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VfGH vom 05.03.2003, g210/02

VfGH vom 05.03.2003, g210/02

Sammlungsnummer

16824

Leitsatz

Keine sachliche Rechtfertigung für den Entfall der Genehmigungspflicht bei Änderung von vereinfacht genehmigten Betriebsanlagen wegen Fehlens eines Verfahrens zum Schutz bestimmter Rechtsgüter, hier des Immissionsschutzes der Nachbarn, der Luftreinhaltung und der Abfallvermeidung; unsachliche Differenzierung im Hinblick auf den sonst auch für das vereinfachte Betriebsanlagengenehmigungsverfahren vom Gesetzgeber geschaffenen Standard

Spruch

§ 81 Abs 2 Z 7 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194/1994, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom , A2002/0011, aus Anlass einer bei ihm zur Z 2001/04/0251 anhängigen Beschwerde des Landeshauptmannes von Steiermark gegen einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark betreffend Behebung eines Straferkenntnisses wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art 140 Abs 1 B-VG den Antrag gestellt, § 81 Abs 2 Z 7 GewO 1994, BGBl. 194, als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Die zur Aufhebung beantragte Bestimmung steht in folgendem normativen Zusammenhang:

2.1. Gemäß § 81 Abs 1 GewO 1994 bedarf nicht nur die Errichtung und der Betrieb einer Betriebsanlage (vgl. § 74 GewO 1994), sondern auch deren Änderung, wenn diese geeignet ist, die im § 74 Abs 2 leg.cit. umschriebenen Interessen zu beeinträchtigen, einer gewerbebehördlichen Bewilligung. Im Einzelnen ordnet § 81 Abs 1 an:

"Wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist."

2.2. Abs 2 des § 81 GewO 1994 nennt Tatbestände, bei deren Vorliegen eine Genehmigungspflicht der Änderung entfällt. Überwiegend handelt es sich dabei um - an sich der Genehmigungspflicht gemäß Abs 1 unterliegende - Änderungen, bei denen auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen (zB §§79 und 82 GewO 1994,§ 12 Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen) die Änderung der Betriebsanlage angeordnet wird bzw. vorgesehen ist, um eine Verbesserung der Emissionssituation zu bewirken. § 81 Abs 2 leg. cit. (zuletzt geändert durch BG BGBl. I 111/2002) lautet auszugsweise wie folgt (die zur Aufhebung beantragte Gesetzesstelle steht idF ihrer Wiederverlautbarung durch BGBl. 194/1994 in Kraft und ist hervorgehoben):

"(2) Eine Genehmigungspflicht nach Abs 1 ist jedenfalls in folgenden Fällen nicht gegeben:

...

5. Ersatz von Maschinen, Geräten oder Ausstattungen durch gleichartige Maschinen, Geräte oder Ausstattungen; Maschinen, Geräte oder Ausstattungen sind gleichartig, wenn ihr Verwendungszweck dem der in der Anlage befindlichen Maschinen, Geräte oder Ausstattungen entspricht und die von ihnen zu erwartenden Auswirkungen von den Auswirkungen der in der Anlage befindlichen Maschinen, Geräte oder Ausstattungen nicht so abweichen, daß der Ersatz als genehmigungspflichtige Änderung gemäß Abs 1 zu behandeln ist.

...

7. Änderungen einer gemäß § 359 b genehmigten Anlage, durch die die Anlage den Charakter einer dem § 359 b unterliegenden Anlage nicht verliert,

...

9. Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflussen,

..."

In den Fällen der Z 5 und 9 besteht nach § 81 Abs 3 GewO 1994 eine Anzeigepflicht vor Vornahme der Änderungen.

2.3.1. Die Abs 1 und 8 des in § 81 Abs 2 Z 7 bezogenen § 359b GewO 1994 (nunmehr idF des Verwaltungsreformgesetzes, BGBl. I 65/2002) lauten:

"§359 b. (1) Ergibt sich aus dem Genehmigungsansuchen und dessen Beilagen (§353), daß

1. jene Maschinen, Geräte und Ausstattungen der Anlage, deren Verwendung die Genehmigungspflicht begründen könnte, ausschließlich solche sind, die in Verordnungen gemäß § 76 Abs 1 oder Bescheiden gemäß § 76 Abs 2 angeführt sind oder die nach ihrer Beschaffenheit und Wirkungsweise vornehmlich oder auch dazu bestimmt sind, in Privathaushalten verwendet zu werden, oder

2. das Ausmaß der der Betriebsanlage zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und sonstigen Betriebsflächen insgesamt nicht mehr als 1 000 m2 beträgt und die elektrische Anschlußleistung der zur Verwendung gelangenden Maschinen und Geräte 100 kW nicht übersteigt,

so hat die Behörde das Projekt durch Anschlag in der Gemeinde und durch Anschlag in den der Anlage unmittelbar benachbarten Häusern mit dem Hinweis bekanntzugeben, daß die Projektsunterlagen innerhalb eines bestimmten, vier Wochen nicht überschreitenden Zeitraumes bei der Behörde zur Einsichtnahme aufliegen und daß die Nachbarn innerhalb dieses Zeitraumes von ihrem Anhörungsrecht Gebrauch machen können; die Eigentümer der betroffenen Häuser haben derartige Anschläge in ihren Häusern zu dulden; statt durch Hausanschlag kann das Projekt aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit durch persönliche Verständigung der Nachbarn bekannt gegeben werden; nach Ablauf der im Anschlag oder in der persönlichen Verständigung angeführten Frist hat die Behörde unter Bedachtnahme auf die eingelangten Äußerungen der Nachbarn die die Anwendung des vereinfachten Verfahrens begründende Beschaffenheit der Anlage mit Bescheid festzustellen und erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß § 74 Abs 2 sowie der gemäß § 77 Abs 3 und 4 wahrzunehmenden Interessen zu erteilen; dieser Bescheid gilt als Genehmigungsbescheid für die Anlage. Die Behörde hat diesen Bescheid binnen drei Monaten nach Einlangen des Genehmigungsansuchens und der erforderlichen Unterlagen zum Genehmigungsansuchen (§353) zu erlassen. § 356b gilt sinngemäß. Nachbarn (§75 Abs 2) haben keine Parteistellung. In der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführte Betriebsanlagen sind nicht dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu unterziehen.

...

(8) Nach § 81 genehmigungspflichtige Änderungen einer Betriebsanlage sind dem vereinfachten Verfahren gemäß Abs 1 zu unterziehen, wenn die Betriebsanlage einschließlich der geplanten Änderung die im Abs 1 Z 1 oder 2, Abs 4, 5 oder 6 oder in einer Verordnung gemäß Abs 2 oder 3 festgelegten Voraussetzungen erfüllt."

2.3.2. IdF vor den Novellen BGBl. I 63/1997, 88/2000 und 65/2002 lautete der [mit der Novelle BGBl. 399/1988 erstmals in die GewO (damals 1973) eingefügte] § 359b Abs 1 wie folgt:

"§359 b. (1) Ergibt sich aus dem Genehmigungsansuchen und dessen Beilagen (§353), daß

1. jene Maschinen, Geräte und Ausstattungen der Anlage, deren Verwendung die Genehmigungspflicht begründen könnte, ausschließlich solche sind, die in Verordnungen gemäß § 76 Abs 1 oder Bescheiden gemäß § 76 Abs 2 angeführt sind oder die nach ihrer Beschaffenheit und Wirkungsweise vornehmlich oder auch dazu bestimmt sind, in Privathaushalten verwendet zu werden, oder

2. das Ausmaß der der Betriebsanlage zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und sonstigen Betriebsflächen insgesamt nicht mehr als 300 m2 beträgt, die elektrische Anschlußleistung der zur Verwendung gelangenden Maschinen und Geräte 100 kW nicht übersteigt und auf Grund der geplanten Ausführung der Anlage zu erwarten ist, daß Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs 2 oder Belastungen der Umwelt (§69 a) vermieden werden,

so hat die Behörde (§§333, 334, 335) mit Bescheid diese Beschaffenheit der Anlage festzustellen und erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß § 74 Abs 2 wahrzunehmenden Interessen zu erteilen; dieser Bescheid gilt als Genehmigungsbescheid für die Anlage."

3.1. Zur Begründung seines Antrages führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass er über eine Beschwerde des Landeshauptmannes von Steiermark gegen einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark zu entscheiden habe, mit dem ein Strafbescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 zweiter Fall VStG 1991 eingestellt wurde.

Mit diesem Strafbescheid vom sei über den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Mitbeteiligten als gewerberechtlicher Geschäftsführer eines Vereins eine Geldstrafe von S 3.000,-- verhängt worden, weil er dafür verantwortlich sei, dass der vom Verein betriebene gastgewerbliche Betrieb am bis zumindest 6.30 Uhr offen gehalten worden sei, obwohl nur eine Betriebszeit von 20.00 Uhr bis 2.00 Uhr gestattet gewesen sei. Dadurch sei die Betriebsanlage in zur Wahrung der im § 74 Abs 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen genehmigungspflichtiger Weise geändert und betrieben worden.

Die genannte Betriebszeit ergebe sich aus der, dem im Devolutionsweg ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom zugrunde liegenden Betriebsbeschreibung, mit welchem festgestellt wurde, dass die vom Verein betriebene gastgewerbliche Betriebsanlage so beschaffen sei, dass sie den Bestimmungen des § 359b (Abs1 Z 2) GewO 1994 entspreche. In diesem Bescheid seien Aufträge zum Schutz der Nachbarn erteilt worden, die sich jedoch nicht auf die Betriebszeiten beziehen.

Mit (gleichfalls im Devolutionsweg ergangenem) Bescheid vom habe der Landeshauptmann von Steiermark auf der Rechtsgrundlage von § 359b Abs 1 Z 2,§ 74 Abs 2,§ 81 Abs 2 Z 7 und § 358 Abs 1 GewO 1994 einen Antrag des Vereins auf Änderung der Betriebsanlage durch Erweiterung der Offenhaltezeit täglich bis 5.00 Uhr zurückgewiesen und festgestellt, dass die beantragte Änderung durch Erweiterung der Öffnungszeit auf täglich von 20.00 Uhr bis 5.00 Uhr keiner Genehmigung bedürfe. Ergänzend sei festgehalten worden, dass keine weiteren Aufträge zum Schutz der Nachbarinteressen erforderlich seien.

Unter Hinweis auf diesen (Zurückweisungs-)Bescheid vertrete der Unabhängige Verwaltungssenat in der Begründung seines nunmehr mit Amtsbeschwerde bekämpften Bescheides die Auffassung,

"dass die gegenständliche gemäß § 359b GewO 1994 genehmigte Betriebsanlage weiterhin dieser Bestimmung unterliege. Eine Nichtbeachtung der im Genehmigungsbescheid vom - gemäß der darin genannten Betriebsbeschreibung - festgesetzten Vffnungszeiten sei nicht als Änderung des Charakters der Anlage im Sinn des § 81 Abs 2 Z. 7 GewO 1994 zu qualifizieren und daher nicht genehmigungspflichtig. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat sei daher nicht als Verwaltungsübertretung zu werten".

Auf das Ausmaß der von der Betriebsanlage ausgehenden Emissionen sei der Unabhängige Verwaltungssenat nicht eingegangen; vielmehr habe dieser die Strafbarkeit des Verhaltens des gewerberechtlichen Geschäftsführers bereits deshalb verneint, weil die bloße Änderung der in der dem Genehmigungsbescheid gemäß § 359b GewO 1994 zugrunde liegenden Betriebsbeschreibung festgelegten Öffnungszeiten keine Änderung darstellte, durch die die Anlage den Charakter einer dem § 359b leg.cit. unterliegenden Anlage verlöre. Eine derartige Änderung sei daher gemäß § 81 Abs 2 Z 7 nicht genehmigungsbedüftig.

3.2. Gegen diese bei Überprüfung des angefochtenen Bescheides auch von ihm anzuwendende Bestimmung des § 81 Abs 2 Z 7 GewO 1994 hegt der Verwaltungsgerichtshof das Bedenken, dass sie gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz verstößt, und begründet dies wie folgt:

Nach § 81 Abs 2 Z 7 GewO 1994 bestehe eine Genehmigungspflicht jedenfalls dann nicht, wenn eine gemäß § 359b GewO 1994 genehmigte Anlage in einer Weise geändert wird, dass sie "den Charakter einer dem § 359b unterliegenden Anlage nicht verliert":

Der 'Charakter' einer [§359b Abs 1 Z 2 GewO 1994] unterliegenden Anlage wird - wenn sie, wie vorliegend, nicht in der Anlage 3 zur GewO 1994 angeführt ist - ausschließlich durch den elektrischen Anschlusswert und die Größe der Betriebsfläche bestimmt. Werden die dafür normierten Höchstwerte nicht überschritten, unterliegt die Anlage dem § 359b leg. cit., wobei im Rahmen des Verfahrens nach dieser Bestimmung erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß § 74 Abs 2 und § 77 Abs 3 und 4 leg. cit. wahrzunehmenden Interessen zu erteilen sind."

Seit dem Entfall des Halbsatzes "und auf Grund der geplanten Ausführung der Anlage zu erwarten ist, daß Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs 2 oder Belastungen der Umwelt (§69 a) vermieden werden" in § 359b Abs 1 Z 2 GewO 1994 durch die Novelle BGBl. I 63/1997 werde der "Charakter" einer dieser Bestimmung unterliegenden Anlage hingegen nicht mehr auch durch die fehlende Erwartung von Auswirkungen auf die gemäß § 74 Abs 2 oder § 69a leg.cit. zu wahrenden Interessen bestimmt (vgl. das zur Rechtslage vor der genannten Novelle ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Z 96/04/0186). Dies habe zur Folge, dass eine Dnderung einer Betriebsanlage, die - wie vorliegend - weder den elektrischen Anschlusswert noch die Betriebsgröße betrifft, in keinem Fall dazu führt, dass die Anlage den "Charakter einer dem § 359 b unterliegenden Anlage" verliert. Bei einer derartigen Änderung einer Betriebsanlage bestehe nach dem Wortlaut des § 81 Abs 2 GewO 1994 "jedenfalls" keine Genehmigungspflicht nach Abs 1. Somit sei in diesen Fällen eine behördliche Genehmigung selbst dann nicht vonnöten, wenn diese sonst gemäß dem Abs 1 dieser Bestimmung "zur Wahrung der im § 74 Abs 2 umschriebenen Interessen erforderlich" wäre.

Ein solches Ergebnis sei aber verfassungsrechtlich bedenklich:

Sowohl in Verfahren betreffend die Genehmigung einer dem § 359b GewO 1994 unterliegenden Betriebsanlage als auch im Verfahren betreffend die - nicht unter § 81 Abs 2 Z 7 leg.cit. zu subsumierende - Änderung einer nicht gemäß § 359b genehmigten Betriebsanlage, die einschließlich der geplanten Änderung die Anwendungsvoraussetzungen des § 359b erfüllt (359b Abs 8) sei von der Behörde u.a. auf den Nachbarschutz, dem im Betriebsanlagenrecht eine besondere Bedeutung zukommt, von Amts wegen Bedacht zu nehmen. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, ein derartiges Verfahren bei der Änderung einer bereits ursprünglich nach § 359b GewO 1994 genehmigten Betriebsanlage nicht vorzusehen, sei für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich.

Abschließend verweist der Verwaltungsgerichtshof noch darauf, dass sich eine "analoge Anwendung" seiner zu § 81 Abs 2 Z 5 GewO 1994 ergangenen Rechtsprechung (zB /0194) schon deshalb verbiete, weil die für bedenklich erachtete Bestimmung der Z 7 (anders als die Z 5) keinen unbestimmten Gesetzesbegriff ("gleichartig") enthält.

4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Abweisung des Antrages begehrt. Sie bestreitet vor allem die Prämisse des Verwaltungsgerichtshofes:

Abgesehen davon, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich auf § 359b Abs 1 Z 2 GewO 1994 abstelle und über die übrigen Konstellationen dieser Bestimmung hinwegsehe, vermag die Bundesregierung der Auslegung des Verwaltungsgerichtshofes schon deshalb nicht zu folgen, weil die mit BG BGBl. I 63/1997 erfolgte Neufassung der Bestimmung keine Änderung ihres Inhalts mit sich gebracht habe, sondern lediglich redaktioneller Natur gewesen sei:

"Ungeachtet des formellen Wegfalls der vom VwGH bezeichneten Wortfolge ist dennoch die Verpflichtung des § 359b Abs 1 GewO 1994 beibehalten bzw. erweitert worden, wonach die Behörde 'erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß § 74 Abs 2 sowie der gemäß § 77 Abs 3 und 4 wahrzunehmenden Interessen zu erteilen' hat. Im Wirtschaftsausschuss war nämlich der Hauptsatz des ersten Satzes des Abs 1 des § 359b GewO 1994 ua um die Wortfolge 'sowie der gemäß § 77 Abs 3 und 4' ergänzt worden (AB 761 BlgNR XX.GP). ... Bei den im § 359b Abs 1 Z 1 oder Z 2 GewO 1994, in einer Verordnung auf Grundlage des § 359b Abs 2 oder 3 leg.cit., im § 359b Abs 4 GewO 1994 (bis zu seiner Aufhebung mit Ablauf des ) und im § 359b Abs 5, 6 sowie 8 GewO 1994 jeweils festgelegten Kriterien handelt es sich - nach wie vor - um jene Kriterien, die die Voraussetzung für die Anwendung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens bilden."

Der im § 81 Abs 2 Z 7 GewO 1994 angesprochene "Charakter der Anlage" hingegen - so die Bundesregierung weiter - ergebe sich nicht nur durch diese Kriterien, sondern auch durch die - durch allfällige Aufträge im Sinne des § 359b Abs 1 GewO 1994 sichergestellte - "Eigenschaft, genehmigungsfähig zu sein". Andernfalls ginge auch das in diesem Verfahren vorgesehene Anhörungsrecht der Parteien weitgehend ins Leere bzw. erübrigte sich die Diskussion zur Parteistellung der Nachbarn im Verfahren zur Überprüfung der Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens (vgl. VfSlg. 16.103/2001 und ).

Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes könne sich weder auf den Wortlaut des Gesetzes noch auf die Erläuterungen zur Novelle BGBl. I 63/1997 (RV 575 BlgNR XX. GP) stützen; nichts lasse darauf schließen, dass der Gesetzgeber die Rechte der Nachbarn geschmälert sehen wollte (zB RV, Allgemeiner Teil, Z 2.2. und 2.3.), vielmehr sei nur daran gedacht gewesen, die Messgröße für die Betriebsfläche anzuheben [so die Erläuterungen zu ArtI Z 18 (§359b)].

Damit finde der Befund des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis VfSlg. 14.512/1996 zum vereinfachten Genehmigungsverfahren nach der GewO 1994 nach wie vor Anwendung,

"wonach selbst dann, wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, dass Betriebsanlagen einer bestimmten Größenordnung im allgemeinen Emissionen derart geringer Art erwarten lassen, dass die Genehmigungsfähigkeit der Anlage im Regelfall anzunehmen ist, bei Anlagen, die dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu unterziehen sind, die Genehmigungsfähigkeit nur unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Verhältnisse gegeben ist und im Hinblick auf diese 'erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß § 74 Abs 2 wahrzunehmenden Interessen' zu erteilen sind".

Für den konkreten beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Fall, der Anlass zum vorliegenden Prüfungsantrag gegeben hat, bedeute dies nach Auffassung der Bundesregierung, dass

"sich der Charakter der Anlage nicht ausschließlich durch den elektrischen Anschlusswert und die Größe der Betriebsfläche bestimmt, sondern etwa auch durch die - wie dem vorliegenden Antrag des VwGH zu entnehmen ist - bereits projektgemäß vorgesehene Einschränkung der Betriebszeiten und die von der Behörde erteilten 'Aufträge zum Schutz der Nachbarn'. Bei einer Ausdehnung der Betriebszeiten, die zu einer unzumutbaren Belästigung von Nachbarn führt, wie dies bei der dem VwGH vorliegenden Beschwerde der Fall ist, wird daher nicht mehr von der im § 81 Abs 2 Z 7 GewO 1994 verlangten Aufrechterhaltung des Charakters einer dem § 359b GewO 1994 unterliegenden Anlage gesprochen werden können und die Anlagenänderung daher einer Genehmigung bedürfen".

§ 81 Abs 2 GewO 1994 könne nicht losgelöst von § 81 Abs 1 leg.cit. betrachtet werden; wollte man nämlich auf Grund des Wortlautes des § 81 Abs 2 GewO 1994 annehmen, dass eine Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage selbst dann nicht genehmigungspflichtig sei, wenn die Schutzinteressen des § 74 Abs 2 GewO 1994 beeinträchtigt werden könnten, so würde man auf diesem Weg tatsächlich zu der vom Verwaltungsgerichtshof befürchteten Ungleichbehandlung von die Schutzinteressen berührenden Anlagenänderungen gelangen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof hegt keinen Zweifel, dass der Verwaltungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die bei ihm anhängige Beschwerde § 81 Abs 2 Z 7 GewO 1994 anzuwenden hat, zumal sich die vor dem Verwaltungsgerichtshof belangte Behörde bei ihrer Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens wesentlich darauf stützt, dass die Nichteinhaltung der in der Betriebsbeschreibung genannten Betriebszeiten keine Änderung des Charakters der Anlage im Sinne des § 81 Abs 2 Z 7 GewO 1994 darstellt.

Da auch sonst nichts hervorgekommen ist, was an der Zulässigkeit des Antrages zweifeln ließe, ist dieser zulässig.

2. Der Antrag ist auch in der Sache berechtigt.

2.1. Der Verfassungsgerichtshof verweist vorerst auf seine ständige Rechtsprechung (vgl. VfSlg. 12.691/1991, 13.704/1994, 14.466/1996 u.v.a.), wonach sich der Gerichtshof in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Bedenken zu beschränken hat.

Der Verfassungsgerichtshof muss es sohin schon mangels entsprechender vom Verwaltungsgerichtshof vorgetragener Bedenken dahingestellt sein lassen, ob der Entfall der Wortfolge "und auf Grund der geplanten Ausführung der Anlage zu erwarten ist, daß Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs 2 oder Belastungen der Umwelt (§69 a) vermieden werden" im § 359b Abs 1 Z 2 GewO 1994 idF BGBl. I 63/1997 als solcher mit der Bundesverfassung vereinbar ist (vgl. dazu aber VfSlg. 14.512/1996, wo verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes vom Verfassungsgerichtshof mit Rücksicht darauf entgegengetreten wurde, dass gerade durch die wiedergegebene Voraussetzung für die Durchführung des vereinfachten Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens gemäß § 359b GewO 1994 die notwendige Einzelfallbezogenheit bewirkt wird, welche eine Genehmigungsfähigkeit einer Betriebsanlage nur unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Verhältnisse begründet und dadurch eine, "an 'den Umständen des Einzelfalles' (so § 77 Abs 1 GewO 1994) orientierte, ... Feststellung möglicher Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen, nachteiliger Einwirkungen oder Belastungen" gestattet).

2.2. Zu Recht geht der Verwaltungsgerichtshof bei seiner Sinndeutung des § 81 Abs 2 Z 7 GewO 1994, dessen Aufhebung wegen Widerspruchs zum Gleichheitssatz er beantragt, davon aus, dass der für die Genehmigungsfreiheit maßgebliche "Charakter" einer gemäß § 359b Abs 1 Z 2 GewO 1994 (im vereinfachten Verfahren) genehmigten Anlage vor der GewO-Novelle BGBl. I 63/1997 "nicht nur durch das Ausmaß der Betriebsflächen und die Anschlußleistung der zur Verwendung gelangenden Maschinen und Geräte bestimmt" wurde, "sondern auch durch die Erwartung, daß Gefährdungen und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs 2 oder Belastungen der Umwelt (§69a) vermieden werden" (so ausdrücklich /0186). Auf Grund der Streichung der Wortfolge "und auf Grund der geplanten Ausführung der Anlage zu erwarten ist, daß Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs 2 oder Belastungen der Umwelt (§69 a) vermieden werden" in § 359b Abs 1 Z 2 GewO 1994 durch den Gesetzgeber (BGBl. I 63/1997) bringt dieser zum Ausdruck, dass der "Charakter" einer dem § 81 Abs 2 Z 7 GewO 1994 unterliegenden Anlage lediglich durch das Ausmaß der Betriebsflächen sowie durch den elektrischen Anschlusswert, nicht mehr hingegen durch die Vermeidung von Immissionen, von nachteiligen Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs 2 oder Belastungen der Umwelt gemäß § 69a GewO 1994 bestimmt wird.

Der Bundesregierung kann demnach nicht gefolgt werden, wenn sie in der mit Bundesgesetz BGBl. I 63/1997 erfolgten Neufassung der Bestimmung des § 359b Abs 1 Z 2 GewO 1994 "keine Änderung ihres Inhaltes" sieht, sondern diese Neufassung als "lediglich redaktioneller Natur" und in der mündlichen Verhandlung als "Beseitigung eines legistischen Pleonasmus" bezeichnet. Die Bundesregierung vermeint, dass sich der in § 81 Abs 2 Z 7 GewO 1994 "angesprochene Charakter der Anlage" nicht nur durch die - etwa - in § 359b Abs 1 Z 2 GewO 1994 genannten Kriterien ergibt, "sondern auch durch die, durch allfällige Aufträge im Sinne des § 359b Abs 1 GewO 1994 sichergestellte 'Eigenschaft, genehmigungsfähig zu sein'". Die Bundesregierung übersieht, dass die im vereinfachten Betriebsanlagengenehmigungsverfahren gemäß § 359b Abs 1 GewO 1994 vorgesehene Möglichkeit, "erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß § 74 Abs 2 sowie der gemäß § 77 Abs 3 und 4 wahrzunehmenden Interessen zu erteilen", lediglich in Betracht kommt, wenn ein vereinfachtes Genehmigungs- (bzw. Feststellungs-)Verfahren überhaupt stattfindet. Gerade eine derartige Genehmigungspflicht ist aber nach dem Eingangssatz zu § 81 Abs 2 GewO 1994 "jedenfalls" nicht gegeben, wenn es sich gemäß der Z 7 dieser Bestimmung um eine Anlagenänderung handelt, bei welcher der Anlagencharakter, also die Voraussetzungen für eine nach § 359b Abs 1 Z 2 GewO 1994 im vereinfachten Verfahren genehmigte Anlage (d.s. Betriebsflächenausmaß und elektrische Anschlussleistung) gewahrt bleiben.

2.3. Die geschilderte Rechtslage bewirkt, dass nicht nur der Genehmigungsbescheid gemäß § 359b Abs 1 GewO 1994, wenn er die die Anwendung des vereinfachten Verfahrens begründende Beschaffenheit der Anlage feststellt, ohne Berücksichtigung des Nachbarschutzes als Zulässigkeitsvoraussetzung zu erlassen ist (mögen dann auch Aufträge zum Schutz der gemäß § 74 Abs 2 sowie der gemäß § 77 Abs 3 und 4 wahrzunehmenden Interessen in den Bescheid aufzunehmen sein); sondern dass darüber hinaus Änderungen einer gemäß § 359b Abs 1 Z 2 GewO 1994 genehmigten Anlage sowohl anzeige- (vgl. § 81 Abs 3 GewO 1994) als auch genehmigungsfrei sind, wenn die Voraussetzungen gemäß § 359b Abs 1 Z 2 (d.s. Betriebsflächenausmaß sowie elektrische Anschlussleistung) auch nach Änderung der Anlage vorliegen. Die Wahrung der Schutzinteressen gemäß § 74 Abs 2 sowie gemäß § 77 Abs 3 und 4 GewO 1994, damit insbesondere der Immissionsschutz der Nachbarn, der Schutz vor Emissionen von Luftschadstoffen sowie die Vorschreibung geeigneter Auflagen zur Abfallvermeidung oder -verwertung, scheidet damit bei Änderung einer im vereinfachten Verfahren genehmigten Anlage aus. Dafür bildet auch das mit dem vereinfachten Betriebsanlagengenehmigungsverfahren vom Gesetzgeber angestrebte und an sich als legitim erkannte (vgl. VfSlg. 14.512/1996, S 442) Ziel der Verwaltungsvereinfachung keinen zureichenden Grund; fehlt es doch an einer sachlichen Rechtfertigung dafür, zwar bei Feststellung der die Anwendung des vereinfachten Verfahrens begründenden Beschaffenheit einer Anlage erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß § 74 Abs 2 sowie der gemäß § 77 Abs 3 und 4 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen zu erteilen, nicht aber - schon mangels Durchführung eines entsprechenden Verfahrens - bei Änderung der betreffenden Anlage.

Entgegen der vom Vertreter der Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Auffassung reicht auch die Möglichkeit, gemäß § 79 GewO 1994 nachträgliche Auflagen zum Schutz der gemäß § 74 Abs 2 wahrzunehmenden Interessen vorzuschreiben, nicht aus, dem dargestellten verfassungsrechtlichen Mangel der Vorschrift des § 81 Abs 2 Z 7 GewO 1994 abzuhelfen, weil diese Auflagen nur in eingeschränktem Umfang zulässig sind.

2.4. Da § 81 Abs 2 Z 7 GewO 1994 in Zusammenhalt mit der durch das Bundesgesetz BGBl. I 63/1997 abgeänderten Fassung des § 359b Abs 1 Z 2 GewO 1994 für die Änderung vereinfacht genehmigter Betriebsanlagen kein Verfahren zum Schutz der Rechtsgüter des § 74 Abs 2 sowie § 77 Abs 3 und 4 GewO 1994 zulässt, differenziert der Gesetzgeber dadurch in unsachlicher Weise im Vergleich zum üblichen, von ihm geschaffenen Standard bei (auch vereinfachten) Betriebsanlagengenehmigungsverfahren.

Dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofs war sohin stattzugeben und § 81 Abs 2 Z 7 GewO 1994, BGBl. 194, als verfassungswidrig aufzuheben.

Der Ausspruch, dass keine gesetzlichen Bestimmungen wieder in Kraft treten, stützt sich auf Art 140 Abs 6 B-VG, die Kundmachungsverpflichtung auf Art 140 Abs 5 B-VG.