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VfGH vom 16.06.2009, g198/08

VfGH vom 16.06.2009, g198/08

Sammlungsnummer

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Leitsatz

Keine Unsachlichkeit der im AuslBG vorgesehenen Mindeststrafe wegen Nichtmitwirkung eines mutmaßlichen ausländischen Arbeitnehmers an der Feststellung seiner Identität; Anhebung der Mindeststrafe durch die Novelle 2007 aus spezial- und generalpräventiven Gründen zur effizienten Bekämpfung der illegalen Ausländerbeschäftigung; Möglichkeit der Verhängung auch geringerer Strafen vorgesehen

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat Salzburg (in Folge: UVS Salzburg) ist ein Berufungsverfahren gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Zell am See anhängig, mit dem über den Berufungswerber gemäß § 26 Abs 2 iVm § 28 Abs 1 Z 2 litd AuslBG eine Verwaltungsstrafe verhängt wurde, weil er bei einer Kontrolle den Zutritt zu den Betriebsräumlichkeiten verweigert hat.

2. Aus Anlass dieses Verfahrens stellte der UVS Salzburg gemäß Art 129a Abs 3 iVm Art 89 Abs 2 und Art 140 Abs 1 B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge "in § 28 Abs 1 Z 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG, BGBl Nr. 218, 1975, in der Fassung BGBl I Nr. 103/2005 die Wortfolge 'von 2.500 Euro' als verfassungswidrig aufheben."

II. Die angefochtene Bestimmung steht in folgendem rechtlichen Zusammenhang:

Ein Arbeitgeber darf einen Ausländer u.a. nur dann beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung ausgestellt wurde (§3 Abs 1 AuslBG).

§ 26 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. 218/1975, idF BGBl. I 78/2007 lautet:

"Überwachung, Auskunfts- und Meldepflicht

§26. (1) Die Arbeitgeber sind verpflichtet, den Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice und den regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice sowie den Trägern der Krankenversicherung und den Abgabenbehörden auf deren Verlangen Anzahl und Namen der im Betrieb beschäftigten Ausländer bekanntzugeben. Die Arbeitgeber und die Ausländer sind auf Verlangen verpflichtet, den vorerwähnten Behörden und den Trägern der Krankenversicherung und den Abgabenbehörden die zur Durchführung dieses Bundesgesetzes notwendigen Auskünfte zu erteilen und in die erforderlichen Unterlagen Einsicht zu gewähren. Die Arbeitgeber haben dafür zu sorgen, daß bei ihrer Abwesenheit von der Betriebsstätte oder Arbeitsstelle eine dort anwesende Person den genannten Behörden und Rechtsträgern die erforderlichen Auskünfte erteilt und Einsicht in die erforderlichen Unterlagen gewährt.

(2) Die im Abs 1 genannten Behörden und Organe der Abgabenbehörden sowie die Organe der Träger der Krankenversicherung sind zur Durchführung ihrer Aufgaben berechtigt, die Betriebsstätten, Betriebsräume und auswärtigen Arbeitsstätten sowie die Aufenthaltsräume der Arbeitnehmer zu betreten und Wege zu befahren, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist.

(3) - (5) [...]"

Die Strafbestimmung des § 28 Abs 1 Z 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. 218/1975, idF BGBl. I 78/2007, lautet (der angefochtene Teil ist hervorgehoben):

"§28. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen

1. [...]

2. wer,

a) entgegen § 3 Abs 4 einen Ausländer beschäftigt, ohne die Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice anzuzeigen,

b) entgegen dem § 18 Abs 5 und 6 die Arbeitsleistungen eines Ausländers in Anspruch nimmt, ohne die Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice rechtzeitig anzuzeigen,

c) seinen Verpflichtungen gemäß § 26 Abs 1 nicht nachkommt oder

d) entgegen § 26 Abs 2 den im § 26 Abs 1 genannten Behörden und Rechtsträgern den Zutritt zu den Betriebsstätten, Betriebsräumen, auswärtigen Arbeitsstellen und Aufenthaltsräumen der Arbeitnehmer oder das Befahren von Privatstraßen nicht gewährt,

e) entgegen dem § 26 Abs 3 die Durchführung der Amtshandlung beeinträchtigt, oder

f) entgegen dem § 26 Abs 4 und 4a die Durchführung der Amtshandlungen beeinträchtigt

mit Geldstrafe von 150 Euro bis 5 000 Euro, im Fall der litc bis f mit Geldstrafe von 2 500 Euro bis 8 000 Euro;

[...]"

III. 1. Der UVS Salzburg legt die Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung wie folgt dar:

"Mit Gesetzesprüfungsantrag vom , Zahl UVS-11/10933-2-2008, hat der Unabhängige Verwaltungssenat Salzburg bereits einmal dieselbe Wortfolge in § 28 Abs 1 Z 2 angefochten - damals allerdings im Zusammenhang mit einer Übertretung gemäß § 26 Abs 4 und 4a iVm § 28 Abs 1 Z 2 litf AuslBG.

Die Bedenken wurden darin wie folgt geäußert:

'Die angefochtene Wortfolge verstößt gegen das aus Art 7 B-VG abzuleitende Sachlichkeitsgebot der Gesetzgebung. Der Gesetzgeber darf demnach seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschreiten (vgl ua).

Im vorliegenden Zusammenhang ist dem antragstellenden Senat durchaus bewusst, dass mit der illegalen Ausländerbeschäftigung erhebliche sozialschädliche Folgen verbunden sind, die regelmäßig einhergehen mit bedeutenden wirtschaftlichen Vorteilen für den außerhalb der Rechtslage agierenden Arbeitgeber (unlautere Konkurrenzierung anderer Gewerbetreibender, Beschäftigung von Ausländern zu ungesetzlichen Bedingungen, Hinterziehung von Steuern und Abgaben und Vereitelung der Bewirtschaftung des Arbeitsmarktes). Diese Ausgangslage hat den Gesetzgeber veranlasst, drakonische Strafen für den Fall der Missachtung der diesbezüglichen Bestimmungen vorzusehen. In diesem Zusammenhang hat der Verfassungsgerichtshof auch keine Bedenken geäußert gegen die Anhebung der Mindeststrafen im AuslBG mit Novelle BGBl I Nr. 126/2002 (vgl und G206/07).

Die gleichen Überlegungen gelten auch für Strafbestimmungen, welche die Vereitelung einer effektiven Beschäftigungskontrolle zum Gegenstand haben. Hier ist jedoch zu bedenken, dass die Strafbestimmungen des § 28 Abs 1 AuslBG als Täter grundsätzlich den Arbeitgeber, dessen Beauftragte oder den Inanspruchnehmer von Arbeitsleistungen vor Augen haben mit deren typischer Interessen- und Wirtschaftslage. Einen Fremdkörper bildet allerdings das Tatbild gemäß § 26 Abs 4 und 4a iVm § 28 Abs 1 Z 2 litf AuslBG, welches die Nichtmitwirkung eines mutmaßlich ausländischen Arbeitnehmers an der Feststellung seiner Identität zum Gegenstand hat. Ein solcher befindet sich typischerweise in einer erheblich ungünstigeren persönlichen und wirtschaftlichen Situation als ein Arbeitgeber. Regelmäßig treibt den Ausländer eine wirtschaftliche, soziale oder persönliche Zwangslage in ungesetzliche Arbeitsbedingungen, weil anders das eigene Auskommen bzw das der Familie nicht gesichert werden kann.

Die meist prekäre Lage ausländischer Arbeiter bestätigt die tägliche Erfahrung im Umgang mit Strafverfahren nach dem AuslBG, nach der die illegale Ausländerbeschäftigung überwiegend im Bereich des unteren bzw. untersten Lohnsegmentes stattfindet (zB Bauarbeiter, Reinigungskräfte, Servierkräfte und sonstige Hilfsarbeiter). Auch der vorliegende Fall betrifft einen arbeitslosen Pensionsvorschussbezieher, der offenbar damals nebenbei 'gepfuscht hat'. Obwohl dieses Verhalten durchaus als verwerflich anzusehen ist, können die mit der Behinderung der Identitätsfeststellung verbundenen schädlichen Folgen nicht so schwer eingestuft werden, dass eine Mindeststrafe von € 2.500, die beim 'durchschnittlichen' Täter dem Mehrfachen des Netto-Monatslohnes entspricht, vertretbar erscheint. Sogar unter Berücksichtigung der erheblichen wirtschaftlichen Vorteile, welche die illegale Beschäftigung für den ausländischen Arbeitnehmer hat (meist gibt es keinen anderen legalen Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt), erscheint diese Mindeststrafe als unverhältnismäßig. Hinzu kommt, dass das Tatbild der 'Beeinträchtigung der Amtshandlung' einen weiten Spielraum lässt, der auch minderschwere und fahrlässige Tatformen umfasst, die im Zuge der Identitätsfeststellung auftreten können (vom Versuch, sich der Kontrolle durch Flucht zu unterziehen, bis zur versehentlichen Falschangabe bei Namens- oder Adressbestandteilen). Hier ist das Missverhältnis der Strafdrohung noch deutlicher. Die §§19, 20 und 21 VStG bieten in diesem Zusammenhang keine ausreichende Handhabe, im Durchschnittsfall auch nur eine halbwegs angemessene Bestrafung vorzunehmen.

Die Wortfolge 'von 2.500 Euro' in § 28 Abs 1 Z 2 AuslBG ist daher als gleichheitswidrig aufzuheben.'

Diese Bedenken sind nach wie vor aufrecht. Auch wenn die vorgetragenen Bedenken nur im Zusammenhang mit einer Übertretung gemäß § 26 Abs 4 und 4a iVm § 28 Abs 1 Z 2 litf AuslBG - also der Nichtmitwirkung an der Feststellung der Identität - bestehen, ergibt sich, dass dieselbe, offenbar gleichheitswidrige Wortfolge auch bei einer Bestrafung wegen des Delikts gemäß § 26 Abs 2 und 1 iVm § 28 Abs 1 Z 2 litd AuslBG anzuwenden wäre. Der gegenständliche Anfechtungsantrag war daher mit dem vom zu verbinden. Der Anfechtungsantrag ist so gefasst, dass mit der Aufhebung die kleinstmögliche Sinnänderung des verbleibenden Gesetzestextes verbunden ist und die litc bis f des § 28 Abs 1 Z 2 AuslBG weiterhin anwendbar sind."

2. Die Bundesregierung verweist auf die zum hg. Verfahren G156/08 erstattete Äußerung und legt diese vor.

3. Die beteiligten Parteien haben sich im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht geäußert.

IV. Der Verfassungsgerichtshof hat über den - zulässigen - Antrag erwogen:

1. In dem vorliegenden Antrag werden vom UVS Salzburg die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Mindeststrafe wegen Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes wiedergegeben, die er bereits im hg. zu G156/08 protokollierten Antrag im Zusammenhang mit einer Übertretung gemäß § 28 Abs 1 Z 2 litf iVm § 26 Abs 4 und 4a AuslBG (Beeinträchtigung einer Amtshandlung durch Verschleierung der Identitätsfeststellung) vorgebracht hat.

2. Die Bedenken des UVS Salzburg richten sich ausschließlich gegen die Strafbestimmung des § 28 Abs 1 Z 2 litf iVm § 26 Abs 4 und 4a AuslBG, die die Nichtmitwirkung eines mutmaßlich ausländischen Arbeitnehmers an der Feststellung seiner Identität unter Strafe stellt. Diese Bedenken sind nicht geeignet, die Unsachlichkeit einer Mindeststrafe zu begründen, die angesichts der Verweigerung des Zutritts zu Betriebsräumlichkeiten anlässlich einer Kontrolle verhängt wurde.

3. Der Antrag ist daher abzuweisen.

V. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.