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VfGH vom 03.03.1989, G213/88

VfGH vom 03.03.1989, G213/88

Sammlungsnummer

11997

Leitsatz

§19 Abs 4 PensionsG 1965 idF BGBl. 426/1985 nicht gleichheitswidrig; keine unsachliche Differenzierung der Versorgungsansprüche Hinterbliebener nach Maßgabe ihres Unterhaltsanspruches; Anordnung unterschiedlicher unterhalts- und pensionsrechtlicher Folgen bei Verschuldensscheidung nach den §§47 bis 49 EheG und Zerrüttungsscheidung gem. § 55 EheG sachlich gerechtfertigt

Spruch

§ 19 Abs 4 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340, in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. Nr. 426/1985, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B833/86 das Verfahren über eine auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, welche sich gegen einen im Instanzenzug erlassenen Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom richtet. Mit diesem Bescheid stellte der Bundesminister fest, daß der Beschwerdeführerin (deren Ehe mit einem Beamten der Finanzverwaltung mit Urteil vom nach § 49 EheG geschieden worden war) ab Versorgungsbezug in einem betragsmäßig angeführten Ausmaß, und zwar entsprechend ihrem zuletzt gegebenen Unterhaltsanspruch auf 35 % des Nettoeinkommens des früheren Ehemannes gebühre. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, es gebühre ihr ein Versorgungsbezug in Höhe eines Witwenversorgungsgenusses, lehnte die Berufungsbehörde ab, weil im Hinblick auf das Scheidungsurteil die Voraussetzungen des zweiten Satzes im § 19 Abs 4 des Pensionsgesetzes 1965 nicht gegeben seien. In der Beschwerde wurde insbesondere geltend gemacht, daß der im angefochtenen Bescheid herangezogene § 19 Abs 4 des Pensionsgesetzes 1965 wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot verfassungswidrig sei.

Der belangte Bundesminister für Finanzen trat dieser Auffassung entgegen und bezog sich insbesondere auf folgende Ausführungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des nachmaligen Bundesgesetzes über Änderungen des Ehegattenerbrechts, des Ehegüterrechts und des Ehescheidungsrechts, BGBl. 280/1978:

"Zwischen den beiden Fällen besteht ein so erheblicher rechtssystematischer Unterschied, daß eine Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist: Klagt die Frau nach den §§47 bis 49 EheG, so will sie selbst der Ehe ein Ende setzen; anders, wenn sie nach § 55 EheG geklagt wird; sie widersetzt sich dann ja der Scheidung, sie will an der Ehe festhalten, und trotzdem wird sie, obwohl den Mann das ausschließliche oder überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft, geschieden.

Im übrigen wäre es rechtspolitisch verfehlt, dem Ehegatten einen Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB zuzubilligen, der aus der Ehe hinausstrebt; dies könnte als eine Begünstigung der Ehescheidung verstanden werden, außerdem hätte es der klagende Ehegatte in der Hand, die Entlassung aus den ehelichen Pflichten zu erreichen, ohne seinen Unterhaltsanspruch wie bei aufrechter Ehe aufzugeben."

2. Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wies der Verfassungsgerichtshof auf sein aufgrund einer Beschwerde derselben Beschwerdeführerin gefälltes Erkenntnis B472/82 vom (VfSlg. 10076/1984) hin und weiters auf sein Erkenntnis G77/83, G71/84 vom (VfSlg. 9995/1984), mit dem das (auch) anläßlich der Beschwerdesache B472/82 eingeleitete Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 19 Abs 4 im Pensionsgesetz 1965, BGBl. 340, (idF der Bundesgesetze BGBl. 280/1978 und 104/1979) durch Aufhebung dieser Gesetzesbestimmung als gleichheitswidrig abgeschlossen worden war. Der Gerichtshof leitete sodann gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen das gegenwärtige Verfahren (G 138/88) zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 19 Abs 4 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. 340, idF des Bundesgesetzes BGBl. 426/1985 ein, der folgenden Wortlaut hat:

"(4) Der Versorgungsbezug - ausgenommen die Ergänzungszulage und die Hilflosenzulage - darf die Unterhaltsleistung nicht übersteigen, auf die der frühere Ehegatte gegen den verstorbenen Beamten an dessen Sterbetag Anspruch gehabt hat. Dies gilt jedoch nicht, wenn


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a)
das auf Scheidung lautende Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs 3 des Ehegesetzes enthält,


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b) die Ehe mindestens 15 Jahre gedauert und


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c)
der frühere Ehegatte im Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles das 40. Lebensjahr vollendet hat. Diese Voraussetzung entfällt, wenn


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1. der frühere Ehegatte seit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles erwerbsunfähig ist oder


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2. aus der geschiedenen Ehe ein Kind hervorgegangen oder durch diese Ehe ein Kind legitimiert worden ist oder die Ehegatten gemeinsam ein Wahlkind angenommen haben und das Kind am Sterbetag des Beamten dem Haushalt des früheren Ehegatten angehört und Anspruch auf Waisenversorgungsgenuß hat; das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit entfällt bei nachgeborenen Kindern."


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3. Zu den Prozeßvoraussetzungen des eingeleiteten Prüfungsverfahrens und den verfassungsrechtlichen Bedenken führte der Verfassungsgerichtshof folgendes aus:


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"1. Zunächst geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, daß der meritorischen Erledigung der vorliegenden Beschwerde Prozeßhindernisse nicht entgegenstehen sowie daß der Gerichtshof bei seiner Entscheidung die bezogene Gesetzesstelle anzuwenden hätte. Zur Präjudizialität verweist der Gerichtshof insbesondere auf seine die gleiche Frage betreffenden Ausführungen im Erk. VfSlg. 9995/1984 (S. 286), mit welchem das § 19 Abs 4 Pensionsgesetz 1965 in der früheren Fassung betreffende Gesetzesprüfungsverfahren entschieden wurde.


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2. Gegen die in Prüfung genommene Bestimmung besteht das Bedenken, daß sie dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot widerspricht, welches ihm sachlich nicht begründbare Differenzierungen verwehrt.

Der Gerichtshof nimmt vorläufig an, daß der Gesetzgeber, wenn er dem früheren Ehegatten eines Bundesbeamten einen Versorgungsbezug einräumt, nicht gehalten ist, diesen Bezug in einem die frühere Unterhaltsleistung übersteigenden Ausmaß zu gewähren; trifft der Gesetzgeber jedoch hievon abweichende, Anspruchsberechtigte günstiger stellende Regelungen, so muß die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises dem Gleichheitsgebot genügen. Dies trifft hier anscheinend nicht zu, weil der nach § 61 Abs 3 EheG bei Scheidung einer Ehe nach § 55 leg.cit. getroffene Ausspruch (daß der Kläger die Zerrüttung der Ehe allein oder überwiegend verschuldet hat) - bei gebotener Durchschnittsbetrachtung - keineswegs geringer wiegt als die gerichtliche Entscheidung, mit der eine Ehe wegen Verschuldens des Beklagten geschieden wird (zB wegen einer schweren Eheverfehlung nach § 49 EheG). Der von der belangten Behörde - durch Bezugnahme auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des späteren Bundesgesetzes BGBl. 280/1978 - erhobene Einwand, es sei eine Unterscheidung danach gerechtfertigt, ob ein Ehegatte durch Klagserhebung selbst der Ehe ein Ende setzen wolle oder sich - nach § 55 Ehegesetz geklagt - der Scheidung widersetze, greift anscheinend nicht durch. Eine materielle Gleichbehandlung muß sich nämlich wohl an der materiellen Rechtsposition des Betroffenen orientieren und nicht am formalen Umstand, welche Parteirolle er im abgeschlossenen Zivilrechtsstreit innehatte. Die weiterreichende Bezugnahme auf die unterschiedlichen unterhaltsrechtlichen Ansprüche in den Fällen der Scheidung nach § 55 EheG mit Verschuldensausspruch gemäß § 61 Abs 3 (nämlich zufolge § 69 Abs 2 EheG ein Unterhaltsanspruch entsprechend § 94 ABGB wie bei aufrechter Ehe) einerseits und in den Fällen der Scheidung wegen Verschuldens andererseits (in denen den allein oder überwiegend schuldigen Ehegatten nach § 66 EheG eine eingeschränkte Unterhaltspflicht trifft) ist im gegebenen Zusammenhang anscheinend nicht von Belang. Der Pensionsgesetzgeber knüpft nämlich - wie aus Abs 1 im § 19 Pensionsgesetz 1965 ersichtlich ist - von vornherein nicht an den kraft Gesetzes gegebenen Unterhaltsanspruch, sondern an die durch Richterspruch, gerichtlichen Vergleich oder schriftliche Verpflichtung bestimmte konkrete unterhaltsanspruchsbegründende Lage an. Wollte man hingegen die eben geschilderte Bevorzugung des Unterhaltsanspruchs bei Scheidung nach § 55 EheG als auch im Bereich des Pensionsrechts maßgebend ansehen, so werden die bestehenden Bedenken dennoch nicht entkräftet. Denn die angenommene Ausstrahlung einer derartigen zivilrechtlichen Regelung auf den pensionsrechtlichen Bereich könnte eine - isoliert betrachtet - gleichheitswidrige Anordnung wohl nicht legitimieren, weil sie - wie sich aus den angestellten Überlegungen sinngemäß ergibt - selbst mit Gleichheitswidrigkeit belastet ist."

II. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B673/86 (Beschwerde gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr) und B912/88 (Beschwerde gegen einen im Instanzenzug erlassenen Bescheid des Bundesministers für Finanzen) zwei weitere gleichgelagerte Beschwerdesachen anhängig. Auch aus Anlaß dieser Beschwerdefälle beschloß der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen die Einleitung von Verfahren (G 145/88 und G213/88) zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 19 Abs 4 des Pensionsgesetzes 1965 in der erwähnten Fassung und verwies auf seinen vorhin wiedergegebenen Prüfungsbeschluß in der Beschwerdesache B833/86.

III. Die Bundesregierung erstattete Äußerungen mit dem Begehren, die in Prüfung gezogene Gesetzesstelle nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Sie führte im einzelnen aus:

"Nach Auffassung der Bundesregierung ist § 19 Abs 4 des Pensionsgesetzes 1965 aus den nachstehenden Erwägungen mit dem verfassungsgesetzlichen Gleichheitssatz vereinbar:

1. Zur Besonderheit der Scheidung wegen Zerrüttung der Ehe:

1.1. Die nachstehenden allgemeinen Ausführungen sollen den rechtlichen Rahmen verdeutlichen, in dem die in Prüfung gezogene Bestimmung gesehen werden muß.

Bei einer Ehe handelt es sich um ein auf unbestimmte Dauer eingegangenes Rechtsverhältnis. Zu seiner Beendigung führen sowohl subjektive als auch objektive Umstände, aber auch Kombinationen von beiden. Ein objektiver Umstand, der - für sich allein - zur Beendigung der Ehe führt, ist etwa der Tod eines Ehegatten. Weitere objektive Umstände sind die gerichtlichen Entscheidungen über die Ehelösung, nämlich Nichtigerklärung, Aufhebung und Scheidung der Ehe; dabei handelt es sich um Rechtsgestaltungsentscheidungen. Diese Entscheidungen haben aber wieder objektive oder subjektive Umstände zur Voraussetzung.

So kann eine Ehe etwa dann für nichtig erklärt werden, wenn (objektiv) ein Ehegatte bereits verheiratet ist (Ehenichtigkeitsgrund der Doppelehe - § 24 EheG). Der Ehenichtigkeitsgrund der Namensehe (§23 EheG) liegt dagegen nur dann vor, wenn beide Ehegatten vorwiegend die Absicht (ein subjektiver Umstand) hatten, einem von ihnen die Führung des Namens des anderen zu ermöglichen.

1.2. Auch bei der Ehescheidung gibt es subjektive und objektive Momente.

Die Ehescheidung nach den §§47 bis 49 EheG ('Scheidung wegen Verschuldens') setzt eine schuldhaft gesetzte Eheverfehlung zumindest eines Ehegatten voraus; diese Bestimmungen erlauben aber keine Scheidung, wenn das Verschulden ausschließlich bei demjenigen liegt, der die Scheidung begehrt.

Die §§50 bis 52 und 55 EheG ('Scheidung aus anderen Gründen') enthalten dagegen auf objektiven Umständen fußende Scheidungsgründe. Ein Verschulden eines Ehegatten ist für den Anspruch des anderen auf Scheidung nicht maßgeblich. Dies führt dazu, daß auch derjenige, durch dessen schuldhaftes Handeln der für die Möglichkeit der Scheidung maßgebliche, objektive Umstand eingetreten ist, die Scheidung verlangen kann.

Diese unterschiedlichen Voraussetzungen für eine Scheidung bedingen aber auch unterschiedliche Rechtsfolgen, da sonst der für das Privatrecht typische Ausgleich zwischen den Interessen der Betroffenen nicht gewährleistet wäre.

Die Rechtsfolgen der beiden dargestellten Hauptgruppen von Scheidungen seien an folgenden Beispielen dargestellt:

1.2.1. Setzt ein Ehegatte eine Eheverfehlung, so hat der andere Ehegatte einen Anspruch auf Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Erstgenannten (§§47 bis 49 EheG).

Die Folge einer solchen Scheidung ist unter anderem, daß der allein oder überwiegend schuldige Ehegatte dem anderen Unterhalt zu gewähren hat (§66 EheG). Bei gleichteiligem Verschulden hat der Ehegatte, der sich nicht selbst unterhalten kann, einen Anspruch auf Billigkeitsunterhalt (§68 EheG).

Für den Fall des Todes des unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehegatten sehen die meisten Pensionsregelungen - so auch § 19 Abs 4 erster Satz des Pensionsgesetzes 1965 - vor, daß - verkürzt gesagt - ein dem Unterhaltsanspruch der Höhe nach entsprechender Pensionsanspruch an dessen Stelle tritt.

Der schuldlose Ehegatte hat allerdings - zunächst - auch einen Anspruch darauf, daß der Ehegatte, der die Eheverfehlung gesetzt hat, nicht unter Berufung darauf ein Scheidungsbegehren durchsetzen kann - er hat somit einen Abwehranspruch. Dies bedeutet, daß zunächst auch dann, wenn die Ehe tiefgreifend zerrüttet ist, die eheliche Lebensgemeinschaft aufgehoben ist und eine Wiederherstellung nicht erwartet werden kann, eine Scheidung nur mit Willen des schuldlosen Ehegatten herbeigeführt werden kann. Stellt er nicht das unrichtige Klagevorbringen außer Streit oder klagt er nicht selbst auf Ehescheidung oder stellt er nicht mit dem anderen Ehegatten gemeinsam einen Antrag auf Scheidung im Einvernehmen, so ist eine Scheidung bei der gegebenen Sachlage nicht möglich.

1.2.2. Ist jedoch die häusliche Gemeinschaft seit drei bzw. sechs Jahren aufgehoben und die Ehe zerrüttet, so hat jeder Ehegatte - auch derjenige, der die Zerrüttung verschuldet hat - Anspruch darauf, daß die Ehe geschieden wird (§55 EheG).

Wird die Ehe nach dieser Bestimmung geschieden, so hat grundsätzlich derjenige Ehegatte, der die Scheidung verlangt hat, dem anderen Ehegatten einen Billigkeitsunterhalt zu gewähren (§69 Abs 3 EheG); er selbst hat keinen Anspruch auf Unterhalt (LGZ Wien EFSlg 36443). Allerdings kann auch ausgesprochen werden, daß derjenige, der die Scheidung verlangt hat, die Zerrüttung allein oder überwiegend verschuldet hat (§61 Abs 3 EheG); in diesem Fall hat derjenige, der die Scheidung verlangt hat, dem anderen in einem solchen Ausmaß Unterhalt zu leisten, wie wenn die Ehe nicht geschieden wäre (§69 Abs 2 EheG).

1.3. Diese Regelungen schaffen folgende Möglichkeiten:

Verläßt der Ehegatte A seinen schuldlosen Ehegatten B und gründet eine Lebensgemeinschaft mit C, so kann B zunächst wählen, ob eine Scheidung begehrt oder die Ehe aufrecht erhalten wird. Im Fall der Scheidung hat er zwar Anspruch auf Unterhalt, doch würde die durch eine neue Ehe des A mit C begründete zusätzliche Sorgepflicht für C den Unterhaltsanspruch mindern. Hält B dagegen an der Ehe fest, so hat er den Unterhalts- und Pensionsanspruch einer in aufrechter Ehe lebenden Person. Auch wenn B an der Ehe festhält, hat aber A nach drei bzw. sechs Jahren die Möglichkeit, die Scheidung zu begehren; da sich - sieht man vom Zeitablauf ab - in seinen Verhältnissen zu B nichts geändert hat, ist nicht einzusehen, weshalb die Unterhalts- und Pensionsansprüche des sich tadellos verhaltenden B allein durch den Zeitablauf enden sollten. Begehrt nunmehr A die Scheidung erfolgreich, so hat er als Folge des Schuldausspruches nach § 61 Abs 3 EheG Unterhalt zu leisten, wie wenn die Ehe noch aufrecht wäre (§69 Abs 2 EheG); Sorgepflichten für einen weiteren Ehegatten kann er nicht einwenden; der Pensionsanspruch des B, der im Falle des Todes von A an die Stelle des Unterhaltsanspruches tritt, ist ebenso gestaltet, wie der Pensionsanspruch eines überlebenden Ehegatten.

1.4. Es ist Aufgabe der Rechtsordnung, nicht nur die Eingehung und die Auflösung der Ehe formal zu regeln, sondern auch die Rechte und Pflichten in der Ehe und nach Beendigung der Ehe.

Bei der Ehe handelt es sich um ein sehr komplexes Dauerrechtsverhältnis. Es dauert, sofern nicht einer der Partner die Auflösung verlangt (oder die Ehe wegen eines Fehlers in ihrer Wurzel für nichtig erklärt oder aufgehoben wird) bis zum Tod eines Ehegatten. Für die Rechtsfolgen, die bei seiner Auflösung eintreten, ist das Verschulden, das für die Auflösung maßgeblich war, von wesentlicher Bedeutung.

Stellt der Scheidungsgrund nicht auf schuldhaftes Handeln ab, so muß ein der Interessenlage der Partner angemessener Ausgleich durch entsprechende Leistungen der Partner zueinander gesucht werden. Als Kriterien hiefür bieten sich Ursachen und Anlaß für die Auflösung an.

Wenn die Auflösung der Ehe begehrt und der andere Ehegatte zu dieser Ehelösung weder Grund noch Anlaß gegeben hat, so entspricht es der Interessenslage beider Ehegatten, wenn der die Ehelösung betreibende Ehegatte dem anderen umfangreichere Leistungen als Folge der Ehescheidung erbringt. Hat aber der die Eheauflösung begehrende Ehegatte aber durch sein Verschulden den Umstand herbeigeführt, der die Ehescheidung - wegen Zerrüttung - ermöglicht, so ist es - im Hinblick auf die Erwartung des anderen Ehegatten, daß die Ehe grundsätzlich bis zum Tod eines der Ehegatten dauert - nur gerechtfertigt, wenn die Rechtsordnung dem die Ehelösung betreibenden Ehegatten Leistungen auferlegt, die er auch zu erbringen hätte, wenn die Ehe aufrecht bliebe.

Der Interessenslage von Ehegatten, die weder Grund noch Anlaß zu einer Ehelösung gegeben haben, entspricht somit am ehesten eine Lösung, bei der ihre Rechtsstellung durch die Scheidung der Ehe möglichst wenig berührt wird. Dazu gehören nicht nur ein Unterhaltsanspruch wie bei aufrechter Ehe, sondern auch Mittel zu der einer aufrechten Ehe entsprechenden sozialversicherungsrechtlichen Absicherung im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten bzw. eine entsprechende pensionsrechtliche Versorgung.

1.5. Nach Auffassung der Bundesregierung ist es daher sachlich gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber die Rechtsstellung von Ehegatten, die keinen Grund für eine Auflösung der Ehe gegeben haben und auch an der Ehe festhalten wollen, günstiger gestaltet als die derjenigen Personen, die die Auflösung der Ehe durch Willensentscheidung bewußt herbeigeführt haben; hinsichtlich der Letztgenannten sind aber - um Wertungswidersprüche zu vermeiden - diejenigen besser zu stellen, die nicht verschuldeter Maßen wesentlich zur Auflösung der Ehe beigetragen haben.

Der Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG und der Pensionsanspruch nach § 19 Abs 4 erster Satz des Pensionsgesetzes 1965 ist somit eine von dem, der die frühzeitige Eheauflösung wünscht, bewußt gewählte - zumindest in Kauf genommene - rechtliche Folge der Scheidung. Der Unterhaltsanspruch nach § 69 Abs 2 EheG und der Pensionsanspruch nach § 19 Abs 4 zweiter Satz des Pensionsgesetzes 1965 ist dagegen eine Folge einer vom Berechtigten offenbar nicht erwünschten, jedenfalls nicht herbeigeführten (vielmehr im Interesse des anderen Ehegatten liegenden) Ehelösung. Das Gesetz stellt somit denjenigen besser, der von der Möglichkeit, das Dauerrechtsverhältnis der Ehe aufzulösen, nicht Gebrauch gemacht hat und benachteiligt denjenigen, der diese sehr wohl ergreift.

Aus all dem wird aber auch deutlich, daß § 19 Abs 4 des Pensionsgesetzes letztlich sehr wohl an der materiellen Rechtsposition des Betroffenen orientiert ist.

2. Zum Verhältnis zwischen materieller Gleichbehandlung und Parteirolle (Seite 5 des Einleitungsbeschlusses):

Die im letzten Absatz des Pkt. 1.5. dieser Äußerung getroffene Aussage wird auch durch folgendes Argument gestützt:

Bei einer Ehescheidung handelt es sich um eine Statusentscheidung. Selbst das Bestehen eines Scheidungsanspruches führt noch nicht ipso facto zur Ehescheidung, sondern der Anspruch muß in dem entsprechenden gerichtlichen Verfahren mit Erfolg geltend gemacht werden.

Erst dies hat die Beendigung der Ehe zur Folge. Es kommt daher im Ehescheidungsrecht nicht nur auf das bloße Bestehen eines Anspruches auf Ehescheidung an, sondern auch darauf, ob wegen diesen Anspruchs Klage erhoben wird.

Daß ein Ehegatte im Scheidungsstreit die Parteistellung eines Klägers hat, ist daher nicht ein zufälliges formales Kriterium, sondern der im formellen Eherecht vorgesehene Weg, materiell eine Beendigung der Ehe herbeizuführen, weil eine einfache rechtsgeschäftliche Erklärung nicht genügt (So kann auch im Fall einer Scheidung wegen Verschuldens nach § 49 EheG ein schuldloser Beklagter die Scheidung nicht mit Einrede durch eine Erklärung verlangen, sondern nur auf Grund einer Widerklage).

Die Erhebung einer Scheidungsklage und die Antragstellung auf Scheidung einer Ehe im Einvernehmen nach § 55a EheG sind Rechtshandlungen, die nur unter bestimmten Voraussetzungen und mit bestimmten Folgen gesetzt werden können. Sie sind auch mit einer unterschiedlichen materiellen Rechtsposition verbunden.

In der unterschiedlichen Ausgestaltung der Ansprüche der Ehegatten in der jeweiligen Rolle des Klägers bzw. des Beklagten, je nach der - aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse - in Betracht kommenden Interessenlage für den jeweiligen Typ einer Ehescheidung, liegt aber keine gleichheitswidrige Diskriminierung.

3. Zur Frage der Auswirkung des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruches auf das Pensionsrecht Seite 5 des Einleitungsbeschlusses:

Der Pensionsanspruch des überlebenden Ehegatten hängt - wie der Verfassungsgerichtshof bereits einmal ausgeführt hat (vgl. VfSlg. 8871/1980) - äußerst eng mit dem Unterhaltsanspruch zusammen.

Davon läßt sich auch die Bundesregierung in der Regierungsvorlage 289 BlgNr XIV. GP betreffend ein Bundesgesetz über eine Änderung des Ehegesetzes leiten, zu der in den Erläuterungen, Seite 8, folgendes ausgeführt wird:

'Die wirtschaftliche Sicherung des schutzbedürftigen Ehegatten - untrennbarer Bestandteil des Gesetzesvorhabens - kann nur in unterhaltsrechtlicher Hinsicht in diesem Gesetzesentwurf vorgesehen werden. Die versorgungsrechtliche Sicherung liegt außerhalb des EheG. Sie ist teils im Sozialversicherungsrecht zu treffen, teils im Pensionsrecht der öffentlich Bediensteten.'

Auch der entsprechende Bericht des Justizausschusses BlgNR XIV. GP, Seite 3, streicht den Zusammenhang zwischen dem § 55 des Ehegesetzes und der Regelung im Pensionsgesetz 1965 wie folgt heraus:

'Das neue Unterhaltsrecht wird ergänzt durch Änderungen sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften und des Pensionsgesetzes 1965. Auch auf diesen Gebieten soll - unter bestimmten Voraussetzungen - der schuldlos gegen seinen Willen geschiedene schutzbedürftige Ehegatte, vor allem die nach § 55 EheG schuldlos geschiedene Frau, so gestellt werden, wie wenn die Ehe aufrecht wäre.'

Aufgrund des eingangs genannten Zusammenhanges muß aber auch der Pensionsanspruch des geschiedenen Ehegatten seiner unterhaltsrechtlichen Stellung entsprechen. Wenn das Pensionsrecht nicht alle Fälle hinterbliebener geschiedener Ehegatten gleich behandelt, weil diese unterschiedliche Unterhaltsansprüche haben, so kann darin keine Verletzung des Gleichheitssatzes liegen.

§ 19 Abs 4 zweiter Satz lita des Pensionsgesetzes 1965, der ein wesentlicher Pfeiler der Familienrechtsreform (vgl. insbesondere die Bundesgesetze BGBl. Nr. 280/1978 und 303/1978) ist, trägt durch seine Bezugnahme auf § 61 Abs 3 EheG der auf die tatsächlichen Gegebenheiten zurückführbaren, unterschiedlichen Interessenslagen der Ehegatten in angemessener Weise Rechnung. Würde er diese Bezugnahme nicht enthalten, so würden die Erwartungen schuldloser und ehebewußter Ehegatten nicht erfüllt werden.

§ 19 Abs 4 zweiter Satz des Pensionsgesetzes 1965 trägt daher der speziellen Interessenslage einer Ehescheidung Rechnung, die ohne Verschulden und gegen den Willen des betreffenden Ehegatten herbeigeführt worden ist. Diese Voraussetzungen treffen aber auch auf den Fall der Beendigung einer Ehe durch den Tod zu. Es ist daher angemessen, die Folgen einer solchen Entscheidung weitgehend derjenigen einer Ehelösung durch Tod des Ehegatten - auch pensionsrechtlich - anzunähern."

IV. Die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Gesetzesprüfungsverfahren sind, da sämtliche Prozeßvoraussetzungen vorliegen, zulässig. Zur Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Gesetzesvorschrift verweist der Verfassungsgerichtshof auf seine die Vorgängerbestimmung betreffenden Ausführungen im Erk. VfSlg. 9995/1984 (S. 286), die auch hier sinngemäß zutreffen.

V. 1. Die in den Prüfungsbeschlüssen aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 19 Abs 4 Pensionsgesetz 1965 sind nicht berechtigt.

2. Wie die Bundesregierung unter Hinweis auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 8871/1980) zu Recht ausführt, hängt der gesetzlich geregelte Pensionsanspruch des überlebenden Ehegatten eng mit dessen - bisherigem - Unterhaltsanspruch zusammen. Anders als vorerst noch in den Prüfungsbeschlüssen angenommen, knüpft die Regelung des Versorgungsbezuges des früheren Ehegatten in § 19 Abs 4 Pensionsgesetz 1965 an dessen gesetzlichen Unterhaltsanspruch nach § 69 Abs 2 Ehegesetz an. Dies dadurch, daß in jener Bestimmung ebenso wie in dieser auf das auf Scheidung lautende Urteil nach § 55 Ehegesetz und den im Urteil enthaltenen Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 des Ehegesetzes abgestellt wird. Der Verfassungsgerichtshof hält es nicht für unsachlich, wenn der Gesetzgeber den Hinterbliebenen Versorgungsansprüche nach Maßgabe ihres seinerzeitigen unterschiedlichen Unterhaltsanspruches gegenüber einem verstorbenen Beamten in verschiedenem Umfang gewährt.

3. Die Regelung des § 19 Abs 4 Pensionsgesetz 1965 widerspricht - entgegen den in den Prüfungsbeschlüssen subsidiär erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken - aber auch nicht deswegen dem Gleichheitssatz, weil die Bevorzugung des Unterhaltsanspruchs bei Scheidungen nach § 55 Ehegesetz gem. § 69 Abs 2 Ehegesetz gegenüber dem Unterhaltsanspruch gem. § 66 Ehegesetz bei Scheidung wegen Verschuldens (§§47 bis 49 Ehegesetz) "selbst mit Gleichheitswidrigkeit belastet" wäre.

Der Verfassungsgerichtshof ist freilich - entgegen der Bundesregierung - der Auffassung, daß es für die Sachlichkeit eines gesetzlich eingeräumten Unterhalts- und daran anknüpfend dann Pensionsanspruchs des schuldlos geschiedenen Eheteils zumindest nicht primär darauf ankommen kann, wem vom Gesetz im Scheidungsprozeß die - formelle - Kläger- bzw. die Beklagtenrolle zugewiesen wird. Er ist vielmehr der Auffassung, daß die Regelung des § 19 Abs 4 Pensionsgesetz 1965 in Zusammenhalt mit § 69 Abs 2 Ehegesetz - jedenfalls unter dem Aspekt der dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken - deshalb in sich sachgerecht ist und daher dem Gleichheitssatz nicht widerspricht, weil der Gesetzgeber dabei ein als von ihm im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit zulässigerweise berücksichtigungswürdig erachtetes Ziel (- die Ehescheidung bei mehrjährig aufgehobener häuslicher Gemeinschaft der Ehegatten -) mit einem geeigneten Mittel (- die Sicherung der bisherigen wirtschaftlichen Lebensgrundlage des schutzbedürftigen Ehegatten auch nach der Scheidung -) im Rahmen der im zustehenden rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit anstrebte und verwirklichte.

So führen bereits die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Ehegesetz-Novelle BGBl. 280/1978 (239 BlgNRStenProt, XIV. GP.) aus:

"...; denn nach der Zielsetzung des Reformvorhabens, die unterhalts- und versorgungsrechtliche Stellung der schutzbedürftigen Ehefrau zu sichern, soll in Zukunft ein Widerspruch aus unterhalts- und versorgungsrechtlichen Erwägungen nicht mehr erhoben werden....

Es gehört zu den tragenden Grundsätzen des Gesetzesvorhabens, den schutzbedürftigen und an der Zerrüttung der Ehe schuldlosen Teil vor einem, wie es der Oberste Gerichtshof in seinem Tätigkeitsbericht über das Jahr 1973 ausgedrückt hat, durch die vom anderen Eheteil beantragte Scheidung drohenden unzumutbaren Verlust seiner bisherigen Lebensgrundlage zu sichern. In unterhaltsrechtlicher Hinsicht soll diese Sicherung durch die ausdrückliche gesetzliche Anordnung bewirkt werden, daß im Fall einer Scheidung nach § 55 Abs 2 Ehegesetz weiterhin die Unterhaltsregelung nach § 94 ABGB idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 412/1975 Platz greifen soll. Dies hat das Gericht in dem auf Scheidung lautenden Urteil ausdrücklich festzustellen (§61 Abs 3 EheG idF des Gesetzesentwurfs). Auf der Grundlage eines solchen Ausspruchs sollen dem gegen seinen Willen geschiedenen Ehegatten einerseits ein Unterhaltsanspruch grundsätzlich (§69 Abs 2 EheG idF des Gesetzesentwurfs) gesichert und seine Pensionsansprüche gewahrt bleiben."

Im Bericht des Justizausschusses (916 BlgNRStenProt, XIV. GP, S. 2 f.) heißt es:

"Ziel der neuen Lösung ist es, den schuldlos gegen seinen Willen geschiedenen Ehegatten unterhaltsrechtlich möglichst so zu stellen, wie wenn die Ehe nicht geschieden wäre. Ausdrücklich ist daher bestimmt, daß für den Unterhaltsanspruch des beklagten Ehegatten nach der Scheidung - wie bei aufrechter Ehe - der § 94 ABGB gilt, wenn der klagende Ehegatte die Zerrüttung der Ehe allein

oder überwiegend verschuldet hat. ......

Das neue Unterhaltsrecht wird ergänzt durch Änderungen sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften und des Pensionsgesetzes 1965. Auch auf diesen Gebieten soll - unter bestimmten Voraussetzungen - der schuldlos gegen seinen Willen geschiedene schutzbedürftige Ehegatte, vor allem die nach § 55 Ehegesetz schuldlos geschiedene Frau, so gestellt werden, wie wenn die Ehe aufrecht wäre."

Durch die unterhalts- und in deren Gefolge auch pensionsrechtliche Regelung der §§69 Abs 2 Ehegesetz und 19 Abs 4 Pensionsgesetz 1965 hat der Gesetzgeber sohin sichergestellt, daß der nach § 55 Ehegesetz beklagte Ehegatte dem Scheidungsbegehren nicht (wie dies vorher häufig der Fall war) lediglich aus wirtschaftlichen Gründen widerspricht und daß derartige wirtschaftliche Erwägungen von der nach § 55 Abs 2 Ehegesetz vorgesehenen Abwägung der Interessen des klagenden und des beklagten Ehegatten ausgespart bleiben. Sowohl das Ziel des Gesetzgebers - zerrüttete Ehen, bei denen die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten seit mindestens drei Jahren aufgehoben ist, nicht länger aus ausschließlich ökonomischen Interessen des beklagten Ehepartners aufrecht zu erhalten -, als auch das dazu eingesetzte Mittel - die Gewährung eines Unterhalts- und eines Pensionsanspruchs des über Klage des anderen Teiles geschiedenen Ehepartners, der so beschaffen ist, als ob die Ehe nicht geschieden worden wäre -, erscheinen dem Verfassungsgerichtshof aus dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes als gerechtfertigt.

Der Verfassungsgerichtshof kann dem Gesetzgeber unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes nur dann entgegentreten, wenn sein Regelungsziel an sich unsachlich ist oder wenn er zur Zielerreichung ungeeignete Mittel vorsieht (VfSlg. 8457/1978). Weil weder das mit den geschilderten unterhalts- und pensionsrechtlichen Regelungen der §§69 Abs 2 Ehegesetz sowie 19 Abs 4 Pensionsgesetz 1965 verfolgte Ziel unsachlich ist noch die unterhalts- und pensionsrechtliche Gleichstellung des nach § 55 Ehegesetz über Klage des anderen Teiles geschiedenen Ehegatten mit einem Ehegatten, dessen Ehe nicht geschieden wurde, ein im Hinblick auf jenes Ziel ungeeignetes, geschweige denn unsachliches Mittel darstellt, widerspricht § 19 Abs 4 Pensionsgesetz - jedenfalls unter den in den Prüfungsbeschlüssen aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken - nicht dem Gleichheitssatz.

Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß der Unterhalts- und dann weiter Versorgungsanspruch des Ehepartners, über dessen Klage die Ehe wegen Verschuldens des anderen Ehepartners gemäß den §§47 bis 49 Ehegesetz geschieden wurde, anders beschaffen ist als der Unterhalts- und Pensionsanspruch des nach § 55 in Verbindung mit § 61 Abs 3 Ehegesetz geschiedenen Ehepartners. Der Verfassungsgerichtshof teilt die in der Regierungsvorlage zur Ehegesetz-Novelle BGBl. 280/1978 vertretene

Auffassung, daß "zwischen den beiden Fällen ... jedoch ein so

erheblicher rechtssystematischer Unterschied (besteht), daß eine Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist".

Verschuldensscheidung nach den §§47 ff. Ehegesetz und Zerrüttungsscheidung gem. § 55 Ehegesetz beruhen auf derart unterschiedlichen Rechtsgedanken (,die in den jeweiligen Scheidungstatbeständen ihren Ausdruck gefunden haben), daß der Gesetzgeber auch die unterschiedliche unterhalts- und pensionsrechtliche Konsequenzen anordnen kann. Während nämlich die Scheidungstatbestände der §§47 bis 49 Ehegesetz von Eheverfehlungen, sohin vom Verschulden eines Ehepartners ausgehen, bezweckt der Scheidungstatbestand der Auflösung der häuslichen Gemeinschaft seit drei Jahren, einer an einer tiefgreifenden unheilbaren Zerrüttung leidenden Ehe ein Ende zu bereiten. Mag auch bei der Verschuldens- ebenso wie bei der Zerrüttungsscheidung der unterhalts- und in dessen Gefolge der pensionsrechtliche Anspruch des einen gegenüber dem anderen geschiedenen Ehegatten von dessen Verschulden abhängen, so ist doch nicht zu übersehen, daß dieses Verschulden des dann unterhaltspflichtigen Ehepartners im einen Fall den maßgeblichen Scheidungsgrund bildet, im anderen hingegen lediglich als zusätzlicher, modifizierender Tatbestand zur Scheidung wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft hinzutritt.

Daß Verschuldensscheidung und Zerrüttungsscheidung miteinander weder von den Voraussetzungen noch von den Konsequenzen her vergleichbar sind, beweist auch folgende Überlegung: Da es dem Gesetzgeber - im Rahmen seiner rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit - unbenommen bliebe, Ehen lediglich auf Grund des Verschuldens eines Ehepartners scheiden zu lassen, also von einer Zerrüttungsscheidung im Falle des Widerspruchs eines Ehegatten überhaupt abzusehen, so muß ihm auch gestattet sein, nach einer Zerrüttungsscheidung dem in der Beklagtenrolle befindlichen, geschiedenen Eheteil die unterhalts- und pensionsrechtliche Stellung zu belassen, die er bei aufrechter Ehe genießen würde.

Angesichts dieser, auf völlig unterschiedlichen Rechtsgedanken beruhenden Scheidungstypen wegen Verschuldens einerseits und wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft andererseits verschlägt es unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes nichts, wenn der Gesetzgeber daran jeweils unterschiedliche unterhalts- und pensionsrechtliche Folgen für den schuldlos geschiedenen Ehepartner knüpft.

4. § 19 Abs 4 Pensionsgesetz 1965, BGBl. 340 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. 426/1985, war sohin vom Verfassungsgerichtshof nicht als verfassungswidrig aufzuheben.