TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VfGH vom 14.07.2020, G202/2020 ua

VfGH vom 14.07.2020, G202/2020 ua

Leitsatz

Kein Verstoß gegen das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums durch das nach dem COVID-19-MaßnahmenG erlassene Betretungsverbot für Betriebsstätten; Verhältnismäßigkeit dieser Eigentumsbeschränkung infolge Einbettung des Betretungsverbots in ein umfangreiches Maßnahmen- und Rettungspaket zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Betretungsverbots; Zuerkennung einer darüber hinausgehenden Entschädigung für den Verdienstentgang verfassungsrechtlich nicht geboten; kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz; rechtspolitischer Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bekämpfung der Folgen der COVID-19-Pandemie nicht überschritten; keine Verletzung des Vertrauensschutzes; Anspruch auf Vergütung für den Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz 1950 begründet keine wohlerworbenen Rechte; Zulässigkeit des Individualantrags trotz Außerkrafttretens der angefochtenen Bestimmung im Zeitpunkt der Entscheidung des VfGH

Spruch

I.1. Die Wortfolge ", wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m2 beträgt" sowie der vierte Satz – "Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben." – in § 2 Abs 4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020, idF BGBl II Nr 151/2020 waren gesetzwidrig.

2. Die als gesetzwidrig festgestellten Bestimmungen sind nicht mehr anzuwenden.

II.Die Anträge auf Aufhebung des § 4 Abs 2 des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl I Nr 12/2020, idF BGBl I Nr 16/2020 sowie auf Feststellung, dass § 1 sowie § 2 Abs 4 dritter Satz der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020, idF BGBl II Nr 151/2020 gesetzwidrig waren, werden abgewiesen.

III.Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

IV.Der Bund (Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) ist schuldig, den antragstellenden Parteien zu Handen ihrer Rechtsvertreterin die mit € 1.744,20 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anträge und Vorverfahren

1. Mit ihren auf Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG sowie Art 140 Abs 1 Z 1 litc B-VG gestützten Anträgen begehren die antragstellenden Parteien, der Verfassungsgerichtshof möge

"1. die Wortfolge in § 2 Abs 4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020 in der geltenden Fassung, eingefügt mit Verordnung BGBl II Nr 151/2020, ', wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt' sowie 'Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben.'

in eventu

die Wortfolge in § 2 Abs 4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020 in der geltenden Fassung, eingefügt mit Verordnung BGBl II Nr 151/2020, ', wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt' sowie 'Sind sonstige Betriebsstätten baulich verbunden (z. B. Einkaufszentren), ist der Kundenbereich der Betriebsstätten zusammenzuzählen, wenn der Kundenbereich über das Verbindungsbauwerk betreten wird. Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben.'

in eventu

den in § 2 Abs 4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020 in der geltenden Fassung, mit Verordnung BGBl II Nr 151/2020 eingefügten Satz 'Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben' als gesetzwidrig aufheben;

in eventu

die Gesetzwidrigkeit der durch Verordnung BGBl II Nr 151/2020 in § 2 Abs 4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020 in der geltenden Fassung, eingefügten Wortfolge ', wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt' sowie 'Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben.' feststellen;

in eventu

die Gesetzwidrigkeit der durch Verordnung BGBl II Nr 151/2020 in § 2 Abs 4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020 in der geltenden Fassung, eingefügten Wortfolge ', wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt' sowie 'Sind sonstige Betriebsstätten baulich verbunden (z. B. Einkaufszentren), ist der Kundenbereich der Betriebsstätten zusammenzuzählen, wenn der Kundenbereich über das Verbindungsbauwerk betreten wird. Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben.' feststellen;

in eventu

die Gesetzwidrigkeit des durch Verordnung BGBl II Nr 151/2020 in § 2 Abs 4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020 in der geltenden Fassung, eingefügten Satzes 'Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben' feststellen;

2. die Wortteile in § 2 Abs 1 Z 2 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020 in der geltenden Fassung, zuletzt geändert durch die Verordnung BGBl II Nr 162/2020, 'handel' sowie 'produzenten'

in eventu

die Wortfolge in § 1 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020 in der geltenden Fassung, zuletzt geändert durch die Verordnung BGBl II Nr 162/2020, 'des Handels und' sowie 'des Erwerbs von Waren oder'

in eventu

§1 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020 in der geltenden Fassung, zuletzt geändert durch die Verordnung BGBl II Nr 162/2020, als gesetzwidrig aufheben;

in eventu

die Gesetzwidrigkeit der Wortteile 'handel' sowie 'produzenten' in § 2 Abs 1 Z 2 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020 in der geltenden Fassung, zuletzt geändert durch die Verordnung BGBl II Nr 162/2020, feststellen;

in eventu

die Gesetzwidrigkeit der Wortfolge 'des Handels und' sowie 'des Erwerbs von Waren oder' in § 1 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020 in der geltenden Fassung, zuletzt geändert durch die Verordnung BGBl II Nr 162/2020, feststellen;

in eventu

die Gesetzwidrigkeit von § 1 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020 in der geltenden Fassung, zuletzt geändert durch die Verordnung BGBl II Nr 162/2020, feststellen".

2. Darüber hinaus begehren die antragstellenden Parteien, der Verfassungsgerichtshof möge

"1. § 4 Abs 2 des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz), BGBl I Nr 12/2020 idF BGBl I Nr 23/2020 mit der Wortfolge 'Hat der Bundesminister gemäß § 1 eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr 186/1950, betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung.' als verfassungswidrig aufheben;

in eventu

die Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs 2 des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz), BGBl I Nr 12/2020 idF BGBl I Nr 23/2020 mit der Wortfolge 'Hat der Bundesminister gemäß § 1 eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr 186/1950, betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung.', feststellen".

3. Begründend bringen die antragstellenden Parteien zunächst zur Zulässigkeit ihrer Anträge vor, dass sie österreichische Handelsunternehmen seien und in Österreich Filialen betrieben. Sie fielen als Handelsunternehmen unter § 1 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (im Folgenden: "COVID-19-Maßnahmenverordnung-96"), BGBl II 96/2020. Seit dem Inkrafttreten dieser Verordnung sei das Betreten des Kundenbereiches in Filialen der antragstellenden Parteien verboten. Die antragstellenden Parteien fielen unter keine der in § 2 Abs 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 genannten Ausnahmen.

3.1. Im Zuge der Lockerungen der COVID-19-Maßnahmen habe der Verordnungsgeber eine weitere Ausnahme normiert, und zwar für Handelsunternehmen, deren Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² betrage (§2 Abs 4 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96). Diese Ausnahmebestimmung sei mit in Kraft getreten. Da der Kundenbereich bestimmter Filialen der antragstellenden Parteien jeweils mehr als 400 m² betrage und ausschließlich im Innenbereich angesiedelt sei, gelte das Betretungsverbot für sie weiter. Darüber hinaus habe der Verordnungsgeber festgehalten, dass Veränderungen der Größe des Kundenbereiches, die nach dem vorgenommen worden seien, bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereiches außer Betracht zu bleiben hätten (sogenanntes "Zonierungsverbot").

Weiters seien in § 2 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 diverse Ausnahmen für Handels- und Dienstleistungsunternehmen normiert worden, wobei in § 2 Abs 1 Z 2 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 in gleichheitswidriger Weise nur das Betreten der Geschäftsräumlichkeiten des Lebensmittelhandels, von Lebensmittelproduzenten sowie bäuerlichen Direktvermarktern gestattet worden sei. Den antragstellenden Parteien sei somit der Verkauf von Lebensmitteln und anderen Produkten weiterhin verboten, wohingegen die von der Ausnahmebestimmung des § 2 Abs 1 Z 2 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 erfassten Unternehmen sowohl Lebensmittel als auch sonstige Produkte verkaufen dürften.

3.2. Die genannten Regelungen seien unmittelbar auf die antragstellenden Parteien anwendbar und griffen aktuell und nachteilig in ihre Rechtssphäre ein, und zwar in die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Freiheit der Erwerbsausübung gemäß Art 6 StGG sowie auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art 5 StGG und Art 1 1. ZPEMRK. Die bekämpften Bestimmungen seien zwar bei Einbringung des Antrages noch in Kraft, sollten aber gemäß § 5 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 mit Ablauf des außer Kraft treten. Die Bestimmungen entfalteten auf während ihres Geltungszeitraumes verwirklichte Sachverhalte weiterhin Wirksamkeit. Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei es nicht unmöglich, dass außer Kraft getretene Bestimmungen die Rechtssphäre des Antragstellers aktuell berührten. Den antragstellenden Parteien sei es aktuell verboten, ihre Geschäftslokale betreten zu lassen und Waren zu veräußern, soweit der Kundenbereich mehr als 400 m² betrage. Dieser Zustand könne nach dem Außerkrafttreten der Bestimmungen nicht mehr beseitigt werden und wirke insoweit fort. Die antragstellenden Parteien könnten derzeit keine Kaufverträge in diesen Filialen abschließen; der Onlineshop sei für sie keine adäquate Alternative.

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sei ein Antragsteller insofern von einer außer Kraft getretenen Verordnung in seiner Rechtssphäre berührt, als die angefochtene Bestimmung auf die Vertragsabschlüsse im Zeitraum ihrer Geltung zur Anwendung komme. Dasselbe müsse gelten, wenn Verträge auf Grund der angefochtenen Bestimmung gar nicht abschlossen werden könnten. Darüber hinaus müsse die kurze zeitliche Geltungsdauer der COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 berücksichtigt werden; würde der Verfassungsgerichtshof die Unmittelbarkeit des Eingriffes verneinen, wäre die bekämpfte Verordnung nicht überprüfbar. Es sei den antragstellenden Parteien nicht zumutbar, die Bedenken auf anderem Weg an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

3.3. In der Sache meinen die antragstellenden Parteien, dass die angefochtenen Wortteile und Wortfolgen der COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art 2 StGG sowie Art 7 Abs 1 B-VG, das Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung gemäß Art 6 StGG sowie auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art 5 StGG sowie Art 1 1. ZPEMRK verstießen.

Die Regelung des § 2 Abs 4 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96, wonach Handelsunternehmen mit einer Kundenfläche von mehr als 400 m² nicht von der vorzeitigen Lockerung erfasst seien, sei willkürlich und entbehre jeder sachlichen Rechtfertigung. Es sei kein Grund ersichtlich, warum das Infektionsrisiko in Kundenbereichen über 400 m² höher sein sollte. Die Maßnahmen zur Ansteckungsprävention könnten in großflächigen Handelsunternehmen ebenso gut, wenn nicht sogar besser umgesetzt werden; vor allem könne die physische Distanzierung besser gewährleistet werden. Die Gefahr einer Ansteckung sei in kleinflächigen Handelsbetrieben größer. Die Größe eines Kundenbereiches sei auch deshalb kein geeignetes Unterscheidungskriterium, weil sich die Ansteckungsgefahr je nach der räumlichen Gestaltung des Kundenbereiches stark unterscheide. Darüber hinaus gebe es keine sachliche Rechtfertigung für die Differenzierung zwischen jenen Handelsunternehmen, die nur 400 m² Verkaufsfläche aufwiesen, und jenen, die ihre Kundenfläche nachträglich verkleinert hätten. Der Ansteckungsschutz könne in nachträglich zonierten Kundenbereichen gleichermaßen erfüllt werden. Eine nachträgliche Verkleinerung der Verkaufsfläche erhöhe die Ansteckungsgefahr nicht. Darüber hinaus sei es unsachlich, dass der Verordnungsgeber Lebensmittelhändlern, die auch andere Produkte vertrieben, uneingeschränkt erlaube, Produkte an Kunden zu verkaufen, während Unternehmen, die neben anderen Produkten auch Lebensmittel anböten, die Veräußerung sämtlicher Produkte verboten sei. Es bestünden keine nachvollziehbaren Gründe, warum nur bestimmte Unternehmen weiterhin Lebensmittel verkaufen dürften.

Ein Eingriff in die Erwerbsfreiheit sei nur zulässig, wenn dies durch ein öffentliches Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich gerechtfertigt sei. Es sei zwar grundsätzlich nachvollziehbar, dass die Lockerungen schrittweise gesetzt würden; die gewählte Differenzierung nach der Größe der Handelsunternehmen sei aber – wie bei den Bedenken zum Gleichheitsgrundsatz dargestellt – nicht geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Größere Handelsunternehmen könnten den Infektionsschutz zumindest gleich gut, wenn nicht sogar besser gewährleisten. Die Differenzierung sei auch nicht erforderlich, weil gelindere Mittel vorhanden seien, etwa eine Begrenzung der Kundenanzahl sowie die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Es bestehe zwischen dem öffentlichen Interesse und den Einschränkungen der Grundrechte der antragstellenden Parteien keine angemessene Relation. Es bestehe darüber hinaus kein öffentliches Interesse daran, dass nur bestimmte Unternehmen Lebensmittel verkaufen könnten. Ferner sei eine Ausnahmeregelung, wonach nur einzelne Unternehmer Lebensmittel verkaufen dürften, nicht erforderlich, um das vom Verordnungsgeber verfolgte Ziel zu erreichen.

Die bewirkte Beschränkung des Eigentumsgrundrechtes sei auch unverhältnismäßig, weil einerseits die Unterscheidung nach der Größe des Handelsunternehmens sowie das Verbot der Zonierung keine geeigneten Kriterien seien und andererseits nur bestimmte Unternehmen Lebensmittel verkaufen dürften.

3.4. § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz iVm § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 verstoße gegen das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art 5 StGG sowie Art 1 1. ZPEMRK sowie den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art 2 StGG sowie Art 7 B-VG.

§4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz regle, dass die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 nicht zur Anwendung gelangen, soweit der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz eine Verordnung nach § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz erlasse. Der Bundesminister habe von dieser Verordnungsermächtigung mehrfach Gebrauch gemacht, insbesondere durch die COVID-19-Maßnahmenverordnung-96. Das COVID-19-Maßnahmengesetz greife unmittelbar und nachteilig in die Rechtssphäre der antragstellenden Parteien ein, und zwar hinsichtlich der genannten Grundrechte.

Die antragstellenden Parteien seien Normadressaten des COVID-19-Maßnahmengesetzes; die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 seien auf Grund des § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz (iVm § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96) nicht mehr auf die antragstellenden Parteien anzuwenden; insbesondere könnten sie keine Vergütung nach § 32 Epidemiegesetz 1950 beanspruchen, obwohl sie ihrer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen könnten. Zwischen Betretungsverboten und Schließungen nach dem Epidemiegesetz 1950 bestehe kein Unterschied, zumal in beiden Fällen Kunden die Verkaufsfläche nicht mehr aufsuchen könnten. § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz (iVm § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96) greife sohin nachteilig in die Rechtssphäre der antragstellenden Parteien ein. Es gebe für sie auch keinen zumutbaren Rechtsweg, die Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Insbesondere sei es ihnen nicht zumutbar, ein Verwaltungsstrafverfahren nach § 3 COVID-19-Maßnahmengesetz zu provozieren.

3.5. Hinsichtlich des vorgebrachten Verstoßes gegen das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art 5 StGG sowie Art 1 1. ZPEMRK bringen die antragstellenden Parteien zusammengefasst vor, dass die Ausnahme der Anwendbarkeit der Regelungen des Epidemiegesetzes 1950 nicht geeignet sei, das verfolgte öffentliche Ziel an der Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 zu erreichen. Nach den Materialien zum COVID-19-Maßnahmengesetz habe sich herausgestellt, dass die Regelungen im Epidemiegesetz 1950 nicht ausreichend bzw zu kleinteilig seien. Es sollten daher jene Maßnahmen ermöglicht werden, die unbedingt erforderlich seien, um die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. Das Ziel des COVID-19-Maßnahmengesetzes sei sohin die Schaffung zusätzlicher Schutzmechanismen gewesen. Dieses Ziel wäre allerdings auch ohne die einschränkende Anordnung des § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz möglich gewesen. Auch nach dem Epidemiegesetz 1950 hätten Betriebsstätten geschlossen werden können; diesfalls hätte jedoch § 32 Abs 1 Z 5 Epidemiegesetz 1950 eine Vergütung vorgesehen, die nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen gewesen wäre. Darüber hinaus wären die Entgeltfortzahlungen an die Arbeitnehmer vom Bund zu ersetzen gewesen.

Durch die explizite Ausnahme der Anwendbarkeit der Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 würden die antragstellenden Parteien ihre Ansprüche auf Entschädigung nach § 32 Epidemiegesetz 1950 zur Gänze verlieren. Gleichwertige alternative Ansprüche würden ihnen nicht gewährt. Es sei denkunmöglich, dass der Wegfall des Entschädigungsanspruches geeignet sei, die Verbreitung von COVID-19 in irgendeiner Weise einzudämmen. § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz verfolge nur den Zweck, Entschädigungsansprüche zu beschneiden, wodurch in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums eingegriffen werde. Der aus dem Betretungsverbot resultierende Vermögensnachteil sei zur Gänze von den antragstellenden Parteien zu tragen.

3.6. § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz verstoße auch gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil zunächst zahlreiche Betriebe unter Bezugnahme auf das Epidemiegesetz 1950 behördlich geschlossen worden seien. Erst Ende März habe der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz eine Verordnung nach § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz erlassen, in Bezug auf welche die Entschädigungsansprüche nach dem Epidemiegesetz 1950 ausgeschlossen seien. Jenen Betrieben, die nach den Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 geschlossen worden seien, stehe die volle Entschädigung zu, während die antragstellenden Parteien keinen Entschädigungsanspruch hätten. Eine derartige Ungleichbehandlung sei sachlich nicht gerechtfertigt, weil die Betriebsschließungen nach dem Epidemiegesetz 1950 mit den Betretungsverboten nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz gleichzusetzen seien. Die antragstellenden Parteien hätten darauf vertrauen dürfen, dass sie Entschädigungen nach dem Epidemiegesetz 1950 erhalten würden. Es sei in keiner Weise nachvollziehbar, warum bestimmte Betriebe in diesem Zusammenhang bessergestellt sein sollten. Eine sachliche Rechtfertigung sei nicht zu erkennen. In § 1 Abs 1 Epidemiegesetz 1950 seien unter anderem MERS-CoV und SARS genannt. Es sei nicht ersichtlich, warum COVID-19 anders als jene Infektionen zu behandeln sei. Es handle sich um eine unsachliche Differenzierung.

4. Die Bundesregierung erstattete in dem zu G202/2020, V408/2020 protokollierten Verfahren eine Äußerung, in der sie die Zulässigkeit der gestellten Eventualanträge bestreitet, soweit diese auf die Feststellung der Gesetzes- bzw Verfassungswidrigkeit gerichtet sind. In den zu G212/2020, V414/2020 und G213/2020, V415/2020 protokollierten Verfahren erstattete die Bundesregierung ebenfalls Äußerungen, in denen sie auf ihre Äußerung in dem zu G202/2020, V408/2020 protokollierten Verfahren verwies.

4.1. In der Sache führt die Bundesregierung aus, dass die antragstellenden Parteien eine unsachliche Ungleichbehandlung von COVID-19 mit sonstigen nach dem Epidemiegesetz 1950 anzeigepflichtigen Krankheiten behaupteten. Die Bundesregierung verweise in diesem Zusammenhang darauf, dass COVID-19 mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend anzeigepflichtige übertragbare Krankheiten 2020, BGBl II 15/2020, in die Liste der anzeigepflichtigen Krankheiten gemäß § 1 Epidemiegesetz 1950 aufgenommen worden sei. Vorbehaltlich des § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz seien daher auch die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 auf COVID-19 anwendbar.

Darüber hinaus sei die unterschiedliche Behandlung der von den antragstellenden Parteien behaupteten Krankheiten durch Unterschiede und Besonderheiten der jeweiligen Erreger begründet. Zwar scheine die Letalität von COVID-19 deutlich geringer zu sein als bei MERS, jedoch sei die Übertragbarkeit deutlich höher. COVID-19 sei auch stärker verbreitet als SARS; darüber hinaus seien auch bereits weit mehr Menschen an COVID-19 gestorben. Bereits aus diesen Gründen sei die Bundesregierung der Auffassung, dass es im Rahmen ihres Gestaltungsspielraumes liege, COVID-19 anders zu behandeln und sachadäquate Regelungen zur Beherrschung der neuen Gefahrenlage zu erlassen. Darüber hinaus verweist die Bundesregierung auf ihre Äußerungen in den beim Verfassungsgerichtshof zu G180/2020 ua und G195/2020 protokollierten Verfahren, welche sie ihrer Äußerung anschloss.

4.2. In ihren Äußerungen in den beim Verfassungsgerichtshof zu G180/2020 ua und G195/2020 protokollierten Verfahren führt die Bundesregierung – soweit für das vorliegende Verfahren von Belang – zusammengefasst das Folgende aus:

4.2.1. Die Nichtanwendbarkeit der Bestimmungen des Epidemigesetzes 1950 über die Vergütung für den Verdienstentgang ergebe sich nicht aus § 1 und § 2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, sondern aus § 4 Abs 2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes. Die Bestimmungen seien nach Auffassung der Bundesregierung nicht unsachlich.

4.2.2. Bei COVID-19 handle es sich um eine Erkrankung, die leicht und vor allem unbemerkt vor Beginn der Symptome von Mensch zu Mensch übertragen werden könne und für die es noch keine ausreichende Immunität in der Bevölkerung gebe. Zu den häufigsten Symptomen zählten Fieber, trockener Husten, Halsschmerzen und Abgeschlagenheit. Die Krankheitsverläufe variierten sehr stark, von symptomlosen Verläufen bis hin zu schweren Lungenentzündungen mit Lungenversagen und Todesfolge.

Nach dem erstmaligen Auftreten von COVID-19 in Österreich am sei es zu einem rasanten Anstieg der Krankheitsfälle gekommen: Während in der 10. Kalenderwoche (2. bis ) die Zahl der nachgewiesenen Neuerkrankungen mit durchschnittlich 17 pro Tag (in Summe 119 in dieser Woche) angestiegen sei, seien es in der 11. Kalenderwoche (9. bis ) durchschnittlich 140 pro Tag (in Summe 982) gewesen, wobei alle Bundesländer betroffen und COVID-19 nicht mehr lokal eingrenzbar gewesen sei. Die Gesamtzahl der Erkrankten habe somit in dieser Woche täglich im Durchschnitt um 25 % zugenommen. Eine derartige Zunahme bedeute ein exponentielles Wachstum, bei dem sich die Fallzahlen in etwas mehr als drei Tagen verdoppelten. Auch weltweit gesehen seien die Wachstumsraten zu diesem Zeitpunkt in der Europäischen Union am höchsten gewesen. Am sei der Ausbruch von COVID-19 durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Pandemie eingestuft worden.

In die Risikobewertung des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) vom seien insbesondere Daten und Erfahrungen aus anderen betroffenen Ländern eingeflossen. In China seien damals in 80 % der Fälle milde bis moderate Verläufe registriert worden. In fast 14 % der Fälle sei es zu schweren Verläufen gekommen und 6 % aller Fälle seien in einem kritischen Zustand gemündet. Die Fallsterblichkeit sei für China bei 2,3 % und für Italien bei 2,8 % gelegen. Die höchste Fallsterblichkeit sei bei älteren Personen, insbesondere in der Altersgruppe von über 80 Jahren, aufgetreten. Besonders bei Personen mit Vorerkrankungen (Bluthochduck, Diabetes, Krebs etc.) seien schwere Verläufe beobachtet worden. Kinder seien genauso gefährdet wie Erwachsene gewesen, sich anzustecken. Bei diesen seien überwiegend milde Verläufe beobachtet worden. Das Risiko einer schweren Erkrankung im Zusammenhang mit einer COVID-19-Infektion für Menschen in der EU/im EWR und im Vereinigten Königreich sei von dem ECDC für die allgemeine Bevölkerung als moderat und für ältere Erwachsene und Personen mit chronischen Grunderkrankungen als hoch angesehen worden. Darüber hinaus sei das Risiko einer Überlastung der nationalen Gesundheitssysteme und das mit der Übertragung von COVID-19 verbundene Risiko in Gesundheits- und Sozialeinrichtungen mit großen gefährdeten Bevölkerungsgruppen als hoch eingestuft worden.

Das Robert Koch-Institut (Berlin) nehme – ausgehend von mehreren verschiedenen Studien – bei einer ungehinderten Verbreitung von COVID-19 eine Basisreproduktionszahl von zwischen 2,4 und 3,3 an. Das bedeute, dass von einem Fall durchschnittlich 2,4 bis 3,3 Zweitinfektionen ausgingen. Das bedeute aber auch, dass bei einer Basisreproduktionszahl von ca. 3 ungefähr zwei Drittel aller Übertragungen verhindert werden müssten, um die Epidemie unter Kontrolle zu bringen.

Angesichts dieser Datenlage und der Risikoabschätzung der damaligen epidemiologischen Situation und Risikobewertung sowie der erwarteten Entwicklungen seien durch das ECDC sowie die Experten im Beraterstab der Taskforce Corona beim Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz insbesondere Maßnahmen im Bereich des "social distancing" (Minimierung körperlicher Kontakte, zeitlich später auch als "physical distancing" bezeichnet; zB durch Absagen von Veranstaltungen, Schließen von Schulen, Einstellen nicht notwendiger zwischenmenschlicher Kontakte und von Reisetätigkeiten) als erforderlich angesehen worden, um das exponentielle Fortschreiten der Pandemie einzubremsen und die reale Gefahr einer Überlastung des österreichischen Gesundheitssystemes auf Grund der großen Anzahl der Erkrankten einerseits und der Infizierung des medizinischen und krankenpflegerischen Personals andererseits zu verhindern.

Um der schnellen Ausbreitung der Erkrankung effektiv entgegenzuwirken, sei daher die Verbreitung des Virus durch eine deutliche Reduzierung der Anzahl der zwischenmenschlichen Kontakte und die Einhaltung eines Abstandes von mindestens einem Meter bei nicht vermeidbaren Kontakten notwendig gewesen, wobei dies auf Grund der bestehenden Ausbreitung von COVID-19 rasch, gleichzeitig und in ganz Österreich geschehen habe müssen. Die Wirksamkeit von "social distancing" sei nämlich am größten, wenn gleich zu Beginn der Pandemie eine deutliche Verminderung der Kontakte erfolge.

4.2.3. Für eine rasche und bundesweite Umsetzung von "social distancing" seien die Maßnahmen des Epidemiegesetzes 1950, wie in den Erläuterungen zum entsprechenden Initiativantrag des COVID-19-Maßnahmengesetzes (IA 396/A 27. GP, 11) dargelegt, "nicht ausreichend bzw zu kleinteilig". Die rechtlichen Vorkehrungen, die im Epidemiegesetz 1950 vorgesehen seien, wären auch gar nicht darauf ausgelegt, österreichweit zwischenmenschliche Kontakte schlagartig zu reduzieren. Insbesondere gehe von den meisten Betriebsstätten gar keine besondere Gefahr für die Ausbreitung von COVID-19 aus, die eine Betriebsbeschränkung oder -schließung gemäß § 20 Epidemiegesetz 1950 rechtfertigen würde. Auch Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 Epidemiegesetz 1950 könnten nur verfügt werden, wenn sich in einem bestimmten Gebiet eine Häufung von Infizierungen ergebe. Diese Bestimmung könnte jedoch nicht als ausreichende gesetzliche Grundlage für die erforderliche bundesweite, generelle Reduzierung der Anzahl der Kontakte zwischen Menschen angesehen werden.

Vor diesem Hintergrund sei es nach Auffassung der Bundesregierung geboten gewesen, die in Rede stehenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 zu ergreifen, um den soeben dargestellten spezifischen Herausforderungen bei der Bekämpfung von COVID-19 bestmöglich begegnen zu können. In diesem Zusammenhang werde darauf hingewiesen, dass diese Maßnahmen sowohl in ihrem sachlichen als auch zeitlichen Anwendungsbereich auf das unbedingt Notwendige begrenzt seien, indem sie nur insoweit anwendbar seien, als dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich sei, und lediglich befristete Geltung bis Ende des Jahres 2020 hätten.

4.2.4. Die Erforderlichkeit der zur Eindämmung der Pandemie ergriffenen Maßnahmen spiegle sich auch in ihrem Erfolg wider, wie sich aus der Datenlage ergebe: Nachdem am Tag des Inkrafttretens des COVID-19-Maßnahmengesetzes () über 200 Neuerkrankungen pro Tag bei einer geschätzten effektiven Reproduktionszahl von über 2,5 zu verzeichnen gewesen seien, liege die Anzahl der Neuerkrankungen pro Tag, die am mit über 1.000 Neuerkrankungen ihren Höhepunkt erreicht hätte, seit dem bei unter hundert Personen; die Reproduktionszahl liege seit zwischen 1 und 0,5. Auch ein internationaler Vergleich der Fallzahlen zeige, dass durch die auf Grund des COVID-19-Maßnahmengesetzes getroffenen Maßnahmen eine ungebremste Verbreitung des Virus verhindert werden habe können, sodass das Gesundheitssystem zu keinem Zeitpunkt an seine Belastungsgrenzen gestoßen sei.

Daneben seien mit dem "Corona-Hilfspaket" zahlreiche Unterstützungsmaßnahmen getroffen worden, um die negativen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie bei den betroffenen Unternehmen auszugleichen, wie etwa die Ausweitung der Kurzarbeit, finanzielle Maßnahmen zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten von Unternehmen, Zuschüsse aus dem Härtefallfonds sowie Entlastungen und Erleichterungen für Unternehmen aus abgabenrechtlicher Sicht. Nach Auffassung der Bundesregierung erwiesen sich daher die angefochtenen Bestimmungen insgesamt als sachlich gerechtfertigt.

4.2.5. Auch eine Verletzung des Vertrauensschutzes liege nach Auffassung der Bundesregierung nicht vor.

Der Verfassungsgerichtshof habe jüngst in seinem Erkenntnis vom , G150/2018 ua, seine Auffassung bestätigt, wonach das bloße Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genieße. Vielmehr bleibe es der Gesetzgebung auf Grund des ihr zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes unbenommen, die Rechtslage auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern. Nur unter besonderen Umständen setze der Vertrauensschutz der Gesetzgebung verfassungsrechtliche Grenzen, so insbesondere wenn dem Betroffenen zur Vermeidung unsachlicher Ergebnisse die Gelegenheit gegeben werden müsse, sich rechtzeitig auf die neue Rechtslage einzustellen. Vertrauensschutz begründende Umstände könnten nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darin liegen, dass rückwirkend an in der Vergangenheit liegende Sachverhalte geänderte (für die Normunterworfenen nachteilige) Rechtsfolgen geknüpft würden (VfSlg 13.020/1992, 16.850/2003) oder dass die Gesetzgebung in Rechtsansprüche, auf die sich die Normunterworfenen nach ihrer Zweckbestimmung rechtens einstellen durften (wie auf Pensionsleistungen bestimmter Höhe), plötzlich und intensiv nachteilig eingreife (VfSlg 11.288/1987, 16.764/2002, 17.254/2004) oder dass die Gesetzgebung die Normunterworfenen zu Dispositionen veranlasst habe, durch eine spätere Maßnahme diese im Vertrauen auf die Rechtslage vorgenommenen Dispositionen frustriert bzw ihrer Wirkung beraubt hätten (VfSlg 12.944/1991, 13.655/1993, 16.452/2002). In den Erkenntnissen VfSlg 12.944/1991 und 13.655/1993 seien es jeweils besondere Umstände gewesen, die zu einer Gleichheitswidrigkeit der in Prüfung gezogenen generellen Normen geführt hätten: Nicht schon der bloße Anreiz zu Dispositionen vermöge ein vertrauensbildendes Moment zu sein, sondern erst der Anreiz zu konkreten Investitionen, wie etwa zur Anschaffung lärmarmer LKW (VfSlg 12.944/1991) oder zur Bildung von Rücklagen (VfSlg 13.655/1993).

Ein vergleichbarer Anreiz sei mit dem Epidemiegesetz 1950, dessen Nichtanwendbarkeit die antragstellenden Unternehmen monierten, nicht geschaffen worden. Nach Auffassung der Bundesregierung erscheine es geradezu undenkbar, die Anordnungen des Epidemiegesetzes 1950 dahingehend zu verstehen: Der "Anreiz", der damit geschaffen worden wäre, wäre nämlich jener, einen Gewerbebetrieb zu führen, der eine besondere Gefahr für die Ausbreitung einer Krankheit mit sich bringe, und sich dabei in Sicherheit zu wiegen, dass im Fall der Betriebsschließung der Verdienstentgang vergütet werde. Dies zeige deutlich, dass in Bezug auf solche Regelungen von vornherein kein Vertrauen bestehe, wie im Allgemeinen hinsichtlich Regelungen, die sich auf unvorhersehbare Ereignisse bezögen, kein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen bestehe.

Durch die angefochtenen Bestimmungen würden außerdem keine nachteiligen Folgen rückwirkend angeordnet, sondern lediglich klargestellt, dass die Nichtanwendbarkeit der Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten bereits seit dem lediglich im Anwendungsbereich der Verordnung gemäß § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz gegolten habe (vgl in diesem Sinne die Erläuterungen zum IA 397/A 27. GP, 41). Diese Klarstellung habe zur Folge, dass der Anwendungsbereich des Epidemiegesetzes 1950 (einschließlich der Anordnung betreffend den Verdienstentgang) weit sei.

4.2.6. Nach Ansicht der Bundesregierung liege auch keine Gleichheitswidrigkeit vor, weil die Regelung des § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz dem Abs 3 dieser Bestimmung widerspräche. § 4 Abs 3 COVID-19-Maßnahmengesetz bestimme, dass durch das COVID-19-Maßnahmengesetz dem Epidemiegesetz 1950 nicht derogiert werde. Durch § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz werde dagegen geregelt, dass die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten nicht zur Anwendung gelangten, wenn der zuständige Bundesminister eine Verordnung gemäß § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz erlassen habe. Dies bedeute, dass das Epidemiegesetz 1950 auch im Geltungszeitraum des COVID-19-Maßnahmengesetzes grundsätzlich weiterhin in Geltung stehe; jedoch jene Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, welche die Schließung von Betriebsstätten beträfen, seien im Rahmen des Anwendungsbereiches der Verordnung gemäß § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz (vorübergehend) nicht anzuwenden. Außerhalb des Anwendungsbereiches dieser Verordnung seien diese Bestimmungen regulär anzuwenden, was im Übrigen auch durch die Erläuterungen zum entsprechenden Initiativantrag (IA 397/A 27. GP, 41) klargestellt werde. Auch nach Außerkrafttreten der Verordnung gemäß § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz bzw des COVID-19-Maßnahmengesetzes mit Ablauf des seien die genannten Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 – wieder – anwendbar. Es bestehe somit kein Widerspruch zwischen § 4 Abs 2 und § 4 Abs 3 COVID-19-Maßnahmengesetz. Bereits aus diesem Grund liege die behauptete Gleichheitswidrigkeit nicht vor.

Auch ansonsten liege keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gemäß Art 2 StGG und Art 7 B-VG vor. Betretungsverbote nach § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz seien mit Betriebsschließungen nach § 20 Epidemiegesetz 1950 nicht vergleichbar. Auch liege kein entschädigungspflichtiges "Sonderopfer" im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes vor. Ein solches setze eine unsachliche Ungleichbehandlung voraus, deren Last nur einem Einzelnen oder einer (kleinen) Gruppe von Personen auferlegt werde. Durch die angefochtenen Bestimmungen seien aber alle Betriebsstätten gleichermaßen betroffen.

4.2.7. Nach Auffassung der Bundesregierung liege auch keine Verletzung des Grundrechtes auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art 5 StGG vor. Die durch die angefochtenen Bestimmungen bewirkten Eigentumsbeschränkungen dienten dem Ziel der Verhinderung von COVID-19 und lägen damit im öffentlichen Interesse des Gesundheitsschutzes. Im Gegensatz zu Enteignungen bestehe bei Eigentumsbeschränkungen nur bei besonders gravierenden Eingriffen eine Verpflichtung zur Entschädigung. Im vorliegenden Fall liege weder eine formelle noch eine materielle Enteignung vor, weil die Betretungsverbote die Nutzung der Betriebe nicht vollständig unterbinden würden und auch auf das zeitlich absolut notwendige Ausmaß beschränkt seien. Darüber hinaus liege auch kein "Sonderopfer" im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes vor.

5. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz erstattete Äußerungen, in denen er die vorgebrachten Gesetzwidrigkeiten bestreitet.

Zur Zulässigkeit bringt der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vor, dass die angefochtenen Verordnungsbestimmungen nicht aktuell und unmittelbar in die Rechtssphäre der antragstellenden Parteien eingriffen, weil diese bereits außer Kraft getreten seien. Die darin vorgesehenen Betretungsverbote seien daher bereits weggefallen. Darüber hinaus äußerten die antragstellenden Parteien in ihren Anträgen lediglich pauschale Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen der Verordnung, ordneten diese jedoch nicht den jeweiligen Anträgen zu. Die Eventualanträge betreffend § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 seien zu eng, weil § 2 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 im Falle einer Aufhebung einen weitgehend sinnentleerten Inhalt erhielte.

In der Sache ist der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz der Ansicht, dass die vorgetragenen Bedenken nicht zuträfen. Es sei im Sinne des Schutzes der Gesundheit erforderlich gewesen, flächendeckende Maßnahmen zur größtmöglichen Reduktion der sozialen Kontakte zu ergreifen. Vom allgemeinen Betretungsverbot seien lediglich jene Bereiche ausgenommen gewesen, die zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung dienten. Durch die zeitliche Befristung sei die Erforderlichkeit der Maßnahmen kontinuierlich überprüft worden.

Das Abstellen auf die Größe des Kundenbereiches sei auch ein taugliches Differenzierungsmerkmal. Gemeinsam mit der Beschränkung auf einen Kunden pro 20 m² sei gewährleistet, dass die Ausbreitung von COVID-19 verhindert werden könne. Die Festsetzung der 400 m²-Grenze liege im Wertungsspielraum des Verordnungsgebers und finde sich auch in anderen Bestimmungen der Rechtsordnung. Die Differenzierung nach der Größe der Kundenbereiche sei deshalb zur Zielerreichung geeignet gewesen, weil es darum gegangen sei, die Zahl der sozialen Kontakte zu beschränken. Dabei sei weniger die Problematik des ausreichenden Abstandes als vielmehr die damit bewirkte Erhöhung der Mobilität im Vordergrund gestanden. Es sei auch sachlich gerechtfertigt, dass nachträgliche bauliche Veränderungen nicht zu berücksichtigen seien, weil größere Betriebsstätten mehr Kunden anzögen, sodass es zu einer "Nadelöhrsituation" in den Eingangsbereichen kommen könne.

II. Rechtslage

1. Das Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz), BGBl I 12/2020, idF BGBl I 16/2020 lautete:

"Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen sowie Arbeitsorte

§1. Beim Auftreten von COVID-19 kann der Bundesminister

für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des § 2 Abs 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind.

Betreten von bestimmten Orten

§2. Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Die Verordnung ist

1. vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt,

2. vom Landeshauptmann zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Landesgebiet erstreckt, oder

3. von der Bezirksverwaltungsbehörde zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf den politischen Bezirk oder Teile desselben erstreckt.

Das Betretungsverbot kann sich auf bestimmte Zeiten beschränken.

Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes

§2a. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden und Organe über deren Ersuchen bei der Ausübung ihrer beschriebenen Aufgaben bzw zur Durchsetzung der vorgesehenen Maßnahmen erforderlichenfalls unter Anwendung von Zwangsmitteln zu unterstützen.

(2) Sofern nach der fachlichen Beurteilung der nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden im Rahmen der nach Abs 1 vorgesehenen Unterstützung für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach der Art der übertragbaren Krankheit und deren Übertragungsmöglichkeiten eine Gefährdung verbunden ist, der nur durch besondere Schutzmaßnahmen begegnet werden kann, so sind die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden verpflichtet, adäquate Schutzmaßnahmen zu treffen.

Strafbestimmungen

§3. (1) Wer eine Betriebsstätte betritt, deren Betreten gemäß § 1 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.

(2) Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte, deren Betreten gemäß § 1 untersagt ist, nicht betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 30 000 Euro zu bestrafen. Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte höchstens von der in der Verordnung genannten Zahl an Personen betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.

(3) Wer einen Ort betritt, dessen Betreten gemäß § 2 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.

Inkrafttreten

§4. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des außer Kraft.

(1a) Abs 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 16/2020 tritt rückwirkend mit in Kraft.

(2) Hat der Bundesminister gemäß § 1 eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr 186/1950, betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung.

(3) Die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 bleiben unberührt.

(4) Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes können vor seinem Inkrafttreten erlassen werden, dürfen jedoch nicht vor diesem in Kraft treten.

Vollziehung

§5. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betraut."

2. Das Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz), BGBl I 12/2020, idF BGBl I 23/2020 lautet (die im dritten Hauptantrag angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen sowie Arbeitsorte

§1. Beim Auftreten von COVID-19 kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des § 2 Abs 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten werden dürfen.

Betreten von bestimmten Orten

§2. Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Die Verordnung ist

1. vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt,

2. vom Landeshauptmann zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Landesgebiet erstreckt, oder

3. von der Bezirksverwaltungsbehörde zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf den politischen Bezirk oder Teile desselben erstreckt.

Das Betretungsverbot kann sich auf bestimmte Zeiten beschränken. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen jene bestimmten Orte betreten werden dürfen.

Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes

§2a. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden und Organe über deren Ersuchen bei der Ausübung ihrer beschriebenen Aufgaben bzw zur Durchsetzung der vorgesehenen Maßnahmen erforderlichenfalls unter Anwendung von Zwangsmitteln zu unterstützen.

(1a) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben an der Vollziehung dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen mitzuwirken durch

1. Maßnahmen zur Vorbeugung gegen drohende Verwaltungsübertretungen,

2. Maßnahmen zur Einleitung und Sicherung eines Verwaltungsstrafverfahrens und

3. die Ahndung von Verwaltungsübertretungen durch Organstrafverfügungen (§50 VStG).

(2) Sofern nach der fachlichen Beurteilung der jeweiligen Gesundheitsbehörde im Rahmen der nach Abs 1 vorgesehenen Mitwirkung für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach der Art der übertragbaren Krankheit und deren Übertragungsmöglichkeiten eine Gefährdung verbunden ist, der nur durch besondere Schutzmaßnahmen begegnet werden kann, so sind die Gesundheitsbehörden verpflichtet, adäquate Schutzmaßnahmen zu treffen.

Strafbestimmungen

§3. (1) Wer eine Betriebsstätte betritt, deren Betreten gemäß § 1 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.

(2) Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte, deren Betreten gemäß § 1 untersagt ist, nicht betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 30 000 Euro zu bestrafen. Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte höchstens von der in der Verordnung genannten Zahl an Personen betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.

(3) Wer einen Ort betritt, dessen Betreten gemäß § 2 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.

Inkrafttreten

§4. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des außer Kraft.

(1a) Abs 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 16/2020 tritt rückwirkend mit in Kraft.

(2) Hat der Bundesminister gemäß § 1 eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr 186/1950, betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung.

(3) Die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 bleiben unberührt.

(4) Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes können vor seinem Inkrafttreten erlassen werden, dürfen jedoch nicht vor diesem in Kraft treten.

(5) § 1, 2 und § 2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 23/2020 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

Vollziehung

§5. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betraut."

3. Die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II 96/2020, idF BGBl II 151/2020 lautete (die im ersten Eventualantrag zum ersten Hauptantrag sowie im zweiten Eventualantrag zum zweiten Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"§1. Das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben ist untersagt.

§2. (1) § 1 gilt nicht für folgende Bereiche:

1. öffentliche Apotheken

2. Lebensmittelhandel (einschließlich Verkaufsstellen von Lebensmittelproduzenten) und bäuerlichen Direktvermarktern

3.. Drogerien und Drogeriemärkte

4. Verkauf von Medizinprodukten und Sanitärartikeln, Heilbehelfen und Hilfsmitteln

5. Gesundheits- und Pflegedienstleistungen

6. Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen die von den Ländern im Rahmen der Behindertenhilfe-, Sozialhilfe-, Teilhabe- bzw Chancengleichheitsgesetze erbracht werden

7. veterinärmedizinische Dienstleistungen

8. Verkauf von Tierfutter

9. Verkauf und Wartung von Sicherheits- und Notfallprodukten

10. Notfall-Dienstleistungen

11. Agrarhandel einschließlich Schlachttierversteigerungen sowie der Gartenbaubetrieb und der Landesproduktenhandel mit Saatgut, Futter und Düngemittel

12. Tankstellen und angeschlossene Waschstraßen

13. Banken

14. Postdiensteanbieter einschließlich deren Postpartner, soweit diese Postpartner unter die Ausnahmen des § 2 fallen sowie Postgeschäftsstellen iSd § 3 Z 7 PMG, welche von einer Gemeinde betrieben werden oder in Gemeinden liegen, in denen die Versorgung durch keine andere unter § 2 fallende Postgeschäftsstelle erfolgen kann, jedoch ausschließlich für die Erbringung von Postdienstleistungen und die unter § 2 erlaubten Tätigkeiten, und Telekommunikation.

15. Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Rechtspflege

16. Lieferdienste

17. Öffentlicher Verkehr

18. Tabakfachgeschäfte und Zeitungskioske

19. Hygiene und Reinigungsdienstleistungen

20. Abfallentsorgungsbetriebe

21. KFZ- und Fahrradwerkstätten

22. Baustoff-, Eisen- und Holzhandel, Bau- und Gartenmärkte

23. Pfandleihanstalten und Handel mit Edelmetallen.

(2) Die Ausnahmen nach Abs 1 Z 3, 4, 8, 9, 11, 22 und 23 sowie Abs 4 gelten an Werktagen von 07.40 Uhr bis längstens 19.00 Uhr. Restriktivere Öffnungszeitenregeln aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

(3) Die Ausnahmen nach Abs 1 Z 2 gilt an Werktagen von 07.40 Uhr bis längstens 19.00 Uhr, sofern es sich nicht um eine Verkaufsstelle von Lebensmittelproduzenten handelt. Restriktivere Öffnungszeitenregeln aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

(4) § 1 gilt unbeschadet Abs 1 nicht für den Kundenbereich von sonstigen Betriebsstätten des Handels, wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt. Als sonstige Betriebsstätten des Handels sind Betriebstätten zu verstehen, die dem Verkauf, der Herstellung, der Reparatur oder der Bearbeitung von Waren dienen. Sind sonstige Betriebsstätten baulich verbunden (z. B. Einkaufszentren), ist der Kundenbereich der Betriebsstätten zusammenzuzählen, wenn der Kundenbereich über das Verbindungsbauwerk betreten wird.Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben.

(5) Abs 1 gilt nur, wenn folgende Voraussetzungen eingehalten werden:

1. Mitarbeiter mit Kundenkontakt sowie Kunden eine den Mund- und Nasenbereich gut abdeckende mechanische Schutzvorrichtung als Barriere gegen Tröpfcheninfektion tragen; dies gilt nicht für Kinder bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr.

2. ein Abstand von mindestens einem Meter gegenüber anderen Personen eingehalten wird.

(6) Abs 4 gilt nur, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen nach Abs 5 der Betreiber durch geeignete Maßnahmen sicherstellt, dass sich maximal so viele Kunden gleichzeitig im Kundenbereich aufhalten, dass pro Kunde 20 m² der Gesamtverkaufsfläche zur Verfügung stehen; ist der Kundenbereich kleiner als 20 m², so darf jeweils nur ein Kunde die Betriebsstätte betreten.

(7) In den Bereichen nach Abs 1 Z 5 und 6 gelten

1. abweichend von Abs 5 Z 1 die einschlägigen berufs- und einrichtungsspezifischen Vorgaben und Empfehlungen, und

2. Abs 5 Z 2 und 3 nicht.

§3. (1) Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe ist untersagt.

(2) Abs 1 gilt nicht für Gastgewerbetriebe [Gastgewerbebetriebe], welche innerhalb folgender Einrichtungen betrieben werden:

1. Kranken-und Kuranstalten;

2. Pflegeanstalten und Seniorenheime;

3. Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen einschließlich Schulen und Kindergärten;

4. Betrieben, wenn diese ausschließlich durch Betriebsangehörige genützt werden dürfen.

(3) Abs 1 gilt nicht für Beherbergungsbetriebe, wenn in der Betriebsstätte Speisen und Getränke ausschließlich an Beherbergungsgäste verabreicht und ausgeschenkt werden.

(4) Abs 1 gilt nicht für Campingplätze und öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn dort Speisen und Getränke ausschließlich an Gäste des Campingplatzes bzw öffentlicher Verkehrsmitteln verabreicht und ausgeschenkt werden.

(5) Abs 1 gilt nicht für Lieferservice.

(6) Die Abholung vorbestellter Speisen ist zulässig, sofern diese nicht vor Ort konsumiert werden und sichergestellt ist, dass gegenüber anderen Personen dabei ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten wird.

§4. (1) Das Betreten von Beherbergungsbetrieben zum Zweck der Erholung und Freizeitgestaltung ist untersagt.

(2) Beherbergungsbetriebe sind Unterkunftsstätten, die unter der Leitung oder Aufsicht des Unterkunftgebers oder eines von diesem Beauftragten stehen und zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Unterbringung von Gästen zu vorübergehendem Aufenthalt bestimmt sind. Beaufsichtigte Camping- oder Wohnwagenplätze sowie Schutzhütten gelten als Beherbergungsbetriebe.

(3) Abs 1 gilt nicht für Beherbergungen

1. von Personen, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung bereits in Beherbergung befinden, für die im Vorfeld mit dem Beherbergungsbetrieb vereinbarte Dauer der Beherbergung,

2. zum Zweck der Betreuung und Hilfeleistung von unterstützungsbedürftigen Personen,

3. aus beruflichen Gründen oder

4. zur Stillung eines dringenden Wohnbedürfnisses.

§5. (1) Diese Verordnung tritt mit Ablauf des außer Kraft.

(2) Die Änderungen dieser Verordnung durch die Verordnung BGBl II Nr 112/2020 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

(3) § 4 dieser Verordnung in der Fassung der Verordnung BGBl II Nr 130/2020 tritt mit Ablauf des in Kraft. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung bestehende Verordnungen eines Landeshauptmannes oder einer Bezirksverwaltungsbehörde über Betretungsverbote von Beherbergungsbetrieben bleiben unberührt.

(4) Die § 1 bis 3 treten mit Ablauf des außer Kraft.

(5) § 4 tritt mit Ablauf des außer Kraft.

(6) Die Änderungen dieser Verordnung durch die Verordnung BGBl II Nr 151/2020 treten mit Ablauf des in Kraft."

4. Die maßgeblichen Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl 186/1950 (WV), idF BGBl I 63/2016 lauteten:

"II. HAUPTSTÜCK.

Vorkehrungen zur Verhütung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten.

[…]

Absonderung Kranker.

§7. (1) Durch Verordnung werden jene anzeigepflichtigen Krankheiten bezeichnet, bei denen für kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen Absonderungsmaßnahmen verfügt werden können.

(1a) Zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach Abs 1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit können kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann. Die angehaltene Person kann bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes beantragen. Jede Anhaltung ist dem Bezirksgericht von der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen, die sie verfügt hat. Das Bezirksgericht hat von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung die Zulässigkeit der Anhaltung in sinngemäßer Anwendung des § 17 des Tuberkulosegesetzes zu überprüfen, sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben wurde.

(2) Kann eine zweckentsprechende Absonderung im Sinne der getroffenen Anordnungen in der Wohnung des Kranken nicht erfolgen oder wird die Absonderung unterlassen, so ist die Unterbringung des Kranken in einer Krankenanstalt oder einem anderen geeigneten Raume durchzuführen, falls die Überführung ohne Gefährdung des Kranken erfolgen kann.

(3) Zum Zwecke der Absonderung sind, wo es mit Rücksicht auf die örtlichen Verhältnisse geboten erscheint, geeignete Räume und zulässig erkannte Transportmittel rechtzeitig bereitzustellen, beziehungsweise transportable, mit den nötigen Einrichtungen und Personal ausgestattete Barackenspitäler einzurichten.

(4) Abgesehen von den Fällen der Absonderung eines Kranken im Sinne des Abs 2 kann die Überführung aus der Wohnung, in der er sich befindet, nur mit behördlicher Genehmigung und unter genauer Beobachtung der hiebei von der Behörde anzuordnenden Vorsichtsmaßregeln erfolgen.

(5) Diese Genehmigung ist nur dann zu erteilen, wenn eine Gefährdung öffentlicher Rücksichten hiedurch nicht zu besorgen steht und der Kranke entweder in eine zur Aufnahme solcher Kranker bestimmte Anstalt gebracht werden soll oder die Überführung nach der Sachlage unbedingt geboten erscheint.

[…]

Beschränkung des Lebensmittelverkehrs.

§11. Die Abgabe von Lebensmitteln aus Verkaufsstätten, Häusern oder erforderlichenfalls aus einzelnen Ortsgebieten, in denen Scharlach, Diphtherie, Abdominaltyphus, Paratyphus, Ruhr, Flecktyphus, Blattern, Asiatische Cholera, Pest oder Ägyptische Augenentzündung aufgetreten ist, kann untersagt oder von bestimmten Vorsichten abhängig gemacht werden. […]

Überwachung bestimmter Personen.

§17. (1) Personen, die als Träger von Krankheitskeimen einer anzeigepflichtigen Krankheit anzusehen sind, können einer besonderen sanitätspolizeilichen Beobachtung oder Überwachung unterworfen werden. Sie dürfen nach näherer Anordnung der Bezirksverwaltungsbehörde (Gesundheitsamt) nicht bei der Gewinnung oder Behandlung von Lebensmitteln in einer Weise tätig sein, welche die Gefahr mit sich bringt, daß Krankheitskeime auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden. Für diese Personen kann eine besondere Meldepflicht, die periodische ärztliche Untersuchung sowie erforderlichenfalls die Desinfektion und Absonderung in ihrer Wohnung angeordnet werden; ist die Absonderung in der Wohnung in zweckmäßiger Weise nicht durchführbar, so kann die Absonderung und Verpflegung in eigenen Räumen verfügt werden. […]

(2) Bezieht sich der Ansteckungsverdacht auf die Übertragung des Flecktyphus, der Blattern, der Asiatischen Cholera oder der Pest, so ist die sanitätspolizeiliche Beobachtung und Überwachung der ansteckungsverdächtigen Person im Sinne des vorhergehenden Absatzes jedenfalls durchzuführen.

(3) Für Personen, die sich berufsmäßig mit der Krankenbehandlung, der Krankenpflege oder Leichenbesorgung beschäftigen, und für Hebammen ist die Beobachtung besonderer Vorsichten anzuordnen. Für solche Personen können Verkehrs- und Berufsbeschränkungen sowie Schutzmaßnahmen, insbesondere Schutzimpfungen, angeordnet werden. […]

(4) Sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, kann die Bezirksverwaltungsbehörde im Einzelfall für bestimmte gefährdete Personen die Durchführung von Schutzimpfungen oder die Gabe von Prophylaktika anordnen.

[…]

Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen.

§20. (1) Beim Auftreten von Scharlach, Diphtherie, Abdominaltyphus, Paratyphus, bakterieller Lebensmittelvergiftung, Flecktyphus, Blattern, Asiatischer Cholera, Pest oder Milzbrand kann die Schließung von Betriebsstätten, in denen bestimmte Gewerbe ausgeübt werden, deren Betrieb eine besondere Gefahr für die Ausbreitung dieser Krankheit mit sich bringt, für bestimmt zu bezeichnende Gebiete angeordnet werden, wenn und insoweit nach den im Betriebe bestehenden Verhältnissen die Aufrechterhaltung desselben eine dringende und schwere Gefährdung der Betriebsangestellten selbst sowie der Öffentlichkeit überhaupt durch die Weiterverbreitung der Krankheit begründen würde. […]

(2) Beim Auftreten einer der im ersten Absatz angeführten Krankheiten kann unter den sonstigen dort bezeichneten Bedingungen der Betrieb einzelner gewerbsmäßig betriebener Unternehmungen mit fester Betriebsstätte beschränkt oder die Schließung der Betriebsstätte verfügt sowie auch einzelnen Personen, die mit Kranken in Berührung kommen, das Betreten der Betriebsstätten untersagt werden.

(3) Die Schließung einer Betriebsstätte ist jedoch erst dann zu verfügen, wenn ganz außerordentliche Gefahren sie nötig erscheinen lassen.

(4) Inwieweit die in den Abs 1 bis 3 bezeichneten Vorkehrungen auch beim Auftreten einer anderen anzeigepflichtigen Krankheit getroffen werden können, wird durch Verordnung bestimmt.

[…]

Räumung von Wohnungen.

§22. (1) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat die Räumung von Wohnungen und Gebäuden anzuordnen, wenn diese Maßnahme nach Art des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist.

(2) Den betreffenden Bewohnern ist über ihr Begehren, und zwar im Falle ihrer Mittellosigkeit unentgeltlich, eine angemessene Unterkunft und Verpflegung beizustellen.

[…]

Verkehrsbeschränkungen für die Bewohner bestimmter Ortschaften.

§24. Sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, hat die Bezirksverwaltungsbehörde für die Bewohner von Epidemiegebieten Verkehrbeschränkungen zu verfügen. Ebenso können Beschränkungen für den Verkehr mit den Bewohnern solcher Gebiete von außen angeordnet werden.

[…]

III. HAUPTSTÜCK.

Entschädigung und Bestreitung der Kosten.

[…]

Vergütung für den Verdienstentgang.

§32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit

1. sie gemäß § 7 oder 17 abgesondert worden sind, oder

2. ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 untersagt worden ist, oder

3. ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17 untersagt worden ist, oder

4. sie in einem gemäß § 20 im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind, oder

5. sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder

6. sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß § 22 angeordnet worden ist, oder

7. sie in einer Ortschaft wohnen oder berufstätig sind, über welche Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind,

und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.

(2) Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs 1 genannten behördlichen Verfügung umfaßt ist.

(3) Die Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, ist nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, BGBl Nr 399/1974, zu bemessen. Die Arbeitgeber haben ihnen den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen. Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über. Der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes 1972, BGBl Nr 414, ist vom Bund zu ersetzen.

(4) Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.

(5) Auf den gebührenden Vergütungsbetrag sind Beträge anzurechnen, die dem Vergütungsberechtigten wegen einer solchen Erwerbsbehinderung nach sonstigen Vorschriften oder Vereinbarungen sowie aus einer anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zukommen."

5. Die maßgeblichen Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl 186/1950 (WV), idF BGBl I 43/2020 lauten:

"II. HAUPTSTÜCK.

Vorkehrungen zur Verhütung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten.

[…]

Absonderung Kranker.

§7. (1) Durch Verordnung werden jene anzeigepflichtigen Krankheiten bezeichnet, bei denen für kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen Absonderungsmaßnahmen verfügt werden können.

(1a) Zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach Abs 1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit können kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann. Die angehaltene Person kann bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes beantragen. Jede Anhaltung ist dem Bezirksgericht von der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen, die sie verfügt hat. Das Bezirksgericht hat von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung die Zulässigkeit der Anhaltung in sinngemäßer Anwendung des § 17 des Tuberkulosegesetzes zu überprüfen, sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben wurde.

(2) Kann eine zweckentsprechende Absonderung im Sinne der getroffenen Anordnungen in der Wohnung des Kranken nicht erfolgen oder wird die Absonderung unterlassen, so ist die Unterbringung des Kranken in einer Krankenanstalt oder einem anderen geeigneten Raume durchzuführen, falls die Überführung ohne Gefährdung des Kranken erfolgen kann.

(3) Zum Zwecke der Absonderung sind, wo es mit Rücksicht auf die örtlichen Verhältnisse geboten erscheint, geeignete Räume und zulässig erkannte Transportmittel rechtzeitig bereitzustellen, beziehungsweise transportable, mit den nötigen Einrichtungen und Personal ausgestattete Barackenspitäler einzurichten.

(4) Abgesehen von den Fällen der Absonderung eines Kranken im Sinne des Abs 2 kann die Überführung aus der Wohnung, in der er sich befindet, nur mit behördlicher Genehmigung und unter genauer Beobachtung der hiebei von der Behörde anzuordnenden Vorsichtsmaßregeln erfolgen.

(5) Diese Genehmigung ist nur dann zu erteilen, wenn eine Gefährdung öffentlicher Rücksichten hiedurch nicht zu besorgen steht und der Kranke entweder in eine zur Aufnahme solcher Kranker bestimmte Anstalt gebracht werden soll oder die Überführung nach der Sachlage unbedingt geboten erscheint.

[…]

Beschränkung des Lebensmittelverkehrs.

§11. Die Abgabe von Lebensmitteln aus Verkaufsstätten, Häusern oder erforderlichenfalls aus einzelnen Ortsgebieten, in denen Scharlach, Diphtherie, Abdominaltyphus, Paratyphus, Ruhr, Flecktyphus, Blattern, Asiatische Cholera, Pest oder Ägyptische Augenentzündung aufgetreten ist, kann untersagt oder von bestimmten Vorsichten abhängig gemacht werden. […]

Überwachung bestimmter Personen.

§17. (1) Personen, die als Träger von Krankheitskeimen einer anzeigepflichtigen Krankheit anzusehen sind, können einer besonderen sanitätspolizeilichen Beobachtung oder Überwachung unterworfen werden. Sie dürfen nach näherer Anordnung der Bezirksverwaltungsbehörde (Gesundheitsamt) nicht bei der Gewinnung oder Behandlung von Lebensmitteln in einer Weise tätig sein, welche die Gefahr mit sich bringt, daß Krankheitskeime auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden. Für diese Personen kann eine besondere Meldepflicht, die periodische ärztliche Untersuchung sowie erforderlichenfalls die Desinfektion und Absonderung in ihrer Wohnung angeordnet werden; ist die Absonderung in der Wohnung in zweckmäßiger Weise nicht durchführbar, so kann die Absonderung und Verpflegung in eigenen Räumen verfügt werden. […]

(2) Bezieht sich der Ansteckungsverdacht auf die Übertragung des Flecktyphus, der Blattern, der Asiatischen Cholera oder der Pest, so ist die sanitätspolizeiliche Beobachtung und Überwachung der ansteckungsverdächtigen Person im Sinne des vorhergehenden Absatzes jedenfalls durchzuführen.

(3) Für Personen, die sich berufsmäßig mit der Krankenbehandlung, der Krankenpflege oder Leichenbesorgung beschäftigen, und für Hebammen ist die Beobachtung besonderer Vorsichten anzuordnen. Für solche Personen können Verkehrs- und Berufsbeschränkungen sowie Schutzmaßnahmen, insbesondere Schutzimpfungen, angeordnet werden. […]

(4) Sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, kann die Bezirksverwaltungsbehörde im Einzelfall für bestimmte gefährdete Personen die Durchführung von Schutzimpfungen oder die Gabe von Prophylaktika anordnen.

[…]

Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen.

§20. (1) Beim Auftreten von Scharlach, Diphtherie, Abdominaltyphus, Paratyphus, bakterieller Lebensmittelvergiftung, Flecktyphus, Blattern, Asiatischer Cholera, Pest oder Milzbrand kann die Schließung von Betriebsstätten, in denen bestimmte Gewerbe ausgeübt werden, deren Betrieb eine besondere Gefahr für die Ausbreitung dieser Krankheit mit sich bringt, für bestimmt zu bezeichnende Gebiete angeordnet werden, wenn und insoweit nach den im Betriebe bestehenden Verhältnissen die Aufrechterhaltung desselben eine dringende und schwere Gefährdung der Betriebsangestellten selbst sowie der Öffentlichkeit überhaupt durch die Weiterverbreitung der Krankheit begründen würde. […]

(2) Beim Auftreten einer der im ersten Absatz angeführten Krankheiten kann unter den sonstigen dort bezeichneten Bedingungen der Betrieb einzelner gewerbsmäßig betriebener Unternehmungen mit fester Betriebsstätte beschränkt oder die Schließung der Betriebsstätte verfügt sowie auch einzelnen Personen, die mit Kranken in Berührung kommen, das Betreten der Betriebsstätten untersagt werden.

(3) Die Schließung einer Betriebsstätte ist jedoch erst dann zu verfügen, wenn ganz außerordentliche Gefahren sie nötig erscheinen lassen.

(4) Inwieweit die in den Abs 1 bis 3 bezeichneten Vorkehrungen auch beim Auftreten einer anderen anzeigepflichtigen Krankheit getroffen werden können, wird durch Verordnung bestimmt.

[…]

Räumung von Wohnungen.

§22. (1) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat die Räumung von Wohnungen und Gebäuden anzuordnen, wenn diese Maßnahme nach Art des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist.

(2) Den betreffenden Bewohnern ist über ihr Begehren, und zwar im Falle ihrer Mittellosigkeit unentgeltlich, eine angemessene Unterkunft und Verpflegung beizustellen.

[…]

Verkehrsbeschränkungen für die Bewohner bestimmter Ortschaften.

§24. Sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, hat die Bezirksverwaltungsbehörde für die Bewohner von Epidemiegebieten Verkehrbeschränkungen zu verfügen. Ebenso können Beschränkungen für den Verkehr mit den Bewohnern solcher Gebiete von außen angeordnet werden.

[…]

III. HAUPTSTÜCK.

Entschädigung und Bestreitung der Kosten.

[…]

Vergütung für den Verdienstentgang.

§32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit

1. sie gemäß § 7 oder 17 abgesondert worden sind, oder

2. ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 untersagt worden ist, oder

3. ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17 untersagt worden ist, oder

4. sie in einem gemäß § 20 im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind, oder

5. sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder

6. sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß § 22 angeordnet worden ist, oder

7. sie in einer Ortschaft wohnen oder berufstätig sind, über welche Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind,

und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.

(2) Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs 1 genannten behördlichen Verfügung umfaßt ist.

(3) Die Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, ist nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, BGBl Nr 399/1974, zu bemessen. Die Arbeitgeber haben ihnen den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen. Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über. Der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes 1972, BGBl Nr 414, ist vom Bund zu ersetzen.

(4) Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.

(5) Auf den gebührenden Vergütungsbetrag sind Beträge anzurechnen, die dem Vergütungsberechtigten wegen einer solchen Erwerbsbehinderung nach sonstigen Vorschriften oder Vereinbarungen sowie aus einer anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zukommen.

(6) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann, wenn und soweit dies zur Gewährleistung einer einheitlichen Verwaltungsführung erforderlich ist, durch Verordnung nähere Vorgaben zur Berechnung der Höhe der Entschädigung oder Vergütung des Verdienstentgangs erlassen."

6. Art 1 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vom , mit der die Verordnung betreffend die Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen bei Auftreten von Infektionen mit SARS-CoV-2 ("2019 neuartiges Coronavirus") erlassen und die Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom über die Beförderung von Personen, die mit übertragbaren Krankheiten behaftet oder solcher Krankheiten verdächtig sind, geändert wird, BGBl II 74/2020, lautet:

"Auf Grund des § 20 Abs 4 des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr 186/1950, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 37/2018, und die Bundesministeriengesetz-Novelle 2020, BGBl I Nr 8/2020, wird verordnet:

Die in § 20 Abs 1 bis 3 des Epidemiegesetzes 1950, in der jeweils geltenden Fassung, bezeichneten Vorkehrungen können auch bei Auftreten einer Infektion mit SARS-CoV-2 ('2019 neuartiges Coronavirus') getroffen werden."

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat in sinngemäßer Anwendung der § 187 und 404 ZPO iVm § 35 Abs 1 VfGG die Anträge zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Mit ihren auf Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG und Art 140 Abs 1 Z 1 litc B-VG gestützten (Haupt-)Anträgen begehren die antragstellenden Parteien, näher bezeichnete Wortteile in § 2 Abs 1 Z 2 sowie näher bezeichnete Wortfolgen in § 2 Abs 4 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96, BGBl II 96/2020, idF BGBl II 151/2020 als gesetzwidrig aufzuheben. Die antragstellenden Parteien begehren darüber hinaus die Aufhebung des § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz wegen Verfassungswidrigkeit. Zu ihren Hauptanträgen stellten die antragstellenden Parteien mehrere Eventualanträge.

Im Zeitpunkt der Einbringung ihrer Anträge beim Verfassungsgerichtshof, dem 27. bzw , standen die genannten Bestimmungen der COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 in der Fassung BGBl II 151/2020 in Kraft. Die COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 und damit auch die angefochtenen Bestimmungen dieser Verordnung sind auf Grund des § 13 Abs 2 Z 1 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden (COVID-19-Lockerungsverordnung), BGBl II 197/2020, mit Ablauf des außer Kraft getreten. § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz ist nach wie vor in Kraft.

1.2. Gemäß Art 139 Abs 1 Z 3 und Art 140 Abs 1 Z 1 litc B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen und die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit bzw Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung bzw das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8009/1977 und 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz bzw die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit bzw ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art 139 Abs 1 Z 3 und Art 140 Abs 1 Z 1 litc B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordern (vgl zB VfSlg 10.353/1985, 15.306/1998, 16.890/2003).

1.3. Die Bestimmungen des § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz sowie des § 1 und des § 2 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 stehen in folgendem normativen Zusammenhang:

Gemäß § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz, BGBl I 12/2020, idF BGBl I 23/2020 – in Kraft getreten am (siehe § 4 Abs 5 COVID-19-Maßnahmengesetz) und bis befristet (siehe § 4 Abs 1 COVID-19-Maßnahmengesetz) – kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung unter anderem "das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen" untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen Betriebsstätten betreten werden dürfen. Gemäß § 4 Abs 3 COVID-19-Maßnahmengesetz lassen dessen Regelungen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 unberührt. Hat der Bundesminister aber gemäß § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereiches dieser Verordnung nicht zur Anwendung (§4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz).

Mit der auf § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz gestützten COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 hat der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz mit Wirkung vom und zunächst befristet bis zum Ablauf des (§4 Abs 1 und Abs 3 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 idF BGBl II 96/2020) unter anderem das Betreten des Kundenbereiches von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben untersagt. Dieses Betretungsverbot gilt zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben.

Von diesem allgemeinen Betretungsverbot legt § 2 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 in der Stammfassung, BGBl II 96/2020, Bereichsausnahmen im Wesentlichen für sogenannte systemrelevante Betriebe wie öffentliche Apotheken, den Lebensmittelhandel oder Tankstellen, Banken und Post fest (siehe im Einzelnen § 2 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 in der genannten Fassung). In der Folge hat der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz die COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 mehrmals abgeändert und sie – regelmäßig für kurze Zeiträume befristet (siehe § 4 Abs 3 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 idF BGBl II 110/2020 der das Außerkrafttreten der Verordnung von auf verschiebt; mit § 4 Abs 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 idF BGBl II 112/2020 wurde das Außerkrafttreten wiederum mit Ablauf des festgelegt; mit § 5 Abs 4 und 5 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 idF BGBl II 130/2020 wurde das Außerkrafttreten für die § 1 bis 3 erneut mit Ablauf des sowie für § 4 mit Ablauf des festgesetzt) – weiterhin in Kraft belassen. Zuletzt hat der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz mit Verordnung BGBl II 151/2020, in Kraft getreten mit Ablauf des (§5 Abs 6 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 idF BGBl II 151/2020), die COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 bis zum Ablauf des in Kraft gesetzt (§5 Abs 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 idF BGBl II 151/2020; die letzten Änderungen der COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 idF BGBl II 162/2020 änderten die Regelungen über das Außerkrafttreten nicht). Mit der COVID-19-Lockerungsverordnung, BGBl II 197/2020, hat der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz schließlich das Außerkrafttreten der COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 mit Ablauf des erneut angeordnet.

Mit der Verordnung BGBl II 151/2020 hat der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz die COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 gegenüber ihrer Stammfassung unter anderem dahingehend abgeändert, dass erstens im Kontext der Bereichsausnahmen für systemrelevante Betriebe vom allgemeinen Betretungsverbot von Betriebsstätten des Handels gemäß § 1 dieser Verordnung nunmehr unter anderem auch Baustoff-, Eisen- und Holzhandel, Bau- und Gartenmärkte ausgenommen wurden (§2 Abs 1 Z 22 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96). Zweitens wurden allgemein vom Betretungsverbot von Betriebsstätten des Handels gemäß § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 durch einen in § 2 neu eingefügten Absatz 4 sonstige Betriebsstätten des Handels ausgenommen, wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt. Als sonstige Betriebsstätten des Handels sind dabei Betriebsstätten zu verstehen, die dem Verkauf, der Herstellung, der Reparatur oder der Bearbeitung von Waren dienen. Sind sonstige Betriebsstätten baulich verbunden (zB Einkaufszentren), ist der Kundenbereich der Betriebsstätten zusammenzuzählen, wenn der Kundenbereich über das Verbindungsbauwerk betreten wird (§2 Abs 4 dritter Satz COVID-19-Maßnahmenverordnung-96). Veränderungen der Größe des Kundenbereiches, die nach dem – das ist zwei Tage vor Kundmachung der Verordnung BGBl II 151/2020 – vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereiches außer Betracht zu bleiben (§2 Abs 4 vierter Satz COVID-19-Maßnahmenverordnung-96). Weiters wurden in § 2 Abs 5 und 6 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 weitere Voraussetzungen vorgeschrieben, die eingehalten werden müssen, wenn Kunden unter anderem sonstige Betriebsstätten des Handels betreten. Diese weiteren Ausnahmen vom allgemeinen Betretungsverbot von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen traten gemäß § 5 Abs 6 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96, idF BGBl II 151/2020 mit Ablauf des in Kraft.

1.4. Für die Betriebsstätten der antragstellenden Parteien galt also seit dem (Inkrafttreten der Stammfassung der COVID-19-Maßnahmenverordnung-96, BGBl II 96/2020) ein Betretungsverbot für Kunden. Mit der Verordnung BGBl II 151/2020 änderte sich für die antragstellenden Parteien die Rechtslage insoweit, als mit Ablauf des Handelsbetriebe, deren Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt, vom Betretungsverbot des § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 ausgenommen wurden. Für bestimmte Betriebsstätten der antragstellenden Parteien galt weiterhin – bis zum – das Betretungsverbot gemäß – dem mittels Eventualantrag zum zweiten (ergänzenden) Hauptantrag ebenfalls angefochtenen – § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96, weil bei diesen Betriebsstätten der Kundenbereich im Inneren mehr als 400 m² beträgt.

Die antragstellenden Parteien erachten sich durch die Einschränkung in § 2 Abs 4 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 idF BGBl II 151/2020, derzufolge nur sonstige Betriebsstätten des Handels vom allgemeinen Betretungsverbot des § 1 der Verordnung ausgenommen sind, wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt, in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Erwerbsfreiheit, Schutz des Eigentums und Gleichheit vor dem Gesetz verletzt. Ein anderer zumutbarer Weg, die Frage der Rechtswidrigkeit der bekämpften Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, bestünde nicht, insbesondere sei es nicht zumutbar, durch Verletzung eines gesetzlichen Verbotes ein (Verwaltungs-)Strafverfahren provozieren zu müssen. Auf Grund des vom Verordnungsgeber festgelegten Außerkrafttretens am sei sonst ein effektiver Rechtsschutz von vornherein unmöglich.

1.5. Gemäß Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Voraussetzung der Antragslegitimation ist daher, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift und sie – im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

Nach § 57 Abs 1 VfGG muss der Antrag, eine Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, begehren, dass entweder die Verordnung ihrem ganzen Inhalt nach oder dass bestimmte Stellen der Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben werden.

1.6. Entgegen der Auffassung der Bundesregierung und des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sind in einer Konstellation wie der vorliegenden die Anträge auch nicht deswegen mangels aktueller Betroffenheit unzulässig, weil die angefochtenen Bestimmungen im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes bereits außer Kraft getreten sind:

1.7. Durch die angefochtene Regelung des zweiten Halbsatzes des § 2 Abs 4 erster Satz der COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 wird den antragstellenden Parteien weiterhin, also über den Ablauf des hinaus, gemäß § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 untersagt, dass Kunden bestimmte ihrer Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen betreten. Dieses Verbot greift unmittelbar in die Rechtssphäre der antragstellenden Parteien ein und es steht ihnen – im Hinblick darauf, dass § 3 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz Inhaber einer Betriebsstätte, die eine verbotene Betretung nicht untersagen, mit Verwaltungsstrafe von bis zu € 30.000,– bedroht – kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, die behauptete Rechtswidrigkeit des Eingriffes an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

1.7.1. Aus dem Wortlaut des Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG ("verletzt zu sein behauptet") ergibt sich, dass die angefochtenen Verordnungsbestimmungen zum Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreifen müssen (siehe statt vieler zu Verordnungsbestimmungen VfSlg 12.634/1991, 13.585/1993, 14.033/1995; zu Gesetzesbestimmungen VfSlg 9096/1981, 12.447/1990, 12.870/1991, 13.214/1992, 13.397/1993).

Der Verfassungsgerichtshof geht weiters davon aus, dass die bekämpften Verordnungsbestimmungen auch im Zeitpunkt seiner Entscheidung für den Antragsteller noch entsprechend wirksam sein müssen (vgl für Verordnungsbestimmungen VfSlg 12.413/1990, 12.756/1991, 12.877/1991, 14.712/1996, 14.755/1997, 15.852/2000, 16.139/2001, 19.391/2011; für Gesetzesbestimmungen VfSlg 12.999/1992, 16.621/2002, 16.799/2003, 17.826/2006, 18.151/2007; ), was in der Regel dann nicht mehr der Fall ist, wenn die bekämpften Bestimmungen bereits außer Kraft getreten oder wesentlich geändert worden sind und damit das Ziel des Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG schon erreicht ist (zB VfSlg 17.653/2005, 18.284/2007, 18.837/2009; 15.491/1999, 19.391/2011). Es ist aber nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch bereits außer Kraft getretene Regelungen die Rechtssphäre des Antragsstellers aktuell berühren (vgl zB VfSlg 16.581/2002, 18.235/2007; 10.313/1984, 15.888/2000, 17.798/2006; allgemein auch zB 15.116/1998, 17.826/2006; 12.976/1992). Solches hat der Verfassungsgerichtshof bislang insbesondere dann angenommen, wenn es sich um einen auf einzelne Kalenderjahre bezogenen Anspruch handelt (VfSlg 16.581/2002) oder wenn die außer Kraft getretene Bestimmung die Rechtssphäre des Antragstellers weiterhin etwa in Beziehung auf privatrechtliche Verträge, die der Anfechtende während des Zeitraums der Geltung abgeschlossen hat, unmittelbar berührt (VfSlg 12.976/1992).

Insbesondere erachtet der Verfassungsgerichtshof eine entsprechende Wirksamkeit angefochtener Verordnungsbestimmungen und damit die Antragslegitimation ungeachtet des Umstandes, dass die Verordnung bereits außer Kraft getreten ist, bei zeitraumbezogenen Regelungen für gegeben, weil diese für den entsprechenden Zeitraum weiterhin anzuwenden sind (siehe VfSlg 10.820/1986 sowie insbesondere die Rechtsprechung zu sogenannten Systemnutzungstarifen im Energierecht VfSlg 15.888/2000, 15.976/2000, 17.094/2003, 17.266/2004, 17.798/2006, 19.840/2013).

1.7.2. Wie Art 139 Abs 4 (und ebenso Art 140 Abs 4) B-VG deutlich macht, kann bzw muss dem Rechtsschutzziel eines Antrages nach Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG in bestimmten Konstellationen auch durch den Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes Rechnung getragen werden, dass die bekämpften Verordnungsbestimmungen gesetzwidrig waren.

Die von den antragstellenden Parteien bekämpften Verordnungsbestimmungen sind Teil eines gesetzlichen und verordnungsmäßigen Regelungssystems, das zur Bewältigung einer krisenhaften Situation, der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und ihrer Auswirkungen, dadurch gekennzeichnet ist, dass der Gesetzgeber Ermächtigungen für die Verwaltung erlassen hat, auf die Verordnungen gestützt werden, die Ge- und Verbote enthalten, die unmittelbar (verfassungsgesetzlich gewährleistete) Rechte einschränken und die Nichteinhaltung dieser Anordnungen unter Strafe stellen. Anlass und Zielsetzung dieses Regelungssystems verlangen von der Vollziehung eine laufende Beobachtung und Anpassung ihrer Maßnahmen, was eine rasche Abfolge von Bestehen und Änderung einzelner Verordnungen und Verordnungsbestimmungen bewirkt.

Ein Antrag nach Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG soll (wie auch ein solcher nach Art 140 Abs 1 Z 1 litc B-VG) Rechtsschutz gewährleisten, wenn dieser gegen individuelle Rechtseingriffe durch (Gesetzes- oder) Verordnungsbestimmungen sonst nicht oder nur auf unzumutbarem Weg (zur diesbezüglichen Subsidiarität des Individualantrages vgl Rohregger, Art 140 B-VG, in: Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 6. Lfg. 2003, Rz 163) erlangt werden kann. Insofern hat der Verfassungsgerichtshof mehrfach festgestellt, dass der Sinn des rechtsstaatlichen Prinzips darin gipfelt, dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen und ein System von Rechtsschutzeinrichtungen die Gewähr dafür bietet (VfSlg 11.196/1986, 16.245/2001).

Dem Rechtsschutzinteresse der antragstellenden Parteien an der Klärung, ob der durch die angefochtenen Verordnungsbestimmungen bewirkte Eingriff in ihre (Grund-)Rechtssphäre, den zunächst hinzunehmen sie unter Strafsanktion verpflichtet sind, recht- und letztlich verfassungsmäßig erfolgte, kann angesichts des Umstandes, dass ansonsten Rechtsschutz nur bei Setzen einer strafbaren Handlung zu erlangen (gewesen) wäre, nur in einem Verfahren nach Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG Rechnung getragen werden. Dieses Rechtsschutzinteresse, das insoweit über den kurzen Zeitraum hinausreicht, in dem die angefochtenen Bestimmungen in Kraft gestanden sind (vgl das von einem ähnlichen Rechtsschutzgedanken getragene System der Maßnahmenbeschwerde oder die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Versammlungsuntersagungen, zB VfSlg 20.312/2019), bewirkt, dass im vorliegenden Fall die Rechtssphäre der antragstellenden Parteien auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes berührt wird, und begründet – noch (vgl VfSlg 10.819/1986, 11.365/1987) – die Wirksamkeit der angefochtenen Bestimmungen, auch wenn diese zwischenzeitig außer Kraft getreten sind.

1.8. Die angefochtenen Verordnungsbestimmungen der COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 sind zwar mit Ablauf des außer Kraft getreten. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen greifen sie dennoch unmittelbar in die Rechtssphäre der antragstellenden Parteien ein und beeinträchtigen ihre rechtlich geschützten Interessen auch noch aktuell. Den antragstellenden Parteien steht auch kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, ihre Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

1.9. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof schon wiederholt dargelegt hat (siehe nur VfSlg 20.161/2017 mwN), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl zB VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011, 20.154/2017). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen eine untrennbare Einheit bilden. Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle etwa als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 17.512/2005, 19.413/2011, 20.161/2017).

1.10. Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit der Antragsteller solche Normen anficht, durch die seine (rechtlich geschützten) Interessen aktuell beeinträchtigt sind und die mit diesen in untrennbarem Zusammenhang stehen; dabei darf aber nach § 57 Abs 1 VfGG nicht offen bleiben, welche Vorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN ua; vgl auch ; , G103-104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; ua).

Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, durch die die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht aktuell beeinträchtigt sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden (und nach Auffassung des Antragstellers den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers bildenden, die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden Bestimmungen offensichtlich trennbar, führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (vgl VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle einer ganzen Verordnung), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; ; , G183/2016 ua).

1.11. Die antragstellenden Parteien erheben zunächst Bedenken gegen den zweiten Halbsatz – ", wenn der Kundenbereich im Inneren max. 400 m2 beträgt" – in § 2 Abs 4 erster Satz der COVID-19-Maßnahmenverordnung-96. Sie bringen zusätzlich der Sache nach aber auch (selbstständige) Bedenken gegen den dritten und vierten Satz des § 2 Abs 4 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 vor. Vor diesem Hintergrund erweist sich zwar der jeweils erste Hauptantrag als zu eng gefasst, der sowohl den zweiten Halbsatz im ersten Satz als auch den dritten und vierten Satz des § 2 Abs 4 erfassende erste Eventualantrag zum ersten Hauptantrag ist aber zulässig. Damit muss nicht auf die weiteren Eventualanträge zum ersten Hauptantrag eingegangen werden.

1.12. Soweit die antragstellenden Parteien jeweils im zweiten Hauptantrag die Aufhebung der Wortteile "handel" sowie "produzenten" in § 2 Abs 1 Z 2 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 begehren, sind ihre Anträge zu eng gefasst. Zwischen den angefochtenen Wortteilen und der restlichen Bestimmung des § 2 Abs 1 Z 2 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 besteht ein untrennbarer Regelungszusammenhang (vgl etwa VfSlg 16.756/2002). Entsprechendes gilt hinsichtlich des jeweils ersten Eventualantrages zum zweiten Hauptantrag, in dem die Aufhebung der Wortfolgen "des Handels und" sowie "des Erwerbs von Waren oder" in § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 begehrt wird. Der jeweils zweite Hauptantrag und der jeweils erste Eventualantrag zum zweiten Hauptantrag sind daher als unzulässig zurückzuweisen.

Zulässig ist hingegen – aus dem Blickwinkel der Entschädigungsfrage – der jeweils zweite Eventualantrag zum zweiten Hauptantrag auf Aufhebung des § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96, sodass auf die weiteren Eventualanträge zum jeweils zweiten Hauptantrag nicht einzugehen ist.

1.13. Die antragstellenden Parteien äußern darüber hinaus Bedenken gegen § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz.

Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass die Rechtssphäre der antragstellenden Parteien – vor dem Hintergrund der vorgetragenen Bedenken – durch § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz iVm § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz beeinträchtigt wird, weil weder § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz noch § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz (iVm § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96) einen Entschädigungsanspruch vorsehen. Da die antragstellenden Parteien neben § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz (jeweils in ihrem zweiten Eventualantrag zum zweiten Hauptantrag) auch § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 zulässigerweise angefochten haben, erweisen sich ihre Anträge auch im Hinblick auf § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz als zulässig.

1.14. Entgegen der Ansicht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz erweisen sich die Eventualanträge auf Aufhebung (nur) des § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 – und nicht auch des (gesamten) § 2 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 – auch nicht als zu eng gewählt. Im Falle der Aufhebung des § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 ginge zwar der Verweis in § 2 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 ins Leere, es verbliebe aber kein sprachlich unverständlicher Torso (vgl VfSlg 19.985/2015). Im Falle der Aufhebung der (generellen) Anordnung des Betretungsverbotes in § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 durch den Verfassungsgerichtshof käme den in § 2 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 geregelten Ausnahmen hievon keine normative Bedeutung mehr zu.

1.15. Im Übrigen ist es unerheblich, dass die antragstellenden Parteien § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 in ihrem Eventualantrag zum zweiten Hauptantrag jeweils in der Fassung BGBl II 162/2020 angefochten haben, weil die Bestimmung durch diese Novelle nicht geändert worden ist und für den Verfassungsgerichthof daher unzweifelhaft ist, dass die antragstellenden Parteien die Aufhebung dieser Verordnungsbestimmung in der Fassung BGBl II 151/2020 beantragen.

1.16. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die Anträge auf Aufhebung des § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz, die Eventualanträge auf Aufhebung des § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 sowie die Eventualanträge auf Aufhebung des zweiten Halbsatzes im ersten Satz sowie des dritten und vierten Satzes in § 2 Abs 4 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art 139 B-VG bzw der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig bzw verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002).

2.2. Die antragstellenden Parteien bringen zu § 2 Abs 4 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 im Wesentlichen dieselben Bedenken vor, wie sie die antragstellende Partei in dem beim Verfassungsgerichtshof zu V411/2020 protokollierten Verfahren dargelegt hat. Der Verfassungsgerichtshof kann daher auf die diesbezüglichen Erwägungen zur Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen im heutigen Erkenntnis zu dieser Zahl verweisen (siehe Punkte IV.B.5. bis IV.B.10. des heutigen Erkenntnisses zu V411/2020).

2.3. Zum behaupteten Verstoß gegen das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art 5 StGG sowie Art 1 1. ZPEMRK und behaupteten gleichheitswidrigen "Sonderopfer":

2.3.1. Die antragstellenden Parteien sind der Ansicht, § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz (iVm § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96) verstoße gegen das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art 5 StGG sowie Art 1 1. ZPEMRK, weil diese Bestimmungen (iVm § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz) keine Entschädigung für das durch § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 bewirkte Betretungsverbot vorsähen.

Die Ausnahme von der Anwendbarkeit des Epidemiegesetzes 1950 sei nicht geeignet, das verfolgte öffentliche Ziel der Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 zu erreichen. Auch nach dem Epidemiegesetz 1950 hätten Betriebsstätten geschlossen werden können; diesfalls hätte jedoch § 32 Abs 1 Z 5 Epidemiegesetz 1950 eine Vergütung vorgesehen, die nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen gewesen wäre. Durch die Ausnahme der Anwendbarkeit der Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 würden die antragstellenden Parteien ihre Ansprüche auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 zur Gänze verlieren. Gleichwertige alternative Ansprüche würden ihnen nicht gewährt. § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz verfolge nur den Zweck, Entschädigungsansprüche zu beschneiden.

2.3.2. Den Schutz des Art 5 StGG genießt jedes vermögenswerte Privatrecht (vgl zB VfSlg 8201/1977, 9887/1983, 10.322/1985 und 16.636/2002). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl dazu VfSlg 6780/1972 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg 12.227/1989, 15.367/1998, 15.771/2000) gilt der erste Satz des Art 5 StGG auch für Eigentumsbeschränkungen. Der Gesetzgeber kann aber angesichts des in Art 1 1. ZPEMRK enthaltenen Gesetzesvorbehalts Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unversehrtheit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (vgl VfSlg 9189/1981, 10.981/1986 und 15.577/1999), soweit die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt (vgl zB VfSlg 9911/1983, 14.535/1996, 15.577/1999 und 17.071/2003) und nicht unverhältnismäßig ist (vgl etwa VfSlg 13.587/1993, 14.500/1996, 14.679/1996, 15.367/1998 und 15.753/2000).

§1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 untersagte unter anderem das Betreten von Kundenbereichen des Handels zum Zweck des Erwerbes von Waren. Wenngleich sich dieses Verbot dem Wortlaut nach an die Kunden von Betrieben richtete, kam diese Maßnahme für die betroffenen Unternehmen einem weitgehenden Betriebsverbot und damit auch einem Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art 5 StGG und Art 1 1. ZPEMRK gleich. Da das zivilrechtliche Eigentumsrecht jedoch unangetastet geblieben ist und keine Vermögensverschiebung stattfand, bewirkte § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 keine Enteignung im formellen Sinn (vgl VfSlg 9911/1983, 20.186/2017). Angesichts der kurzen Geltungsdauer des Betretungsverbotes kann auch nicht davon gesprochen werden, dass dieses in seinen Wirkungen einer formellen Enteignung gleichgekommen wäre (sogenannte materielle Enteignung). Es handelte sich um eine gravierende Eigentumsbeschränkung, welche die betroffenen Unternehmen dulden mussten.

2.3.3. Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Verfahren nicht zu beurteilen, ob § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 den Vorgaben des § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz in jeder Hinsicht entsprach, insbesondere ob das Betretungsverbot von Betriebsstätten im öffentlichen Interesse lag, zur Zielerreichung geeignet und verhältnismäßig war. Der Verfassungsgerichtshof hat – vor dem Hintergrund der in den vorliegenden Anträgen geäußerten Bedenken – somit lediglich die Frage zu beantworten, ob die durch das Betretungsverbot des § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 (iVm § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz) bewirkte Eigentumsbeschränkung entschädigungslos vorgesehen werden konnte oder ob den davon betroffenen Unternehmen von Verfassungs wegen ein Anspruch auf Entschädigung eingeräumt werden muss.

Die Bestimmungen des COVID-19-Maßnahmengesetzes iVm § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 bewirkten im Ergebnis, dass keine Betriebsschließungen nach § 20 Epidemiegesetz 1950 angeordnet wurden, weshalb insbesondere Ansprüche auf Vergütung des Verdienstentganges nach § 32 Abs 1 Z 5 Epidemiegesetz 1950 ausgeschlossen sind.

2.3.4. Der Verfassungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit Eigentumsbeschränkungen wiederholt ausgesprochen, dass der Gesetzgeber diesfalls nicht jedenfalls verpflichtet ist, eine Entschädigung vorzusehen (zB VfSlg 2572/1953, 2680/1954; ). Es ist dabei jedoch stets zu prüfen, ob die Eigentumsbeschränkung im konkreten Fall dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl etwa VfSlg 13.587/1993).

Der Verfassungsgerichtshof geht darüber hinaus in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Entschädigung in jenen Fällen verfassungsrechtlich geboten sein kann, in denen einem Einzelnen oder einer Gruppe von Personen ein sachlich nicht gerechtfertigtes "Sonderopfer" auferlegt wird. Die Rechtsprechung zu entschädigungspflichtigen "Sonderopfern" betraf zunächst Fallkonstellationen, in denen von einem einzelnen Planungsakt Eigentümer in unterschiedlicher und unsachlicher Weise betroffen waren (vgl insbesondere VfSlg 13.006/1992). Darüber hinaus können aber auch gravierende, unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkungen in speziellen Einzelfällen eine Entschädigungspflicht begründen (vgl VfSlg 16.636/2002).

2.3.5. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass im Falle sonstiger Eingriffe in das Grundrecht auf Eigentum gemäß Art 1 1. ZPEMRK ein fairer Ausgleich zwischen den Anforderungen der Öffentlichkeit und dem Allgemeininteresse der Gemeinschaft einerseits sowie den Anforderungen an den Grundrechtsschutz des Einzelnen andererseits vorgenommen werden muss (vgl EGMR [GK], Fall Sporrong-Lönnroth, Appl 7151/75 ua, EuGRZ1983, 523). Ein solcher Ausgleich ist nicht erreicht, wenn dem Einzelnen eine individuelle und exzessive Last auferlegt wird (vgl etwa EGMR , Fall Phocas, Appl 17.869/91, NL 1996, 84).

2.3.6. Die durch § 1 und § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz iVm § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 bewirkte Entschädigungslosigkeit der Eigentumsbeschränkung stellt aus den folgenden Gründen keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums dar:

2.3.6.1. Die antragstellenden Parteien weisen zwar nachvollziehbar darauf hin, dass das durch § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 bewirkte Betretungsverbot von Kundenbereichen des Handels, von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben einen erheblichen Eingriff in ihre grundrechtlich geschützte Rechtsposition darstellt. Der Verfassungsgerichtshof verkennt dabei auch nicht, dass das Betretungsverbot für betroffene Unternehmen teilweise erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen nach sich gezogen hat (und nach wie vor nach sich zieht).

2.3.6.2. Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob die Anordnung des zeitlich begrenzten Betretungsverbotes durch § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 eine derart gravierende Eigentumsbeschränkung darstellt, die bereits für sich genommen entschädigungspflichtig wäre, weil der Gesetzgeber das Betretungsverbot nicht als isolierte Maßnahme erlassen hat, sondern dieses in ein umfangreiches Maßnahmen- und Rettungspaket eingebettet hat, das funktionell darauf abzielt, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Betretungsverbotes auf die davon betroffenen Unternehmen bzw allgemein die Folgen der COVID-19-Pandemie abzufedern und damit eine im Wesentlichen vergleichbare Zielrichtung wie die Einräumung von Ansprüchen auf Vergütung des Verdienstentganges nach § 32 Epidemiegesetz 1950 hat.

2.3.6.3. So hatten bzw haben betroffene Unternehmen insbesondere die Möglichkeit, Beihilfen bei Kurzarbeit gemäß § 37b Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG) zu erhalten. Die Kurzarbeit wurde zunächst befristet für drei Monate ab vorgesehen, mit Wirksamkeit vom aber für drei weitere Monate verlängert. Bei der Kurzarbeit kommt es zu einer vorübergehenden Herabsetzung der Arbeitszeit auf mindestens 10 % und maximal 90 % der Normalarbeitszeit. Die Arbeitnehmer erhalten weiterhin bis zu 90 % (Lehrlinge bis zu 100 %) ihres Nettoentgeltes, wobei dem Arbeitgeber – bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen – die Kosten für die Ausfallstunden ersetzt werden. Auf die Beihilfen bei Kurzarbeit gemäß § 37b AMSG besteht bei Erfüllung der Voraussetzungen ein durchsetzbarer Rechtsanspruch.

Der Gesetzgeber hat – im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung (Art17 B-VG) – weitere Unterstützungs- und Förderungsmaßnahmen bereitgestellt. In diesem Zusammenhang ist insbesondere das Bundesgesetz über die Errichtung eines Härtefallfonds (Härtefallfondsgesetz), BGBl I 16/2020, idF BGBl I 36/2020 zu nennen, durch das der Härtefallfonds errichtet und gemäß § 1 Abs 3 dieses Gesetzes mit zwei Milliarden Euro ausgestattet worden ist. Darüber hinaus wurde der COVID-19-Krisenbewältigungsfonds durch das Bundesgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds, BGBl I 12/2020, idF BGBl I 23/2020 geschaffen. Gemäß § 2 dieses Gesetzes ist der Fonds mit bis zu 28 Milliarden Euro dotiert, woraus einerseits Unterstützungsmaßnahmen im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung, andererseits Beihilfen zur Kurzarbeit gemäß § 37b AMSG finanziert werden.

Eine weitere Maßnahme zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Betretungsverbotes gemäß § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz iVm der COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 ist der sogenannte "Fixkostenzuschuss" (vgl dazu die Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß § 3b Abs 3 des ABBAG-Gesetzes betreffend Richtlinien über die Ergreifung von finanziellen Maßnahmen, die zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und zur Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten von Unternehmen im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Erregers SARS-CoV-2 und den dadurch verursachten wirtschaftlichen Auswirkungen geboten sind, BGBl II 143/2020, idF BGBl II 267/2020), der in Abhängigkeit von der Höhe des Umsatzrückganges einen nicht rückzahlbaren Zuschuss in Höhe bestimmter Prozentsätze der förderfähigen Kosten an Unternehmen für näher festgelegte Zeiträume vorsieht.

2.3.6.4. Auch neben diesen finanziellen Unterstützungsleistungen ist der Gesetzgeber tätig geworden und hat etwa in § 1155 Abs 3 ABGB angeordnet, dass Arbeitnehmer, deren Dienstleistungen auf Grund von Maßnahmen nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz nicht zustande kommen, verpflichtet sind, unter bestimmten Voraussetzungen auf Verlangen des Arbeitgebers in dieser Zeit Urlaubs- und Zeitguthaben zu verbrauchen. Auch die – freilich bereits seit 1916 in dieser Fassung in Geltung stehende – Regelung des § 1104 ABGB, die vorsieht, dass für die in Bestand genommene Sache, die auf Grund einer Seuche nicht gebraucht oder benutzt werden kann, kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten ist, ist in diesem Zusammenhang zu nennen.

2.3.6.5. Bei dieser Beurteilung kommt nicht zuletzt auch dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass von dem Betretungsverbot (und den damit verbundenen nachteiligen Folgen) – abgesehen von den in § 2 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 vorgesehenen Ausnahmen – alle Handels- und Dienstleistungsunternehmen betroffen waren. Gerade bei Eigentumsbeschränkungen, die aus Anlass einer akut krisenhaften Situation – die massive volkswirtschaftliche Auswirkungen nach sich zieht und (nahezu) alle Wirtschaftszweige erfasst (vgl in diesem Zusammenhang auch die sonstigen Anordnungen der COVID-19-Maßnahmenverordnung-96) – zur Vermeidung einer weiteren Verbreitung der Krankheit als erforderlich erachtet wurden, kann aus dem Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums – in der vorliegenden Konstellation – keine Verpflichtung abgeleitet werden, einen darüber hinaus gehenden Anspruch auf Entschädigung für alle von dem Betretungsverbot erfassten Unternehmen vorzusehen.

2.3.7. Die von den antragstellenden Parteien behauptete Verfassungswidrigkeit im Lichte des Grundrechtes auf Eigentum gemäß Art 5 StGG und Art 1 1. ZPEMRK sowie wegen eines gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art 2 StGG sowie Art 7 B-VG verstoßenden "Sonderopfers" liegt somit nicht vor.

2.4. Zum behaupteten Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz:

2.4.1. Die antragstellenden Parteien sind darüber hinaus der Ansicht, dass § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art 2 StGG und Art 7 B-VG verletze. Zu Beginn der Pandemie seien zahlreiche Betriebe auf Grundlage des Epidemiegesetzes 1950 behördlich geschlossen worden. Erst Ende März habe der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz eine Verordnung nach § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz erlassen, für welche gemäß § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz die Entschädigungsansprüche nach dem Epidemiegesetz 1950 ausgeschlossen würden. Betrieben, die nach den Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 geschlossen worden seien, stehe die volle Vergütung des Verdienstentganges zu, während die antragstellenden Parteien keinen Entschädigungsanspruch hätten. Eine derartige Ungleichbehandlung sei sachlich nicht gerechtfertigt, weil die Betriebsschließungen nach dem Epidemiegesetz 1950 mit den Betretungsverboten nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz gleichzusetzen seien. Die antragstellenden Parteien hätten darauf vertrauen dürfen, dass sie Entschädigungen nach dem Epidemiegesetz 1950 erhalten würden. In § 1 Abs 1 Epidemiegesetz 1950 seien unter anderem MERS-CoV und SARS genannt; es sei nicht ersichtlich, warum COVID-19 im Hinblick auf eine Entschädigung anders zu behandeln sei.

2.4.2. Der Verfassungsgerichtshof teilt die von den antragstellenden Parteien im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz geäußerten Bedenken nicht:

2.4.2.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002). Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitsgrundsatzes gemessen werden (zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003).

2.4.2.2. Vor Inkrafttreten des COVID-19-Maßnahmengesetzes bestand (bereits) gemäß § 20 Epidemiegesetz 1950 die Möglichkeit, die Betriebsbeschränkung bzw Schließung gewerblicher Unternehmungen beim Auftreten anzeigepflichtiger Krankheiten durch Verordnung anzuordnen. Gemäß § 32 Abs 1 Z 5 Epidemiegesetz 1950 ist natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes, wenn und soweit sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 Epidemiegesetz 1950 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile eine Vergütung zu leisten.

Mit dem COVID-19-Maßnahmengesetz schuf der Gesetzgeber eine Grundlage zur Anordnung von Maßnahmen durch Verordnung zur Bekämpfung von COVID-19 (§§1 und 2 COVID-19-Maßnahmengesetz). Ein Entschädigungsanspruch für Betroffene einer entsprechenden Maßnahme ist im COVID-19-Maßnahmengesetz nicht vorgesehen.

Aus den Materialien zur Stammfassung des COVID-19-Maßnahmengesetzes geht hervor, dass der Gesetzgeber das rechtspolitische Anliegen verfolgt hat, effektive Maßnahmen zur Bekämpfung der "Corona-Krise" zu setzen (Erläut zum IA 396/A 27. GP, 11). Nach Ansicht des Gesetzgebers seien die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 nicht ausreichend bzw "zu kleinteilig", um eine weitere Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern.

Im Hinblick auf Betretungsverbote von Betriebsstätten, die wegen COVID-19 auf Grundlage des § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz angeordnet werden, kommt eine Vergütung des dadurch entstandenen Verdienstentganges nach § 32 Epidemiegesetz 1950 nicht in Betracht. Der Gesetzgeber schloss die Geltung der Regelungen des Epidemiegesetzes 1950 über die Schließung von Betriebsstätten betreffend Maßnahmen nach § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz aus. Mit der Schaffung des COVID-19-Maßnahmengesetzes verfolgte der Gesetzgeber offenkundig (auch) das Anliegen, Entschädigungsansprüche im Fall einer Schließung von Betriebsstätten nach dem Epidemiegesetz 1950, konkret nach § 20 iVm § 32 Epidemiegesetz 1950, auszuschließen.

2.4.2.3. Unter Punkt 2.3.6. wurde bereits ausgeführt, dass der Gesetzgeber das Betretungsverbot gemäß § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 nicht bloß als isolierte Maßnahme erlassen hat, sondern dieses in ein umfangreiches Maßnahmenpaket eingebettet hat.

Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass dem Gesetzgeber in der Frage der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukommt. Wenn sich der Gesetzgeber daher dazu entscheidet, das bestehende Regime des § 20 iVm § 32 Epidemiegesetz 1950 auf Betretungsverbote nach § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz iVm § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 nicht zur Anwendung zu bringen, sondern stattdessen ein alternatives Maßnahmen- und Rettungspaket zu erlassen (vgl Punkt 2.3.6. oben), so ist ihm aus der Perspektive des Gleichheitsgrundsatzes gemäß Art 2 StGG sowie Art 7 B-VG nicht entgegenzutreten.

In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die vom Gesetzgeber vorgesehenen Leistungen zwar (teilweise) im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung (Art17 B-VG) erbracht werden. Aus der Fiskalgeltung der Grundrechte (vgl etwa ; , 3 Ob 83/18d) folgt aber, dass Betroffene einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch darauf haben, dass ihnen solche Förderungen in gleichheitskonformer Weise und nach sachlichen Kriterien ebenso wie anderen Förderungswerbern gewährt werden.

2.4.2.4. Eine unsachliche Differenzierung liegt auch deshalb nicht vor, weil das Betretungsverbot alle in § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 bezeichneten Betriebsstätten gleichermaßen betrifft. Der Umstand, dass auf Grundlage des § 20 Epidemiegesetz 1950 wegen COVID-19 geschlossene Betriebe vor Inkrafttreten des COVID-19-Maßnahmengesetzes allenfalls einen Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 hatten, vermag eine unsachliche Differenzierung nicht aufzuzeigen.

2.4.2.5. Anders als die antragstellenden Parteien meinen, liegt eine unsachliche Differenzierung auch nicht darin begründet, dass bei anzeigepflichtigen Krankheiten (wie etwa MERS-CoV und SARS) iSd § 1 Epidemiegesetz 1950 im Unterschied zu Betretungsverboten wegen COVID-19 ein Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 vorgesehen ist. Eine gleichheitswidrige Ungleichbehandlung liegt – abseits der unter Punkt 2.4.2.3. dargelegten Erwägungen – auch deshalb nicht vor, weil die Maßnahme der Betriebsschließung nach § 20 Epidemiegesetz 1950 den Maßnahmen wegen der COVID-19-Pandemie nicht ohne weiteres gleichzuhalten ist:

§20 und § 32 Epidemiegesetz 1950 berücksichtigen nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht die Notwendigkeit einer großflächigen Schließung aller – oder zumindest einer Vielzahl von – Kundenbereiche(n) von Unternehmen infolge einer Pandemie. Der Gesetzgeber des Epidemiegesetzes 1950 ging vielmehr davon aus, dass – im Rahmen einer lokal begrenzten Epidemie – einzelne Betriebsstätten, von denen eine besondere Gefahr ausgeht (so ausdrücklich § 20 Abs 1 Epidemiegesetz 1950), geschlossen werden müssen, um ein Übergreifen der Krankheit auf andere Landesteile zu verhindern. Der Nachteil, der diesen (vereinzelten) Betrieben durch eine Betriebsschließung entsteht, soll durch einen Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 ausgeglichen werden. Eine großflächige Schließung von Betriebsstätten hatte der Gesetzgeber des Epidemiegesetzes 1950 demgegenüber nicht vor Augen (vgl ErläutRV 22 BlgHH 21. Session, 26 zur – insoweit vergleichbaren –Vorgängerbestimmung des § 20 des Gesetzes vom betreffend die Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten). Auch dieses Vorbringen vermag daher eine unsachliche Differenzierung nicht aufzuzeigen.

2.4.2.6. Der von den antragstellenden Parteien behauptete Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art 2 StGG sowie Art 7 B-VG liegt somit nicht vor.

2.4.3. Soweit die antragstellenden Parteien der Sache nach einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz behaupten, ist auch diesem Vorbringen nicht zu folgen:

2.4.3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass das bloße Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießt (anstatt vieler VfSlg 13.657/1993; 16.687/2002 mwN; 19.933/2014). Es bleibt vielmehr dem Gesetzgeber auf Grund des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes grundsätzlich unbenommen, die Rechtslage auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern (zB VfSlg 18.010/2006 mwN; 16.754/2002 mwN).

2.4.3.2. Unter besonderen Umständen setzt der Vertrauensschutz dem Gesetzgeber verfassungsrechtliche Grenzen, so insbesondere wenn dem Betroffenen zur Vermeidung unsachlicher Ergebnisse die Gelegenheit gegeben werden muss, sich rechtzeitig auf die neue Rechtslage einzustellen. Vertrauensschutz begründende Umstände können nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darin liegen, dass rückwirkend an in der Vergangenheit liegende Sachverhalte geänderte (für die Rechtsunterworfenen nachteilige) Rechtsfolgen geknüpft werden (vgl VfSlg 13.020/1992, 16.850/2003) oder dass der Gesetzgeber in Rechtsansprüche, auf die sich Rechtsunterworfene nach ihrer Zweckbestimmung rechtens einstellen durften (wie auf Pensionsleistungen bestimmter Höhe), plötzlich und intensiv nachteilig eingreift (vgl VfSlg 11.288/1987, 16.764/2002, 17.254/2004). Davon abgesehen kann die Enttäuschung des Vertrauens der Rechtsunterworfenen auf den Fortbestand der Rechtsordnung unter Umständen dann sachlich nicht gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber eine bestimmte Verhaltenssteuerung zunächst veranlasst hat und dieses Verhalten im Vertrauen auf die Rechtslage durch eine spätere Rechtsänderung frustriert bzw seiner Wirkung beraubt wurde (vgl VfSlg 12.944/1991, 13.655/1993, 16.452/2002).

2.4.3.3. Eine solche dem verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz widersprechende Konstellation liegt den angefochtenen Bestimmungen nicht zugrunde:

Die behauptete nachträgliche Beeinträchtigung einer vom verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz umfassten Vertrauensposition liegt bereits deshalb nicht vor, weil es sich bei der in § 32 Epidemiegesetz 1950 vorgesehenen Vergütung für den Verdienstentgang um keine rechtliche Anwartschaft (sogenanntes "wohlerworbenes Recht") handelt; einem allfälligen Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 steht keine Beitragszahlung oder sonstige Leistung des Berechtigten gegenüber (vgl Holoubek, Art 7 B-VG, in: Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 14. Lfg., 2018, Rz 395).

Auch das in § 4 Abs 1a COVID-19-Maßnahmengesetz vorgesehene rückwirkende Inkrafttreten des § 4 Abs 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I 16/2020 mit begegnet aus Sicht des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes keinen Bedenken: Der Ausschluss der Anwendbarkeit der Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten war bereits in der – am in Kraft getretenen – Stammfassung des § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz, BGBl I 12/2020, enthalten. Mit der Novellierung BGBl I 16/2020 wurde die Bestimmung lediglich insofern präzisiert, als die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten "im Rahmen des Anwendungsbereiches dieser Verordnung" nach § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz nicht gelten. Eine rückwirkende Beeinträchtigung einer Vertrauensposition ist darin nicht zu erblicken.

Im Übrigen haben die antragstellenden Parteien auch kein Vorbringen erstattet, dass vor dem COVID-19-Maßnahmengesetz eine Rechtslage bestand, bei der bestimmte Dispositionen – etwa "beträchtliche Investitionen" (vgl VfSlg 12.944/1991) oder sonstige (nunmehr frustrierte) Verhaltensweisen (vgl VfSlg 13.655/1993 betreffend die Bildung von Rücklagen oder VfSlg 15.739/2000 betreffend den vorbereitenden Anteilserwerb) – von Betreibern gewerblicher Unternehmungen iSd § 20 Epidemiegesetz 1950 durch den Gesetzgeber geradezu angeregt und gefördert worden seien, die sich durch das Inkrafttreten des COVID-19-Maßnahmengesetzes als nachteilig erwiesen hätten.

2.5. Vor dem Hintergrund der von den antragstellenden Parteien geltend gemachten Bedenken hinsichtlich der Entschädigungslosigkeit des durch § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 bewirkten Betretungsverbotes sieht sich der Verfassungsgerichtshof nicht zu einer amtswegigen Prüfung der die angefochtene Verordnung tragenden Rechtsgrundlagen veranlasst.

IV. Ergebnis

1. § 2 Abs 4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ist durch § 13 Abs 2 Z 1 COVID-19-Lockerungsverordnung, BGBl II 197/2020, mit Ablauf des außer Kraft getreten. Der Verfassungsgerichtshof hat sich daher gemäß Art 139 Abs 4 B-VG auf die Feststellung zu beschränken, dass die Wortfolge ", wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m2 beträgt" sowie der vierte Satz – "Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben." – in § 2 Abs 4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II 96/2020, idF BGBl II 151/2020 gesetzwidrig waren.

2. Da mit der Feststellung, dass die unter Punkt 1. genannte Wortfolge sowie der vierte Satz in § 2 Abs 4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 gesetzwidrig waren, den Anbringen der antragstellenden Parteien Rechnung getragen ist, kann sich der Verfassungsgerichtshof auf diesen Ausspruch beschränken. Die Anträge auf Feststellung, dass der dritte Satz der genannten Bestimmung gesetzwidrig war, sind daher abzuweisen.

3. Der Ausspruch, dass die unter Punkt 1. genannte Wortfolge sowie der vierte Satz in § 2 Abs 4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nicht mehr anzuwenden sind, stützt sich auf Art 139 Abs 6 zweiter Satz B-VG.

4. Der Ausspruch, dass der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur unverzüglichen Kundmachung der Gesetzwidrigkeit und des damit in Zusammenhang stehenden Ausspruches verpflichtet ist, kann hier entfallen, weil diese Verpflichtung bereits im heutigen Erkenntnis zu V411/2020 enthalten ist.

5. Die Bedenken der antragstellenden Parteien, dass § 1 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II 96/2020, idF BGBl II 151/2020 gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art 5 StGG und Art 1 1. ZPEMRK sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art 2 StGG sowie Art 7 B-VG verstoße, weil die Bestimmung (iVm § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz) keine Entschädigung vorsehe, sind nicht begründet. Die Anträge auf Feststellung, dass diese Bestimmung gesetzwidrig war, sind daher abzuweisen.

6. Aus demselben Grund sind die Anträge auf Aufhebung des § 4 Abs 2 des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl I 12/2020, idF BGBl I 16/2020 wegen Verfassungswidrigkeit abzuweisen.

7. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

8. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

9. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 61a VfGG. Da die antragstellenden Parteien durch dieselbe Rechtsanwaltsgesellschaft vertreten sind und nur zu einem Teil ihres Antrages erfolgreich waren, ist ihnen der Pauschalsatz nur in halber Höhe (vgl jüngst ua), erhöht um einen 15-prozentigen Streitgenossenzuschlag, zuzusprechen (vgl VfSlg 17.819/2006, 19.767/2013). In den zugesprochen Kosten ist Umsatzsteuer iHv € 250,70 und eine Eingabengebühr iHv € 240,– enthalten.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2020:G202.2020
Schlagworte:
COVID (Corona), Eigentumsbeschränkung, Verhältnismäßigkeit, Rechtspolitik, Geltungsbereich Anwendbarkeit, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Rückwirkung, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Individualantrag

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.