VfGH vom 10.10.2003, g212/02
Sammlungsnummer
17022
Leitsatz
Zulässigkeit eines Drittelantrags von Nationalratsabgeordneten auf Aufhebung einer Bestimmung der Gewerbeordnung 1994; Kompetenzwidrigkeit des Gebotes der effizienten Verwendung von Energie für bestimmte Betriebsanlagen auch angesichts der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
Spruch
§ 77a Abs 1 Z 2 Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194 idF BGBl. Nr. I 88/2000, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Mit ihrem am beim Verfassungsgerichtshof eingelangten, auf Art 140 B-VG gestützten Antrag begehren 64 Mitglieder des Nationalrates, § 77a Abs 1 Z 2 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) idF BGBl. I 88/2000 als verfassungswidrig aufzuheben. Der Gesetzgeber habe mit BGBl. I 65/2002 zwar Änderungen des § 77a GewO 1994 beschlossen, die jedoch lediglich die Abs 5 bis 10 des § 77a betreffen und somit die Zulässigkeit des vorliegenden Antrages nicht beeinträchtigen würden.
b) § 77a Abs 1 GewO 1994 idF BGBl. I 88/2000 lautet (die zur Aufhebung beantragte Bestimmung ist hervorgehoben):
"(l) Im Genehmigungsbescheid, in dem auf die eingelangten Stellungnahmen (§356a Abs 2 und 5) Bedacht zu nehmen ist, ist über § 77 hinaus sicherzustellen, dass in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführte Betriebsanlagen so errichtet, betrieben und aufgelassen werden, dass:
1. alle geeigneten Vorsorgemaßnahmen gegen Umweltverschmutzungen (Abs2), insbesondere durch den Einsatz von dem Stand der Technik (§71a) entsprechenden technologischen Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, getroffen werden;
2. Energie effizient verwendet wird;
3. die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um Unfälle zu verhindern und deren Folgen zu begrenzen;
4. die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um bei der Auflassung der Betriebsanlage die Gefahr einer Umweltverschmutzung (Abs2) zu vermeiden und um einen zufrieden stellenden Zustand des Betriebsanlagengeländes wiederherzustellen."
In den Materialien (166/A XXI. GP, AB 212 BlgNR XXI. GP) wird die gegenständliche Gesetzesänderung auf den Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG ("Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie") gestützt und zunächst ganz allgemein mit der Richtlinie 96/61/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (im Folgenden: IPPC-Richtlinie), ABl. 1996 L 257, S 26, und anderen Richtlinien begründet.
Die Gesetzesänderung beruht auf dem Initiativantrag 166/A XXI. GP; im Allgemeinen Teil der Begründung des Initiativantrages heißt es dazu:
"Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG ('Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie')."
Und weiters:
"1. Das vorgeschlagene Bundesgesetz dient in erster Linie der Umsetzung der Richtlinie 96/61/EG des Rates über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (englisch:
Council Directive 96/61/EC concerning integrated pollution prevention and control - daher in der Folge kurz: 'IPPC-Richtlinie') ..."
Im Besonderen Teil wird in den Erläuterungen zu § 77a ausgeführt:
"Zum Abs 1 vgl. den Art 3 der IPPC-Richtlinie.
Aufgrund der IPPC Richtlinie 96/61/EG (ABL L257 v ) erstellt ein EU-Büro in Sevilla eine Dokumentation der besten verfügbaren Techniken für diverse Industrieanlagen. Diese Dokumente sollen bei der Ermittlung des Standes der Technik berücksichtigt werden.
Die in der Z 2 vorgesehene Verpflichtung zur effizienten Verwendung von Energie ist keine Maßnahme zur Energielenkung, sondern vielmehr im Interesse des Umweltschutzes gelegen."
Der in dieser Begründung erwähnte Art 3 der IPPC-Richtlinie lautet:
"Allgemeine Prinzipien der Grundpflichten der Betreiber
Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Vorkehrungen, damit die zuständigen Behörden sich vergewissern, daß die Anlage so betrieben wird, daß
a) alle geeigneten Vorsorgemaßnahmen gegen Umweltverschmutzungen, insbesondere durch den Einsatz der besten verfügbaren Techniken, getroffen werden;
b) keine erheblichen Umweltverschmutzungen verursacht werden;
c) die Entstehung von Abfällen entsprechend der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom über Abfälle vermieden wird, andernfalls werden sie verwertet oder, falls dies aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht möglich ist, beseitigt, wobei Auswirkungen auf die Umwelt zu vermeiden oder zu vermindern sind;
d) Energie effizient verwendet wird;
e) die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um Unfälle zu verhindern und deren Folgen zu begrenzen;
f) bei einer endgültigen Stillegung die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um jegliche Gefahr einer Umweltverschmutzung zu vermeiden und um einen zufriedenstellenden Zustand des Betriebsgeländes wiederherzustellen.
Für die Einhaltung der Vorschriften dieses Artikels reicht es aus, wenn die Mitgliedstaaten sicherstellen, daß die zuständigen Behörden bei der Festlegung der Genehmigungslauflagen [gemeint wohl:
Genehmigungsauflagen] die in diesem Artikel angeführten allgemeinen Prinzipien berücksichtigen."
2. In dem vorliegenden Antrag werden die Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der zur Aufhebung begehrten Bestimmung wie folgt begründet:
Der GewO 1994 werde durch BGBl. I 88/2000 mit § 77a Abs 1 Z 2 eine Vorschrift zur Einsparung von Energie eingefügt, die nach Auffassung der Antragsteller kompetenzwidrig ist. Suche man nach Kompetenztatbeständen, die nach der Wortsinninterpretation Energiesparvorschriften ohne bereichsmäßige Beschränkung abdecken, so lasse sich nur ein einziger Kompetenztatbestand (Art10 Abs 1 Z 15 B-VG) anführen, der allerdings nur für bestimmte Krisenzeiten anwendbar sei und daher der angefochtenen Bestimmung keine kompetenzrechtliche Deckung zu geben vermag. Daraus allein folge noch nicht, dass der Bund überhaupt nicht zu einfachgesetzlichen Regelungen über das Energiesparen zuständig ist. So werde sowohl in den Erläuterungen zum Initiativantrag der oben genannten Novelle als auch in den Erläuterungen im Ausschussbericht behauptet, dass die in Rede stehende Energiesparvorschrift auf dem Kompetenztatbestand "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie" (Art10 Abs 1 Z 8 B-VG) basiere. Es sei also der Umfang des Begriffs "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie" zu ermitteln.
Bei dieser Untersuchung stützt sich der Antrag auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 10.831/1986. Der Verfassungsgerichtshof habe in diesem Erkenntnis, das sich mit der Frage der kompetenzrechtlichen Zulässigkeit von Energiesparvorschriften im Gewerberecht auseinanderzusetzen hatte, keine Zweifel daran gelassen, dass Energiesparvorschriften auf Grund des Kompetenztatbestandes "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie" nicht erlassen werden dürften. Die kompetenzrechtlichen Bestimmungen hätten sich im gegebenen Zusammenhang seitdem nicht geändert. Es hieße auch den Inhalt der vom Verfassungsgerichtshof in Kompetenzfragen angewendeten sog. Gesichtspunktetheorie verkennen und gegen das bundesstaatliche Prinzip verstoßen, würde man unter Hinweis auf gewerberechtliche Aspekte der getroffenen Regelung und Berufung auf die Gesichtspunktetheorie den Inhalt des Kompetenztatbestandes über das eben skizzierte, von der bisherigen verfassungsgerichtlichen Judikatur klargestellte Maß hinaus ausweiten.
Auch eine andere verfassungsgesetzliche Kompetenzgrundlage vermögen die Antragsteller nicht zu erkennen. Die Behauptung in den Erläuterungen zum Initiativantrag, die in § 77a Abs 1 Z 2 GewO 1994 vorgesehene Verpflichtung zur effizienten Verwendung von Energie sei keine Maßnahme zur Energielenkung, sondern vielmehr im Interesse des Umweltschutzes gelegen, vermöge daran nichts zu ändern:
"Der Verfassungsgerichtshof hatte sich im erwähnten Erkenntnis VfSlg. 10.831/1986 mit dem Bundesverfassungsgesetz vom über den umfassenden Umweltschutz, BGBl. Nr. 491/1984, mit dem die Staatszielbestimmung 'umfassender Umweltschutz' verankert wurde, nicht auseinanderzusetzen. Mit diesem Bundesverfassungsgesetz bekennt sich die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) zum umfassenden Umweltschutz. Darunter ist iS dieses Bundesverfassungsgesetzes die Bewahrung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen vor schädlichen Einwirkungen zu verstehen. Aus der Existenz dieser Staatszielbestimmung ist jedoch nach Auffassung der Antragsteller nicht abzuleiten, daß irgendwelche Gesetzgebungskompetenzen verändert worden wären. Vielmehr sind die Antragsteller der Auffassung, daß - da sich diese Staatszielbestimmung an alle Gebietskörperschaften richtet - dabei von der bestehenden, also der Kompetenzverteilung ausgegangen wurde, wie sie auch zum Zeitpunkt der Fällung des Erkenntnisses VfSlg. 10.831/1986 bestanden hatte.
Hinsichtlich des BVG-Umweltschutz sind die Antragsteller also zusammenfassend der Ansicht, daß dadurch keine Erweiterung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes stattgefunden hat und somit auch das BVG-Umweltschutz der angefochtenen Bestimmung keine kompetenzrechtliche Deckung zu geben vermag."
Da somit Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG für die angefochtene bundesgesetzliche Bestimmung keine kompetenzrechtliche Deckung zu geben vermöge und eine andere verfassungsgesetzliche Bundeskompetenzgrundlage für diese Bestimmung nicht zu erkennen sei, sei § 77a Abs 1 Z 2 GewO 1994 idF BGBl. I 88/2000 verfassungswidrig.
3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, dass die angefochtene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird. Für den Fall der Aufhebung aber stellt die Bundesregierung den Antrag,
"der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art 140 Abs 5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von 18 Monaten bestimmen, um die erforderlichen Vorkehrungen für eine Ersatzregelung zu ermöglichen. Es handelt sich bei der vorliegend bekämpften Bestimmung um eine Umsetzungsmaßnahme, die gemeinschaftsrechtlich zwingend zu erfolgen hatte. Sollte § 77a Abs 1 Z 2 GewO 1994 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden, so bedarf es in weiterer Folge entweder (verfassungs-)gesetzgeberischer Maßnahmen zugunsten des Bundes oder aber entsprechender Umsetzungsmaßnahmen der Länder".
Dem vorliegenden Antrag der Abgeordneten zum Nationalrat wird aus Sicht der Bundesregierung Folgendes entgegengehalten:
"Wie etwa im Erkenntnis VfSlg. 14.187/1995 ausgeführt wurde, 'zählen zu den Maßnahmen typisch gewerberechtlicher Art ua. solche, die der Abwehr von vom Gewerbebetrieb unmittelbar ausgehenden Gefahren für die Gewerbetreibenden und ihre Arbeitnehmer, die Kunden, andere Gewerbetreibende oder als Nachbarn sonst von der Gewerbetätigkeit unmittelbar betroffenen Personen dienen. Gewerbepolizeiliche Regelungen dieser Art enthalten insbesondere auch die Bestimmungen über Betriebsanlagen und die damit zusammenhängenden Vorschriften der §§74 bis 84, 333 bis 338, 353 bis 360, 362, 366 bis 369 und 371 bis 373 GewO 1994 ...'.
Zu den aufgezählten Bestimmungen zählen auch Regelungen, die auf die Abwehr von von Betriebsanlagen ausgehenden Gefahren für die Umwelt abstellen. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise auf die dem Vorsorgeprinzip Rechnung tragende Regelung des § 77 Abs 3 GewO 1994 hinzuweisen, der zufolge 'Emissionen von Luftschadstoffen jedenfalls nach dem Stand der Technik zu begrenzen sind', und auf § 82 Abs 1 leg.cit., der den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zur Erlassung von Verordnungen ermächtigt, u.a. die zur Vermeidung von Belastungen der Umwelt (§69a GewO 1994) erforderlichen näheren Vorschriften über die Bauart, die Betriebsweise, die Ausstattung oder das zulässige Ausmaß der Emissionen von gewerblichen Betriebsanlagen oder von Teilen gewerblicher Betriebsanlagen festzulegen. Auch § 359b Abs 7 GewO 1994 ist ein Beispiel dafür, dass vorsorgende Umweltschutzmaßnahmen zu den Maßnahmen typisch gewerberechtlicher Art zählen, trägt er doch dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit auf, durch Verordnung jene Arten von Betriebsanlagen zu bezeichnen, die aus Gründen des vorsorgenden Umweltschutzes jedenfalls nicht dem vereinfachten Genehmigungsverfahren unterzogen werden dürfen.
Alle diese Regelungen lassen sich auf die im 'Versteinerungszeitpunkt' geltende Gewerberechtslage (insbesondere auf den § 25 der Gewerbeordnung) zurückführen, der zufolge Auswirkungen der Betriebsanlage (auch) auf die Umwelt für die Genehmigungspflicht der Betriebsanlage ausschlaggebend waren (vgl. Praunegger, Das österreichische Gewerberecht, 1924, Anm. 2.A.I.3 zu
§25: 'Gewerbliche Betriebsanlagen, von deren Betrieb eine Verschlechterung des Grundwassers in der Nachbarschaft mittels durchsickernder Abfallwässer zu befürchten steht, sind genehmigungsbedürftig - A6935/1909', und Anm. B. zu § 26: 'Die im Rahmen des gewerbebehördlichen Verfahrens im Grunde der §§25 und 26 sowie sonstiger Verwaltungsgesetze zu schützenden öffentlichen Interessen'); I.20: 'Schutz der Haustiere gegen Tierseuchen und die Abwehr der schädlichen Folgen dieser Seuchen'; und 21: 'Der Schutz des Grundwassers', insbesondere gegen Verunreinigung).
Die in den aufgezählten Beispielen zum Ausdruck kommende Wertung kann nach Auffassung der Bundesregierung auch auf den vorliegend angefochtenen § 77a Abs 1 Z 2 GewO 1994 übertragen werden, der ebenfalls als Maßnahme zur vorsorgenden Vermeidung und Verminderung der durch Betriebsanlagen bewirkten Umweltverschmutzung anzusehen ist. Diese der Abwehr von von gewerblichen Betriebsanlagen ausgehenden Umweltverschmutzungen dienende Regelung ist, entgegen der Auffassung der Antragsteller (siehe Seite 8 des vorliegenden Antrags), eben gerade nicht auf die Verhinderung gesamtwirtschaftlicher Gefahren oder Fehlentwicklungen, kurz auf Energielenkungsmaßnahmen gerichtet, die im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 10.831/1986 einer Verfassungsbestimmung bedurft hätten, sondern soll - jeweils abgestellt auf die in Betracht kommende konkrete Betriebsanlage - dazu beitragen, die von einem Gewerbebetrieb ausgehenden nachträglichen Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren:
Das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 88/2000, mit dem die angefochtene Bestimmung in die GewO 1994 eingefügt wurde, hat das erklärte Ziel, unter anderem die Richtlinie 96/61/EG des Rates über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (im Folgenden IPPC-RL) für den Bereich des gewerblichen Betriebsanlagenrechts umzusetzen (siehe den Umsetzungshinweis des § 382 Abs 9 Z 1 GewO 1994).
Diese Richtlinie 'bezweckt die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung infolge der in Anhang I genannten Tätigkeiten' (Art1). Nach Abs 9 ihrer Erwägungen legt die IPPC-RL 'einen allgemeinen Rahmen mit Grundsätzen zur integrierten Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung fest. Es sind die Maßnahmen vorgesehen, die für die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung erforderlich sind, damit ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt erreicht wird. ...'
Ausdrückliches Ziel der IPPC-RL ist es, von (anlagenbezogenen) getrennten Konzepten, 'die lediglich der isolierten Verminderung der Emissionen in Luft, Wasser oder Boden dienen', zu einem integrierten Konzept der Vermeidung der Emissionen in Luft, Wasser und Boden unter Einbeziehung der Abfallwirtschaft und, wo dies nicht möglich ist, zu einer entsprechenden Verminderung der Emissionen, zu gelangen (Abs7 und 8 der Erwägungen zur IPPC-RL sowie deren Art 1). Zu dem in der IPPC-RL zum Ziel der integrierten Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzungen vorgesehenen 'Maßnahmenpaket' zählt, dass Anlagen nur so errichtet und betrieben werden dürfen, dass Energie effizient verwendet wird (Art3 litd iVm. Art 9 Abs 1 IPPC-RL). Die eindeutig als Umweltschutzmaßnahme vorgesehene effiziente Verwendung von Energie kann nach dem Konzept der IPPC-RL als 'Betreiberpflicht' (Art3) bzw. als Genehmigungskriterium (Art9 Abs 1) umgesetzt werden.
Bei der Umsetzung der IPPC-RL für den Bereich der gewerblichen Betriebsanlagen hat der Gesetzgeber folgenden Weg beschritten: Um das bewährte System des gewerblichen Betriebsanlagenrechts aufrechtzuerhalten und zugleich sicherzustellen, dass die IPPC-RL möglichst vollständig umgesetzt wird, wurde das 'IPPC-Regime' für die diesem Regime unterliegenden gewerblichen Betriebsanlagen in das bestehende Betriebsanlagenrecht integriert.
In diesem Sinn wurde - auf Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG gestützt - für 'IPPC-Betriebsanlagen' § 77a GewO 1994 geschaffen, dem zufolge im Genehmigungsbescheid 'über § 77 hinaus sicherzustellen' ist, dass IPPC-Betriebsanlagen so errichtet, betrieben und aufgelassen werden, dass den durch die IPPC-RL bedingten zusätzlichen Anforderungen Rechnung getragen wird. Zu diesen Anforderungen zählt, wie erwähnt, die effiziente Verwendung von Energie. Der Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Antrag 166/A betreffend eine Änderung der Gewerbeordnung 1994, 212 BlgNR XXI. GP, nimmt in diesem Sinn auch auf das integrierte Konzept der IPPC-RL, die den Zielen und Prinzipien der gemeinschaftlichen Umweltpolitik dient, 'so wie sie in Art 130r des Vertrages festgelegt sind' (Abs1 der Erwägungen der IPPC-RL; nunmehr Art 174 des EU-Vertrages), und das ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt anstrebt, ausdrücklich Bezug.
Damit ist jedoch ein Aspekt angesprochen, der in den Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes im sogenannten 'Energiespar-Erkenntnis', VfSlg. 10.831/1986 nicht diskutiert wird. Während damals vor dem Hintergrund einer Erdölkrise die damit verbundenen Gefahren von Versorgungsengpässen im Energiebereich allgemein im alleinigen Mittelpunkt der Überlegungen standen, ist nunmehr, rund 20 Jahre später, der gemeinschaftsrechtlich vorgegebene umfassende Umweltschutzgedanke Ansatzpunkt der vorliegend bekämpften Bestimmung. Dass aber der Gesichtspunkt des vorsorgenden Umweltschutzes auch den Interessen der unmittelbaren Nachbarn dient - und damit zulässigerweise vom Gewerbegesetzgeber geregelt werden darf -, hat der Verfassungsgerichtshof unlängst in seinem Erkenntnis vom , G87/00, eingeräumt. Dass damit auch gemeinwirtschaftlichen Zielen gedient sein könnte, vermag die hier allein zu prüfende kompetenzrechtliche Zulässigkeit der vorliegend angefochtenen Bestimmung nicht zu schmälern.
Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass das im § 77a Abs 1 Z 2 GewO 1994 verankerte zusätzliche Genehmigungskriterium für IPPC-Betriebsanlagen sich auf den jeweils projektgemäß vorgesehenen Energieeinsatz bezieht; an dem im gewerblichen Betriebsanlagenrecht herrschenden Grundsatz, dass es sich beim Betriebsanlagengenehmigungsverfahren um ein antragsbedürftiges Verwaltungsverfahren handelt und projektändernde Auflagen nicht vorgeschrieben werden dürfen, hat sich durch diese Regelung nichts geändert. Wie in Grabler-Stolzlechner-Wendl (GewO, Kommentar, Ergänzungsband, Rz 6 zu § 77a) ausgeführt wird, soll mit dieser Bestimmung 'im Interesse des Umweltschutzes ... erreicht werden, dass die projektmäßig einzusetzende Energie technisch möglichst effizient verwendet wird, und soll daher eine Energievergeudung vermieden werden, soweit dies technisch möglich ist.' Offenbar sehen die Autoren diese Regelung als eine im Licht der internationalen Entwicklung, insbesondere der erwähnten IPPC-RL erfolgte, im System des Gewerberechts gelegene Fortentwicklung an. Die Verknüpfung von Umweltschutz und effizientem Einsatz von Energie, wie er nunmehr in der IPPC-RL zum Ausdruck kommt, war jedenfalls in dieser Deutlichkeit in den 80er Jahren nicht erkennbar."
Der mit dem vorliegenden Antrag bekämpfte § 77a Abs 2 GewO 1994 stelle daher eine dem Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG unterliegende Regelung dar, sodass aus Sicht der Bundesregierung die behauptete Verfassungswidrigkeit nicht gegeben sei.
4. Auch an die Landesregierungen erging die Aufforderung, zum vorliegenden Antrag Stellung zu nehmen:
Die Salzburger Landesregierung verweist zuerst auf die Ausführungen im oben erwähnten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 10.831/1986, wonach die damals angefochtenen Energiesparbestimmungen in der GewO 1973 im gesamtwirtschaftlichen Interesse gelegen seien und der sinnvollen Nutzung von Energie gedient hätten, es aber nicht möglich sei, Maßnahmen, die der Energieeinsparung dienen, als Maßnahmen gewerberechtlicher Gefahrenabwehr zu qualifizieren. Daraus sei nach Ansicht der Salzburger Landesregierung folgender Schluss zu ziehen:
Verfolgt eine im Gewerberecht vorgesehene Energiesparmaßnahme nicht einen gesamtwirtschaftlichen Zweck bzw. stellt sie nicht auf energie- und somit volkswirtschaftliche Interessen ab, so sei eine Deckung im Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG sehr wohl möglich, wenn es sich um eine Maßnahme gewerberechtlicher Gefahrenabwehr handle, was bei § 77a Abs 1 Z 2 GewO 1994 - hier schließt sich die Salzburger Landesregierung inhaltlich den Ausführungen der Bundesregierung an - im Hinblick auf die Erläuterungen, den Regelungszusammenhang und den Umstand der Umsetzung der IPPC-Richtlinie der Fall sei. Zwar sei ein sparsamer Umgang mit Energie nicht zwangsläufig auch umweltschonend, aber die angefochtene Bestimmung lasse sich dem auf Umweltschutz gerichteten Willen des Gesetzgebers entsprechend dahingehend interpretieren, dass eine Auflagenerteilung nach dieser Bestimmung nur dann in Betracht kommt, wenn die Energiesparmaßnahme gleichzeitig umweltschonend wirkt.
Die Wiener und die Tiroler Landesregierung schlossen sich inhaltlich jeweils den Bedenken des Antrages auf Aufhebung der Bestimmung des § 77a Abs 1 Z 2 GewO 1994 an.
Die Niederösterreichische Landesregierung verweist auch zunächst auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 10.831/1986. Bei Betrachtung der mit der IPPC-Richtlinie vorgenommenen Regelungen sei aber ersichtlich, dass die geforderte effiziente Energienutzung unter dem Blickwinkel des Umweltschutzes zu verstehen ist. Daraus folge, dass die effiziente Energienutzung unter den Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z 12 "Maßnahmen zur Abwehr von gefährlichen Belastungen der Umwelt, die durch Überschreitung von Immissionsgrenzwerten entstehen; Luftreinhaltung, ... Abfallwirtschaft hinsichtlich gefährlicher Abfälle" subsumiert werden könne. Eine effiziente Energienutzung im Bereich des Umweltschutzes sei in der Entscheidung VfSlg. 10.831/1986 nicht releviert worden, könne aber nun im Hinblick auf die IPPC-Richtlinie jedenfalls auch als Maßnahme des Umweltschutzes verstanden werden. Die Vorsorgemaßnahmen gegen Umweltverschmutzungen im Zusammenhang mit der IPPC-Richtlinie hätten zum Ziel, die Umwelt vor schädigenden Einwirkungen zu schützen, ohne dass dies der Nachbarschutz unmittelbar erfordern würde. Die Emissionen seien aber auch nach dem Stand der Technik zu begrenzen, wobei davon ausgegangen werden könne, dass in diesem Zusammenhang auch die zum Betrieb der Anlage erforderliche Energie effizient genutzt werde. Auf Grund dieses Zusammenhanges sei es möglich, die Forderung nach effizienter Energienutzung auf Art 10 B-VG zu stützen.
Die Oberösterreichische und die Kärntner Landesregierung teilten mit, keine inhaltliche Stellungnahme abzugeben.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zur Zulässigkeit:
Die einschreitenden 64 Abgeordneten zum Nationalrat verkörpern mehr als ein Drittel der Mitglieder des Nationalrats. Daher ist die in Art 140 Abs 1 zweiter Satz B-VG normierte Antragsvoraussetzung erfüllt. In dem durch einen von den antragstellenden Abgeordneten bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebrachten Antrag wurden - dem § 62 Abs 1 VfGG entsprechend - die gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen bundesgesetzlichen Bestimmung sprechenden Bedenken im Einzelnen ausführlich dargelegt. Der Antrag ist daher - da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen - zulässig. Daran ändert - wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 8644/1979 ausführlich dargelegt hat - auch der Umstand nichts, dass zwischen der Einbringung des Antrags und der Beschlussfassung durch den Verfassungsgerichtshof Nationalratswahlen stattgefunden haben und im Gefolge dieser Wahlen einige der Einschreiter nicht mehr dem Nationalrat als Abgeordnete angehören. Denn bei einem Gesetzesprüfungsverfahren, das auf Antrag eines Drittels der Mitglieder des Nationalrates durchgeführt wird, handelt es sich - wie der Verfassungsgerichtshof im eben genannten Erkenntnis festgestellt hat - um ein Verfahren sui generis, in dem sich die Prüfung der Legitimation auf den Zeitpunkt der Antragstellung zu beziehen hat.
2. In der Sache:
Die Antragsteller gehen zu Recht davon aus, dass im Lichte des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 10.831/1986 die durch § 77a Abs 1 Z 2 GewO 1994 idF BGBl. I 88/2000 geschaffene Verpflichtung, bestimmte gewerbliche Betriebsanlagen nur dann zu genehmigen, wenn dadurch gleichzeitig sichergestellt wird, dass bei der Errichtung, dem Betrieb und der Auflassung der Betriebsanlagen "Energie effizient verwendet wird", verfassungswidrig ist, weil weder der Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie" noch ein anderer Kompetenztatbestand den Bundesgesetzgeber ermächtigt, eine entsprechende Verpflichtung zu erlassen.
Die seinerzeit als verfassungs-, weil kompetenzwidrig aufgehobene Regelung des § 77 Abs 3 GewO 1973 idF BGBl. 619/1981 forderte in Betriebsanlagengenehmigungsbescheiden die Vorschreibung "der sinnvollen Nutzung der in der zu genehmigenden Betriebsanlage einzusetzenden Energie dienende[r] Auflagen". Der Verfassungsgerichtshof hielt die Erlassung einer derartigen Gesetzesvorschrift durch den Bundesgesetzgeber gestützt auf den Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z 8 erster Fall B-VG ("Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie") unter Hinweis auf die historische Auslegung dieses Kompetenztatbestandes entsprechend dem Stand und der Systematik der einfachen Gesetze am für verfassungswidrig. Nachdem er ausdrücklich die Anwendung der sog. "Gesichtspunktetheorie" verworfen hatte, führte der Gerichtshof zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie" gemäß Art 10 Abs 1 Z 8 erster Fall B-VG in VfSlg. 10.831/1986 insbesondere aus:
"Im Rahmen der Regelung der Gewerbeausübung sind Maßnahmen typisch gewerberechtlicher Art ... solche, die dem Schutz des Gewerbes (vgl. VfSlg. 4117/1961), der Abwehr von vom Gewerbebetrieb unmittelbar ausgehenden Gefahren für die Gewerbetreibenden und ihre Arbeitnehmer, die Kunden, andere Gewerbetreibende oder als Nachbarn sonst von der Gewerbetätigkeit unmittelbar betroffene Personen und dem Konsumentenschutz (VfSlg. 9543/ 1982) dienen; diese Maßnahmen werden von der Lehre als gewerbepolizeiliche Maßnahmen bezeichnet.
...
Die durch die angefochtenen Bestimmungen bewirkte Bindung an bestimmte Energiesparstandards für ... Betriebsanlagen kann aber nicht als eine Maßnahme gewerbepolizeilicher Art qualifiziert werden; denn auf dem Gebiet des Gewerbes und der Industrie treten weder durch Waren oder Dienstleistungen, die nicht bestimmten Mindestanforderungen zur sinnvollen Nutzung der Energie entsprechen, noch durch Betriebsanlagen, die bestimmten Energiesparstandards nicht gerecht werden, besondere Gefahren derart auf, wie sie typischerweise mit gewerbepolizeilichen Mitteln verhindert werden. Es ist nicht möglich, Maßnahmen, die der Energieeinsparung dienen, als Maßnahmen gewerberechtlicher Gefahrenabwehr zu qualifizieren, wie dies die Bundesregierung in ihrer Äußerung versucht.
Die angefochtenen Regelungen haben vielmehr einen anderen Zweck, nämlich den einer - im gesamtwirtschaftlichen Interesse liegenden - sinnvollen Nutzung von Energie. Solche Maßnahmen gehen ihrer Zielsetzung, ihrem Inhalt und ihrer Wirkung nach über die Funktion gewerbespezifischer Gefahrenabwehr und damit über eine spezifische gewerbepolizeiliche Ordnungs- und Sicherungsfunktion hinaus. ...
Zurecht weisen die Antragsteller darauf hin, daß über gewerbespezifische Gefahrenabwehr hinausgehende Gewerbeausübungs-beschränkungen und insbesondere auch Energiesparvorschriften im Versteinerungszeitpunkt in der österreichischen Rechtsordnung bekannt waren, jedoch nicht als gewerberechtliche Vorschriften, sondern als kriegswirtschaftliche Vorschriften, die aufgrund des kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes oder als sog. '§14-Verordnungen' in Geltung standen ... Auch dies zeigt, daß nach der für die Interpretation des Kompetenztatbestandes 'Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie' maßgeblichen historischen Rechtslage derartige Vorschriften eben nicht als solche des Gewerberechts in Geltung gestanden sind.
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die in Prüfung stehenden Bestimmungen nicht auf den Kompetenztatbestand 'Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie' (Art10 Abs 1 Z 8 B-VG) gestützt werden können, weil sie keine Maßnahmen typisch gewerberechtliche Art ... sind. ...
Diesem Ergebnis kann nicht mit Recht entgegengehalten werden, daß mit einer solchen Betrachtung auf die Zielsetzung der Regelung abgestellt wird, die Regelungszwecke nach der Rechtsprechung des VfGH kompetenzrechtlich aber nicht relevant seien. ... [D]ie in der Judikatur mitunter verwendete Aussage, der Zweck einer Regelung sei kompetenzrechtlich irrelevant, sofern nicht der in Betracht kommende Kompetenztatbestand ausdrücklich auf diesen Regelungszweck abstellt, [würde] aus dem Zusammenhang gerissen und mißverstanden werden, wenn man daraus den Schluss ableiten wollte, daß die Regelungszwecke in solchen Fällen überhaupt ohne Bedeutung seien ..."
Vielmehr kam der Gerichtshof im Einklang mit seiner Vorjudikatur (vgl. nur VfSlg. 9337/1982)
"zu dem zutreffenden Ergebnis, daß der Regelungszweck kompetenzrechtlich sowohl dann relevant ist, wenn Wortsinninterpretation und systematische Auslegung den Regelungszweck für die Abgrenzung einer Regelungsmaterie als bestimmend erscheinen lassen, als auch dann, wenn im Lichte der Versteinerungstheorie der Regelungszweck für die Abgrenzung einer Materie kennzeichnend ist".
Den Antragstellern ist ferner Recht zu geben, wenn sie dem Bundesverfassungsgesetz über den umfassenden Umweltschutz, BGBl. 491/1984, keine die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern ändernde rechtliche Wirkung beimessen. Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg. 14.187/1995 ausdrücklich ausgesprochen, dass das zitierte Bundesverfassungsgesetz
"keine Veränderung der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern und daher auch keine Erweiterung bestehender Bundeskompetenzen zu Lasten der Länder bewirkt hat. Gemäß § 1 Abs 1 des zitierten Bundesverfassungsgesetzes sind vielmehr Bund, Länder und Gemeinden jeweils im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Kompetenzen zum umfassenden Umweltschutz verpflichtet".
Die Bundesregierung versucht allerdings, (ohne Bezugnahme auf jenes Bundesverfassungsgesetz) die Verpflichtung zur effizienten Verwendung von Energie bei bestimmten gewerblichen Betriebsanlagen als "Maßnahme zur vorsorgenden Vermeidung und Verminderung der durch Betriebsanlagen bewirkten Umweltverschmutzung" zu verstehen; dies im Einklang mit den Erläuterungen zum Initiativantrag, auf den § 77a GewO 1994 idF BGBl. I 88/2000 zurückgeht.
Nun kann hier dahingestellt bleiben, in welchem Umfang die "der Abwehr von von gewerblichen Betriebsanlagen ausgehenden Umweltverschmutzungen dienenden Regelungen" gewerbepolizeilichen Charakter derart tragen, dass sie auf die im Versteinerungszeitpunkt geltende Gewerberechtslage zurückgeführt werden können. Denn die Verpflichtung zur effizienten Verwendung von Energie bezweckt jedenfalls nicht die Abwehr konkreter Gefahren für die Umwelt. Sie wirkt bestenfalls indirekt insofern positiv auf die Umwelt, als durch den effizienten Einsatz vorhandener Energie deren umweltbelastende Erzeugung oder Verwendung verringert werden kann. Dass das Gebot eines effizienten Energieeinsatzes bei den in der Anlage 3 zur GewO 1994 aufgelisteten Betriebsanlagen vom Gesetzgeber nicht als Maßnahme vorsorgenden Umweltschutzes verstanden wurde, beweist nichts besser als der Umstand, dass die besondere Anordnung eines effizienten Energieeinsatzes in § 77a Abs 1 Z 2 GewO 1994 schlechthin sinnlos, weil überflüssig wäre, würde diese Verpflichtung bereits als Vorsorgemaßnahme gegen Umweltverschmutzung gemäß § 77a Abs 1 Z 1 GewO 1994 zu verstehen sein.
Ebenso wie die seinerzeit mangels eines gewerbepolizeilichen Charakters aufgehobene Verpflichtung zur sinnvollen Nutzung der in der zu genehmigenden Betriebsanlage einzusetzenden Energie (vgl. § 77 Abs 3 GewO 1973 idF BGBl. 619/1981 und VfSlg. 10.831/1986) ist auch das Gebot, bei der Errichtung und dem Betrieb bestimmter gewerblicher Betriebsanlagen Energie effizient zu verwenden, verfassungsrechtlich nicht der gewerbepolizeilichen Gefahrenabwehr, sondern dem rechtspolitischen Anliegen einer Beschränkung des Energieeinsatzes zuzuordnen, die über eine spezifisch gewerbepolizeiliche Ordnungs- und Sicherungsfunktion eindeutig hinausgeht (vgl. Duschanek, Kompetenzrechtliche Überlegungen zu Energiesparvorschriften im Gewerberecht, ZfV 1981, 260; Azizi, Wirtschaftssteuerung durch Gewerberecht? Kompetenzrechtliche Erwägungen am Beispiel der Energiepolitik, ÖZW 1984, 3, beide zum seinerzeitigen § 77 Abs 3 GewO 1973 idF BGBl. 619/1981; anders hingegen nunmehr zu § 77a Abs 1 Z 2 GewO 1994 Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO, Kommentar, 2. Auflage, 2003, Rz 6 zu § 77a). Auch durch eine projektbezogene Vorschreibung eines effizienten Energieeinsatzes wird für sich keinesfalls die Abwehr konkreter Gefahren für die Umwelt bewirkt, sondern lediglich gesamtwirtschaftlich der rationelle Einsatz zur Verfügung stehender Energie sichergestellt.
An diesen im Vorerkenntnis 10.831/1986 zur Auslegung des innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Kompetenztatbestandes "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie" gemäß Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG angestellten Überlegungen ist trotz der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung zur Umsetzung der IPPC-Richtlinie, die u.a. mit der angefochtenen Bestimmung des § 77a Abs 1 Z 2 GewO 1994 bewirkt werden sollte, festzuhalten. Mag auch diese Richtlinie - schon ihrem Titel zufolge - überwiegend der "integrierten Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung" dienen, so ist sie dennoch, wie der Erwägungsgrund 1 der Richtlinie zeigt, auch "auf eine umsichtige Bewirtschaftung der Ressourcen an Rohstoffen gerichtet". Die Verpflichtung des Art 3 litd der IPPC-Richtlinie, "daß die Anlage so betrieben wird, daß ... Energie effizient verwendet wird", zielt demzufolge auf die genannte "umsichtige Bewirtschaftung der Ressourcen" und nicht unmittelbar auf die Verhinderung von Umweltverschmutzungen.
Im Übrigen ist - der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 15.106/1998, 15.204/1998, 15.683/1999 u.v.a.) zufolge - ein österreichisches Gesetz, mit dem eine gemeinschaftsrechtliche Vorschrift ausgeführt und in österreichisches Recht umgesetzt wird, rechtlich doppelt bedingt: Der Gesetzgeber bleibt nämlich bei der Ausführung von Gemeinschaftsrecht jedenfalls insoweit (auch) an bundesverfassungsgesetzliche Vorgaben gebunden, "als eine Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben durch diese nicht inhibiert wird. Der Gesetzgeber unterliegt in diesen Fällen also einer doppelten Bindung, nämlich einer Bindung an das Gemeinschaftsrecht und einer Bindung an den verfassungsgesetzlich gezogenen Rahmen ... Es ist auch unbestritten, daß - insoweit Bindung an die Verfassung gegeben ist - die Frage der Entsprechung gesetzlicher Regelungen mit der Verfassung der verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, und zwar auch dann, wenn es sich um Ausführungsregelungen zum Gemeinschaftsrecht handelt".
Diese Ausführungen gelten insbesondere auch für die verfassungsrechtliche Frage der Zuständigkeit des Bundes- und der Landesgesetzgeber bei der Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Normen in österreichisches Recht. Welcher Gesetzgeber zuständig ist, eine Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, bestimmt sich ausschließlich auf Grund der nationalen Verfassungsrechtsordnung, in Österreich speziell der Kompetenztatbestände gemäß Art 10 bis 15 B-VG, ohne dass diese durch oder zum Zweck der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht verändert wären. [Auch dem EuGH zufolge steht es jedem Mitgliedstaat frei, Kompetenzen so zu verteilen, wie er es für zweckmäßig hält: , Kommission gegen Deutschland, Slg. 1991, I-825, Rz 71.] Da es schlechterdings ausgeschlossen erscheint, dass die verfassungsrechtlichen Vorschriften über die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern die Umsetzung einer gemeinschaftsrechtlichen Norm, hier der IPPC-Richtlinie, durch den einfachen Gesetzgeber "inhibieren", erhebt sich bei einer derartigen Umsetzung für den Verfassungsgerichtshof stets nur die Frage, ob der verfassungsrechtlich zuständige einfache Gesetzgeber tätig wurde.
Daran würde es auch nichts ändern, wenn die IPPC-Richtlinie - wie im Verfahren und insbesondere in der mündlichen Verhandlung mit Blick auf die Erwägungsgründe 16 und 17 sowie Art 6 und 7 der IPPC-Richtlinie erwogen wurde - die Einführung eines einheitlichen Verfahrens verlangen sollte, das von einer Behörde durchzuführen sein sollte. Denn auch unter Zugrundelegung dieser Prämisse, deren Zutreffen der Verfassungsgerichtshof eben deshalb nicht zu überprüfen braucht, könnte die Richtlinie eine Kompetenz des Bundes zur Erlassung der angefochtenen Gesetzesbestimmung nicht begründen; vielmehr bedürfte es auch in einem derartigen Fall des Tätigwerdens des Verfassungsgesetzgebers. Die Annahme, dass ein allenfalls bestehendes gemeinschaftsrechtliches Gebot zu einem einheitlichen Verfahren Kompetenzvorschriften kraft Anwendungsvorrangs verdrängen könnte, würde das System der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung grundlegend verkennen. Schon deshalb lässt sich auch aus einer solchen Erwägung eine Kompetenzgrundlage für die angefochtene Bestimmung in Art 10 Abs 1 B-VG nicht erweisen (vgl. zu dieser verfassungsrechtlichen Konzeption auch Art 23d Abs 3 und 5 B-VG).
Da sohin die Vorschrift des § 77a Abs 1 Z 2 GewO 1994 idF BGBl. I 88/2000 in Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG keine kompetenzrechtliche Grundlage findet und auch keine andere, eine Kompetenz des Bundesgesetzgebers begründende Verfassungsvorschrift festgestellt werden konnte, war die genannte Gesetzesbestimmung als verfassungswidrig aufzuheben.
Die Setzung einer Frist für das Außer-Kraft-Treten der aufgehobenen Bestimmung bis ergibt sich aus der Notwendigkeit einer entsprechenden Umsetzung der IPPC-Richtlinie durch die zuständigen Gesetzgeber.
Die übrigen Aussprüche gründen sich auf Art 140 Abs 5 und 6 B-VG.