zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VfGH vom 30.11.1988, g184/88

VfGH vom 30.11.1988, g184/88

Sammlungsnummer

11911

Leitsatz

Ktn. SchischulG; Aufhebung von Teilen der Abs 2, 3 und 4 des § 1 unter Hinweis auf VfSlg. 11652/1988 - Monopolisierung des Schiunterrichts für das jeweilige Schischulgebiet, Verhinderung der Bewilligung spezieller, selbständiger Schischulen; Verstoß gegen die Erwerbsausübungsfreiheit

Spruch

Die Worte "im Bereiche der angestrebten Schischule ein Bedarf gegeben ist und" in Abs 2, des weiteren die Worte "und bei der Beurteilung des Bedarfes" in Abs 3 sowie der Abs 4 des § 1 des Gesetzes vom über die Schischulen, LGBl. für Kärnten Nr. 52/1966, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Vorschriften treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Landeshauptmann von Kärnten ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom wurde das Ansuchen des M E um Bewilligung zum Betrieb einer Schischule im Bereich der Ortschaft Sonnleiten Schlanitzenalm gemäß § 1 Abs 4 des Kärntner Schischulgesetzes, LGBl. für Kärnten Nr. 52/1966, abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, daß aus einer im Zuge des durchgeführten Ermittlungsverfahrens eingeholten Stellungnahme der Abteilung 20, Landesplanung, des Amtes der Kärntner Landesregierung eindeutig hervorgegangen sei, daß das vom Antragsteller angestrebte Schischulgebiet zur Gänze innerhalb des Gebietes der bereits bestehenden Schischule Naßfeld liege, welches mit Bescheid vom rechtskräftig an F S vergeben worden sei. Da gemäß § 1 Abs 4 Kärntner Schischulgesetz für ein Schischulgebiet nur eine Bewilligung verliehen werden dürfe, sei das Ansuchen des M E abzuweisen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B473/87 protokollierte, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde des bereits genannten Schischulbewerbers, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Erwerbsausübungsfreiheit und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

3. Bei der Beratung über die Beschwerde sind verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Worte "im Bereiche der angestrebten Schischule ein Bedarf gegeben ist und" in Abs 2, des weiteren gegen die Worte "und bei der Beurteilung des Bedarfes" in Abs 3 sowie gegen Abs 4 des § 1 Kärntner Schischulgesetz entstanden. Der VfGH hat daher beschlossen, gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der genannten Bestimmungen einzuleiten.

3.1. § 1 Kärntner Schischulgesetz - die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen sind hervorgehoben - lautet:

"§1

Bewilligungspflicht

(1) Der selbständige erwerbsmäßige Unterricht im Schilaufen (Betrieb einer Schischule) bedarf der Bewilligung der Landesregierung. Die Landesregierung hat in der Bewilligung das Gebiet zu bestimmen, in dem die Schischule betrieben werden darf (Schischulgebiet).

(2) Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn im Bereiche der angestrebten Schischule ein Bedarf gegeben ist und der Bewerber die persönlichen Voraussetzungen (§2) erfüllt.

(3) Das Schischulgebiet muß nach seiner natürlichen Lage ein geschlossenes Gebiet umfassen. Bei der Abgrenzung des Schischulgebietes und bei der Beurteilung des Bedarfes ist auf die Interessen des Fremdenverkehrs der betroffenen Gemeinden und die Lage der bestehenden Schischulen Rücksicht zu nehmen.

(4) Für ein Schischulgebiet darf nur eine Bewilligung erteilt werden."

3.2. Der VfGH hat im Einleitungsbeschluß seine Bedenken gegen die in Prüfung gezogenen Bestimmungen wie folgt umschrieben:

"3.2. Der VfGH geht davon aus, daß die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen von der bel. Beh. entweder ausdrücklich angewendet wurden oder daß der angefochtene Bescheid sich auf diese Gesetzesstellen der Sache nach stützt, daß die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen jedenfalls von ihm bei Beurteilung der an ihn gerichteten Beschwerde anzuwenden sein werden. Die in Prüfung gezogenen Regelungen scheinen daher präjudiziell im Sinne des Art 140 Abs 1 B-VG zu sein. Auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen dürften vorliegen.

3.3. Die verfassungsrechtlichen Bedenken sind im wesentlichen die gleichen, wie sie zur Prüfung und Aufhebung von Bestimmungen des Tiroler Schischulgesetzes, LGBl. für Tirol 3/1981, führten. Auf das Erkenntnis vom G154/87 ua. wird daher verwiesen. Der VfGH meint vorläufig, daß öffentliche Interessen es wohl rechtfertigen, zur sinnvollen Ordnung des Schischulwesens gesetzliche Regelungen zu erlassen, daß jedoch die in Prüfung gezogenen Regelungen dadurch, daß sie die Bewilligung von Schischulen vom Vorliegen eines Bedarfes abhängig machen und daß für ein Schischulgebiet nur eine Bewilligung erteilt werden darf, wodurch eine Monopolisierung bewirkt wird, in unverhältnismäßiger Weise in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Antritt eines Berufes und damit in das Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung eingreifen. Der VfGH meint weiters, daß sich keine sachliche Rechtfertigung für so gravierende Regelungen, wie sie durch die in Prüfung gezogenen Bestimmungen erfolgen, finden läßt. Es dürfte gegen die Freiheit auf Erwerbsausübung verstoßen, daß die Bewilligung von selbständigen Schischulen in bereits bestehenden Schischulgebieten sogar dann untersagt ist, wenn deren Gebiet so groß ist, daß die Erteilung mehrerer Bewilligungen negative Folgen, denen in anderer Weise nicht begegnet werden könnte, nicht erwarten läßt; Bedenken bestehen schließlich dagegen, daß dann, wenn bereits eine Schischulbewilligung für ein bestimmtes Schischulgebiet erteilt ist, innerhalb dieses Gebietes auch keine speziellen Schischulen (zB für den Langlauf, für Behinderte oder für Kinder) bewilligt werden dürfen.

Der VfGH hegt somit zusammenfassend das Bedenken, daß die in Prüfung gezogenen Regelungen mit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung im Widerspruch stehen."

4. Die Kärntner Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie im wesentlichen ausführt:

"... Ein Vergleich der Regelungen des Kärntner und des Tiroler Schischulgesetzes ergibt, daß es sich bei den Bestimmungen um im wesentlichen gleichartige Regelungskomplexe handelt - Bedarfsprüfung: § 1 Abs 2 und 3 Kärntner Schischulgesetz, wie im § 7 Abs 3 Tiroler Schischulgesetz; nur eine Bewilligung pro Schischulgebiet im § 1 Abs 4 Kärntner Schischulgesetz und in den §§6 und 10 Abs 1 Tiroler Schischulgesetz.

Der VfGH hat in den letzten Jahren in einer Reihe von Erkenntnissen eine Liberalisierungstendenz im Bereich der Erwerbsausübungsfreiheit zum Ausdruck gebracht. Da eine Änderung dieser Rechtsprechung nicht zu erwarten ist, wird insbesondere im Hinblick auf das ... Erkenntnis zum Tiroler Schischulgesetz von einer weiteren Stellungnahme zu den in Prüfung gezogenen, im wesentlichen gleichartigen Regelungen des Kärntner Schischulgesetzes Abstand genommen."

5. Auch der Beteiligte F S hat eine Äußerung erstattet, in der er für die "Alleinschischule" eintritt und meint, daß deren besondere volkswirtschaftliche Bedeutung bisher von keiner Seite gebührend hervorgehoben worden sei. Hiezu legt er ua. eine Stellungnahme des Obmannes der Vereinigung der Schischulunternehmer Österreichs vor, in der darauf verwiesen wird, daß Frankreich überhaupt nur die Staatsschischule und die USA nur eine Schischule in jedem Ort kennen; die "in wirtschaftlichen Belangen freiheitlichsten Länder" ließen sich durch den "Polit-Slogan der gesunden Konkurrenz" nicht beirren.

6. Der VfGH hat erwogen:

6.1. Die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen steht nicht in Frage. Das Gesetzesprüfungsverfahren hat auch sonst keine Prozeßhindernisse ergeben. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist offenkundig zulässig.

6.2. Das Verfahren hat auch nichts ergeben, das die im Einleitungsbeschluß aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in Prüfung gezogenen Bestimmungen entkräftet hätte. Die Kärntner Landesregierung erkennt richtig, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen inhaltlich den mit Erkenntnis vom G154/87 ua. als verfassungswidrig aufgehobenen Bestimmungen des Tiroler Schischulgesetzes gleichen. Der VfGH hält auch im vorliegenden Fall seine bereits im Verfahren G154/87 ua. geäußerte Ansicht aufrecht, daß die Zielsetzungen eines modernen Schischulunterrichtes eine sinnvolle Ordnung des Schischulwesens rechtfertigen. Das gleiche gilt - wie im Hinblick auf das Vorbringen des Beteiligten F S festgehalten wird - auch für die mit dem Schischulwesen verbundenen volkswirtschaftlichen Interessen. Der VfGH ist, seiner Rechtsprechung folgend, jedoch der Ansicht, daß die konkrete Regelung überschießend und inadäquat ist, weil sie selbst für den Fall, daß die Bewilligung mehrerer Schischulen für ein Schischulgebiet auf Grund der Größe und der geographischen Lage dieses Schischulgebietes negative Folgen (denen auch durch gezielte gesetzliche Vorkehrungen nicht begegnet werden könnte) gar nicht erwarten läßt, die Monopolisierung des Schiunterrichts für das jeweilige Schischulgebiet gesetzlich festschreibt. Ebenso verhindert die in Prüfung gezogene Regelung die Bewilligung von speziellen, selbständigen Schischulen in gleicher Weise wie die aufgehobenen Bestimmungen des Tiroler Schischulgesetzes. Auch volkswirtschaftliche Interessen rechtfertigen eine Monopolregelung nicht, was schon beim Erkenntnis G154/87 ua. berücksichtigt wurde. Zum Hinweis des Beteiligten, daß Frankreich nur die Staatsschischule kenne, die für jeden Ort als Alleinschischule eingerichtet sei, ist zu sagen, daß dem Landesgesetzgeber durch keine Verfassungsbestimmung untersagt ist, das Schischulwesen in den privaten Bereich zu legen, er jedoch dann dem Art 6 StGG Rechnung zu tragen hat.

Da die in Prüfung gezogenen Bestimmungen somit die Erwerbsfreiheit in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigen, sind sie in gleicher Weise verfassungswidrig wie die bereits mit Erkenntnis des ua. aufgehobenen Bestimmungen des Tiroler Schischulgesetzes.

6.3. Die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen waren somit als verfassungswidrig aufzuheben.

Die übrigen Aussprüche gründen sich auf Art 140 Abs 5 und 6 B-VG.