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VfGH vom 20.01.1984, G22/81

VfGH vom 20.01.1984, G22/81

Sammlungsnummer

9912

Leitsatz

Vbg. Gemeindewahlgesetz; Aufhebung des 8. Abschn. wegen Unvereinbarkeit mit dem verfassungsgesetzlich gebotenen System der Verhältniswahl; insbesondere Aufhebung des § 47 Abs 2 wegen Verstoßes gegen Art 148 und Art 10 Abs 1 Z 1 B-VG; Unzulässigkeit einer bindenden Regelung der Anfechtungsberechtigung für Wahlen vor dem VfGH durch den Landesgesetzgeber

VerfGG 1953; verfassungskonforme Interpretation des § 67 Abs 2 3. Satz im Hinblick auf Art 141 B-VG

Spruch

I. Die Gesetzesprüfungsverfahren G23, 24/81 werden eingestellt.

II. 1. Der 8. Abschn. des Gemeindewahlgesetzes - GWG (Anlage zur Neukundmachungsverordnung der Vbg. Landesregierung, LGBl. 31/1979) wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Landeshauptmann von Vorarlberg ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

2. Der dritte Satz des § 67 Abs 2 des VerfGG 1953, BGBl. 85 idF BGBl. 18/1958, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit V vom , LGBl. 1/1980, schrieb die Vbg. Landesregierung die Wahl in die Gemeindevertretungen für den aus. Für die Wahl in die Gemeindevertretung der Gemeinde Doren wurden Wahlvorschläge iS des § 12 des Gemeindewahlgesetzes - GWG (Anlage zur Neukundmachungsverordnung der Vbg. Landesregierung, LGBl. 31/1979) nicht erstattet.

Mit einem Rundschreiben, welches "an die Bürgerinnen und Bürger von Doren" gerichtet war, gab der Bürgermeister der Gemeinde Doren - und zwar noch vor Ablauf der Frist zur Einbringung von Wahlvorschlägen - bekannt, daß beabsichtigt sei, "für die am stattfindende Gemeindewahl eine Einheitsliste aufzustellen". Zu diesem Zwecke werde am eine "Vorwahl" durchgeführt werden. Der nachfolgende Text des Rundschreibens enthielt Daten über Zeit und Ort der "Vorwahl" sowie detaillierte Teilnahmebedingungen.

Nach Durchführung dieser "Vorwahl" teilte der Bürgermeister in einer "An einen Haushalt!" gerichteten "Information" das Ergebnis der "Vorwahl" mit. Die Information enthielt den abschließenden Satz:

"Diese Vorwahl beruht auf keiner gesetzlichen Grundlage".

Vor dem für anberaumten Termin der Wahlen in die Gemeindevertretung versandte der Bürgermeister ein weiteres Rundschreiben, welchem eine "Empfehlungsliste" und ein Stimmzettel angeschlossen waren. In dem Rundschreiben führte der Bürgermeister aus: "Anbei erhalten Sie einen Wahlvorschlag, der aufgrund des Vorwahlergebnisses erstellt wurde, sowie einen leeren Stimmzettel. Bei der Wahl selbst können Sie den Wahlvorschlag oder den leeren Stimmzettel mit den angegebenen Namen abgeben". In der "Empfehlungsliste", welche im Rundschreiben als Wahlvorschlag bezeichnet wurde, wurden für die Wahl als Gemeindevertreter und Ersatzmänner je 12 Personen nominiert.

Am wurde die Gemeindevertretungswahl durchgeführt und das Ergebnis von der Gemeindewahlbehörde am kundgemacht. In der Kundmachung wurden die in der "Empfehlungsliste" zur Wahl als Gemeindevertreter und Ersatzmänner vorgeschlagenen Personen, wenn auch in anderer Reihenfolge, als gewählt erklärt.

1.2. Diese Wahl wird vom Anfechtungswerber als Wahlberechtigtem, gestützt auf § 47 Abs 2 GWG, wegen Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens beim VfGH zu WI-12/80 angefochten.

Im wesentlichen wird geltend gemacht, daß die Durchführung einer "Vorwahl" ungesetzlich gewesen sei und gegen das persönliche Wahlrecht verstoßen habe, daß die von der Gemeinde und auf Briefpapier der Gemeinde Doren ausgesandten Rundschreiben und insbesondere die Verteilung einer aufgrund der Ergebnisse der "Vorwahlen" erstellten "Empfehlungsliste" im GWG keine Deckung finden, daß hiedurch ein Verstoß gegen den Grundsatz des freien Wahlrechtes vorliege, daß eine Stimmabgabe unter Verwendung der "Empfehlungslisten" als Stimmzettel ungültig sei und zu einer möglichen Beeinflussung des Wahlergebnisses geführt habe.

Der Anfechtungswerber beantragt, die Wahlen in die Gemeindevertretung der Gemeinde Doren vom zur Gänze für ungültig zu erklären.

1.3.1. Gestützt auf § 47 Abs 1 iVm. § 41 GWG erhob der Anfechtungswerber des weiteren gegen die Ermittlung des Wahlergebnisses durch die Gemeindewahlbehörde Einspruch an die Landeswahlbehörde.

Geltend gemacht wurde, daß die sogenannte "Vorwahl" vom ungesetzlich erfolgt sei, daß "das Gemeindeamt weder eine gesetzliche noch eine abstimmungsmäßige Ermächtigung" gehabt habe, eine "Umwandlung der Mehrheitsliste aus der Vorwahl in eine einheitliche Liste von Wahlkandidaten" durchzuführen; daß die Empfehlungsliste weder "eine Parteiliste im engeren Sinn, noch eine Wahlgruppenliste iS einer Namensliste nach § 12 GWG" gebildet habe; daß die Gemeinde keine Befugnis gehabt habe, einen Wahlvorschlag zu erstatten; daß darin eine "massive und ungehörige Wahlbeeinflussung durch das Gemeindeamt" gelegen sei, und daß zufolge § 33 Abs 1 litb GWG als Stimmzettel verwendete "Empfehlungslisten" ungültig seien und also bei der Ermittlung des Wahlergebnisses nicht berücksichtigt hätten werden dürfen. Da es jedoch unbillig wäre, "allein die Minderheitsfälle der individuell ausgefüllten Stimmzettel ... zum Zuge kommen zu lassen", begehre der Einspruchswerber eine Wiederholung der Wahl.

1.3.2. Mit Bescheid der Landeswahlbehörde vom , Z I b 119-7/80, wurde der Einspruch

"a) soweit in ihm die unrichtige Ermittlung des Wahlergebnisses geltend gemacht wird, abgewiesen und

b) soweit in ihm darüber hinausgehende gesetzwidrige Vorgänge im Wahlverfahren geltend gemacht werden, zurückgewiesen".

Begründend wurde ausgeführt, daß im Hinblick auf die Beschränkung der Prüfungsbefugnis der Einspruchsbehörde auf die Ermittlung des Wahlergebnisses der Einspruch insoweit zurückzuweisen gewesen sei, als sonstige Gesetzwidrigkeiten geltend gemacht worden seien. Was die Frage der Gültigkeit der als Stimmzettel verwendeten Empfehlungslisten betreffe, die im Einspruch bestritten werde, habe deren Format § 31 GWG entsprochen; da die angebrachten Worte "Gemeinde Doren" und "Empfehlungsliste" ebenfalls für die Gültigkeit eines Stimmzettels gemäß § 48 iVm. § 33 Abs 4 litd GWG ohne Bedeutung seien, habe die Einspruchsbehörde keine Veranlassung zu einer Richtigstellung gehabt, weshalb der Einspruch, soweit er sich gegen die Ermittlung des Wahlergebnisses gerichtet habe, abzuweisen gewesen sei.

1.3.3. Unter Hinweis darauf, daß mit dieser Entscheidung der Instanzenzug erschöpft sei, wird vom Anfechtungswerber als Wahlberechtigten, gestützt auf § 47 Abs 2 GWG, die Wahl beim VfGH zu WI-14/80 wegen unrichtiger Ermittlung des Wahlergebnisses gemäß Art 141 B-VG iVm. den §§67 ff. VerfGG 1953 angefochten. Er macht geltend, daß Wähler, die ihr Stimmrecht unter Verwendung der "Empfehlungslisten" ausgeübt haben, ungültig gewählt hätten. Die gegenteilige Ansicht der Landeswahlbehörde sei gesetzwidrig. Bei Wahlen nach dem 8. Abschn. des GWG dürften nur leere Stimmzettel ausgegeben werden, die von den Wählern selbst mit den Namen ihrer Kandidaten ausgefüllt werden müßten.

Der Anfechtungswerber beantragt das "Ermittlungsverfahren zur Wahl der Gemeindevertretung der Gemeinde Doren am wegen Rechtswidrigkeit für nichtig" zu erklären.

2.1.1. Aus Anlaß der Wahlanfechtung WI-12/80 hat der VfGH unter G21, 22/81 und aus Anlaß der Wahlanfechtung WI-14/80 unter G23, 24/81 von Amts wegen Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des 8. Abschn. (§§43 bis 48, betreffend Wahlverfahren in Ermangelung von Wahlvorschlägen) des Gemeindewahlgesetzes - GWG (Anlage zur Neukundmachungsverordnung der Vbg. Landesregierung, LGBl. 31/1979), sowie des dritten Satzes des § 67 Abs 2 des VerfGG 1953, BGBl. 85 idF BGBl. 18/1958, eingeleitet.

2.1.2. Diese Bestimmungen lauten:

§67 Abs 2 VerfGG 1953, BGBl. 85 idF BGBl. 18/1958 (künftig: VerfGG), dritter Satz:

"Sieht die Wahlordnung keine derartige Anmeldung von Wahlvorschlägen vor, so richtet sich die Berechtigung zur Anfechtung von Wahlen vor dem VfGH nach den besonderen Bestimmungen solcher Wahlordnungen."

8. Abschn. des GWG:

"§43

Abstimmungs- und Ermittlungsverfahren ohne Wahlvorschläge

Wird in einer Gemeinde nicht spätestens drei Wochen vor dem Wahltag eine Anmeldung der Wahlwerbung nach § 12 Abs 1 oder trotz Erstattung dieser Anmeldung nicht spätestens zwei Wochen vor dem Wahltag ein Wahlvorschlag nach § 12 Abs 2 eingebracht, so finden in dieser Gemeinde für das Abstimmungs- und Ermittlungsverfahren folgende Bestimmungen Anwendung.

§44

Ausfüllen von Stimmzetteln, Beurteilung ihrer Gültigkeit

(1) Jeder Wähler kann seine Stimme für jede in die Gemeindevertretung der betreffenden Gemeinde wählbare Person abgeben.

(2) Die auf dem Stimmzettel angeführten Personen müssen so klar bezeichnet sein, daß sie mit keiner anderen wählbaren Person verwechselt werden können.

(3) Jeder Stimmzettel darf nur doppelt so viele Namen enthalten, als Gemeindevertreter zu wählen sind. Der Wähler kann die Gemeindevertreter und die Ersatzmänner ausdrücklich bezeichnen.

(4) Ein Stimmzettel, auf dem nicht wenigstens eine wählbare Person klar bezeichnet ist, ist ungültig.

(5) Enthält ein Wahlkuvert mehrere Stimmzettel, so sind diese als ein gültiger Stimmzettel zu betrachten, wenn wenigstens ein Stimmzettel gültig ist und aus allen gültigen Stimmzetteln zusammen der Wählerwille unzweifelhaft erkenntlich ist.

§45

Auswertung der Stimmzettel

(1) Nach Prüfung der Gültigkeit der Stimmzettel (§34 Abs 2) hat die Wahlbehörde aus jedem gültigen Stimmzettel höchstens so viele gültig angeführte Namen als in der betreffenden Gemeinde Gemeindevertreter zu wählen sind, nach ihrer Reihenfolge auf dem Stimmzettel (von oben nach unten, von links nach rechts) in die Stimmliste für Gemeindevertreter derart einzutragen, daß bei der ersten Stimme, die jemand erhält, die Zahl 1, bei der zweiten die Zahl 2 usw. beigesetzt wird.

(2) In gleicher Weise sind die über die Zahl der Gemeindevertreter hinausgehenden gültig angeführten Namen nach ihrer Reihenfolge auf dem Stimmzettel (Abs1) in die Stimmliste für Ersatzmänner einzutragen.

(3) Enthält ein Stimmzettel Namen nicht wählbarer Personen oder Namen, durch die mangels weiterer Unterscheidungsmerkmale (§32 Abs 4) eine Person nicht unzweifelhaft bezeichnet wird, so sind diese bei der Feststellung der Stimmen nicht zu berücksichtigen. Enthält ein Stimmzettel mehr Namen als nach § 44 Abs 3 zulässig sind, so sind die über die Zahl hinausgehenden Namen nicht zu berücksichtigen.

(4) Ist auf einem Stimmzettel der Name einer und derselben Person mehrmals genannt, so ist nur die erste Nennung dieses Namens zu berücksichtigen, die übrigen gelten als nicht beigesetzt.

(5) Hat der Wähler auf dem Stimmzettel die Gemeindevertreter und die Ersatzmänner ausdrücklich bezeichnet, so ist dies bei der Eintragung in die Stimmlisten zu berücksichtigen.

(6) Die Eintragungen in der Stimmliste sind gleichzeitig und in gleicher Weise von einem anderen Mitglied der Wahlbehörde in einer Gegenliste zu verzeichnen.

(7) Wenn die Gemeinde nur einen Wahlsprengel bildet, hat die Gemeindewahlbehörde die Wählbarkeit der in den Stimmlisten eingetragenen Personen zu überprüfen und die Namen der in der Stimmliste für Gemeindevertreter verzeichneten wählbaren Personen, die nicht als Gemeindevertreter gewählt gelten (§46 Abs 1), samt der von ihnen erreichten Stimmenanzahl in die Stimmliste für Ersatzmänner zu übertragen. Falls solche Personen in der Stimmliste für Ersatzmänner bereits aufscheinen, ist die von ihnen in der Stimmliste für Gemeindevertreter erreichte Stimmenanzahl der von ihnen in der Stimmliste für Ersatzmänner erreichten Stimmenanzahl hinzuzuzählen.

(8) Ist die Gemeinde in mehrere Wahlsprengel geteilt, haben die Sprengelwahlbehörden unter sinngemäßer Anwendung des § 35 den Wahlvorgang zu beurkunden und die Wahlakten der Gemeindewahlbehörde vorzulegen. Die Gemeindewahlbehörde hat die Sprengelstimmlisten für Gemeindevertreter in eine Gemeindestimmliste für Gemeindevertreter und die Sprengelstimmlisten für Ersatzmänner in eine Gemeindestimmliste für Ersatzmänner zusammenzufassen und sodann gemäß Abs 7 zu verfahren.

§46

Verteilung der Mandate

(1) Von den in der Stimmliste für Gemeindevertreter eingetragenen Personen gelten diejenigen, die die meisten Stimmen erhalten haben, in der Reihenfolge der von ihnen erreichten Stimmen und in er im § 29 des Gemeindegesetzes festgesetzten Anzahl als Gemeindevertreter gewählt.

(2) Als Ersatzmänner gelten diejenigen Personen gewählt, die in der Stimmliste für Ersatzmänner die meisten Stimmen erhalten haben, und zwar in der Reihenfolge der von ihnen erreichten Stimmen und in derselben Anzahl, wie Gemeindevertreter zu wählen sind.

(3) Bei gleicher Stimmenanzahl wird die Reihenfolge durch das Los bestimmt.

(4) Wenn eine der gewählten Personen nicht wählbar ist oder auf die Ausübung ihres Mandates verzichtet, rücken die in der Reihenfolge der Abs 1 und 2 hinter ihr stehenden Personen vor.

§47

Einsprüche von Wahlberichtigten, Wahlanfechtung vor dem VfGH

(1) Einsprüche gegen die Ermittlung der Wahlergebnisse (§41) können von jedem in der betreffenden Gemeinde Wahlberechtigten erhoben werden.

(2) Jeder in der betreffenden Gemeinde Wahlberechtigte kann die Wahlen wegen jeder behaupteten Rechtswidrigkeit vor dem VfGH anfechten.

§48

Sinngemäße Anwendung anderer Bestimmungen

Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des 6. und 7. Abschnittes sinngemäß anzuwenden."

2.2. In seinen die Gesetzesprüfungsverfahren einleitenden Beschlüssen vom ging der VfGH aufgrund folgender - vorläufiger - Erwägungen davon aus, daß die Wahlanfechtungen zulässig und auch die übrigen Voraussetzungen der Gesetzesprüfung gegeben sind:

"2. § 47 Abs 2 GWG und § 67 Abs 2 dritter Satz VerfGG 1953 begründen die Legitimation des Anfechtungswerbers. Diesen Bestimmungen begegnen zwar verfassungsrechtliche Bedenken, aber allein die Tatsache, daß sie die Legitimation des Anfechtungswerbers begründen, macht sie präjudiziell. Der VfGH ist dabei davon ausgegangen, daß der Anfechtungswerber die Voraussetzung des § 47 Abs 2 GWG, wonach nur Wahlberechtigte zu einer Wahlanfechtung legitimiert sind, erfüllt und daß seine Anfechtungsberechtigung nicht dadurch untergegangen ist, daß er während des vor dem VfGH anhängigen Verfahrens aus der Gemeinde Doren verzogen ist.

...

3. Die Bestimmungen des 8. Abschn. des GWG regeln Wahlverfahren in Ermangelung von Wahlvorschlägen, sind also bei Fällung der Entscheidung über die Wahlanfechtung anzuwenden und damit ebenfalls präjudiziell. Der VfGH hatte sich jedoch die Frage zu stellen, ob eine Aufhebung des § 47 Abs 2 GWG und des dritten Satzes des § 67 Abs 2 VerfGG 1953 nach sich ziehen würde, daß die Wahlanfechtung, gemessen an der bereinigten Rechtslage, zurückzuweisen und dann der 8. Abschn. nicht mehr präjudiziell wäre. Dies ist nach Ansicht des VfGH jedoch aus folgenden Gründen nicht der Fall:

Mit dem VerfGG 1953 werden die Organisation und das Verfahren des VfGH aufgrund der den Bundesgesetzgeber hiezu ermächtigenden Norm des Art 148 B-VG näher geregelt. Soweit sich im Verfassungsgerichtshofgesetz keine Regelungen in Belangen finden, die für die Zulässigkeit eines Antrages, einer Anfechtung oder einer Beschwerde von Relevanz sind, bedeutet dies jedoch nicht, daß das Schweigen des Gesetzgebers zur Unzulässigkeit einer Antragstellung führt. Wenn im VerfGG 1953 keine Bestimmungen darüber enthalten wären, wer zur Anfechtung einer Wahl berechtigt ist, würde dies nicht bedeuten, daß eine Wahlanfechtung unzulässig wäre. Der VfGH hat vielmehr Wahlanfechtungen, die vor dem Inkrafttreten des ersten Organisations- und Verfahrensgesetzes, nämlich des BG vom über die Organisation und über das Verfahren des VfGH, BGBl. 364 (künftig: VerfGG 1921), erhoben wurden, als zulässig erachtet und bei Fehlen gesetzlicher Grundlagen Art 141 B-VG unmittelbar angewendet (VfSlg. 18/1921, 39/1921, vgl. aber auch 51/1921).

Im Falle einer Aufhebung des § 47 Abs 2 GWG und des dritten Satzes des § 67 Abs 2 VerfGG verbliebe der zweite Satz des § 67 Abs 2 VerfGG 1953. Dieser hat jedoch nur die Anfechtung von Wahlen zum Gegenstand, für die Wählergruppen (Parteien) Wahlvorschläge vorgelegt haben. Für Wahlen, zu denen Wahlvorschläge nicht eingebracht sind, findet sich die Regelung in dem in Prüfung gezogenen dritten Satz des § 67 des VerfGG 1953. Wird dieser aufgehoben, führt dies nicht dazu, daß der zweite Satz des § 67 Abs 2 VerfGG 1953 auch Maßstab für die Zulässigkeit von Wahlanfechtungen von Wahlen wird, zu denen Wählergruppen Wahlvorschläge nicht erstattet haben. Hinsichtlich solcher Wahlen würde eine Aufhebung des dritten Satzes des § 67 Abs 2 VerfGG 1953 vielmehr, bezogen auf das VerfGG 1953, zu einer Gesetzeslücke und dies zu einer unmittelbaren Anwendung des Art 141 B-VG führen."

Seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen umschrieb der VfGH wie folgt:

"1. Gegen § 47 Abs 2 GWG und den dritten Satz des § 67 Abs 2 VerfGG 1953:

Nach Art 141 B-VG erkennt der VfGH ua. über die Anfechtung von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern. Gemäß Art 148 B-VG werden die näheren Bestimmungen über die Organisation und das Verfahren des VfGH durch ein besonderes Bundesgesetz, und aufgrund dieses durch eine vom VfGH zu beschließende Geschäftsordnung geregelt. Ein solches Gesetz ist in Form des VerfGG ergangen.

Nach dem zweiten Satz des § 67 Abs 2 VerfGG 1953 sind zur Anfechtung 'der übrigen in Abs 1 genannten Wahlen' - hierunter fallen die Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern - 'Wählergruppen (Parteien) berechtigt, die bei einer durch die Wahlordnung vorgeschriebenen Wahlbehörde Wahlvorschläge für die angefochtene Wahl rechtzeitig vorgelegt haben, und zwar durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter'. Nach dem bereits im Wortlaut wiedergegebenen dritten Satz des § 67 Abs 2 leg. cit. richtet sich die Anfechtung von Wahlen vor dem VfGH dann, wenn die Wahlordnung keine Anmeldung von Wahlvorschlägen vorsieht, nach den besonderen Bestimmungen solcher Wahlordnungen. Die Bestimmungen des 8. Abschn. des GWG regeln Wahlverfahren in Ermangelung von Wahlvorschlägen. Die Berechtigung zur Anfechtung von Wahlen in Gemeindevertretungen im Land Vbg., für welche Wahlvorschläge nicht erstattet wurden, richtet sich - unmittelbar - nach § 47 Abs 2 GWG.

Art148 B-VG ordnet in Übereinstimmung mit Art 10 Abs 1 Z 1 B-VG an, daß die Bestimmungen über die Organisation und das Verfahren des VfGH durch ein Bundesgesetz zu regeln sind. Der dritte Satz des § 67 Abs 2 VerfGG 1953 verfügt jedoch, daß sich die Berechtigung zur Anfechtung von Wahlen vor dem VfGH, wenn keine Wahlvorschläge angemeldet wurden, nach den besonderen Bestimmungen der Wahlordnungen richtet. Damit dürfte der Bundesgesetzgeber den Landesgesetzgeber ermächtigen, Vorschriften über die Legitimation zur Anfechtung solcher Wahlen zu erlassen. Dies scheint verfassungswidrig zu sein, weil der Bundesgesetzgeber seine Kompetenzen nicht delegieren darf. So gesehen, vermag der dritte Satz des § 67 Abs 2 VerfGG 1953 die Regelung des § 47 Abs 2 GWG auch nicht zu decken. Dieselben Bedenken richten sich auch unmittelbar gegen § 47 Abs 2 GWG, denn wenn die Gesetzgebung Bundessache ist, ist es dem Landesgesetzgeber verwehrt, Regelungen zu treffen, die vom Bundesgesetzgeber zu erlassen wären.

2. Gegen die Bestimmungen des 8. Abschn. des GWG besteht das Bedenken, daß sie mit dem Gebot des Art 117 Abs 2 B-VG, wonach die Wahlen in den Gemeinderat aufgrund des Verhältniswahlrechtes stattzufinden haben und ebenso mit Art 7 Abs 3 des Gesetzes über die Verfassung des Landes Vbg. gemäß der Neukundmachungsverordnung, LGBl. 1/1970, in unvereinbarem Widerspruch stehen. Wesensnotwendig ist für das Verhältniswahlsystem die Existenz mehrerer wahlwerbender Parteien und daß die Mandate in den zu wählenden Vertretungskörper nach Maßgabe des bei der Wahl erzielten Erfolges verhältnismäßig verteilt werden.

Das im 8. Abschn. des GWG geregelte Wahlverfahren kennt keine wahlwerbenden Parteien. Die Verteilung der Mandate erfolgt nicht nach einem Proportionalsystem. Von den in der Stimmliste für Gemeindevertreter eingetragenen Personen gelten diejenigen Personen als gewählt, die die meisten Stimmen erhalten und zwar in der Reihenfolge der von ihnen erreichten Stimmen. Dem VfGH scheint, daß ein derartiges Wahlsystem in Widerspruch zu dem nach Art 117 Abs 2 B-VG und ebenso nach Art 7 Abs 3 des Gesetzes über die Verfassung des Landes Vbg. gemäß der Neukundmachungsverordnung, LGBl. 1/1970, für Wahlen in den Gemeinderat verfassungsgesetzlich angeordneten Verhältniswahlrecht steht.

Der VfGH verkennt nicht, daß Situationen eintreten können, in denen mangels wahlwerbender Parteien den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes nicht entsprochen werden kann. Es wird im Gesetzesprüfungsverfahren auch die Frage zu erörtern sein, ob das demokratische Prinzip als Baugesetz des B-VG die in Prüfung gezogene Einschränkung des Anwendungsbereiches des Verhältniswahlrechtes in solchen Fällen erlaubt.

Im Hinblick auf den inneren Zusammenhang aller im 8. Abschn. enthaltenen Regelungen geht der VfGH schließlich davon aus, daß die Bestimmungen untrennbaren Inhaltes sind, sodaß sich die Bedenken gegen den ganzen in Prüfung gezogenen Abschn. des GWG richten."

3. Sowohl die Bundesregierung als auch die Vbg. Landesregierung haben Äußerungen erstattet, in denen sie die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen - der für sie maßgeblichen Gesetzgebungsbereiche - verteidigen.

3.1. Die Bundesregierung führt zu den Bedenken gegen den dritten Satz des § 67 Abs 2 VerfGG aus:

"1. Aus der Sachverhaltsdarstellung in der Begründung des Unterbrechungsbeschlusses vom geht hervor, daß für die Gemeinderatswahl in der Vbg. Gemeinde Doren, die am stattfand, Wahlvorschläge iS des Vbg. Gemeindewahlgesetzes nicht erstattet worden sind. Aus diesem Grund kam der 8. Abschnitt des Gemeindewahlgesetzes, der ein besonderes Verfahren für einen solchen Fall vorsieht, zur Anwendung.

Der § 67 Abs 2 VerfGG sieht nun hinsichtlich der Anfechtung von Wahlen zum Gemeinderat in seinem zweiten Satz vor, daß zur Anfechtung Wählergruppen berechtigt sind, die bei einer durch die Wahlordnung vorgeschriebenen Wahlbehörde Wahlvorschläge für die angefochtene Wahl rechtzeitig vorgelegt haben. Der in Prüfung gezogene dritte Satz des § 67 Abs 2 VerfGG ordnet für den Fall, daß derartige Anmeldungen von Wahlvorschlägen in der Wahlordnung nicht vorgesehen sind, an, daß sich die Berechtigung zur Anfechtung von Wahlen vor dem VfGH nach den besonderen Bestimmungen solcher Wahlordnungen richte.

Die vom VfGH in Prüfung gezogene Bestimmung des VerfGG regelt daher für einen ganz besonderen Fall, nämlich den, daß in einer Wahlordnung die Anmeldung von Wahlvorschlägen überhaupt nicht vorgesehen ist, die Frage, wer anfechtungsberechtigt ist, bzw. nach welchen Rechtsvorschriften die Anfechtungslegitimation zur beurteilen ist. Das Vbg. Gemeindewahlgesetz sieht nun in seinem § 12 vor, daß sich Wählergruppen, die sich an der Wahlwerbung beteiligen wollen, dies spätestens am 21. Tag vor dem Wahltag dem Leiter der Gemeindewahlbehörde anzumelden haben, wobei die Einbringung eines Wahlvorschlages innerhalb dieser Frist auch als Anmeldung gilt. Daraus folgt, daß das Vbg. Gemeindewahlgesetz keineswegs eine Wahlordnung ist, die 'derartige Anmeldungen von Wahlvorschlägen' nicht vorsieht. Vielmehr geht das Vbg. Gemeindewahlgesetz davon aus, daß in der Regel Anmeldungen von Wahlvorschlägen erfolgen, enthält aber in ihrem 8. Abschnitt Sonderbestimmungen für den Fall, daß solche Anmeldungen von Wahlvorschlägen tatsächlich nicht erfolgt sind. Der Umstand aber, ob eine Wahlordnung die Anmeldung von Wahlvorschlägen überhaupt nicht vorsieht oder bloß Regelungen trifft für den Fall, daß Wahlvorschläge tatsächlich nicht eingebracht worden sind, ist deshalb ein rechtlich erheblicher Unterschied, weil die in Prüfung gezogene Regelung des dritten Satzes des § 67 Abs 2 des VerfGG nur auf den ersten Fall Bezug nimmt, nicht jedoch auf den zweiten Fall.

Nach Auffassung der Bundesregierung folgt daraus, daß die in Prüfung gezogene Stelle im § 67 Abs 2 des VerfGG im vorliegenden Fall vom VfGH nicht anzuwenden und daher das von Amts wegen eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren mangels Präjudizielität der Gesetzesstelle einzustellen wäre.

2. Sollte der VfGH den in Prüfung gezogenen dritten Satz des § 67 Abs 2 des VerfGG aber dennoch für präjudiziell erachten, so ist auf folgendes hinzuweisen:

Es trifft zu, daß der Art 148 B-VG in Übereinstimmung mit Art 10 Abs 1 Z 1 B-VG anordnet, daß die Bestimmungen über die Organisation und das Verfahren des VfGH durch Bundesgesetz zu regeln sind. Diese beiden Bestimmungen des B-VG sind aber als bloße Kompetenznorm anzusehen, dh. sie sagen aus, daß der Bundesgesetzgeber die entsprechenden Regelungen zu erlassen habe. Sie treffen hingegen keine Aussage über den Inhalt der vom Bundesgesetzgeber zu treffenden Regelung.

Wenn nun der in Prüfung gezogene dritte Satz des § 67 Abs 2 des VerfGG bestimmt, daß sich für den Fall, daß eine Wahlordnung eine Anmeldung von Wahlvorschlägen nicht vorsieht, die Berechtigung zur Anfechtung von Wahlen vor dem VfGH nach den besonderen Bestimmungen solcher Wahlordnungen richtet, so hat der Bundesgesetzgeber sehr wohl eine Regelung über die Anfechtungsberechtigung getroffen. Es kann keineswegs gesagt werden, daß der Bundesgesetzgeber durch eine derartige Regelung seine Kompetenz delegiert habe. Der Inhalt dieser Regelung besteht nämlich in einer Verweisung auf die betreffenden Wahlordnungen, ohne daß gesagt würde, wer im einzelnen zu einer Wahlanfechtung berechtigt ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH ist aber eine Regelung, die in einer Verweisung auf eine andere Rechtsordnung besteht, nicht verfassungswidrig, wenn es sich um eine sogenannte statische Verweisung handelt. Dies trifft für den vorliegenden Fall zu. Im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation ist nämlich davon auszugehen, daß die in Prüfung gezogene Regelung des VerfGG als statische Verweisung aufzufassen ist. (Zur Reichweite der verfassungskonformen Interpretation vgl. zuletzt Erk. des VfGH WII-1/81 vom ). Da somit der Bundesgesetzgeber sehr wohl eine Regelung getroffen hat, wenn auch diese Regelung in einer verfassungsrechtlich zulässigen Verweisung besteht, und somit von einer Delegierung der Kompetenz des Bundesgesetzgebers nicht gesprochen werden kann, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung nicht verfassungswidrig ist.

Die Bundesregierung stellt daher den Antrag,

1. der VfGH möge das von Amts wegen eingeleitete Verfahren zur Prüfung des dritten Satzes des § 67 Abs 2 VerfGG 1953 mangels Präjudizialität einstellen;

2. sollte der VfGH die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung für präjudiziell halten, möge der VfGH aussprechen, daß der dritte Satz des § 67 Abs 2 VerfGG nicht verfassungswidrig ist;

3. für den Fall, daß der VfGH erkennt, daß die in Prüfung gezogene Bestimmung verfassungswidrig ist, möge der VfGH von einem Ausspruch iS des Art 140 Abs 7 B-VG Abstand nehmen."

3.2. Die Vbg. Landesregierung führt zu den Bedenken des VfGH gegen die Verfassungsmäßigkeit des 8. Abschn. des GWG aus:

"Die juristische Literatur enthält Hinweise darauf, daß auch Formen der Verhältniswahl ohne Parteilisten denkbar sind. Die bei Boyer (Wahlrecht in Österreich, Wien 1961, 104 ff.) geschilderte geschichtliche Entwicklung des Verhältniswahlrechtes zeigt, daß es sich jedenfalls bei den ursprünglichen Formen der Verhältniswahl durchwegs um Personensysteme und nicht um eine Listenwahl handelte. Adamovich (Grundriß des Österreichischen Verfassungsrechtes, Wien 1947, 211) sieht denn auch in den Bestimmungen des 8. Abschnittes des Gemeindewahlgesetzes kein Abgehen vom (damaligen) Art 119 Abs 2 B-VG 'weil unter den bezeichneten Voraussetzungen darin auch eine Art des Verhältniswahlverfahrens zu erblicken ist'.

Auch das Bundeskanzleramt vertrat in seiner Stellungnahme vom , Z 300.964-2a/1949, zum Entwurf einer Vbg. Gemeindewahlordnung die Ansicht, daß das (dem nunmehr in Prüfung gezogenen 8. Abschnitt des Gemeindewahlgesetzes vergleichbare) Wahlverfahren als Verhältniswahlrecht anzusprechen sei, weil die Mandate nach dem Grundsatz der relativen Stimmenmehrheit verteilt werden.

Der für das Mehrheitswahlrecht charakteristische Satz 'alles oder nichts' (Karl Renner, zitiert in 'Wahlen und Parteien in Österreich', Wien 1966, A 407) gilt für das Wahlverfahren nach dem 8. Abschnitt des Gemeindewahlgesetzes sicherlich nicht. In diesem Wahlverfahren finden auch Minderheiten Berücksichtigung. Es kann daher nicht als eine Form der Mehrheitswahl angesprochen werden.

Daß das Verhältniswahlsystem nicht untrennbar mit dem Listenwahlrecht verbunden ist, ist auch dem Erk. des VfGH Slg. Nr. 1932/1950 zu entnehmen. Der VfGH führt hier aus: 'Das Verhältniswahlverfahren kann theoretisch zwar nach verschiedenen Systemen durchgeführt werden, heute kommt aber fast nur das sogenannte Listensystem zur Anwendung, das insbesondere auch den Wahlordnungen für den Nationalrat und für die Landtage zugrunde gelegt ist'.

Ob die in Prüfung gezogenen Regelungen dem verfassungsmäßigen Gebot der Verhältniswahl widersprechen, muß daher zumindestens als fraglich erscheinen. Die Beantwortung dieser Frage wird letztlich davon abhängen, ob das Listenwahlrecht als Wesensmerkmal des Verhältniswahlsystems betrachtet wird oder nicht.

...

Sollte der VfGH bei der im Prüfungsbeschluß vertretenen Anschauung, daß für das Verhältniswahlsystem die Existenz mehrerer wahlwerbender Parteien wesensnotwendig ist, daß also das Listenwahlrecht untrennbar mit dem Verhältniswahlsystem verbunden ist, bleiben, so sprechen folgende Überlegungen für die Verfassungsmäßigkeit des 8. Abschnitt des Gemeindewahlgesetzes:

Ob in einer Gemeinde tatsächlich mehrere Parteien einen Wahlvorschlag einbringen oder nicht, ist vom Gesetzgeber nicht zu beeinflussen. Das verfassungsmäßige Gebot der Verhältniswahl kann daher nur dann Geltung erlangen, wenn wahlwerbende Parteien tatsächlich auftreten und damit überhaupt erst die Voraussetzungen für die Durchführung einer Wahl nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes gegeben sind. Eine Geltung des Gebotes der Verhältniswahl auch in Fällen, in denen keine Wahlvorschläge eingebracht werden, wäre sinnlos, da dies letztendlich nur bedeuten könnte, daß unter diesen Voraussetzungen verfassungsmäßige Wahlen überhaupt nicht abgehalten werden könnten.

Die Vbg. Landesregierung geht davon aus, daß die Bestimmungen der Bundes- und Landesverfassung über die Organe der Gemeinden eine Verpflichtung des zuständigen (Landes-)Gesetzgebers in sich bergen, durch gesetzgeberische Maßnahmen vorzusorgen, daß sich die verfassungsmäßig vorgesehenen Gemeindeorgane auch tatsächlich bilden können. Der Landesgesetzgeber hat daher insbesondere für jene Fälle vorzusorgen, in denen Wahlvorschläge nicht erstattet werden. Das demokratische Bauprinzip der Bundesverfassung verlangt eine Lösung, die sicherstellt, daß die Mitglieder der Gemeindevertretung auf demokratische Art, dh. aufgrund einer Wahl durch die Gemeindebürger, bestellt werden.

Dem Landesgesetzgeber werden im wesentlichen überhaupt nur folgende drei Möglichkeiten offenstehen, um die Funktion der Gemeindeverwaltung auch dann zu sichern, wenn keine Wahlvorschläge eingebracht werden:

1. die Einsetzung eines Amtsverwalters,

2. die Verlängerung der Funktionsperiode der bestehenden Organe und

3. die Durchführung von Wahlen nach dem Personensystem.

Die Einsetzung eines Amtsverwalters widerspricht sowohl der Gemeindeautonomie als auch dem demokratischen Prinzip. Die Lösung, die Funktionsperiode der bestehenden Organe zu verlängern, setzt jedenfalls voraus, daß sich bereits einmal mehrere Wahlparteien einer Wahl gestellt haben und daß in absehbarer Zeit wieder Wahlvorschläge eingebracht werden. Sollte dies nicht der Fall sein, würde über kurz oder lang die Beschlußunfähigkeit der Gemeindevertretung eintreten, da erledigte Mandate nicht wieder besetzt werden könnten. Zudem kann der Verzicht auf Neuwahlen nach Ablauf der Funktionsperiode auch vom Gesichtspunkt der Demokratie her nicht befriedigen.

Die vom Vbg. Landesgesetzgeber im 8. Abschnitt des Gemeindewahlgesetzes getroffene Lösung, die auf einer alten demokratischen Tradition beruht, entspricht, wie die jahrzehntelange Erfahrung zeigt, sowohl vom Gesichtspunkt der Demokratie als auch von praktischen Gesichtspunkten aus.

Die Vbg. Landesregierung vertritt daher die Ansicht, daß für den Fall, daß das Verhältniswahlrecht untrennbar mit dem Listenwahlrecht verbunden ist, der verfassungsmäßige Grundsatz, Wahlen in die Gemeindevertretung nach dem Verhältniswahlrecht durchzuführen, nur in jenen Fällen Geltung haben kann, in denen Wahlparteien sich der Wahl stellen. Stellen sich keine Wahlparteien der Wahl, so hat der Landesgesetzgeber auf andere Weise vorzusorgen, daß sich die verfassungsmäßig vorgesehenen Organe der Gemeinde bilden können. Er ist hiebei an die übrigen Grundsätze der Bundesverfassung, insbesondere an das demokratische Prinzip und an die Bestimmungen über die Gemeindeautonomie gebunden. Von den sich dem Landesgesetzgeber bietenden Möglichkeiten, die Funktion der Gemeindeverwaltung auch dann zu sichern, wenn keine Wahlvorschläge eingebracht werden, entspricht die im 8. Abschnitt des Gemeindewahlgesetzes getroffene Lösung den Grundsätzen der Verfassung am besten. Die Vbg. Landesregierung erachtet daher die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Gemeindewahlgesetzes als im Einklang mit den Bestimmungen der Bundes- und der Landesverfassung stehend."

4. Der VfGH hat des weiteren den übrigen Landesregierungen sowie dem Verfassungsdienst beim Bundeskanzleramt die Möglichkeit eröffnet, schriftliche Äußerungen zum Gegenstand zu erstatten. Hievon wurde wie folgt Gebrauch gemacht:

4.1. Die Oö. Landesregierung hat ausgeführt:

"1. Die Verfassungsmäßigkeit des 8. Abschnittes des Vbg.

Gemeindewahlgesetzes:

...

Außer Zweifel steht, daß die Bestimmungen des 8. Abschnittes des Vbg. Gemeindewahlgesetzes, LGBl. 31/1979 (GWG), diesem in der Judikatur des VfGH festgeschriebenen sowie auch aus Art 117 Abs 5 B-VG hervorleuchtenden Bild des 'Verhältniswahlrechts' offenbar nicht entsprechen, da nach diesem Abschnitt des Gemeindewahlgesetzes eine Aufteilung der Gemeinderatsmandate mittels einer Wahlzahl auf wahlwerbende Partei nicht stattfindet. Auf diesen Befund gründen sich auch die vom WI-14/80-18, gegen das im 8. Abschnitt des Gemeindewahlgesetzes geregelten Wahlverfahrens geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken.

Es ergibt sich allerdings in diesem Zusammenhang die auch vom VfGH selbst bereits zur Erwägung gestellte Frage, ob den Bestimmungen des Art 117 Abs 2 und Abs 5 B-VG die Bedeutung beigemessen werden kann, daß eine nicht nach den dargelegten Prinzipien des Verhältniswahlrechts stattfindende Gemeinderatswahl unter allen Umständen als verfassungswidrig qualifiziert werden müßte. Die Bestimmungen des 8. Abschnittes Gemeindewahlgesetz beschränken sich nämlich von vornherein auf den Fall, daß im Wahlverfahren keine wahlwerbenden Parteien und sohin keine Parteilisten vorhanden sind, daß demnach auch eine Aufteilung der Gemeinderatsmandate auf Parteien nicht möglich ist. Dem Grundsatz nach reduziert sich daher die vom VfGH in seinem Beschluß aufgeworfene Frage nach der Verfassungskonformität des 8. Abschnittes des Gemeindewahlgesetzes auf die Alternative: Wahl eines Gemeinderates nach Verhältniswahlsystem oder Unterbleiben der Gemeinderatswahl, weil eben eine Wahl nach Verhältniswahlsystem nicht möglich ist und weil weiters eine vom Gesetzgeber zwangsweise angeordnete Bildung von Wahlparteien wohl gegen den Grundsatz eines demokratischen, freien Wahlrechtes ebenfalls als Betrachtungsmöglichkeit ausscheidet (vgl. den im Verfassungsrang stehenden Art 8 des Staatsvertrages von Wien; VfSlg. 2037/1950).

Besteht das Wesen der Verhältniswahl, wie der VfGH in ständiger Judikatur dargelegt hat, darin, daß allen am Wahl- bzw. Ermittlungsverfahren beteiligten Wahlparteien eine 'verhältnismäßige Vertretung gewährt wird', so setzt die Anwendbarkeit eines Verhältniswahlrechtes, soll dieses nicht zur bloßen Form herabsinken, die Teilnahme von mindestens zwei Wahlparteien voraus. Ist nämlich am Wahl- bzw. Ermittlungsverfahren von vornherein nur eine Partei beteiligt, so steht auch von vornherein fest, daß alle Mandate auf diese Wahlpartei, sofern sie zumindest eine gültige Stimme erhalten hat, entfallen. Die Aufteilung der Mandate auf diese einzige Wahlpartei nach dem in der Wahlordnung vorgeschriebenen System der Verhältniswahl mittels einer Wahlzahl bedeutet in diesem Fall in Wahrheit nur mehr einen reinen Formalvorgang, der die diesem Verfahren prinzipiell zugedachte Funktion nicht mehr real erfüllt. Daß allerdings der Fall der Teilnahme nur einer einzigen Wahlpartei am Wahlverfahren in der Praxis bei Gemeinderatswahlen relativ häufig vorkommen kann, ist bekannt.

Mangels eines verfassungsgesetzlich zulässigen gesetzlichen Zwanges dahingehend, daß am Wahl- bzw. Ermittlungsverfahren in jedem Fall zumindest zwei Wahlparteien teilzunehmen haben, und angesichts der Tatsache, daß das Fehlen von wahlwerbenden Parteien bzw. einer zweiten wahlwerbenden Partei insbesondere bei Gemeinderatswahlen seit jeher auch als praktischer Fall durchaus denkbar war, muß davon ausgegangen werden, daß die eben genannten Umstände auch dem Bundesverfassungsgesetzgeber - auch wenn er die Mitwirkung der Parteien an der Berufung der Repräsentanten des Volkes vorausgesetzt hat (VfSlg. 3426/1958, 3560/1959) - jedenfalls bekannt gewesen sind. Es ist nun aber dem Bundesverfassungsgesetzgeber nicht zusinnbar, einerseits für die Gemeinde im Art 117 Abs 1 lita B-VG die Existenz eines von den Wahlberechtigten der Gemeinde zu wählenden allgemeinen Vertretungskörpers im Gemeinderat zwingend vorzusehen und es andererseits durch die im Art 117 Abs 2 B-VG getroffene Anordnung des Verhältniswahlrechtes selbst für die in der Praxis offenbar nicht selten vorkommenden und daher auch voraussehbaren Fälle notwendigerweise in Kauf genommen zu haben, daß die allgemeinen Vertretungskörper in diesen Fällen nicht gewählt werden könnten und daß in diesen Fällen letztlich die Aufgaben der Gemeindeselbstverwaltung durch andere, nicht in demokratischer Volkswahl bestellte Organe geführt werden müßten. Da das Verhältniswahlsystem im Grunde nur eine Ausprägung des zu den obersten Verfassungsprinzipien zählenden demokratischen Baugesetzes der Bundesverfassung darstellt, ist im Fall eines Konfliktes zwischen zwei Verfassungsbestimmungen diesem Baugesetz insgesamt ein höherer Stellenwert beizumessen als einer seiner Ausformungen. Der im Art 117 Abs 2 B-VG normierte Grundsatz der Verhältniswahl muß sohin dort seine Grenzen finden, wo er aus der Natur der Sache heraus nicht zu verwirklichen ist. In diesem Fall muß dem demokratischen Baugesetz der Bundesverfassung insgesamt der Vorrang zukommen. Eine gesetzliche Regelung, in der für Fälle, in denen das Verhältniswahlrecht nach der Natur der Sache nicht verwirklichbar ist, durch ein anderes demokratisches Wahlverfahren zur Kreation eines Organs vorgesort wird, das selbst - und viel grundsätzlicher - eine Ausformung des demokratischen Baugesetzes darstellt, kann aus diesem Grund daher nicht mit Verfassungswidrigkeit behaftet sein.

Das Amt der oö. Landesregierung ist daher der Auffassung, daß der 8. Abschnitt des Vbg. GWG der Verfassung entspricht.

2. Zur Verfassungskonformität des § 47 Abs 2 GWG und des § 67 Abs 2 dritter Satz VerfGG 1953:

a) Die zu § 67 Abs 2 dritter Satz VerfGG 1953 vom VfGH in seinem Beschluß formulierten Bedenken besitzen ein erhebliches Gewicht. Daß sich diese Bedenken unmittelbar und zwingend auch gegen § 47 Abs 2 GWG richten müssen, scheint aber nicht so eindeutig zu sein. Es scheint vielmehr, daß § 47 Abs 2 GWG lediglich deklarativ wiederholt, was sich ohne dieser einfachgesetzlichen Regelung unmittelbar bereits aus Art 141 B-VG ergibt. Auch der Bundesgesetzgeber könnte im Rahmen seiner Kompetenz zur Regelung der Organisation und des Verfahrens des VfGH gemäß Art 148 B-VG - so scheint es - keine andere Regelung über die Anfechtung von Wahlen in diesen Sonderfällen vorsehen. Deklarative Aussagen sind aber in jedem Fall verfassungsrechtlich zulässig.

b) Es ist aber grundsätzlich festzustellen, daß die im Art 148 B-VG grundgelegte Kompetenz des Bundes zur Regelung der Organisation und des Verfahrens des VfGH nicht in einer derart eindeutigen Weise, wie dies im Beschluß des VfGH zum Ausdruck kommt, auch die Kompetenz zur Regelung der Wahlanfechtungsvoraussetzungen umfaßt. Immerhin enthält Art 141 Abs 3 B-VG ausdrücklich eine entsprechende Ermächtigung zur Regelung der Voraussetzungen für die Anfechtung des Ergebnisses von Volksbegehren oder Volksabstimmungen, die in dieser Form für die Anfechtung von Wahlen in der Bundesverfassung nicht auffindbar ist. Die Möglichkeit, daß von Verfassungs wegen die jeweils zur Erlassung von Wahlgesetzen berufenen Gesetzgeber auch Regelungen über die Berechtigung zur Anfechtung einer Wahl vor dem VfGH in Ausführung des Art 141 B-VG besitzen, scheint daher und vor allem dann nicht so von vorherein ausgeschlossen, wenn man weiters bedenkt, daß faktisch auch der Nationalrat als einfacher Gesetzgeber sowohl zur Erlassung der Nationalratswahlordnung als auch zur Erlassung jener Regelungen (- nach Auffassung des VfGH nach Art 148 B-VG -) berufen ist, die die Voraussetzungen für eine Wahlanfechtung beinhalten. Warum sollte nun nicht auch den Landesgesetzgebern - gleich dem Bund im Bereich der Nationalratswahlen - die Möglichkeit offen stehen, entsprechende Regelungen gemäß Art 141 B-VG hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Wahlanfechtung zu erlassen. Allfällige Einschränkungen der Wahlanfechtungsberechtigung, die dem Art 141 B-VG widersprechen, hätte der VfGH im Wege eines Gesetzesprüfungsverfahrens in gleicher Weise wie iZm. einer bundesgesetzlichen Regelung wahrzunehmen. § 47 Abs 2 GWG könnte daher auch einen konstitutiven, verfassungsrechtlich zulässigen Inhalt besitzen. Umgekehrt hätte dann § 67 Abs 2 VerfGG 1953 lediglich einen deklarativen Charakter und wäre ebenfalls nicht verfassungswidrig.

Das Amt der oö. Landesregierung ist daher der Auffassung, daß jedenfalls § 47 Abs 2 GWG der Verfassung entspricht. Gleiches hat dann für § 67 Abs 2 VerfGG 1953 zu gelten, wenn ihm lediglich ein verfassungskonformer, deklarativer Charakter zukommt."

4.2. Die Sbg. Landesregierung hat ausgeführt:

"1) Zu den Bedenken gegen § 47 Abs 2 GWG und § 67 Abs 2 dritter Satz VerfGG 1953 (Pkt. IV Z 1 des dg. Beschlusses WI-14/80-18):

Wenn, wie in den Ausführungen zu Pkt. III Z 3 des oa. Beschlusses und in den Erk. VfSlg. 18/1921, 39/1921 dargetan, auch ohne gesetzliche Regelung eine Anfechtungsbefugnis der Wahlen in allgemeine Vertretungskörper besteht, so kann sich diese Legitimation zur Wahlanfechtung nur aus der jeweils angewendeten Wahlvorschrift ableiten lassen. Dies entspricht der Rechtslage, die etwa bei der Ermittlung der Parteistellung nach den Verwaltungsvorschriften gemäß § 8 AVG 1950 mangels ausdrücklicher gesetzlicher Aussagen hierüber in der Regelung des Materiengesetzgebers gegeben ist. Es erscheint möglich, die Aussage des § 47 Abs 2 GWG sodann als veranschaulichenden Hinweis deklaratorischer Natur anzusehen. Veranschaulicht wird hiebei die bereits vorgegebene Rechtslage. Neues ist diesfalls in der Rechtsvorschrift nicht ausgesagt.

2) Zu den Bedenken gegen den 8. Abschnitt GWG (Pkt. IV Z 2 des dg. Beschlusses WI-14/80-18):

Der VfGH hat sich mit dem Begriff des Verhältniswahlrechtes bereits mehrfach auseinandergesetzt. Insbesondere in den Erk. Slg. Nr. 1381 und 1382/1931 sind die entscheidenden Merkmale für das Verhältniswahlrecht herausgearbeitet. Demnach sind zwei Umstände als charakteristisch anzusehen:

a) daß Träger des Rechts auf verhältnismäßige Vertretung nicht das Individium, sondern die politische Partei ist und

b) daß die Idee der Proportionalität darauf gerichtet ist, zwar womöglich allen politischen Parteien eine verhältnismäßige Vertretung zu gewähren, jedoch mit Ausschluß jener kleinen Gruppen, welche die Mindestzahl von Stimmen, die sogenannte Wahlzahl, nicht erreichen, über die eine Partei verfügen muß, um wenigstens einen Abgeordneten zu erhalten.

In seinem Erk. Slg. 3653/1959 hat der VfGH ausdrücklich ausgesprochen, daß er an dieser Auffassung weiterhin festhält. Darüber hinaus hat er dargetan, daß eine Verhältniswahl ohne Wahlzahl nicht möglich ist, denn eine Aufteilung der Mandate auf die Parteien auf Grundlage der Stimmensumme kann nur mit Hilfe eines Quotienten (= Wahlzahl) erfolgen. Die Wahlzahl bewirkt, daß nur jene Parteien, die sie erreichen, die also von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung sind, zum Zuge kommen, während jene Parteien, die sie nicht erreichen, kein Abgeordnetenmandat zugewiesen erhalten.

Durch Art 117 Abs 2 B-VG ist die Einrichtung eines Gemeinderates für alle Gemeinden zwingend vorgeschrieben worden. Es wurde daher die Möglichkeit genommen, in Zwerggemeinden auf die Wahl eines allgemeinen Vertretungskörpers zu verzichten und die Gesamtheit der wahlberechtigten Gemeindemitglieder mit den sonst dem Gemeinderat zustehenden Beschlußrechten auszustatten. Dies war bis dorthin insbesondere im Land NÖ möglich. Von der Bundesverfassung ist daher zwingend die Wahl eines Gemeinderates als allgemeiner Vertretungskörper der Gemeinde vorgeschrieben. Hiebei werden die Mitglieder des Gemeinderates auf Zeit (Wahlperiode) gewählt.

Durch den 8. Abschnitt des Vbg. GWG werden nunmehr Vorschriften für den Fall vorgesehen, daß sich keine Parteien um die Wahl bewerben. Für diesen Fall ist vorgesehen, daß jeder Wähler seine Stimme für jede in die Gemeindevertretung der betreffenden Gemeinde wählbare Person abgeben kann.

Für die weitere Argumentation erscheint es angebracht, festzustellen, daß bei nur einer einzigen wahlwerbenden Partei dem Verhältniswahlrecht Genüge geleistet sein kann, dies obgleich bei einer solchen Sachlage die Zuteilung sämtlicher Mandate an diese eine Partei erfolgt. Ein Stärkeverhältnis und damit Mandatsverhältnis zu einer bestimmten anderen Partei, ist in dem Fall mangels einer solchen nicht feststellbar. Dem Grundsatz des Verhältniswahlrechtes kann demnach bei auch nur einer einzigen wahlwerbenden Partei entsprochen werden. Nun ist es nach ha. Auffassung nicht ausgeschlossen, die in Prüfung gezogene, den Fall betreffende Regelung des Sachverhaltes, daß in einer Gemeinde sich überhaupt keine wahlwerbende Gruppe findet, so zu verstehen, daß damit die gesamte Wählerschaft der Gemeinde geschlossen als wahlwerbende Gruppe qualifiziert wird, jeder passiv Wahlberechtigte potentiell als Bewerber um ein Mandat. Daß die Mandate sodann nur dieser einzigen, fingierten wahlwerbenden Partei zukommen können, ist ebenso klar und dem Grundsatz der Verhältniswahl gerecht werdend, wie bei der nicht durch das Gesetz sondern in der üblichen Weise gebildeten einzigen wahlwerbenden Partei. Der Zuteilung der Mandate an die einzelnen Bewerber nach der Zahl der erlangten Stimmen entspricht bei der nicht durch das Gesetz gebildeten Wahlpartei die Zuteilung laut deren Liste oder laut Wahlpunkten oder dergleichen. Daß der Gesetzgeber die Gesamtheit der Wahlberechtigten nicht ausdrücklich als wahlwerbende Partei bezeichnet hat, die Gesamtheit der passiv Wahlberechtigten nicht als Bewerber um ein Mandat und die sovieltgrößte Stimmenzahl unter den in der Wahl mit Stimmen Bedachten wie Mandate zu vergeben sind, nicht als Wahlzahl, ist von lediglich terminologischer Bedeutung. Funktionell (in ihrer Wirksamkeit im Wahlverfahren) werden die genannten Erfordernisse des Wahlverfahrens von der gesamten Wählerschaft (als wahlwerbender Partei), bzw. jedem passiv Wahlberechtigten (als Bewerber auf dem Wahlvorschlag) der wahlwerbenden Partei bzw. dieser bestimmten Stimmenzahl (als Wahlzahl) erfüllt.

Bei diesem Verständnis erscheint die in Prüfung gezogene Regelung dem Grundsatz der Verhältniswahl doch zu entsprechen."

4.3. Die Stmk. Landesregierung hat ausgeführt:

"1. Zum 8. Abschnitt des Vbg. Gemeindewahlgesetzes:

1. ...

Sowohl das Verhältniswahlrecht als auch das Mehrheitswahlrecht haben begrifflich das Vorliegen mehrerer in aktiver Konkurrenz stehender Bewerber um Mandate zur Voraussetzung. Beide Systeme stellen unterschiedliche Verfahren der Zuteilung von Mandaten an solche Bewerber dar. (Daß in der Realität der Fall eintreten kann, daß sich nur ein Kandidat bzw. eine Liste um die Wahl bewirbt und daher der spezifische Zuteilungsmodus des einen bzw. des anderen Wahlsystems nicht zum Tragen kommen kann, tut diesem Grundsatz keinen Abbruch.)

Beide Wahlsysteme beziehen sich begrifflich aber nicht auf den Fall einer durch Abstimmung vorzunehmenden Nominierung einer bestimmten Anzahl von Mandataren aus einem Kreis von Personen, die zueinander nicht im Verhältnis aktiver Konkurrenz um Mandate stehen.

2. Der 8. Abschnitt des Vbg. Gemeindewahlgesetzes enthält Bestimmungen über die Durchführung von Wahlen für den Fall, daß nicht mehrere Bewerber in aktive Konkurrenz um Mandate getreten sind. Dieses Wahlverfahren kann daher weder dem Begriff des Mehrheitswahlrechtes noch jenem des Verhältniswahlrechtes zugeordnet werden.

Nach Auffassung der Stmk. Landesregierung steht die Vorschrift des Art 117 Abs 2 B-VG der Verfassungsmäßigkeit eines derartigen Wahlverfahrens nicht entgegen, sofern dieses Wahlverfahren nur subsidiär, für den Fall vorgesehen ist, daß mangels des Vorliegens der entscheidenden Voraussetzungen eine Wahl nach dem Verhältniswahlrecht nicht durchgeführt werden kann. Art 117 Abs 2 B-VG enthält nämlich nach ho. Auffassung zwar das Gebot, die Zuteilung von Mandaten zwischen mehreren in aktiver Konkurrenz stehenden Listen nach dem System des Verhältniswahlrechtes durchzuführen. Diese Bestimmung kann aber nicht so verstanden werden, daß es unzulässig wäre, in Wahlordnungen Regeln für den Fall vorzusehen, in dem es mangels einer Einbringung von Wahlvorschlägen an den für eine Wahl nach dem Verhältniswahlrecht begrifflich unerläßlichen Voraussetzungen fehlt.

Es muß vielmehr - im Sinne der Ausführungen des VfGH im Beschluß WI-14/80 - angenommen werden, daß aus dem demokratischen Prinzip der Bundesverfassung eine Legitimation zur Schaffung von Vorschriften, wie sie im 8. Abschnitt des Vbg. Gemeindewahlgesetzes enthalten sind, abgeleitet werden kann.

II. Zum dritten Satz des § 67 Abs 2 des VerfGG 1953:

Auf eine Äußerung zu den diesbezüglichen Bedenken des VfGH wird verzichtet."

4.4. Die Tir. Landesregierung hat ausgeführt:

"1. Der VfGH geht bei der Begründung seiner Bedenken gegen die Bestimmung des dritten Satzes des § 67 Abs 2 VerfGG 1953 davon aus, daß Art 140 B-VG in Übereinstimmung mit Art 10 Abs 1 B-VG die Regelung über die Organisation und das Verfahren des VfGH dem Bundesgesetzgeber vorbehalte. Der dritte Satz des § 67 Abs 2 VerfGG 1953 enthalte jedoch eine Vorschrift, mit der der Bundesgesetzgeber den Landesgesetzgeber ermächtige, Regelungen über die Legitimation zur Anfechtung von Wahlen zu erlassen. Eine derartige Vorschrift sei verfassungswidrig, weil der Bundesgesetzgeber seine Kompetenz nicht delegieren dürfe. Die Tir. Landesregierung teilt diese Bedenken des VfGH.

2. Die Bedenken des VfGH gegen den 8. Abschnitt des Vbg. Gemeindewahlgesetzes bestehen darin, daß die in diesem Abschnitt enthaltenen Regelungen in unvereinbarem Widerspruch mit dem Verhältniswahlrecht stünden.

Der VfGH hat in mehreren Erk. das Wesen des Verhältniswahlrechts dargelegt (vgl. zB die Erk. Slg. 1381/1931, 1382/1931, 3653/1959 und 6087/1969). Danach ist der Grundgedanke des Verhältniswahlrechts, allen politischen Parteien eine Vertretung im betreffenden allgemeinen Vertretungskörper nach Maßgabe ihrer Stärke zu sichern. Ein Verhältniswahlverfahren verlangt zwingend die Listenwahl. Träger des Rechts auf verhältnismäßige Vertretung ist nicht die einzelne sich um das Mandat bewerbende Person, sondern die wahlwerbende Partei. Jedes Verhältniswahlrecht ist weiters wesensnotwendig mit der Berechnung einer Wahlzahl verbunden. Wendet man diese Grundsätze auf die Regelungen des 8. Abschnittes des Vbg. Gemeindewahlgesetzes an, so ergibt sich, daß diese Regelungen - wie im Anfechtungsbeschluß näher ausgeführt - den genannten Erfordernissen eines Verhältniswahlsystems nicht entsprechen.

Der VfGH setzt bei seiner Charakterisierung des Verhältniswahlsystems das Vorhandensein von Institutionen voraus, die in einer Demokratie bei Wahlen üblicherweise als wahlwerbend auftreten (wahlwerbende Parteien). Der 8. Abschnitt des Vbg. Gemeindewahlgesetzes enthält jedoch Regelungen, denen nicht dieser Normalfall zugrunde liegt, sondern versucht für jene Fälle eine Vorgangsweise festzulegen, in denen wahlwerbende Parteien nicht vorhanden sind. Der Gesetzgeber kann daher bei der Erlassung solcher Regelungen nicht an die in der Judikatur für das Verhältniswahlsystem typisch erkannten Merkmale anknüpfen. Es ist in diesem Fall wesentlich, daß das Ergebnis dem Gedanken der Verhältniswahl entspricht. Der Grundgedanke der Verhältniswahl besteht darin, allen wahlwerbenden Parteien eine Vertretung im betreffenden allgemeinen Vertretungskörper nach Maßgabe ihrer Stärke zu sichern. Betrachtet man die Regelung des 8. Abschnittes des Vbg. Gemeindewahlgesetzes unter diesem Gesichtspunkt, so ergibt sich, daß die Bestimmung des § 46 diesen Grundsatz verwirklicht. Es werden nämlich die zu vergebenden Mandate auf die gewählten Personen nach dem Verhältnis der für sie abgegebenen Stimmen aufgeteilt. Nach der genannten Bestimmung gelten die von den in der Stimmliste für Gemeindevertreter eingetragenen Personen diejenigen, die die meisten Stimmen erhalten haben, in der Reihenfolge der von ihnen erreichten Stimmen als gewählt. Diese Methode der Mandatsverteilung entspricht ihrem Wesen nach dem d'Hondt'schen Verfahren, einer Berechnungsmethode, die im vorliegenden Fall mangels Vorliegens von wahlwerbenden Parteien und Listen nicht anwendbar ist.

Selbst wenn diese Überlegungen, die die in Prüfung gezogenen Bestimmungen als mit dem Prinzip der Verhältniswahl vereinbar ansehen, nicht zutreffen, sprechen noch nachstehende Ausführungen für die Verfassungsmäßigkeit der Vbg. Regelung. Art 117 B-VG sieht zwingend die Einrichtung eines Gemeinderates durch Wahl vor. Mit dieser Bestimmung wird für den Bereich der Gemeinden dem im Art 1 B-VG verankerten demokratischen Prinzip Rechnung getragen. Die Verwirklichung des demokratischen Prinzips bedeutet im wesentlichen, daß die maßgebende staatliche Willensbildung sich durch Organe vollziehen muß, die unmittelbar oder mittelbar durch Wahlen legitimiert sind. Das demokratische Prinzip gebietet nicht ein bestimmtes Wahlsystem. Das für die Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern geltende Verhältniswahlsystem ergibt sich aus anderen Vorschriften des B-VG. Wird nunmehr der Standpunkt vertreten, daß nur ein Wahlverfahren, das sich an den eingangs genannten Grundsätzen orientiert, ein dem B-VG entsprechendes Verhältniswahlsystem ist, kann der Gesetzgeber im Falle des Fehlens wahlwerbender Parteien ein solches System niemals verwirklichen. Damit entsteht jedoch für den Gesetzgeber ein Konflikt zwischen der dem demokratischen Prinzip entsprechenden sich aus Art 117 B-VG ergebenden Verpflichtung, Regelungen zu schaffen, die die Einrichtung eines Gemeinderates durch Wahl vorsehen, und der nicht einhaltbaren aus anderen Vorschriften des B-VG sich ergebenden Verpflichtung, dabei ein Verhältniswahlsystem nach bestimmten Grundsätzen zu verwirklichen. Dieser Konflikt kann wohl nur dadurch gelöst werden, daß dem demokratischen Prinzip als Baugesetz des B-VG der Vorrang in der Form zukommt, daß dort, wo das Verhältniswahlsystem nicht verwirklicht werden kann, eine Einschränkung dieses Systems zulässig ist. Diese Überlegungen führen zum Ergebnis, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des 8. Abschnittes des Vbg.

Gemeindewahlgesetzes als verfassungskonform anzusehen sind."

4.5. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes hat ausgeführt:

"1. Wie der VfGH in seinem Unterbrechungsbeschluß WI-14/80-18 unter Punkt III.3 ausführt, bedeutet das Fehlen von Bestimmungen im VerfGG darüber, wer zur Anfechtung einer Wahl berechtigt ist, nicht die Unzulässigkeit einer Wahlanfechtung. Der VfGH habe vielmehr Wahlanfechtungen, die vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Organisation und über das Verfahren des VfGH, BGBl. Nr. 364/1921, erhoben wurden, als zulässig erachtet und bei Fehlen gesetzlicher Grundlagen Art 141 B-VG unmittelbar angewendet (VfSlg. 18/1921, 39/1921, 51/1921). Diese Ansicht findet sich gleichermaßen auch im Erk. WII-1/81-23 vom . Dort vertritt der VfGH die Ansicht, eine lückenhafte Regelung der Anfechtungsberechtigung für Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern führe dazu, daß die Legitimationsvoraussetzungen zur Anfechtung von Wahlen zum Bundesrat aus Art 141 B-VG unmittelbar abzuleiten sind.

Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst möchte zu dieser Rechtsauffassung die folgenden Überlegungen anstellen:

Der Verfassungsgesetzgeber regelt die Anfechtungslegitimation hinsichtlich einzelner Anfechtungstatbestände mit unterschiedlicher Bestimmtheit. So ergibt sich etwa aus Art 140 Abs 1 B-VG in unmißverständlicher Weise die Anfechtungslegitimation, sodaß auch bei Fehlen einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Regelung durch das VerfGG die Anfechtungslegitimation eindeutig aus Art 140 B-VG abzuleiten wäre. Dies erhellt auch aus VfSlg. 3992/1961. Mit vergleichbarer Bestimmtheit ist die Anfechtungslegitimation auch aus Art 139 B-VG erkennbar.

Die Situation ist jedoch anders bei Art 141 Abs 1 lita, aus dem sich die Anfechtungslegitimation nicht mit vergleichbarer Deutlichkeit ableiten läßt, zumal diese Bestimmung keineswegs die Anfechtungsberechtigten in jedem Fall genau bezeichnet.

Bei aller Anerkennung der verfassungspolitischen Gesichtspunkte, in denen die im Unterbrechungsbeschluß WI-14/80-18 dargestellte Auffassung des VfGH offenkundig begründet ist, darf doch auf die beträchtliche Rechtsunsicherheit hingewiesen werden, die entsteht, wenn die Berechtigung zur Anfechtung unmittelbar aus Art 141 Abs 1 lita B-VG abgeleitet wird. Es scheint auch die Berufung auf die Erk. des VfGH Slg. 18/1921, 39/1921 und 51/1921 nicht überzeugend zu sein, weil alle diese Erk. - wie der VfGH selbst ausführt - vor Erlassung eines VerfGG iS des Art 148 B-VG ergangen sind.

2. Wie im Unterbrechungsbeschluß WI-14/80-18 unter Punkt IV.2 weiters ausgeführt wird, scheint dem VfGH ein Wahlsystem, wie es im

8. Abschnitt des Vbg. Gemeindewahlgesetzes geregelt wird, im Widerspruch zu dem nach Art 117 Abs 2 B-VG für Wahlen in den Gemeinderat verfassungsgesetzlich angeordneten Verhältniswahlrecht zu stehen. Das Bundeskanzleramt - Verfassungsdienst geht davon aus, daß vom Verfassungsgesetzgeber nicht die Regelung eines jeden möglichen Falles erwartet werden kann. Jedenfalls ist anzunehmen, daß es auch für den Fall des Fehlens von Wahlvorschlägen eine dem Prinzip eines demokratischen Wahlrechtes gerecht werdende Lösung geben muß. Die Notwendigkeit einer solchen Regelung erhellt aus der Überlegung, daß niemand zur Einbringung von Wahlvorschlägen gezwungen werden kann und daß andererseits der Grundsatz des Verhältniswahlrechts ohne das Vorhandensein von Wahlvorschlägen nicht anwendbar ist. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst stimmt der im Unterbrechungsbeschluß gemachten Andeutung des VfGH zu, wonach solche Regelungen durch das demokratische Baugesetz der Bundesverfassung gedeckt sind; dies allerdings unter der Voraussetzung, daß sie sachgerecht sind und sohin dem Gleichheitsgrundsatz entsprechen. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst sieht den Gleichheitsgrundsatz durch die vorliegenden Bestimmungen des Vbg. GWG nicht verletzt und vertritt daher die Auffassung, daß eine Verfassungswidrigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen aus diesem Grunde nicht anzunehmen ist."

5. Zu den Gesetzesprüfungsverfahren G23, 24/81, die aus Anlaß der zu WI-14/80 protokollierten Wahlanfechtung eingeleitet wurden, hat der VfGH erwogen:

5.1. Die Prozeßvoraussetzungen liegen nicht vor.

Gemäß § 68 Abs 1 VerfGG 1953 muß eine Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht sein.

§47 Abs 1 iVm. § 41 GWG sieht einen solchen Instanzenzug vor. Binnen einer Woche nach Verlautbarung der Wahlergebnisse kann gegen die Ermittlung der Wahlergebnisse Einspruch erhoben werden. Der Einspruch ist zu begründen. Er ist bei der Gemeindewahlbehörde einzubringen und von dieser samt den bezüglichen Akten binnen drei Tagen im Wege der Bezirkswahlbehörde der Landeswahlbehörde vorzulegen. Ergibt die Überprüfung die Unrichtigkeit der Ermittlung, so hat die Landeswahlbehörde die betreffenden Ergebnisse unverzüglich richtigzustellen, die Kundmachung der Gemeindewahlbehörde zu widerrufen und die richtigen Ergebnisse in der gleichen Weise wie die widerrufenen zu verlautbaren.

Die Landeswahlbehörde hat diese Regelung dahin verstanden, daß auch die Frage der Gültigkeit von Stimmzetteln Prüfungsgegenstand des Einspruchsverfahrens sei und hat demgemäß den Einspruch des Anfechtungswerbers, soweit darin ein solcher Vorwurf erhoben wurde, nicht zurückgewiesen, sondern abgewiesen. Der VfGH vermag die Rechtsansicht der Landeswahlbehörde jedoch nicht zu teilen.

§47 Abs 1 GWG spricht davon, daß gegen die "Ermittlung der Wahlergebnisse (§41)" von jedem Wahlberechtigten Einspruch erhoben werden kann, ohne einen einschränkenden Vorbehalt zu enthalten. Auch aus den Materialien zum Gesetz LGBl. 17/1979, über eine Änderung des GWG, geht nur heror, daß die Prüfungsbefugnis der Landeswahlbehörde aus praktischen Gründen gegenüber der vorher geltenden Regelung, wonach ein Einspruchsrecht generell eingeräumt war, eingeschränkt werden soll (vgl. den Bericht des Rechtsausschusses, 3. Sitzung des XXII. Landtages, S 97). Das könnte dahin verstanden werden, daß die Ermittlung des Wahlergebnisses uneingeschränkt Gegenstand des Einspruchsverfahrens sein soll. Es kann aber nicht übersehen werden, daß sich die Regelung des Einspruchsverfahrens entsprechend der Verweisung in § 47 Abs 1 auf § 41 im 7. Abschn. des GWG betreffend das Ermittlungsverfahren findet, wo hingegen die Beurteilung der Gültigkeit von Stimmzetteln in § 33 und damit im 6. Abschn. betreffend das Abstimmungsverfahren geregelt ist. Dies, ebenso aber auch § 37 GWG, wonach die Gemeindewahlbehörde nur Irrtümer in den von den Sprengelwahlbehörde ermittelten zahlenmäßigen Ergebnissen zu berichtigen hat, legt jedoch nahe, daß nur die ziffernmäßige Richtigkeit der Ermittlung des Wahlergebnisses im Einspruchsverfahren zu prüfen ist. In die gleiche Richtung weist § 41 Abs 2, wonach die Landeswahlbehörde bei festgestellten Unrichtigkeiten der Ermittlung die betreffenden Ergebnisse unverzüglich richtigzustellen, die Kundmachung der Gemeindewahlbehörde zu widerrufen und die richtigen Ergebnisse in der gleichen Weise wie die widerrufenen zu verlautbaren hat.

Zu einer gleichlautenden Bestimmung der Tir. Gemeindewahlordnung, LGBl. 14/1949, hat der VfGH im Erk. VfSlg. 1968/1950 ausgeführt:

"Wenn auch die Tir. GWO in § 27 (richtig: 57) Abs 3 von der Ermittlung des Wahlergebnisses schlechthin spricht und nicht von der 'ziffernmäßigen Ermittlung', wie zB § 101 NWO und eine Reihe anderer Wahlrodnungen für allgemeine Vertretungskörper, so ergibt sich die Einschränkung der Bezirkswahlbehörde auf die Überprüfung der ziffernmäßig richtigen Ermittlung des Wahlergebnisses gleichwohl daraus, daß die Befugnisse der Bezirkswahlbehörde: 'sofortige Richtigstellung des Wahlergebnisses unter Verlautbarung des richtigen Ergebnisses' sich nur auf die ziffernmäßige Ermittlung beziehen können."

Bei dieser Rechtsauffassung ist der VfGH bezüglich der Tir. GWO 1962 (VfSlg. 4316/1962, 4505/1963, 4506/1963, 4507/1963), bezüglich der Tir. GWO 1967 (VfSlg. 5805/1968, 5861/1968) und bezüglich der Tir. GWO 1973 (VfSlg. 7391/1974, 9050/1981, 9065/1981 und 9085/1981) geblieben. Sie trifft auch für § 47 Abs 1 iVm. § 41 GWO zu. Im Einspruchsverfahren ist die Gültigkeit der abgegebenen Stimmzettel somit nicht zu überprüfen.

Demgemäß hätte die Landeswahlbehörde den Einspruch auch insoweit zurückzuweisen gehabt, als ihm der Vorwurf zugrunde lag, daß zu Unrecht ungültige Stimmen als gültig bewertet wurden.

Daraus folgt, daß die Landeswahlbehörde über den Einspruch keine Sachentscheidung zu fällen gehabt hätte. Die Wahl war, was die Beurteilung der Gültigkeit der abgegebenen Stimmzettel betrifft, mit der Kundmachung des Wahlergebnisses durch die Gemeindewahlbehörde abgeschlossen und unterlag keinem weiteren Rechtszug. Sie hätte daher (auch) insoferne nur unmittelbar beim VfGH angefochten werden können. Auch der Umstand, daß die Landeswahlbehörde unzuständigerweise eine Sachentscheidung getroffen hat, bewirkt nicht die Zulässigkeit der Wahlanfechtung. Der Einspruchsbescheid hat am Wahlergebnis (anders als in der Rechtssache VfSlg. 5471/1967) keine Änderung bewirkt, seine Rechtswidrigkeit blieb für das kundgemachte Wahlergebnis ohne Bedeutung. Eine Aufhebung des Einspruchsbescheides der Landeswahlbehörde wegen Unzuständigkeit zur Fällung der abweisenden Sachentscheidung kommt unter diesen Umständen nicht in Betracht. Die der Sache nach gegen behauptete Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens gerichtete Wahlanfechtung ist nicht anders zu beurteilen, als eine innerhalb der Anfechtungsfrist ab Zustellung des Einspruchsbescheides, jedoch nach Ablauf der Frist zur unmittelbaren Anfechtung der Wahl erhobene Wahlanfechtung, wenn in der rechtsirrigen Annahme der Zulässigkeit Einspruch erhoben und dieser von der Einspruchsbehörde als unzulässig zurückgewiesen wurde. In diesem Fall geht der Rechtsirrtum zu Lasten des Anfechtungswerbers, eine hiedurch eingetretene Verspätung der Wahlanfechtung führt zu deren Zurückweisung wegen Fristversäumnis (vgl. VfSlg. 9085/1981). Nichts anderes gilt, wenn die Einspruchsbehörde den unzulässigen Einspruch abweist, statt ihn zurückzuweisen.

So gesehen erweist sich, daß die Wahlanfechtung zu WI-14/80 nur binnen vier Wochen ab Kundmachung des Wahlergebnisses (hier dem ) hätte erhoben werden können. Eine inhaltlich gleichlautende Wahlanfechtung wurde auch tatsächlich fristgerecht zu WI-12/80 erhoben. Die Wahlanfechtung zu WI-14/80 ist dagegen verspätet und - die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen über die Beschränkung des Einspruchsverfahrens auf die ziffernmäßige Richtigkeit des Wahlergebnisses steht nicht in Frage (vgl. hiezu VfSlg. 7821/1976) - daher unzulässig.

5.2. Damit ergibt sich, daß es an einer Prozeßvoraussetzung für die Durchführung der aufgrund der Wahlanfechtung WI-14/80 eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des 8. Abschn. des GWG sowie des dritten Satzes des § 67 Abs 2 VerfGG 1953 idF BGBl. 18/1958 fehlt.

Die Gesetzesprüfungsverfahren zu G23, 24/81 waren daher einzustellen.

6. Zu den aufgrund der Wahlanfechtung WI-12/80 eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren G21, 22/81 hat der VfGH - zunächst (vgl. dazu die Ausführungen unter 7.1.) - hinsichtlich des 3. Satzes des § 67 Abs 2 VerfGG und des § 47 Abs 2 GWG erwogen:

6.1. Zu den Prozeßvoraussetzungen:

6.1.1. Zulässigkeit der Wahlanfechtung:

Die zu WI-12/80 protokollierte Wahlanfechtung wurde am erhoben. Mit ihr werden Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens geltend gemacht, über die im Einspruchsverfahren nicht zu entscheiden ist. Die Kundmachung der Ergebnisse der Wahl erfolgte am . Der Anfechtungswerber war in der Gemeinde Doren wahlberechtigt.

Die Wahlanfechtung ist demnach rechtzeitig erhoben, der Antragsteller ist anfechtungslegitimiert.

Daß der Anfechtungswerber nach der Wahl aus der Gemeinde Doren verzogen ist, ist für seine Anfechtungslegitimation ohne rechtliche Bedeutung.

6.1.2. Zur Präjudizialität:

6.1.2.1. Daß § 47 Abs 2 GWG vom VfGH bei Beurteilung der Anfechtungslegitimation des Antragstellers anzuwenden ist, bedarf keiner Begründung. Die Bestimmung ist präjudiziell iS des § 140 Abs 1

B-VG.

6.1.2.2. Die Bundesregierung vermeint, daß Gleiches für den 3. Satz des § 67 Abs 2 VerfGG nicht zutreffe. Zur Beurteilung der Anfechtungslegitimation des Wahlanfechtungswerbers sei diese Bestimmung nicht anzuwenden, da sie nur dann Platz greife, wenn eine Wahlordnung Wahlparteien überhaupt nicht vorsehe; der 8. Abschn. des GWG sei aber Bestandteil einer Wahlordnung die - insgesamt - die Bildung von Wählergruppen vorsieht. Die Anfechtungsberechtigung sei für Fälle, in denen - wie im GWG - die Möglichkeit der Bildung von Wahlparteien vorgesehen sei, wenn von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht werde und somit iS des 8. Abschn. des GWG gewählt werden könne, im VerfGG überhaupt nicht geregelt.

Der VfGH vermag dieser Ansicht nicht zu folgen. Er ist vielmehr der Meinung, daß der in Prüfung gezogene 3. Satz des § 67 Abs 2 VerfGG für die Beurteilung der Anfechtungsberechtigung nicht nur dann maßgeblich ist, wenn die Wahlordnung "keine derartige Anmeldung von Wahlvorschlägen vor(sieht)", sondern vielmehr Anwendung zu finden hat, insoweit sie die Anmeldung von Wahlvorschlägen nicht vorsieht und also die Durchführung von Wahlen auch für den Fall regelt, daß Wahlparteien nicht konstituiert werden.

Auch der 3. Satz des § 67 Abs 2 VerfGG ist somit präjudiziell.

6.1.3. Da auch sonst keine Prozeßhindernisse bestehen, sind die Gesetzesprüfungsverfahren im hier erörterten Umfang zulässig.

6.2. Zur Sache selbst:

6.2.1. Zu § 47 Abs 2 GWG:

6.2.1.1. Die Oö. Landesregierung und die Sbg. Landesregierung halten den Bedenken des VfGH entgegen, daß in der Regelung des § 47 Abs 2 GWG nur eine deklarative (narrative) Wiedergabe der sich bereits aus Art 141 B-VG ergebenden Rechtslage zu erblicken sei. Dies trifft jedoch aus folgenden Gründen nicht zu:

Zwar erfließt, wie der VfGH im Einleitungsbeschluß unter Hinweis auf die Erk. VfSlg. 18/1921, 39/1921 und 51/1921 angenommen hat, aus Art 141 B-VG unmittelbar die Legitimation zur Anfechtung von Wahlen; dazu ist auch auf das zeitlich nach dem Einleitungsbeschluß ergangene Erk. VfSlg. 9044/1981 zu verweisen. Daraus folgt jedoch nicht, daß dem § 47 Abs 2 GWG nur narrative Bedeutung zukommt. Unmittelbar aus der genannten Verfassungsbestimmung ergibt sich nämlich die Legitimation zur Anrufung des VfGH nur für den Fall, daß der zuständige Bundesgesetzgeber keine Regelung getroffen hat; eine solche findet sich jedoch im 3. Satz des § 67 Abs 2 VerfGG. Unbeschadet der erst abzuhandelnden Frage ihrer Verfassungsmäßigkeit erlaubt es diese Regelung nicht, den § 47 Abs 2 GWG lediglich als narrative Wiedergabe dieser Bestimmung zu deuten. Für den Fall einer Aufhebung des 3. Satzes im § 67 Abs 2 VerfGG und der dann gebotenen Ableitung der Anfechtungslegitimation unmittelbar aus der Verfassung würde aus Art 141 B-VG folgen, daß aus der hiefür maßgeblichen Wahlrechtsordnung zu ermitteln ist, wer nach ihr systemimmanent als Träger des maßgeblichen Rechts (wie zB des Verhältniswahlrechtes die Wahlparteien als Träger des Rechtes auf verhältnismäßige Vertretung; vgl. VfSlg. 1381/1931, 1382/1931, 3653/1959, 8700/1979) und damit als Anfechtungsberechtigter anzusehen ist. Die bindende Beantwortung dieser Frage durch den Landesgesetzgeber aber ist unzulässig; sie wäre es auch dann, wenn sich dieselbe Antwort auch aus Art 141 B-VG ergäbe. Zu einer Regelung dieser Art ist gemäß Art 148 und Art 10 Abs 1 Z 1 B-VG nur der Bundesgesetzgeber berufen. Damit verstößt § 47 Abs 2 GWG gegen diese Verfassungsbestimmungen.

6.2.1.2. Schon aus diesen Gründen erweist sich § 47 Abs 2 als verfassungswidrig.

6.2.2. Zu § 67 Abs 2 Satz 3 VerfGG:

6.2.2.1. Die Sbg. Landesregierung interpretiert diese Regelung - etwa analog § 8 AVG - dahin, daß aus der jeweiligen Wahlordnung abzuleiten sei, wer anfechtungslegitimiert ist. Im Ergebnis sind diese Ausführungen über den Inhalt der in Prüfung gezogenen Regelung im Recht. Der dritte Satz in § 67 Abs 2 VerfGG muß nicht - wie im Einleitungsbeschluß angenommen - als unzulässige Delegierung verstanden werden. Die Anordnung, dß sich die Berechtigung zur Anfechtung von Wahlen, soweit eine Anmeldung von Wahlvorschlägen nicht vorgesehen ist, nach den besonderen Bestimmungen solcher Wahlordnungen richtet, ist vielmehr - verfassungskonform - dahin zu verstehen, daß die Frage der Anfechtungslegitimation vor dem Hintergrund der inhaltlichen Gestaltung der maßgeblichen Wahlrechtsregelung zu beantworten ist. Mit anderen Worten bedeutet dies, daß der Bundesgesetzgeber im 3. Satz des § 67 Abs 2 VerfGG dieselbe Anordnung trifft, wie sie sich aus Art 141 B-VG für den Fall ergibt, daß der Bundesgesetzgeber nähere Anordnungen nicht getroffen hat. Damit erweisen sich die dem Einleitungsbeschluß zugrunde liegenden Bedenken als nicht zutreffend.

6.2.2.2. Der VfGH hat demzufolge auszusprechen, daß der 3. Satz des § 67 Abs 2 VerfGG nicht als verfassungswidrig aufzuheben ist.

7. Zu dem aufgrund der Wahlanfechtung WI-12/80 eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren G22/81 hat der VfGH hinsichtlich der §§43 bis 47 Abs 1 und 48 des 8. Abschn. des GWG erwogen:

7.1. Einleitend ist festzuhalten, daß die im Unterbrechungsbeschluß aus der Sicht der aufgeworfenen Bedenken vertretene Annahme der inhaltlichen Untrennbarkeit aller Bestimmungen des 8. Abschn. des GWG hinsichtlich des § 47 Abs 2 GWG im Verhältnis zu den anderen Bestimmungen des 8. Abschn. nicht zutrifft. Die Verfassungswidrigkeit des § 47 Abs 2 GWG läßt somit nicht auch die übrigen Bestimmungen des 8. Abschn. notwendig als verfassungswidrig erkennen. Es ist vielmehr zu prüfen, ob für die verbleibenden Bestimmungen des 8. Abschn. (§§43 bis 47 Abs 1 sowie § 48 GWG) die Voraussetzungen für die Gesetzesprüfungsverfahren vorliegen und ob die gegen sie erhobenen Bedenken zutreffen.

7.2. Zu den Prozeßvoraussetzungen:

In der Anfechtung zu WI-12/80 werden Rechtswidrigkeiten eines Wahlverfahrens geltend gemacht, das auf Grundlage des 8. Abschn. des GWG durchgeführt wurde. Dessen Bestimmungen sind sohin bei der Entscheidung über die Wahlanfechtung offenkundig zur Gänze anzuwenden.

Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Gesetzesprüfungsverfahren aus Anlaß der Wahlanfechtung zu WI-12/80 zulässig.

7.3. Zur Sache selbst:

7.3.1. Der 8. Abschn. des GWG regelt das "Wahlverfahren in Ermangelung von Wahlvorschlägen", dh. für den Fall, daß Wahlvorschläge nicht erstattet werden. Nach dem System des 8. Abschn. des GWG gelten - nach Maßgabe der im Gemeindegesetz festgesetzten Anzahl der Gemeindevertreter - die Personen als gewählt, die die meisten Stimmen in der Reihenfolge der von ihnen erreichten Stimmen erhalten haben. Die Wahl erfolgt für eine volle Funktionsperiode in der in § 30 des Gemeindegesetzes festgesetzten Dauer.

Die Vbg. Landesregierung vermeint, ein solches Wahlsystem stehe zum verfassungsgesetzlichen Gebot der Verhältniswahl nicht im Widerspruch, weil die Mandate nach dem Grundsatz der relativen Stimmenmehrheit zu verteilen seien und damit der Boden des Verhältniswahlrechtes nicht verlassen werde. Diese Ansicht verkennt jedoch das Wesen des Verfassungsgebotes.

Wie der VfGH in ständiger Rechtsprechung erkennt, sind für das Wesen des Verhältniswahlsystems iS des Art 26 Abs 1 (gleiches ergibt sich aus Art 95 Abs 1 und Art 117 Abs 2 erster Satz) B-VG zwei Umstände charakteristisch: "1. daß Träger des Rechts auf verhältnismäßige Vertretung nicht das Individuum, sondern die politische Partei ist und 2. daß die Idee der Proportionalität darauf gerichtet ist, zwar womöglich allen politischen Parteien eine verhältnismäßige Vertretung zu gewähren, jedoch mit Ausschluß jener kleinen Gruppen, welche die Mindestzahl von Stimmen, die sogenannte Wahlzahl nicht erreichen, über die eine Partei verfügen muß, um wenigstens einen Abgeordneten zu erhalten" (vgl. VfSlg. 1381/1931, ferner 1382/1931, 3653/1959, 8700/1979). Der VfGH hält an dieser Rechtsprechung weiterhin fest.

Ein Wahlsystem, das Wahlvorschläge und damit eine Beteiligung wahlwerbender Parteien nicht kennt - wie das im 8. Abschn. des GWG geregelte - ist sohin mit dem verfassungsgesetzlich gebotenen System der Verhältniswahl unvereinbar.

Die Bedenken, die der VfGH im Einleitungsbeschluß dargelegt hat, erweisen sich somit als begründet.

Der VfGH hat im Einleitungsbeschluß weiters die Frage aufgeworfen, ob für den Fall, daß sich wahlwerbende Gruppen nicht bilden, das demokratische Prinzip als Baustein des B-VG die in Prüfung gezogene Einschränkung der Anwendung des Verhältniswahlrechtes erlaube. Sowohl der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes als auch die Landesregierungen bejahen diese Frage und erachten deshalb das Wahlsystem des 8. Abschn. des GWG als verfassungskonform (so auch Putschögl in Fröhler - Oberndorfer, Das österreichische Gemeinderecht, S 99 ff.).

Der VfGH ist nicht dieser Ansicht. Die Verfassung erlaubt ein Abgehen von den Grundsätzen der Verhältniswahl jedenfalls dann nicht, wenn der nach einem anderen System gewählte Vertretungskörper nicht bloß eine Ausnahmesituation überbrücken, sondern einen verfassungsgemäß zu wählenden Vertretungskörper voll ersetzen soll. Eine Rechtfertigung dafür, neben oder an Stelle des Verhältniswahlsystems schlechthin ein anderes Wahlsystem zu etablieren, kann aus dem demokratischen Prinzip keinesfalls abgeleitet werden, weil dieses nur in der Form als Argument verwendbar ist, als es im Verfassungsrecht in Erscheinung tritt. Die Regelung des 8. Abschn. des GWG trifft nicht bloß Vorkehrungen für eine Übergangsperiode, in der ein verfassungsgemäß gewählter Gemeinderat nicht besteht, sie ermöglicht vielmehr die Wahl des Gemeinderats für eine normale Funktionsperiode. Das aber widerspricht dem verfassungsgesetzlich festgelegten Grundsatz der Verhältniswahl, weil damit neben dem Verhältniswahlrecht gleichrangig und alternativ noch ein weiteres Wahlsystem etabliert wird.

Die Bestimmungen des 8. Abschn. des GWG widersprechen somit insgesamt dem Art 117 Abs 2 B-VG, aber auch dem Art 7 Abs 3 der Verfassung des Landes Vorarlberg.

8. Der 8. Abschn. des GWG ist daher als verfassungswidrig aufzuheben, wo hingegen auszusprechen ist, daß der 3. Satz des § 67 Abs 2 VerfGG nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.

Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art 140 Abs 6 B-VG.

Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Vorarlberg zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung des 8. Abschn. des GWG erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VerfGG.