumtypen zu geschützten Lebensräumen (§22 a Abs 3 lita), von Gebieten zu Europaschutzgebieten (§22 b), von Kleinbiotopen zu Naturdenkmalen (§§27 Abs 1 litb, 28 Abs 1), von Naturhöhlen zu besonders geschützten Naturhöhlen (§§38, 55 Abs 1);

b) durch Maßnahmen zum besonderen Pflanzen- und Tierartenschutz (§§15a Abs 3, 16 Abs 3 sowie auf Grund von Entwicklungs- und Pflegeplänen (§22c Abs 3));

c) durch Anordnungen zur Pflege geschützter oder beeinträchtigter Gebiete (§§46 Abs 3, 47 Abs 3 bis 5).

Bei der Bemessung der Höhe der Entschädigung sind wirtschaftliche Vorteile, die sich aus der naturschutzbehördlichen Maßnahme ergeben, zu berücksichtigen.

(2) Verliert ein Grundstück oder eine Anlage durch Auswirkungen einer Verordnung oder eines Bescheides in den in Abs 1 lita bis c genannten Fällen seine dauernde Nutzbarkeit und ist Abs 1 nicht anwendbar, so sind sie, wenn eine Vereinbarung nach Abs 9 nicht zustande kommt, auf Antrag des Grundeigentümers durch Einlösung in das Eigentum des Landes zu übernehmen.

(3) Der Antrag auf Entschädigung gemäß Abs 1 ist vom Grundeigentümer bei sonstigem Anspruchsverlust, innerhalb von zwei Jahren nach rechtswirksamer Aufkündigung der Vereinbarung oder nach Ablauf des in Anspruch genommenen Förderungsprogramms des Landes, des Bundes oder der Europäischen Union, oder nach dem Inkrafttreten der Verordnung, nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides oder nach Verlautbarung eines Entwicklungs- oder Pflegeplanes im Landesamtsblatt für das Burgenland bei der Landesregierung einzubringen. Die Landesregierung hat über das Bestehen des Anspruches und über die Höhe der Entschädigung mit Bescheid zu entscheiden.

(4) Zur Sicherung des Bestandes eines Feuchtgebietes, eines Naturschutzgebietes oder eines Kleinbiotopes als Naturdenkmal oder einer besonders geschützten Naturhöhle kann die Landesregierung erforderlichenfalls die in Betracht kommenden Grundstücke zu Gunsten des Landes einlösen. Die Landesregierung hat, wenn eine gütliche Einigung nicht zustande kommt, über die Notwendigkeit der Einlösung und über die Höhe des Einlösungsbetrages mit Bescheid zu entscheiden.

(5) Bei Einlösung von Grundstücken oder Anlagen richtet sich die Höhe des Einlösungsbetrages nach dem Verkehrswert des Grundstückes oder der Anlage vor Inkrafttreten der Verordnung oder Rechtskraft des Bescheides. Werterhöhende Investitionen, die nachher vorgenommen werden, sind nicht zu berücksichtigen.

(6) Der Berechtigte kann innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft eines gemäß Abs 3 oder 4 erlassenen Bescheides bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel das Grundstück oder die Anlage gelegen ist, die Festsetzung der Höhe der Entschädigung oder des Einlösungsbetrages beantragen. Mit dem Einlangen des Antrages bei Gericht tritt der Bescheid der Landesregierung hinsichtlich der Festsetzung der Entschädigung oder des Einlösungsbetrages außer Kraft. Der Antrag kann nur mit Zustimmung der Landesregierung zurückgezogen werden. In diesem Falle gilt die im Bescheid bestimmte Entschädigung oder der Einlösungsbetrag als vereinbart. Die Stellung eines neuerlichen Antrages an das Gericht ist unzulässig.

(7) Für das Verfahren findet, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, § 17 Abs 8 bis 11 Burgenländisches Raumplanungsgesetz sinngemäß Anwendung.

(8) Soweit keine anderen Mittel herangezogen werden können, sind Entschädigungen oder Einlösungsbeträge aus Mitteln des Landes nach Maßgabe des jeweiligen Voranschlages zu leisten.

(9) Eine gütliche Einigung kann vom Berechtigten oder vom Grundstückseigentümer spätestens innerhalb von sechs Monaten nach dem Inkrafttreten der Verordnung oder nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides bei der Landesregierung begehrt werden. Kommt eine solche innerhalb von sechs Monaten nicht zustande, ist die Einlösung des Grundstückes oder der Anlage bei Vorliegen der Voraussetzungen innerhalb weiterer sechs Monate vorzunehmen."

3. Im Einleitungsbeschluss vom ging der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass die zu B1749/02 protokollierte Beschwerde zulässig ist, und er die aufgehobene Bestimmung bei der Beurteilung der Frage anzuwenden hätte, ob er zur Entscheidung über die Beschwerde zuständig ist oder ob er diese wegen einer allenfalls gegebenen sukzessiven Zuständigkeit der Gerichte zurückzuweisen hätte.

4. Seine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "der Höhe" in § 48 Abs 6 erster Satz NG 1990 legte der Verfassungsgerichtshof folgendermaßen dar:

"Aus Anlass der Behandlung der Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof ähnliche Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung genommenen Wortfolge des § 48 Abs 6 NG 1990 entstanden, die ihn im Erkenntnis vom , G117/02, G74/00, zur Aufhebung zweier gleich lautender Wortfolgen in § 34 Abs 5 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 veranlasst haben:

Gemäß § 48 Abs 1 NG 1990 ist dem Grundeigentümer von der Landesregierung bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen eine Entschädigung für jene vermögensrechtlichen Nachteile zu leisten, welche durch die in lita-c genannten naturschutzbehördlichen Maßnahmen entstehen können. Bei der Bemessung der Höhe der Entschädigung sind gemäß § 48 Abs 1 letzter Satz leg. cit. wirtschaftliche Vorteile, die sich aus der jeweiligen naturschutzbehördlichen Maßnahme ergeben, zu berücksichtigen.

§ 48 Abs 3 leg. cit. sieht vor, dass der Antrag auf Entschädigung gemäß Abs 1 vom Grundeigentümer bei sonstigem Anspruchsverlust innerhalb von zwei Jahren nach einem in der Bestimmung jeweils näher genannten, im Zusammenhang mit den Voraussetzungen für den Entschädigungsanspruch in § 48 Abs 1 lita-c stehenden, Zeitpunkt bei der Burgenländischen Landesregierung einzubringen ist. Diese hat daraufhin über das Bestehen des Anspruches und über die Höhe der Entschädigung mit Bescheid zu entscheiden.

Zur Entscheidung über das Bestehen des Entschädigungsanspruches dem Grunde nach scheint dabei jeweils sowohl die Beurteilung zu gehören,

* ob es sich beim betreffenden Antragsteller um den Grundeigentümer handelt (§48 Abs 3 erster Satz NG 1990),

* ob im konkreten Fall einer der in § 48 Abs 1 lita-c genannten Tatbestände vorliegt (Erklärung oder Verfahren zur Erklärung von Gebieten zu geschützten Feuchtgebieten, zu Naturschutzgebieten, von Lebensraumtypen zu geschützten Lebensräumen, von Gebieten zu Europaschutzgebieten, von Kleinbiotopen zu Naturdenkmalen und von Naturhöhlen zu besonders geschützten Naturhöhlen; Maßnahmen zum besonderen Pflanzen- und Tierartenschutz und auf Grund von Entwicklungs- und Pflegeplänen, Anordnungen zur Pflege geschützter oder beeinträchtigter Gebiete),

* ob die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 leg. cit. gegeben sind (keine Vereinbarung mit dem Grundeigentümer, erhebliche Minderung des Ertrages oder nachhaltige Erschwernis der Wirtschaftsführung bzw. Unzulässigkeit oder wesentliche Einschränkungen der Bewirtschaftungs- oder Nutzungsmöglichkeiten sowie dadurch entstehende vermögensrechtliche Nachteile) und

* ob der Anspruch auf Entschädigung noch weiter besteht oder ob der Grundeigentümer seinen Entschädigungsanspruch in Folge verspäteter Antragstellung (§48 Abs 3 NG 1990) verloren hat.

Der Verfassungsgerichtshof geht nun im Hinblick auf die in Prüfung gezogene Wortfolge des § 48 Abs 6 erster Satz NG 1990, insbesondere bei deren Vergleich mit § 48 Abs 3 letzter Satz leg. cit. ('Die Landesregierung hat über das Bestehen des Anspruches und über die Höhe der Entschädigung mit Bescheid zu entscheiden') sowie unter Bedachtnahme auf das hg. Erkenntnis vom , G117/02, G74/00, auch im vorliegenden Fall vorläufig davon aus, dass der Grundeigentümer das Gericht gemäß § 48 Abs 6 erster Satz leg. cit. nur gegen die Festsetzung der Höhe der Entschädigung, nicht aber auch - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung der Behörde, dass der konkrete Sachverhalt unter keinen der Entschädigungstatbestände des § 48 NG 1990 zu subsumieren ist und der geltend gemachte Anspruch daher dem Grunde nach gar nicht besteht, oder z.B. auch gegen den Ausspruch, dass der Entschädigungsanspruch in Folge verspäteter Antragstellung verloren gegangen ist, anrufen darf.

Der Bestimmung des § 48 Abs 6 erster Satz NG 1990 dürfte daher nach der vorläufigen Auffassung des Gerichtshofes der Inhalt beizumessen sein, dass diese grundsätzlich die Anrufung des Gerichtes gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde, es bestehe dem Grunde nach kein Entschädigungsanspruch, weil keiner der Entschädigungstatbestände des § 48 NG 1990 vorliege, ausschließt. Sollte das Gesetzesprüfungsverfahren aber ergeben, dass die Bestimmung diesbezüglich einer verfassungskonformen Interpretation - ähnlich wie sie in den Erkenntnissen VfSlg. 13.807/1994 bezüglich § 28 Abs 4 Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982 und VfSlg. 13.979/1994 bezüglich § 25 Sbg ROG 1992 vorgenommen wurde - zugänglich ist, so dürfte sie aber jedenfalls - unabhängig vom hier zugrunde liegenden Anlassfall (eine im Beschwerdeverfahren nach Art 144 B-VG präjudizielle Bestimmung ist vom Verfassungsgerichtshof losgelöst von den Aspekten des Anlassfalles in jeder Hinsicht auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen: vgl. z.B. VfSlg. 14.231/1995) und vergleichbar der dem genannten Erkenntnis zu G117/02, G74/00 zugrunde liegenden Rechtslage - auch ein Anrufen des Gerichtes gegen eine Entscheidung der Behörde, dass infolge verspäteter Antragstellung gemäß § 48 Abs 3 leg. cit. der Verlust des Entschädigungsanspruches eingetreten ist, nicht zulassen.

Der Verfassungsgerichtshof hegt daher auch im vorliegenden Fall gegen die in Prüfung genommene Bestimmung das Bedenken, dass sie Art 6 EMRK aus folgenden Gründen widerspricht:

Gemäß Art 6 Abs 1 EMRK muss über 'civil rights', somit auch über den in § 48 Abs 1 NG 1990 vorgesehenen Entschädigungsanspruch - dem Grunde und der Höhe nach - von einem 'unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht ('Tribunal')' entschieden werden. Ein solches ist die Burgenländische Landesregierung nicht. Die nachprüfende Kontrolle der Entscheidungen einer nicht als 'Tribunal' eingerichteten Behörde über Enteignungsentschädigungen durch den Verwaltungsgerichtshof (gegebenenfalls gemeinsam mit deren Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof) genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art 6 EMRK nicht (siehe VfSlg. 11.762/1988, 11.760/1988). Diese Rechtsprechung ist auf Entscheidungen über Ansprüche auf Entschädigungen für Eigentumsbeschränkungen - wie sie hier in Rede stehen - zu übertragen.

Die Entscheidung über die Frage, ob ein vom Grundeigentümer geltend gemachter Anspruch grundsätzlich unter einen der Entschädigungstatbestände des § 48 NG 1990 zu subsumieren ist, scheint eine Entscheidung über ein 'civil right' zu bedeuten, die daher von einem 'Tribunal' entschieden werden müsste. Dasselbe dürfte für den - hier nicht zugrunde liegenden, jedoch zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Norm ebenfalls einzubeziehenden - Fall gelten, dass der Grundeigentümer einen ihm nach dem Gesetz grundsätzlich zukommenden Anspruch in Folge verspäteter Antragstellung verloren hat, wobei der Verfassungsgerichtshof auch hier vorläufig davon ausgeht, dass es sich bei der Frist gemäß § 48 Abs 3 erster Satz leg. cit. - nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ('bei sonstigem Anspruchsverlust') - um eine Ausschlussfrist zur Geltendmachung des Anspruches und somit nicht um eine verfahrensrechtliche, sondern um eine materiellrechtliche Frist handelt (vgl. auch VwGH 93/06/0053 vom ).

3. Zum Prüfungsumfang:

Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass er im Falle der Verfassungswidrigkeit von Gesetzesbestimmungen diese in einem Umfang aufzuheben hat, dass die Verfassungswidrigkeit beseitigt wird, dass dabei aber einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden werden soll, als Voraussetzung für die Entscheidung im Anlassfall ist, und andererseits der verbleibende Teil des Gesetzes eine möglichst geringe Veränderung seiner Bedeutung erfährt. Dabei hat der Verfassungsgerichtshof in jedem einzelnen Fall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor anderen gebührt (vgl. etwa VfSlg. 11.190/1986). Diese Judikatur beruht auf dem Grundgedanken, dass ein Gesetzesprüfungsverfahren dazu führen soll, die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit - wenn sie tatsächlich vorliegt - zu beseitigen, dass aber der nach Aufhebung verbleibende Teil des Gesetzes möglichst nicht mehr verändert werden soll, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist (vgl. VfSlg. 8461/1978, 8806/1980 ua.).

Wendet man diese Gedanken auf den vorliegenden Fall an, so scheint die vorläufig angenommene Verfassungswidrigkeit der Entschädigungsregelung des NG 1990 im Hinblick auf das Erkenntnis G117/02, G74/00 vom einerseits durch die Aufhebung der in Prüfung gezogenen Wortfolge 'der Höhe' in § 48 Abs 6 erster Satz leg. cit. beseitigt werden zu können, da bereits ein dermaßen abgegrenzter Aufhebungsumfang die sukzessive Gerichtszuständigkeit auch für Entscheidungen der Landesregierung über die Entschädigung dem Grunde nach eröffnen dürfte; unter die im Falle der Aufhebung verbleibende Wortfolge 'Festsetzung der Entschädigung' dürfte dabei auch die Entscheidung über das Vorliegen oder Nicht-Vorliegen eines den Entschädigungsanspruch begründenden Sachverhaltes sowie auch über den Verlust des Entschädigungsanspruches infolge verspäteter Antragstellung subsumierbar sein (vgl. zB. VfSlg. 13.807/1994 zu § 28 Abs 4 Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982, VfSlg. 13.979/1994 zu § 25 Sbg ROG 1992). Mit der etwaigen Aufhebung der in Prüfung gezogenen Wortfolge dürfte andererseits auch die sukzessive Gerichtszuständigkeit hinsichtlich der Festsetzung eines - im Anlassfall nicht relevanten - in § 48 Abs 4 und 5 NG 1990 geregelten Einlösungsbetrages eine veränderte Bedeutung erfahren; im Hinblick auf die Parallelität der Regelung in § 48 Abs 6 erster Satz leg. cit. scheint eine etwaige Aufhebung in dem in Aussicht genommenen Umfang jedoch gleichwohl den kleinstmöglichen Eingriff in das Gesetz darzustellen."

5. Die Burgenländische Landesregierung sah im Gesetzesprüfungsverfahren unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , G117/02, G74/00 von der Erstattung einer Äußerung ab.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig.

Die vorläufige Annahme des Gerichtshofes im Prüfungsbeschluss, dass das Beschwerdeverfahren, das Anlass zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens gegeben hat, zulässig ist, hat sich aus folgendem Grund als zutreffend erwiesen: Die - hiermit aufgehobene - Wortfolge "der Höhe" in § 48 Abs 6 erster Satz NG 1990 bewirkte einen Ausschluss der sukzessiven Gerichtszuständigkeit zur Bekämpfung des Bescheides der Burgenländischen Landesregierung vom . Dem Beschwerdeführer stand daher bis zur Beseitigung dieser festgestellten Verfassungswidrigkeit nur die Möglichkeit der Beschwerdeerhebung an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zu, um sich gegen den genannten Bescheid zur Wehr zu setzen. Das Beschwerdeverfahren ist daher - jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Gesetzesaufhebung - zulässig.

Auch die vorläufige Annahme des Gerichtshofes, dass er § 48 Abs 6 NG 1990 bei der Beurteilung der Frage, ob er zur Entscheidung über die Beschwerde zuständig ist, anzuwenden hätte, hat sich als zutreffend erwiesen.

2. Auch die vorläufigen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Verfassungsmäßigkeit der Worte "der Höhe" in § 48 Abs 6 erster Satz NG 1990 treffen zur Gänze zu:

2.1. Die Burgenländische Landesregierung ist den im Prüfungsbeschluss gefassten Bedenken des Gerichtshofes unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , G117/02, G74/00 zu einer insofern vergleichbaren Regelung in § 34 Abs 5 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974, LGBl. Nr. 127/1974 idF LGBl. Nr. 59/1995, nicht entgegengetreten; auch sonst sind im Gesetzesprüfungsverfahren keinerlei Umstände hervorgekommen, die geeignet gewesen wären, die im Prüfungsbeschluss vorläufig geäußerten Bedenken des Gerichtshofes gegen die genannte Bestimmung zu zerstreuen.

2.2. Der Gerichtshof bleibt daher bei seiner dort dargelegten Annahme, dass die durch § 48 Abs 6 NG 1990 begründete Zuständigkeit des Gerichtes zur Entscheidung über einen Entschädigungsantrag nach § 48 leg. cit. keine umfassende ist; sie besteht nur dann, wenn die Verwaltungsbehörde eine dem Grunde nach gebührende Entschädigung in bestimmter Höhe zuerkannt hat, nicht aber gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde, dass dem Grunde nach kein Entschädigungsanspruch bestehe, weil keiner der Entschädigungstatbestände des § 48 NG 1990 vorliege, oder aber auch nicht gegen eine Entscheidung der Behörde, dass infolge verspäteter Antragstellung gemäß § 48 Abs 3 leg. cit. der Verlust des Entschädigungsanspruches eingetreten sei. Einer verfassungskonformen Interpretation, wie sie in den Erkenntnissen VfSlg. 13.807/1994 bezüglich § 28 Abs 4 Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982 und VfSlg. 13.979/1994 bezüglich § 25 Sbg ROG 1992 vorgenommen wurde, ist § 48 Abs 6 erster Satz NG 1990 dabei schon von seinem Wortlaut her nicht zugänglich: Unter den Begriff "Höhe der Entschädigung" kann weder der Fall der Abweisung eines Entschädigungsbegehrens wegen des Nicht-Vorliegens eines der vom Gesetz genannten Entschädigungstatbestände, noch der - der Beschwerde nicht zugrunde liegende, jedoch zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Norm ebenfalls heranzuziehende - Fall der Abweisung eines Entschädigungsantrages wegen Verspätung (siehe zur insofern vergleichbaren Regelung in § 34 Abs 5 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974, LGBl. Nr. 127/1974 idF LGBl. Nr. 59/1995 das hg. Erkenntnis G117/02, G74/00 vom ) subsumiert werden.

Gemäß Art 6 Abs 1 EMRK muss über "civil rights", somit auch über den in § 48 NG 1990 vorgesehenen Entschädigungsanspruch, - dem Grunde und der Höhe nach - von einem "unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht ('Tribunal')" entschieden werden. Ein solches ist die Burgenländische Landesregierung nicht. Die nachprüfende Kontrolle der Entscheidungen einer nicht als "Tribunal" eingerichteten Behörde über Enteignungsentschädigungen durch den Verwaltungsgerichtshof (gegebenenfalls gemeinsam mit deren Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof) genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art 6 EMRK nicht (siehe VfSlg. 11.762/1988, 11.760/1988). Diese Rechtsprechung ist auf Entscheidungen über Ansprüche auf Entschädigungen für Eigentumsbeschränkungen - wie sie hier in Rede stehen - zu übertragen.

Somit ist sowohl die Entscheidung über die Frage des Vorliegens eines der im NG 1990 vorgesehenen Entschädigungstatbestände, als auch die Entscheidung über die Frage, ob der Grundeigentümer einen ihm nach dem Gesetz grundsätzlich zukommenden Anspruch in Folge verspäteter Antragstellung verloren hat, eine Entscheidung über ein "civil right" dem Grunde nach, die daher von einem "Tribunal" entschieden werden muss. § 48 Abs 6 NG 1990 widerspricht insofern Art 6 EMRK.

3. Hinsichtlich des Prüfungsumfanges bleibt der Gerichtshof ebenfalls bei seiner im Prüfungsbeschluss vorläufig geäußerten Auffassung, dass die hiermit festgestellte Verfassungswidrigkeit der Entschädigungsregelung des § 48 NG 1990 durch die Aufhebung der Wortfolge "der Höhe" in § 48 Abs 6 erster Satz NG 1990 beseitigt wird, indem (bereits) ein derart abgegrenzter Aufhebungsumfang die sukzessive Gerichtszuständigkeit auch für Entscheidungen über die Entschädigung dem Grunde nach eröffnet. Die Erweiterung der sukzessiven Gerichtszuständigkeit hinsichtlich der Festsetzung eines - im Anlassfall nicht relevanten - Einlösungsbetrages nach § 48 Abs 4 und 5 NG 1990 ist hiebei in Kauf zu nehmen, da es sich mit der Aufhebung der genannten Wortfolge in § 48 Abs 6 erster Satz NG 1990 jedenfalls um den kleinstmöglichen Eingriff in das Gesetz handelt.

Die Worte "der Höhe" in § 48 Abs 6 erster Satz NG 1990 waren daher als verfassungswidrig aufzuheben.

4. Die Aussprüche, dass die aufgehobenen Teile der Bestimmung nicht mehr anzuwenden sind und dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, stützen sich auf Art 140 Abs 7 zweiter Satz und Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

5. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Burgenland zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung ergibt sich aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG.

6. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG abgesehen werden.