VfGH vom 14.03.1991, G225/88
Sammlungsnummer
12688
Leitsatz
Aufhebung der rückwirkenden Inkraftsetzung der Neuregelung einer Bestimmung des HeeresversorgungsG wegen Gleichheitswidrigkeit; unterschiedliche Behandlung gleicher Versorgungsansprüche allein aufgrund des Entscheidungszeitpunkts
Spruch
ArtVI Abs 2 des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 614, mit dem versorgungsrechtliche Bestimmungen geändert werden - Versorgungsrechts-Änderungsgesetz 1988, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die aufgehobene Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1170/88 eine auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales protokolliert, mit dem vom Beschwerdeführer geltend gemachte Ansprüche aus einer behaupteten Dienstbeschädigung nach dem Heeresversorgungsgesetz (im folgenden: HVG), BGBl. 27/1964, idF des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988, BGBl. 614/1987, abgewiesen wurden.
Der Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beschwerdeführer hatte, als er den ordentlichen Präsenzdienst leistete, während eines Ausganges am auf dem Rückweg in die Kaserne mit seinem Personenkraftwagen einen Verkehrsunfall erlitten, bei dem er schwer verletzt wurde. Die Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (s. dazu §§76 bis 81 HVG) wies mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom den Antrag des Beschwerdeführers auf Anerkennung der bei diesem Unfall erlittenen Gesundheitsschädigungen als Dienstbeschädigung, Zuerkennung einer Beschädigtenrente und Gewährung eines Familienzuschusses ab, wobei sie gleich der Behörde I. Instanz davon ausging, daß die Voraussetzungen für einen Versorgungsanspruch nach § 1 HVG (in der damals maßgeblichen Fassung des ArtI Z 1 der 14. Novelle, BGBl. 226/1980) - nämlich, daß die mit der Zurücklegung des Weges verbundenen Gefahren die wesentliche Ursache für den Eintritt des Unfalles waren - im Fall des Beschwerdeführers deswegen nicht vorlägen, weil nicht diese Gefahren, sondern Übermüdung des Beschwerdeführers die wesentliche Ursache für den Unfall gewesen sei.
Der Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 84/09/0047, VwSlg. 12351 A/1986, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat im Gegensatz zur belangten Behörde die Auffassung, daß ein fahrlässiges Verhalten des Soldaten beim Lenken eines Kraftfahrzeuges auf einem Weg iS des § 1 Abs 1 litd HVG den ursächlichen Zusammenhang iS des § 1 Abs 1 HVG idF der 14. Novelle nicht ausschließe, weshalb der Unfall des Beschwerdeführers - unabhängig von dessen Verschulden - auf die mit der Zurücklegung des Weges verbundenen Gefahren zurückzuführen sei. Der Verwaltungsgerichtshof vermöge, so führte er näher aus, der mit der 14. Novelle vorgenommenen Ergänzung des HVG nicht die nach dem Inhalt der Erläuterungen zur betreffenden Regierungsvorlage (298 BlgNR 15. GP, Zu ArtI Z 1 und 2 (§1 Abs 1 und 2)) offenkundig angestrebte Bedeutung beizumessen, nämlich bei grob fahrlässig verursachten Schäden die Versorgungsberechtigung zu versagen.
Der Gesetzgeber nahm dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zum Anlaß, um durch ArtII Z 1 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 den § 1 Abs 1 dritter Satz HVG neu zu fassen (s. dazu die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Versorgungsrechts-Änderungsgesetz 1988, 329 BlgNR 17. GP, Zu ArtII Z 1 (§1 Abs 1 dritter Satz HVG)). Diese Neufassung ist gemäß ArtVIII Abs 2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 mit in Kraft getreten. ArtVI Abs 2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 bestimmt jedoch, daß § 1 Abs 1 HVG in der ab geltenden Fassung auch auf Versorgungsansprüche anzuwenden ist, die vor dem geltend gemacht worden sind.
Nach dem Inkrafttreten der Neufassung des § 1 Abs 1 HVG erließ die Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales den (Ersatz-)Bescheid vom , mit dem sie den erstinstanzlichen Bescheid unter Berufung auf die Neufassung des § 1 Abs 1 dritter Satz HVG neuerlich bestätigte.
Dieser Bescheid ist Gegenstand der eingangs erwähnten, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie der Sache nach die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
b) Die Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales als belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
c) Der Beschwerdeführer hat gegen den (Ersatz-)Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom auch beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erhoben.
2.a) Der Verwaltungsgerichtshof hat aus Anlaß dieser Beschwerde gemäß Art 140 (Abs1) B-VG den zu G225/88 protokollierten Antrag und aus Anlaß dreier weiterer bei ihm anhängiger Beschwerden die zu G290-292/90 protokollierten Anträge gestellt, ArtVI Abs 2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 als verfassungswidrig aufzuheben.
b) Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß der eingangs erwähnten Beschwerde (B 1170/88) beschlossen, gemäß Art 140 Abs 1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des ArtVI Abs 2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 einzuleiten (G 226/90).
3. Der Verfassungsgerichtshof hat die Gesetzesprüfungsverfahren gemäß § 187 ZPO iVm § 35 VerfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.
4. Die hier bedeutsamen Vorschriften des HVG und des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 haben folgenden Wortlaut:
§ 1 Abs 1 HVG idF des ArtI Z 1 der 14. Novelle, BGBl. 226/1980:
"(1) Eine Gesundheitsschädigung, die ein Soldat infolge des ordentlichen oder außerordentlichen Präsenzdienstes (§§27 und 35 des Wehrgesetzes 1978, BGBl. Nr. 150), einschließlich einer allfälligen beruflichen Bildung im freiwillig verlängerten Grundwehrdienst nach § 33 des Wehrgesetzes 1978, erlitten hat, wird nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes als Dienstbeschädigung entschädigt (§2). Das gleiche gilt für eine Gesundheitsschädigung, die ein Wehrpflichtiger (§16 des Wehrgesetzes 1978)
a) . . .
i) bei einem Ausgang auf dem Hin- oder Rückweg zwischen der Wohnung und dem Ort der militärischen Dienstleistung ...
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erlitten hat. Eine Gesundheitsschädigung, die auf einem Weg gemäß litd bis j erlitten wird, ist jedoch nur dann als Dienstbeschädigung zu entschädigen, wenn die mit der Zurücklegung des Weges verbundenen Gefahren die wesentliche Ursache für den Eintritt des Unfalles waren. ..."
§ 1 Abs 1 dritter Satz HVG idF des ArtII Z 1 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988, BGBl. 614/1987:
"Eine Gesundheitsschädigung, die auf
einem Weg gemäß litd bis k erlitten wird, ist jedoch dann nicht als Dienstbeschädigung zu entschädigen, wenn sie auf ein grob fahrlässiges Verhalten des Wehrpflichtigen zurückzuführen ist."
ArtVI Abs 2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988:
"(2) § 1 Abs 1 des Heeresversorgungsgesetzes in der ab geltenden Fassung ist auch auf Versorgungsansprüche anzuwenden, die vor dem geltend gemacht worden sind."
ArtVIII des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988:
"Inkrafttreten
(1) ArtII Z 11, 12, 13 und 15 dieses Bundesgesetzes treten mit in Kraft. ArtV dieses Bundesgesetzes tritt, soweit nicht ein Beschluß des Betriebsrates gemäß ArtIII des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 394/1986, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird, vorliegt, mit in Kraft.
(2) Alle übrigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes treten mit in Kraft."
II. 1. Es ist offenkundig, daß der Verwaltungsgerichtshof bei der Entscheidung über die bei ihm anhängigen Beschwerden, die Anlaß für die zu G225/88 und zu G290-292/90 protokollierten Anträge auf Gesetzesprüfung waren, die angefochtene Gesetzesstelle anzuwenden hätte. Die Anträge des Verwaltungsgerichtshofes sind daher zulässig.
2. Der Verfassungsgerichtshof nahm in dem das Gesetzesprüfungsverfahren G226/90 einleitenden Beschluß an, daß die Beschwerde zulässig sei und daß er bei der Entscheidung über diese Beschwerde (auch) die Vorschrift des ArtVI Abs 2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 anzuwenden hätte. Im Verfahren ist weder vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen, daß die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes über die Zulässigkeit der Beschwerde und die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Vorschrift unzutreffend wären. Da alle Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist auch das von Amts wegen eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.
III. In der Sache hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:
1. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem zu G225/88 protokollierten Antrag seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des ArtVI Abs 2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 folgendermaßen dargelegt:
"Bedenken wegen einer allfälligen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes hat bereits der Beschwerdeführer in seiner an den Verfassungsgerichtshof gerichteten, dort zur Zl. B1170/88 anhängigen Beschwerde ausgeführt. Der Verwaltungsgerichtshof hegt darüber hinausgehende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des ArtVI Abs 2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 deshalb, weil damit offenkundig gezielt eine Rückwirkung auf anhängige Verfahren angeordnet und damit auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Einfluß genommen wurde.
Einen derartigen Eingriff in die unabhängige richterliche Tätigkeit hat der Verfassungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom , Zlen. G1/85, G23-27/85, als verfassungswidrig festgestellt. Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, daß in der Formulierung der damals als verfassungswidrig aufgehobenen Bestimmung, im Gegensatz zu der nunmehr angefochtenen, ausdrücklich eine rückwirkende Anwendung 'auf die bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren' normiert worden ist. Es kann aber nicht entscheidend darauf ankommen, ob der Gesetzgeber durch die konkrete Anordnung einer Übergangsbestimmung oder aber durch eine weitergehende Fassung derselben denselben verfassungswidrigen Effekt erzielt, indem er in einer den Grundsatz der Gewaltenteilung verletzenden Weise auf die Rechtsprechung Einfluß nimmt.
Wie den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 (329 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVII. GP.) zu entnehmen ist, war der nunmehrige Beschwerdefall bzw. dessen (Zwischen-)Entscheidung im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 84/09/0047, der unmittelbar auslösende Anlaß für die Neuformulierung des § 1 Abs 1 dritter Satz HVG. Für eine Rückwirkung dieser Neufassung des § 1 Abs 1 HVG bestand hingegen kein erkennbarer Anlaß außer der Vermeidung der bindenden Wirkung des § 63 Abs 1 VwGG auf anhängige Verfahren, darunter jedenfalls auch jenes des nunmehrigen Beschwerdeführers. Im Zusammenspiel zwischen Gesetzgeber und belangter Behörde, die den nunmehr angefochtenen Bescheid erst nach Inkrafttreten des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 erlassen hat, wäre somit die Gelegenheit geschaffen worden, den Beschwerdeführer um jene Versorgungsansprüche zu bringen, auf die er ohne eine solche Vorgangsweise auf Grund des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom und auf Grund des § 63 Abs 1 VwGG bereits einen rechtlich fundierten Anspruch hatte.
Wenn daher die rückwirkende Kraft der Neufassung des § 1 Abs 1 HVG gemäß ArtVI Abs 2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 in einer verfassungskonformen, in die unabhängige Rechtsprechung nicht eingreifenden Weise angeordnet werden sollte, dann durfte sie jene Fälle nicht umfassen, in denen der Verwaltungsgerichtshof bereits verbindlich für das weitere Verfahren auf Grund der alten Rechtslage entschieden hatte. Nur auf diese Weise wäre die Vorgangsweise des Gesetzgebers auch mit der vom Verfassungsgerichtshof im oben genannten Erkenntnis vom , Zlen. G1/85, G23-27/85, ausgesprochenen Rechtsansicht in Einklang zu bringen. Aus der Sicht des Beschwerdeführers, um dessen Rechte es letztlich geht, und auf dessen Fall nur verfassungskonforme Rechtsvorschriften Anwendung finden sollten, macht es keinen Unterschied, ob der Gesetzgeber seinen konkreten Fall durch eine ausdrückliche Nennung oder im Rahmen einer nicht ausdrücklich auf anhängige Verfahren beschränkten Weise rückwirkend anders regelt als dies einer vom Beschwerdeführer bereits erwirkten höchstgerichtlichen Entscheidung in diesem Einzelfall entspricht."
2.a) Der Verfassungsgerichtshof hat in dem das Gesetzesprüfungsverfahren G226/90 einleitenden Beschluß seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des ArtVI Abs 2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 im wesentlichen folgendermaßen begründet:
"a) Nach § 1 Abs 1 HVG idF der 14. Novelle dürfte, wie sich auch aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 84/09/0047, VwSlg. 12351 A/1986, zu ergeben scheint, eine bei einem Ausgang auf dem Rückweg zwischen der Wohnung und dem Ort der militärischen Dienstleistung erlittene Gesundheitsschädigung auch dann als Dienstbeschädigung iS des HVG zu entschädigen gewesen sein, wenn sie auf ein grob fahrlässiges Verhalten des Wehrpflichtigen zurückzuführen war. Die durch ArtII Z 1 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 bewirkte, gemäß ArtVIII Abs 2 dieses Gesetzes mit in Kraft getretene Neufassung des § 1 Abs 1 dritter Satz HVG scheint nun für die Wehrpflichtigen insofern eine Verschlechterung der Rechtslage herbeigeführt zu haben, als derartige Gesundheitsschädigungen nicht (mehr) als Dienstbeschädigungen iS des HVG entschädigt werden.
Gegen eine solche Regelung bestehen nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes an sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die in Prüfung gezogene Vorschrift hat jedoch, wie der Verfassungsgerichtshof im Rahmen einer vorläufigen Beurteilung annimmt, mit der Anordnung, daß § 1 Abs 1 HVG in der ab geltenden (Neu-)Fassung auch auf Versorgungsansprüche anzuwenden ist, die vor dem geltend gemacht wurden, eine unbeschränkte, mithin bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des HVG (es war dies gemäß ArtII Abs 1 dieses Gesetzes am ) reichende Rückwirkung normiert, die alle jene Fälle zu erfassen scheint, in denen zwischen dem und dem ein Antrag auf Gewährung von Versorgungsleistungen nach dem HVG gestellt wurde.
Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, verbietet es die Bundesverfassung dem Gesetzgeber - sieht man von rückwirkenden Strafvorschriften ab - nicht, ein Gesetz mit rückwirkender Kraft auszustatten, doch muß diese Rückwirkung mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar, also sachlich zu rechtfertigen sein (vgl. etwa VfSlg. 8195/1977, 8589/1979, 9483/1982). In seiner neueren Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, daß die rückwirkende Inkraftsetzung einer in Rechtspositionen eingreifenden gesetzlichen Regelung mit dem Gleichheitsgrundsatz nur dann vereinbar ist, wenn besondere Umstände diese Rückwirkung verlangen (; G283/89 ua. Zlen.; vgl. etwa auch ).
Es hat nun den Anschein, daß die mit der in Prüfung gezogenen Vorschrift festgelegte weitgehende Rückwirkung jedenfalls auch Fälle erfaßt, in denen eine rückwirkende Verschlechterung der Rechtsposition der nach dem HVG anspruchsberechtigt gewesenen Personen keinesfalls sachlich gerechtfertigt werden kann. Es scheint dies insbesondere für Fälle zuzutreffen, die wie der Fall des Beschwerdeführers geartet sind, über dessen Beschwerde der Verwaltungsgerichtshof mit jenem wiederholt zitierten Erkenntnis vom entschieden hatte, das für den Gesetzgeber der Anlaß für die hier in Rede stehende, mit dem Versorgungsrechts-Änderungsgesetz 1988 vorgenommene Änderung der Rechtslage war: Immerhin lag im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Gesetzesänderung (mit ) der Antrag des Beschwerdeführers (vom ) auf Gewährung von Leistungen nach dem HVG mehr als fünf Jahre zurück. Dem Verfassungsgerichtshof ist zunächst nicht erkennbar, welche Gründe eine derart weitreichende - möglicherweise (auch) bereits rechtskräftig entschiedene Fälle erfassende - Rückwirkung zu rechtfertigen vermöchten, zumal den Erläuterungen zu der das Versorgungsrechts-Änderungsgesetz 1988 betreffenden Regierungsvorlage (329 BlgNR 17. GP) zwar zu entnehmen ist, welche Erwägungen den Gesetzgeber zu einer Neuregelung, nicht aber, welche ihn zu ihrer rückwirkenden Inkraftsetzung bewogen haben. Der Verfassungsgerichtshof nimmt daher vorläufig an, daß diese Rückwirkung eine nachträgliche Verschlechterung der Rechtsposition von Wehrpflichtigen auch in länger zurückliegenden Fällen herbeiführt und daß kein Grund vorliegt, der diesen Eingriff sachlich zu rechtfertigen vermöchte."
b) Im übrigen hat sich der Verfassungsgerichtshof den vom Verwaltungsgerichtshof in dem zu G225/88 protokollierten Antrag dargelegten Bedenken angeschlossen.
c) Der Verwaltungsgerichtshof hat in den zu G290-292/90 protokollierten Anträgen die in seinem zu G225/88 protokollierten Antrag dargelegten Bedenken ausdrücklich aufrecht erhalten, sich ferner den vom Verfassungsgerichtshof in dem das Gesetzesprüfungsverfahren G226/90 einleitenden Beschluß aufgeworfenen, unter III.2.a wiedergegebenen Bedenken angeschlossen und es überdies als ergänzende Begründung seines zu G225/88 protokollierten Antrages geltend gemacht.
3.a) Die Bundesregierung erstattete in dem zu G225/88 anhängigen Gesetzesprüfungsverfahren eine Äußerung, in der sie den Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes folgendes entgegenhielt:
"Die Vorschrift des § 1 Abs 1 des Heeresversorgungsgesetzes, BGBl. Nr. 27/1964, (HVG) hat seine Fassung, die in der ersten Phase des Anlaßfalles für das gegenständliche Gesetzesprüfungsverfahren anzuwenden war, durch die 14. Novelle zum HVG, BGBl. Nr. 226/1980, erhalten. Danach sollten Wegunfälle im Sinne dieser Bestimmung nur dann einen Versorgungsanspruch nach dem HVG begründen, wenn die mit der Zurücklegung des Weges verbundenen Gefahren die wesentliche Ursache für den Eintritt des Unfalles waren. Durch die angeführte Formulierung sollte der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingungen auch für den Bereich der Versorgung von Wegunfällen Geltung verschafft und damit bewirkt werden, daß das Fehlverhalten des Verletzten dann (und zwar nur dann) zum Ausschluß von der Versorgung nach dem HVG führt, wenn dieser eine für jedermann leicht erkennbare erhöhte Gefahrensituation geschaffen hat, die unfallskausal war. Die Erläuterungen zu dieser Regelung der 14. HVG-Novelle (298 BlgNR 15. GP) geben dazu folgende Begründung:
'Gemäß § 1 Abs 1 HVG sind auch Gesundheitsschädigungen als Dienstbeschädigung anzuerkennen, die auf bestimmten, im Gesetz angeführten Wegen erlitten werden. Wegen der Vielfalt der Verletzungsursachen erweist sich gerade die Kausalitätsbeurteilung als besonders schwierig. Die Problematik wird in den meisten Fällen dadurch verschärft, daß häufig vom Willen des Beschädigten beherrschbare Umstände zum Unfallereignis beigetragen haben und sich deshalb die Frage ergibt, ob bzw. durch welches Verhalten des Verletzten eine Unterbrechung des Kausalzusammenhanges bewirkt wird. Die in diesem Zusammenhang vertretene Auffassung, daß bei grobfahrlässig verursachten Schäden die Versorgungsberechtigung grundsätzlich zu versagen ist, weil nicht mehr die mit der Zurücklegung des Weges verbundenen Gefahren die wesentliche Ursache für den Eintritt des Unfalles waren, wurde vom VwGH (vgl.Erkenntnis vom , 2051/77 = VwSlg.9588(A)/1978) mit dem Hinweis auf § 3 HVG, wonach nur vorsätzliches Handeln die Versorgung ausschließt, abgelehnt. Da sich der VwGH in dieser Frage mit der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingungen nicht näher auseinandergesetzt hat, soll nunmehr versucht werden, die Voraussetzungen für das Vorliegen des ursächlichen Zusammenhanges näher zu bestimmen. Wegunfälle sollen in Hinkunft nur dann Anspruch auf Versorgung begründen, wenn die mit der Zurücklegung des Weges verbundenen Gefahren die wesentliche Ursache für den Eintritt des Unfalles waren.'
Die vor dem Verwaltungsgerichtshof belangte Behörde hat in der ersten Phase der zum gegenständlichen Gesetzesprüfungsverfahren führenden Rechtssache den § 1 Abs 1 HVG in der Fassung der 14. Novelle im Sinne dieser Begründung angewendet und ist dabei zum Ergebnis gekommen, daß die wesentliche Ursache für den Eintritt eines Unfalles nicht die mit der Zurücklegung des Weges verbundenen Gefahren, sondern die Übermüdung des Beschwerdeführers beim Lenken seines PKW gewesen sei, weshalb die Voraussetzungen für einen Versorgungsanspruch nach § 1 Abs 1 HVG nicht gegeben seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat demgegenüber mit seinem Erkenntnis vom , Zl. 84/09/0047 = VwSlg. 12351(A), in Auslegung des § 1 Abs 1 HVG festgestellt, daß der Gesetzgeber seiner Meinung nach mit der 14. Novelle zum HVG, BGBl. Nr. 226/1980, den von ihm intendierten Zweck nicht erreichen konnte (vgl. insbesondere die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes auf S 738 in der publizierten Fassung des Erkenntnisses). Damit war der Gesetzgeber veranlaßt, das für ihn noch immer erstrebenswerte Ziel einer Einschränkung von Versorgungsleistungen bei Wegunfällen mit anderen Mitteln zu erreichen. Mit dem Versorgungsrechts-Änderungsgesetz 1988 hat der Gesetzgeber nunmehr dieses Ziel mit tauglichen Mitteln nachträglich erreicht. Er hat daher - schon auf den Anlaßfall bezogen - nicht die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes korrigieren wollen, sondern diese Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, die es offenkundig machte, daß der Gesetzgeber sein Ziel 1980 mit untauglichen Mitteln verfolgt hat, zum Anlaß seines Tätigwerdens genommen. Es kann also festgehalten werden, daß im Lichte dieser Darlegungen das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht Ziel, sondern Anlaß für diesen Teil des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 war.
Mit dem nunmehr in Prüfung stehenden ArtVI Abs 2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 wurde normiert, daß der § 1 Abs 1 HVG in der ab dem geltenden Fassung auch auf Versorgungsansprüche anzuwenden ist, die vor dem geltend gemacht worden sind. Dem lag die Überlegung zugrunde, daß es für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen nach dem HVG nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung ankommen sollte. Zielsetzung der rückwirkenden Inkraftsetzung war somit die Gleichbehandlung aller Versorgungswerber, deren Fall im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung noch nicht abgeschlossen war.
Zudem ist darauf hinzuweisen, daß der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (VfSlg. 2009/1950, 5051/1965, 5411/1966, 8421/1970) ausgesprochen hat, die Bundesverfassung enthalte kein Verbot, Gesetze mit rückwirkender Kraft zu erlassen. Dabei kann insbesondere auf VfSlg. 5051/1965 verwiesen werden, dem ein der gegenständlichen Rechtssache durchaus vergleichbarer Anlaßfall zugrundelag. Auch in diesem Fall hat der Verfassungsgerichtshof geprüft, ob eine bundesgesetzliche rückwirkende Regelung sich ausschließlich auf den Anlaßfall ausgewirkt hat und die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, nachdem er diese Frage verneinen konnte. Daß die Beschwerdeführerin in diesem Fall durch die rückwirkende Regelung eines Anspruches auf Grund eines vorhergehenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes verlustig ging, wurde vom Verfassungsgerichtshof nicht gerügt.
Zum gleichen Ergebnis führt auch eine genaue Prüfung des vom Verwaltungsgerichtshof zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , G1/85-8, G23-27/85-5 (= VfSlg. 10402), in dem in bezug auf eine rückwirkende landesgesetzliche Regelung ein verfassungswidriger Eingriff in die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts festgestellt wurde. Dieses Erkenntnis wurde vor allem damit begründet, daß es das alleinige Ziel der in Prüfung stehenden gesetzgeberischen Maßnahme war, die Beschwerdeführer in den anhängigen Verfahren um den möglichen Erfolg ihrer Beschwerde zu bringen. Eine solche unmittelbare Einflußnahme auf die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts mit dem Ziel, sie zu hindern, ihrer Aufgabe nach den Bestimmungen der Bundesverfassung nachzukommen, stelle jedenfalls einen verfassungswidrigen Eingriff in die richterliche Tätigkeit dar. Der Verfassungsgerichtshof fügte jedoch hinzu, daß - und dies ergibt sich auch schon implizit aus seiner Begründung in VfSlg. 5051/1965 - der bloße Umstand, daß bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, den Beschwerdeführer nicht von einer allgemein angeordneten Rückwirkung ausnehmen könne (zur insoweit abgeschwächten Bindungswirkung von Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes siehe auch: Oberndorfer, Die Österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1983, S 188).
Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Verfahren seine Entscheidung also darauf abgestellt, daß die rückwirkende landesgesetzliche Regelung mit dem ausschließlichen Ziel der Einflußnahme auf anhängige Verfahren bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts erlassen wurde. Der Anlaßfall für das gegenständliche Gesetzesprüfungsverfahren war jedoch einerseits während der Novellierung des Heeresversorgungsgesetzes durch das Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 bei keinem der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts anhängig. Andererseits wird vom Verwaltungsgerichtshof auch nicht vertreten, daß das Versorgungsrechts-Änderungsgesetz 1988 in diesem Punkt ausschließlich auf den gegenständlichen Anlaßfall gezielt hat. Tatsächlich wurde im gegebenen Zusammenhang von der Rückwirkung der in Prüfung gezogenen Bestimmung nicht nur der unmittelbare Anlaßfall getroffen, sondern hat sich diese auf eine ganze Reihe anderer Versorgungsansprüche ausgewirkt, die vor dem Inkrafttreten des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 zwar schon geltend gemacht, jedoch von den Unterinstanzen noch nicht entschieden waren. Wie schon oben dargelegt wurde, sollte die Anordnung der Rückwirkung eine Gleichbehandlung aller geltend gemachten Versorgungsansprüche - unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Geltendmachung - sicherstellen.
Es ist damit nach Ansicht der Bundesregierung belegt, daß die mit dem ArtVI Abs 2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 angeordnete Rückwirkung sachlich zu rechtfertigen ist und nicht mit dem ausschließlichen Ziel einer Beeinflussung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erlassen wurde."
Abschließend stellte die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, daß ArtVI Abs 2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 nicht als verfassungswidrig aufzuheben ist. Für den Fall der Aufhebung dieser Bestimmung stellte die Bundesregierung den Antrag, "der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art 140 Abs 5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist bestimmen, um die allenfalls erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen."
b) In den zu G226/90, G290-292/90 anhängigen Gesetzesprüfungsverfahren sowie zu den im Gesetzesprüfungsverfahren G225/88 vom Verwaltungsgerichtshof ergänzend vorgebrachten Bedenken erstattete die Bundesregierung eine Äußerung, in der sie im wesentlichen folgendes ausführte:
"Zu den Bedenken gegen die Rückwirkung im Lichte des Gleichheitssatzes (Punkt II.4 lita des Unterbrechungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes):
Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes bewirke die vorliegende rückwirkende Regelung in mehreren Fällen eine Verschlechterung der Rechtsposition der nach dem Heeresversorgungsgesetz (im folgenden: HVG) anspruchsberechtigten Personen, die keinesfalls sachlich gerechtfertigt werden kann, weil keine besonderen Umstände im Sinne der jüngeren Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Rückwirkung von Gesetzen (vgl. die Erkenntnisse vom , G228/89, vom , G283/89 u.a., und vom , B1561/89) vorliegen.
Die Bundesregierung stellt demgegenüber folgendes zur Erwägung:
Der Gesetzgeber ist von der Erlassung des Heeresversorgungsgesetzes im Jahr 1964 an bei der Frage der Entschädigung von Gesundheitsschädigungen bei Wegunfällen nach diesem Gesetz im Sinne der Behandlung von Wegunfällen gemäß § 175 ASVG von der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingungen ausgegangen; demnach müssen die in § 1 Abs 1 HVG genannten Tatbestände wesentliche Bedingungen für den Eintritt der Gesundheitsschädigung gewesen sein. In diesem Sinn vertrat die Verwaltungspraxis bei Wegunfällen nach dem HVG seit jeher die Auffassung, daß bei Gesundheitsschädigungen, die auf grob fahrlässiges Fehlverhalten des Anspruchsberechtigten zurückzuführen waren, der von § 2 HVG geforderte Kausalzusammenhang nicht vorlag. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2051/77, hat gezeigt, daß der Verwaltungsgerichtshof dieser Auffassung nicht folgte. Er vertrat vielmehr im Lichte des § 3 HVG die Auffassung, daß ein grob fahrlässiges Verhalten den Anspruch nach dem HVG nicht ausschließen könne. Der Gesetzgeber hat hierauf mit der 14. Novelle zum Heeresversorgungsgesetz, BGBl. Nr. 226/1980, § 1 Abs 1 HVG mit der Zielsetzung ergänzt, daß die in § 1 Abs 1 litd bis j aufgezählten Tatbestände nur dann als Dienstbeschädigung entschädigt werden sollten, wenn die mit der Zurücklegung des Weges verbundenen Gefahren die wesentliche Ursache für den Eintritt des Unfalles waren (vgl. dazu die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 298 BlgNR. XIV. GP).
In einem weiteren, auch vom Verfassungsgerichtshof zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahre 1984 setzte sich dieser mit dieser Bestimmung im Lichte der Novelle 1980 neuerlich auseinander und vertrat die Auffassung, daß dieser Bestimmung nicht jene Bedeutung zukommen könne, die nach dem Inhalt der Erläuterungen offenkundig angestrebt worden sei.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes gehörten auch Gefahren beim Lenken eines Kraftfahrzeuges, die sich aus einem Fehlverhalten des Lenkers ergeben, zu den mit der Zurücklegung des Weges verbundenen Gefahren, was neuerlich zur Folge hatte, daß ein Wehrpflichtiger auch dann nicht von der Versorgung nach dem HVG ausgeschlossen war, wenn er den Unfall durch grob fahrlässiges Verhalten verschuldet hatte.
Der Gesetzgeber sah sich im Lichte dieses Erkenntnisses wiederum veranlaßt, das von Anfang an bei Wegunfällen in § 1 Abs 1 HVG - und zwar zunächst implizit und in der Novelle 1980 ausdrücklich - Angestrebte im Wortlaut des Gesetzes noch deutlicher zum Ausdruck zu bringen.
Im Hinblick auf die dargestellte einheitliche Auslegung des § 1 Abs 1 HVG durch die Verwaltung bis zur Novelle 1980 und auf Grund des Wortlautes der Novelle des § 1 Abs 1 HVG im Jahr 1980 im Zusammenhalt mit den Erläuterungen läßt sich somit argumentieren, daß eine Verschlechterung der Rechtslage der nach dem HVG Anspruchsberechtigten durch das Versorgungsrechts-Änderungsgesetz 1988 nicht eingetreten sei.
Unterstützend ist im Lichte der zitierten jüngeren Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit rückwirkender Regelungen auf folgende Aspekte hinzuweisen:
Gemäß dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G283/89 u.a., kommt es bei der Frage, ob bei einer rückwirkenden gesetzlichen Regelung Normadressaten in ihrem Vertrauen auf eine vorausgehende Regelung verletzt wurden, insbesondere auf die Klarheit der gesetzlichen Regelung, die durch die rückwirkende Regelung geändert wurde, auf die - einheitliche - Verwaltungspraxis, die von den Behörden vor der rückwirkenden Regelung gehandhabt wurde, und darauf an, ob diese Verwaltungspraxis im Gesetz Deckung findet. Dafür kommt der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes besondere Bedeutung zu.
Nach Auffassung der Bundesregierung ergab sich aus der Regelung des bis geltenden § 1 Abs 1 HVG keinesfalls klar und eindeutig, daß bei der Beurteilung des Vorliegens einer anspruchsbegründenden Gesundheitsschädigung im Zusammenhang mit Wegunfällen nach diesem Gesetz grob fahrlässiges Verhalten des Antragstellers den Anspruch nicht ausschließt. Es wurde vielmehr - wie dargelegt - in der Verwaltungspraxis überwiegend die Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingungen vertreten, auf deren Grundlage es auch in diesem Zeitraum einheitliche Verwaltungspraxis war, daß grob fahrlässiges Verhalten des Anspruchsberechtigten bei Wegunfällen den Anspruch nach dem HVG ausschloß.
Auch dem Umstand, daß der Verwaltungsgerichtshof sowohl im Jahr 1978 im Lichte der alten Rechtslage als auch im Jahr 1984 im Lichte der 14. Novelle zum Heeresversorgungsgesetz eine gegenteilige Auffassung vertreten hat, läßt sich entgegenhalten, daß beide Erkenntnisse (insbesondere jenes aus dem Jahr 1984) zeigen, daß die zu lösende Frage der Auslegung des Gesetzes keinesfalls eine einfach und eindeutig zu beantwortende war.
Weiters erscheint beachtlich, daß der Verfassungsgerichtshof im Rahmen der Judikatur zur zulässigen Rückwirkung u.a. im Erkenntnis vom , G228/89, dargelegt hat, daß sich eine rückwirkende Regelung als notwendig erweisen könne, um Gleichheitswidrigkeiten zu vermeiden. Ein solcher Fall liegt hier - wie auch im Fall des bereits zitierten Erkenntnisses vom , G283/89 u.a., (S 20) und wie auch schon in der Äußerung der Bundesregierung vom , GZ 601.382/2-V/2/89 (siehe Pkt. II), dargelegt - vor."
Abschließend wiederholte die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, daß ArtVI Abs 2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 nicht als verfassungswidrig aufzuheben ist.
4. Bereits das erste der im Beschluß über die Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens G226/90 aufgeworfenen, oben unter III.2.a wiedergegebenen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen gesetzlichen Bestimmung hat sich im Ergebnis als zutreffend erwiesen:
a) Nach der Rechtslage, die vor dem Inkrafttreten des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 (mit ) bestanden hatte - es war dies § 1 Abs 1 HVG idF der (mit in Kraft getretenen) 14. Novelle - war eine Gesundheitsschädigung, die ein Soldat bei einem Ausgang auf dem Rückweg zwischen der Wohnung und dem Ort der militärischen Dienstleistung erlitten hatte, auch dann als Dienstbeschädigung iS des HVG zu entschädigen, wenn sie auf ein grob fahrlässiges Verhalten des Wehrpflichtigen zurückzuführen war. Für den Fall des Beschwerdeführers zu B1170/88 war dies mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 84/09/0047, VwSlg. 12351 A/1986, ausdrücklich ausgesprochen worden.
Die Neufassung des § 1 Abs 1 dritter Satz HVG durch ArtII Z 1 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 wurde gerade im Hinblick auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vorgenommen (s. dazu die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 329 BlgNR 17. GP S 9 (Zu ArtII Z 1 (§1 Abs 1 dritter Satz HVG) und ArtVI Abs 2)). Sie trat gemäß ArtVIII Abs 2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 mit in Kraft und bewirkte eine inhaltliche Änderung der Rechtslage: Nach der Neufassung des § 1 Abs 1 dritter Satz HVG werden Gesundheitsschädigungen, die ein Wehrpflichtiger unter den im § 1 Abs 1 HVG näher umschriebenen Voraussetzungen erleidet, dann nicht als Dienstbeschädigungen iS des HVG entschädigt, wenn sie auf ein grob fahrlässiges Verhalten des Wehrpflichtigen zurückzuführen sind.
Eine Regelung dieses Inhaltes ist an sich verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Verfassungsgerichtshof hat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, daß die Neuregelung eine Verschlechterung der Rechtslage der Wehrpflichtigen herbeigeführt hat. Der Gesetzgeber hat, indem er Versorgungsansprüche der hier in Rede stehenden Art in jenen Fällen ausschloß, in denen für das schädigende Ereignis ein grob fahrlässiges Verhalten des Geschädigten ursächlich war, durchaus im Rahmen des ihm durch den Gleichheitsgrundsatz offen gelassenen rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes (vgl. dazu etwa VfSlg. 6033/1969, 6152/1970, 6533/1971, 6929/1972, 7864/1976, 9280/1981, 11572/1987) gehandelt.
b) Verfassungswidrig aber ist die durch ArtVI Abs 2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 angeordnete Rückwirkung der Neuregelung. Die in dieser Vorschrift enthaltene Anordnung, § 1 Abs 1 HVG in der ab geltenden Fassung auch auf Versorgungsansprüche anzuwenden, die vor dem geltend gemacht worden sind, bedeutet die rückwirkende Inkraftsetzung der neuen, für die Wehrpflichtigen ungünstigeren Vorschriften. Die Rückwirkung ist eine weitreichende: Sie umfaßt, wie auch die Bundesregierung in ihrer im Verfahren zu G225/88 abgegebenen, oben unter III.3.a wiedergegebenen Äußerung dartut, alle die Fälle - insbesondere auch jenen des Beschwerdeführers zu B1170/88 -, in denen über einen (zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen dem Inkrafttreten des HVG am und des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 mit ) geltend gemachten Versorgungsanspruch der hier in Rede stehenden Art im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 von den Behörden noch nicht entschieden war.
c) Nun ist es dem Gesetzgeber - abgesehen von dem im Art 7 MRK festgelegten Verbot rückwirkender Strafvorschriften - von Verfassungs wegen nicht schlechthin verwehrt, Gesetze rückwirkend in Kraft zu setzen; es muß allerdings die Rückwirkung mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar, also sachlich zu rechtfertigen sein (vgl. etwa VfSlg. 2009/1950, 2872/1955, 3389/1958, 3665/1959, 5411/1966, 6182/1970, 7830/1976, 8195/1977, 8421/1978, 8589/1979, 9483/1982).
Nur unter bestimmten besonderen Umständen ist es von vornherein unzulässig, ein Gesetz mit rückwirkender Kraft auszustatten. So hat beispielsweise der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 10091/1984 ausgesprochen, daß die rückwirkende Inkraftsetzung eines Gesetzes dann verfassungswidrig ist, wenn sie in der erweislichen oder doch vom Ergebnis her erschließbaren Absicht erfolgt, durch rückwirkende Ersetzung eines völlig inhaltsgleichen Gesetzes, das Gegenstand eines beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Gesetzesprüfungsverfahrens ist, das Gesetzesprüfungsverfahren ganz oder teilweise zu vereiteln: In einem solchen Fall handelt der Gesetzgeber im Hinblick auf die Zielsetzung des Art 140 B-VG verfassungswidrig, eine umfassende Kontrolle der Legislativakte auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu gewährleisten.
Jedenfalls verfassungswidrig ist dem Erkenntnis VfSlg. 10402/1985 zufolge die Rückwirkung eines Gesetzes ferner etwa dann, wenn sie ausschließlich bewirken soll, daß bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes anhängige Verfahren an Hand der geänderten Rechtslage beurteilt werden, sie also gezielt auf solche Verfahren beschränkt wird und damit einen verfassungswidrigen Eingriff in die Rechtsprechung dieser Gerichtshöfe darstellt.
In seiner neueren Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß die rückwirkende Inkraftsetzung einer in Rechtspositionen eingreifenden Regelung mit dem Gleichheitsgrundsatz dann nicht vereinbar ist, wenn die Normunterworfenen durch einen Eingriff von erheblichem Gewicht in einem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht wurden und nicht etwa besondere Umstände diese Rückwirkung verlangen, etwa indem sie sich als notwendig erweist, um eine sonst eintretende Gleichheitswidrigkeit zu vermeiden (; B1560, 1561/88; G283/89 ua. Zlen.) Ob und inwieweit im Ergebnis ein sachlich nicht gerechtfertigter und damit gleichheitswidriger Eingriff vorliegt, hängt also vom Ausmaß des Eingriffes und vom Gewicht der für die Rückwirkung sprechenden Gründe ab ().
d) Im vorliegenden Fall erfaßt nun die mit der rückwirkenden Inkraftsetzung der Neufassung des § 1 Abs 1 dritter Satz HVG bewirkte Verschlechterung der Rechtsposition der nach der früheren Rechtslage anspruchsberechtigt gewesenen Personen angesichts der - wie aufgezeigt - weitreichenden Rückwirkung auch Fälle, in denen diese Verschlechterung im Sinne der zitierten neueren Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes einen Eingriff von erheblichem Gewicht darstellt. Dies wird etwa am Beispiel des Beschwerdeführers zu B1170/88 deutlich: Da im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neufassung des § 1 Abs 1 dritter Satz HVG (mit ) der Antrag dieses Beschwerdeführers (vom ) auf Gewährung einer Beschädigtenrente und eines Familienzuschlages nach dem HVG bereits mehr als fünf Jahre zurücklag und diese Versorgungsleistungen gemäß § 55 Abs 1 HVG mit dem Monat fällig werden, in dem die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt sind, sofern der Anspruch binnen sechs Monaten nach dem Eintritt des schädigenden Ereignisses geltend gemacht wird, bei späterer Geltendmachung aber mit dem Antragsmonat, bedeutet der rückwirkende Wegfall der Anspruchvoraussetzungen offenkundig einen Eingriff von erheblichem Gewicht.
e) Andererseits fehlt es an triftigen Gründen, die einen derartigen Eingriff sachlich zu rechtfertigen vermöchten. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Versorgungsrechts-Änderungsgesetz 1988 (329 BlgNR 17. GP, S 9 (Zu ArtII Z 1 (§1 Abs 1 dritter Satz HVG)) und ArtVI Abs 2) lassen zwar erkennen, welche Erwägungen für die Neufassung (auch) des § 1 Abs 1 HVG maßgebend waren, es ist ihnen jedoch kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, aus welchen Überlegungen diese Regelung (ohne Festlegung einer zeitlichen Grenze) rückwirkend in Kraft gesetzt wurde.
Mit dem Hinweis der Bundesregierung in ihrer im Gesetzesprüfungsverfahren zu G225/88 erstatteten Äußerung, die rückwirkende Inkraftsetzung der Neuregelung habe dem Ziel gedient, die Gleichbehandlung aller geltend gemachten Versorgungsansprüche unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Geltendmachung sicherzustellen, wird kein triftiger Grund aufgezeigt, der die Rückwirkung ungeachtet der Schwere des damit bewirkten Eingriffes rechtfertigen könnte. Es erweist sich nämlich, daß die durch ArtVI Abs 2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 festgelegte Rückwirkung eine unterschiedliche Behandlung vor dem geltend gemachter Versorgungsansprüche zur Folge hat, abhängig allein davon, ob über derartige Anträge vor oder nach dem entschieden wurde: Mußte - bei völlig gleichen Gegebenheiten im Bereich des Tatsächlichen - eine vor diesem Zeitpunkt getroffene Entscheidung zufolge der damaligen Rechtslage auf Zuerkennung, so muß eine danach getroffene Entscheidung auf Grund der neuen Rechtslage auf Nichtzuerkennung des geltend gemachten Versorgungsanspruches lauten.
Es bedarf keiner näheren Begründung, daß der unterschiedliche Entscheidungszeitpunkt - der allein für die unterschiedliche Behandlung maßgeblich ist - keine sachliche Rechtfertigung für die differenzierende Behandlung zu bilden vermag. In Wahrheit kann also nicht die Rede davon sein, daß die Regelung die Gleichbehandlung aller geltend gemachten Versorgungsansprüche unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Geltendmachung sicherstellt.
Unter diesen Umständen vermag das (im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom G283/89 ua. Zlen. maßgebliche Argument, die Anspruchswerber seien durch die rückwirkende Regelung mit Rücksicht darauf, daß die frühere Verwaltungspraxis eine der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes (wie sie im wiederholt zitierten Erkenntnis vom zum Ausdruck kam) entgegengesetzte Rechtsauffassung vertrat, nicht in einem Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht worden, zu keinem anderen Ergebnis zu führen.
Damit erweist sich die in Prüfung gezogene Regelung schon aus diesem Grund als mit dem Gleichheitsgrundsatz in Widerspruch stehend.
f) Die in Prüfung gezogene Vorschrift war daher als verfassungswidrig aufzuheben, ohne daß auf die übrigen vom Verwaltungsgerichtshof vorgebrachten Bedenken, denen sich der Verfassungsgerichtshof in dem das Gesetzesprüfungsverfahren G226/90 einleitenden Beschluß angeschlossen hatte, einzugehen war.
5. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG, der Ausspruch, daß die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist, auf Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und aus § 64 Abs 2 VerfGG.
6. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.