VfGH vom 01.12.1987, g183/87

VfGH vom 01.12.1987, g183/87

Sammlungsnummer

11558

Leitsatz

Eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsfreiheit (Erwerbsantritt, Berufsausübung) beschränkt, ist nur zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, geeignet, zur Zielerreichung adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist; bei Regelung der Berufsausübung größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum als bei Regelungen, die den Zugang zu einem beruf beschränken; Ziele, denen die Landeschlußregelungen dienen (Bedachtnahme auf die Interessen der Verbraucher, wettbewerbsordnende und sozialpolitische Funktion) liegen an sich im öffentlichen Interesse; der VfGH kann dem Gesetzgeber nur entgegentreten, wenn dieser Ziele verfolgt, die keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen ist; Limitierung der zulässigen Offenhaltezeiten für Verkaufstellen an sich ein taugliches Mitttel zur Erreichung der genannten Ziele; Anordnung eines Sperrhalbtages zur Zielerreichung an sich geeignet und sachlich gerechtfertigt, aber nicht mehr adäquat, wenn die Bestimmung, an welchem Halbtag der Sperrverpflichtung nachzukommen ist, einem Verwaltungsorgan übertragen wird - keine Rechtfertigung durch die wettbewerbsordnende und durch die sozialpolitische Funktion des LadenschlußG; das Interesse an einer einheitlichen Festlegung des Sperrhalbtages durch den Landeshauptmann ist nicht von solchem Gewicht, daß dei Grundrechtsbeschränkung zu rechtfertigen vermag; Verstoß des § 3 Abs 1 und 3 LadenschlußG gegen die Erwerbsausübungsfreiheit

Spruch

Die Absätze 1 und 3 des § 3 des Ladenschlußgesetzes, BGBl. Nr. 156/1958, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim VfGH sind zwei Verfahren über Anträge des VwGH anhängig, in denen dieser begehrt, § 2 Abs 2 der V des Landeshauptmanns von Tirol vom über die Regelung des Ladenschlusses an Werktagen (Tiroler Ladenschlußverordnung 1965), LGBl. 19/1965, als gesetzwidrig aufzuheben. Nach dieser Bestimmung sind - von hier nicht maßgeblichen Ausnahmen abgesehen - die Verkaufsstellen "an Samstagen ab 13.00 Uhr geschlossen zu halten".

Diese Anträge hatte der VwGH gestellt, weil er über die Rechtmäßigkeit von Strafbescheiden zu erkennen hatte, die in Anwendung der angefochtenen Verordnungsstelle ergangen wären. Der VwGH führte aus, warum er die angefochtene Verordnungsstelle nach seiner Ansicht bei der Entscheidung über die Beschwerden anzuwenden habe.

Seine Bedenken legte der VwGH wie folgt dar:

"Gemäß § 12 Abs 1 des Arbeitsruhegesetzes (ARG), BGBl.

Nr. 144/1983, sind durch V für Arbeitnehmer in bestimmten

Betrieben Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe für

Arbeiten zuzulassen, wenn diese ... 2. im Hinblick auf während der

Wochenend- oder Feiertagsruhe hervortretende Freizeit- und

Erholungsbedürfnisse und Erfordernisse des Fremdenverkehrs notwendig

sind; ... gemäß Pkt. XVII ('Handel') Z. 2 litk der

Arbeitsruhegesetz-V (ARG-VO), die auf § 12 Abs 1 ARG gestützt ist, dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen Verkaufstätigkeiten u.a. in Andenkenläden ausüben. Diese Verordnungsbestimmung trat gemäß § 3 der genannten V am in Kraft.

Gemäß § 2 Abs 1 lita des Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetzes (BZG) ist an Sonntagen und Feiertagen die Ausübung von gewerblichen Tätigkeiten, zu deren Durchführung nach den arbeitsrechtlichen Vorschriften die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonntagen und Feiertagen zulässig ist, zulässig. Diese Bestimmung ist gemäß § 7 Abs 1 BZG am in Kraft getreten.

Gemäß Pkt. XVII Z. 1 lita ARG-VO dürfen Arbeitnehmer an Samstagen Verkaufstätigkeiten ausüben, soweit die jeweils geltenden Ladenschlußvorschriften ein Offenhalten dieser Verkaufsstellen vorsehen.

Aus . . . (dieser) Rechtslage ergibt sich, daß seit das Offenhalten der Verkaufsstelle der Bf. an Sonn- und Feiertagen (ganztägig) erlaubt ist. Aus der angefochtenen Bestimmung des § 2 Abs 2 der Tiroler Ladenschlußverordnung ergibt sich, daß die genannte Verkaufsstelle an Samstagen ab 13.00 Uhr geschlossen zu halten ist.

Für diese unterschiedliche Regelung vermag der VwGH keine sachliche Rechtfertigung zu erkennen. Die Begünstigung von Andenkenhändlern in Ansehung ihrer gewerblichen Tätigkeit an Sonn- und Feiertagen beruht auf dem erkennbaren Gedanken, jene Tätigkeiten an Sonn- und Feiertagen zuzulassen, die 'im Hinblick auf während der Wochenend- oder Feiertagsruhe hervortretende Freizeit- und Erholungsbedürfnisse und Erfordernisse des Fremdenverkehrs notwendig sind' (§12 Abs 1 Z. 2 ARG). Diese Überlegung muß jedoch in gleicher Weise auch für den Samstag Nachmittag gelten. Der Bundesminister für soziale Verwaltung als Verordnungsgeber hat auch in Pkt. XVII Z. 1 lita ARG-VO den Weg dafür freigemacht, daß das in § 12 Abs 1 Z. 2 ARG zum Ausdruck kommende Anliegen des Gesetzgebers, gewerbliche Tätigkeiten zur Deckung von u.a. an Wochenenden hervortretenden Konsumentenbedürfnissen zuzulassen, auch für Samstage wirksam werden zu lassen. Die diesen arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen entsprechenden gewerberechtlichen Regelungen entfallen auf zwei verschiedene Gesetze, nämlich auf das BZG in bezug auf Sonn- und Feiertage und auf das Ladenschlußgesetz in bezug auf Samstage. Die Harmonisierung dieser arbeitnehmerschutzrechtlichen und gewerberechtlichen Regelungen in Ansehung von Sonn- und Feiertagen hat der Gesetzgeber selbst in § 2 Abs 1 lita BZG vorgenommen. Angesichts dessen wäre es aber dem Normsetzer von ebenfalls dem Gewerberecht zuzurechnenden ladenschlußrechtlichen Regelungen, hier dem Landeshauptmann von Tirol, oblegen, für seinen Wirkungsbereich die gebotene Harmonisierung herzustellen. Die Regelung gleichartiger Lebenssachverhalte in verschiedenen Gesetzeswerken allein vermag einen Vergleich ihres Inhaltes mit Maßen des Gleichheitssatzes nicht zu verhindern.

Die genannte Harmonisierung wäre auch unter dem Gesichtspunkt erforderlich gewesen, eine unsachliche Schlechterstellung von (jenen Normadressaten, für die die angefochtene Regelung gilt) . . . gegenüber den Gewerbetreibenden, für die nach § 2 Abs 4 der Tiroler Ladenschlußverordnung die Samstag-Nachmittagssperre nicht gilt, zu vermeiden.

Der Landeshauptmann von Tirol wäre daher verpflichtet gewesen, den durch das BZG (in Verbindung mit dem ARG und der ARG-VO) geänderten Bedingungen durch eine Anpassung der Ladenschlußverordnung Rechnung zu tragen. Die Unterlassung der Anpassung belastet die angefochtene Verordnungsbestimmung vom an mit Gesetzwidrigkeit infolge Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes."

2. Aus Anlaß dieser Verordungsprüfungsverfahren hat der VfGH beschlossen, die Absätze 1 und 3 des § 3 des Ladenschlußgesetzes (LSchG), BGBl. 156/1958, von Amts wegen zu prüfen.

a) Die Absätze 1 bis 3 des die Regelungen über den sogenannten Sperrhalbtag enthaltenden § 3 LSchG lauten:

"(1) Die Verkaufsstellen sind, sofern nicht nach Abs 2 oder Abs 3 anderes bestimmt ist, am Donnerstag ab 13 Uhr geschlossen zu halten.

(2) Der Landeshauptmann kann mit V bestimmen, daß die Verkaufsstellen am Donnerstag frühestens schon ab 12 Uhr geschlossen zu halten sind, wenn die Einkaufsbedürfnisse, insbesondere der berufstätigen Bevölkerung, dies zulassen. Der Landeshauptmann kann mit V auch bestimmen, daß die Verkaufsstellen statt am Donnerstag am Mittwoch ab 13 Uhr geschlossen zu halten sind, wenn nach den besonderen örtlichen Umständen am Donnerstag mit stärkeren Einkaufsbedürfnissen der Bevölkerung als am Mittwoch zu rechnen ist; der erste Satz dieses Absatzes gilt sinngemäß.

(3) Der Landeshauptmann kann mit V allgemein oder für bestimmte Gebiete anordnen, daß alle Verkaufsstellen oder die Verkaufsstellen bestimmter Art statt am Donnerstag am Samstag ab 14 Uhr, beim Kleinverkauf von Lebensmitteln ab 15 Uhr, geschlossen zu halten sind, wenn die Einkaufsbedürfnisse, insbesondere der berufstätigen Bevölkerung, dies zulassen und nicht Ortsfremden aus Gründen der Förderung der Wirtschaft Einkaufsmöglichkeiten geboten werden müssen. Ebenso kann der Landeshauptmann unter denselben Voraussetzungen auch anordnen, daß alle Verkaufsstellen oder die Verkaufsstellen bestimmter Art am Samstag frühestens schon ab 13 Uhr geschlossen zu halten sind, wenn die bestehenden Einkaufsgewohnheiten dies zulassen, bei Verkaufsstellen für Gegenstände des täglichen Bedarfs jedoch nur dann, wenn die berufstätige Bevölkerung die Einkäufe des täglichen Bedarfs in den Morgenstunden des Samstags klaglos abwickeln kann."

b) Der VfGH ging - unter Zugrundelegung des von ihm zur Zulässigkeit von Normprüfungsanträgen von Gerichten anzuwendenden Prüfungsmaßstabes (vgl. zB VfSlg. 10296/1984) vorläufig davon aus, daß die Verordnungsprüfungsanträge des VwGH zulässig seien.

Er nahm weiters an, daß die angefochtene Bestimmung ihre gesetzliche Grundlage in § 3 Abs 3 LSchG zu haben scheine, der in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem ersten Absatz des § 3 leg.cit. zu stehen scheine. Deshalb dürfte der VfGH die in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen bei der Entscheidung über die Anträge des VwGH anzuwenden haben, weshalb die Präjudizialität für das Gesetzesprüfungsverfahren vorliegen dürfte.

c) Seine Bedenken begründete der VfGH wie folgt:

"Der VfGH hegt gegen die in Prüfung gezogenen Bestimmungen zunächst das Bedenken, daß sie den Anforderungen des Art 18 Abs 2 B-VG nicht entsprechen:

Diese Verfassungsbestimmung verlangt eine ausreichende inhaltliche Determinierung des Verordnungsinhalts durch das Gesetz. Damit ein Gesetz der Durchführung durch eine V zugänglich ist, muß es nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH inhaltlich hinreichend bestimmt sein, d.h. es müssen aus ihm allein alle wesentlichen Merkmale der beabsichtigten Regelung ersehen werden können (vgl. zB VfSlg. 2294/1952, 4662/1964, 7945/1976 ua). Bei der Beurteilung der Frage, ob das Gesetz inhaltlich hinreichend bestimmt ist, ist zu beachten, daß den Erfordernissen des Art 18 Abs 2 B-VG nicht entsprochen ist, wenn im Gesetz lediglich die Erlassung einer Maßnahme vorgesehen ist, ohne daß auch im näheren die Voraussetzungen hiefür geregelt sind (VfSlg. 3935/1961).

Gerade solches scheint aber § 3 Abs 3 LSchG zu ermöglichen. Er ermächtigt in seinem ersten Satz den Landeshauptmann, den Sperrhalbtag auf Samstag zu verschieben, wenn die Einkaufsbedürfnisse, insbesondere der berufstätigen Bevölkerung, dies zulassen und nicht Ortsfremden im Interesse der Förderung der Wirtschaft Einkaufsmöglichkeiten geboten werden müssen.

Damit scheint der Gestaltungsmöglichkeit des Landeshauptmanns zwar eine gesetzliche Schranke gezogen zu sein; inhaltlich dürfte ihm aber durch die genannte gesetzliche Regelung eine nicht näher determinierte Gestaltungsfreiheit eingeräumt worden sein: Denn wenn es die 'Einkaufsbedürfnisse' zulassen, kann der Landeshauptmann nach seinem Ermessen den Sperrhalbtag von Donnerstag auf Mittwoch (§3 Abs 2 LSchG) oder Samstag (§3 Abs 3 LSchG) verlegen (wobei eine Verlegung auf Samstag auch die Einkaufsbedürfnisse der Ortsfremden zu berücksichtigen hat). Der Landeshauptmann hat also nicht etwa dann eine Verlegung des Sperrhalbtages zu verfügen (oder eine Verlegung zu unterlassen), wenn es die Einkaufsbedürfnisse erfordern; es scheint dem VfGH - zumindest vorläufig - auch ausgeschlossen zu sein, das Gesetz so zu verstehen, daß es den Landeshauptmann verpflichtet, vor einer Entscheidung über eine allfällige Verlegung des Sperrhalbtages abzuwägen, ob den Einkaufsbedürfnissen mit dieser oder jener Lösung besser entsprochen werden kann, und sodann die für die Einkaufsbedürfnisse günstigere Regelung zu treffen. Vielmehr steht ihm offenbar, wenn es die Einkaufsbedürfnisse 'zulassen', eine gesetzlich nicht näher vorherbestimmte Gestaltungsfreiheit zu, da auch aus dem Gesamtzusammenhang und der Zielsetzung des Gesetzes eine weitere Determinierung nicht erkennbar ist. Mit anderen Worten: Die gesetzliche Regelung scheint den Landeshauptmann zu ermächtigen, dann, wenn die Einkaufsbedürfnisse eine Verlegung des Sperrhalbtags zulassen, diesen zu verlegen oder auch nicht. Damit aber scheint in Wahrheit eine durch Art 18 Abs 2 B-VG verbotene - bloß formalgesetzliche - Delegation des Inhalts einer den Sperrhalbtag betreffenden V erfolgt zu sein, weshalb die in Prüfung gezogenen Bestimmungen dem Art 18 Abs 2 B-VG zu widersprechen scheinen.

Der VfGH hegt weiters das Bedenken, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen der verfassungsgesetzlich grundgelegten Erwerbsausübungsfreiheit (Art6 Abs 1 letzter Fall StGG) widersprechen.

In seiner Judikatur vertritt der VfGH die Auffassung, daß eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsfreiheit beschränkt, nur zulässig ist, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, geeignet und zur Zielerreichung adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist (vgl. VfSlg. 10179/1984 (mit Hinweisen auf VfSlg. 9237/1981); Erk. v. , G14/86 ua; Erk. v. , G174/86). Andernfalls verstößt eine die Erwerbsbetätigung beschränkende gesetzliche Regelung ungeachtet des Gesetzesvorbehalts, unter dem die Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art 6 StGG gewährleistet ist, gegen diese Verfassungsnorm.

Der VfGH vermag vorläufig nicht zu erkennen, daß die Anordnung eines einheitlichen Sperrhalbtags im Sinne der genannten Kriterien erforderlich ist. Das LSchG scheint primär eine wettbewerbsordnende Funktion, darüber hinaus aber auch eine sozialpolitische Bedeutung zu haben. Das wird auch in den Erläuternden Bemerkungen zum Entwurf des geltenden LSchG (478 BlgNR, 8. GP) deutlich, in denen es heißt:

'Der Entwurf geht von dem Gedanken aus, daß die Ladenschlußregelung einerseits den Verbrauchern den Einkauf zu einer Zeit ermöglichen muß, in der sie nicht selbst berufstätig sind, daß aber andererseits der Wettbewerb unter den Gewerbetreibenden diese nicht zu überlangen Geschäftszeiten nötigen soll, die vielfach betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigt wären'.

Hinzu tritt eine zweite, sozialpolitische Funktion des Gesetzes, die von den Erläuternden Bemerkungen folgendermaßen umschrieben wird:

'Obgleich die große Mehrheit der Handelsbetriebe in Österreich keine Dienstnehmer beschäftigt und die Arbeitszeit der Verkäufer durch die arbeitszeitrechtlichen Vorschriften geregelt ist, muß auch darauf Bedacht genommen werden, daß allzu lange Geschäftszeiten - zumindest bei den Betrieben mit nur wenigen Ladenangestellten - die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften erschweren.'

Der VfGH geht davon aus, daß die in den Erläuternden Bemerkungen umschriebenen Funktionen des LSchG im öffentlichen Interesse liegen. Er hält es auch für ein an sich taugliches Mittel zur Erreichung dieser Ziele, vorzuschreiben, daß Verkaufstellen zu bestimmten Zeiten geschlossen zu halten sind. Auch geht er vorläufig davon aus, daß die Verfügung eines Sperrhalbtages für sich ein in diesem Sinne taugliches Mittel darstellt und daher sachlich gerechtfertigt sein dürfte. Wieso es aber die im öffentlichen Interesse liegenden Funktionen des Gesetzes erfordern sollen, daß die durch das LSchG betroffenen Betriebe an einem Halbtag geschlossen zu halten sind, der nicht vom Unternehmer selbst bestimmt, sondern von Staats wegen (durch § 3 Abs 1 LSchG oder - im Falle der Verlegung des Sperrhalbtags - durch V des Landeshauptmanns) festgelegt wird, vermag der VfGH vorläufig nicht zu sehen. Vielmehr scheint die Festlegung eines bestimmten einheitlichen Sperrhalbtages durch ein Staatsorgan eine für die Zielerreichung ungeeignete und keineswegs adäquate Beschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit darzustellen.

Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des LSchG scheinen daher auch Art 6 Abs 1 StGG zu widersprechen."

3. Die Bundesregierung trat den im Einleitungsbeschluß ausgeführten Bedenken des VfGH entgegen und stellte den Antrag, der VfGH wolle aussprechen, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Ladenschlußgesetzes nicht verfassungswidrig sind, in eventu für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu bestimmen, um die allenfalls erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.

Begründend führte die Bundesregierung aus:

"Der VfGH sieht in den Bestimmungen des § 3 Abs 1 und 3 des Ladenschlußgesetzes insofern einen Verstoß gegen Art 18 Abs 2 B-VG, als dem Landeshauptmann eine Wahlmöglichkeit bei der Festsetzung des 'Sperrhalbtages' durch das Gesetz eingeräumt wird.

Diese vorläufige Annahme berücksichtigt nach Auffassung der Bundesregierung nicht ausreichend den Charakter der in Prüfung gezogenen Regelung als Ermessensbestimmung.

Das Ermessen des Landeshauptmannes, wie es durch die gesetzliche Regelung vorgesehen ist, ist nach Auffassung der Bundesregierung vom Gesetzgeber hinreichend determiniert und somit keinesfalls schrankenlos. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß im vorliegenden Fall die zu treffende Maßnahme im Gesetz genau umschrieben ist. Das Gesetz sieht die Erlassung einer V vor, die den Verkaufsstellen aufträgt, an einem Halbtag, ab einem genau bestimmten Zeitpunkt, geschlossen zu halten. Das Gesetz legt dabei grundsätzlich auch den Tag fest, nämlich den Donnerstag. Dem Landeshauptmann wird ein Ermessen nur insofern eingeräumt, als er an Stelle des Donnerstags auch den Mittwoch oder den Samstag zum 'Sperrhalbtag' erklären kann. Der Landeshauptmann hat also im Prinzip drei Tage zur Auswahl, an denen er das Geschlossenhalten der Verkaufsstellen bewirken kann.

Dieses Ermessen ist aber noch näher determiniert; allerdings nicht positiv umschrieben, sondern negativ abgegrenzt:

Nur wenn am Donnerstag-Nachmittag die Einkaufsbedürfnisse der Bevölkerung stärker als am Mittwoch sind, kann der Mittwoch-Nachmittag als 'Sperrhalbtag' festgesetzt werden. Ähnliches gilt für die Sperre der Verkaufsstellen am Samstag-Nachmittag. Nur wenn die Einkaufsbedürfnisse der berufstätigen Bevölkerung dies zulassen und auch den Ortsfremden aus Gründen der Wirtschaftsförderung keine Einkaufsmöglichkeiten geboten werden müssen, kann der Samstag-Nachmittag zum 'Sperrhalbtag' erklärt werden. Macht der Landeshauptmann von dieser Verordnungsermächtigung Gebrauch, so darf er dies nur unter der Voraussetzung tun, daß die Einkaufsbedürfnisse der berufstätigen Bevölkerung dies zulassen und auch unter Bedachtnahme auf ortsfremde Käufer keine Bedenken gegen das Geschlossenhalten der Verkaufsstellen bestehen. Im übrigen hat er von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch zu machen. Die EB (478 d BlgNR VIII. GP.) lassen in dieser Reihenfolge drei Zielsetzungen erkennen (vgl. die Untersuchung des Beirates für Wirtschafts- und Sozialfragen 'Öffnungszeiten', Wien 1986, Seiten 5 und 6):


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a)
die Bedachtnahme auf die Interessen der Verbraucher ('Der Entwurf geht von dem Gedanken aus, daß die Ladenschlußregelung einerseits den Verbrauchern den Einkauf zu einer Zeit ermöglichen muß, in der sie nicht selbst berufstätig sind...');


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b)
den Gesichtspunkt der Wettbewerbsregelung ('..., daß aber andererseits der Wettbewerb unter den Gewerbetreibenden diese nicht zu überlangen Geschäftszeiten nötigen, die vielfach betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigt wären.');


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c)
die sozialpolitische Funktion ('Obgleich die große Mehrheit der Handelsbetriebe in Österreich keine Dienstnehmer beschäftigt und die Arbeitszeit der Verkäufer durch die arbeitszeitrechtlichen Vorschriften geregelt ist, muß auch darauf Bedacht genommen werden, daß allzulange Geschäftszeiten - zumindest bei den Betrieben mit nur wenigen Ladenangestellten - die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften erschweren.')

Diese Zielsetzungen werden auch im Bericht des Handelsausschusses hervorgehoben (vgl. 498 BlgNR VIII GP, Seite 1). Auch Korinek kommt in seiner Untersuchung, 'Rechtsprobleme des Ladenschlußgesetzes, ÖZW 1978 Seite 5, offenbar zum Ergebnis, daß der Sinn der Ermessensübung im Gesetz deutlich zum Ausdruck kommt.

Der Landeshauptmann wird im Sinne des Gesetzes die entsprechenden wirtschaftlichen, wettbewerbsordnenden und sozialpolitischen Überlegungen anzustellen haben; durch diese Determinanten ist sein Ermessen beschränkt. Richtig ist, daß eine Verpflichtung, einen anderen Tag als den Donnerstag als 'Sperrhalbtag' festzusetzen, für den Landeshauptmann nicht besteht. Das Gesetz legt hier einerseits einen Grundsatz fest, andererseits wird ein Abgehen von diesem Grundsatz durch einen Akt des Ermessens im Rahmen der erwähnten wirtschaftlichen, wettbewerbsordnenden und sozialpolitischen Erwägungen ermöglicht. Auch Korinek (a.a.O. Seite 5f) bejaht offenbar die ausreichende Bestimmtheit der in Prüfung gezogenen Regelungen.

Die Bundesregierung vermeint daher, daß die Regelung des § 3 Abs 1 und 3 des Ladenschlußgesetzes als Ermessensbestimmung anzusehen ist, wobei der Sinn des Gesetzes in den angegebenen Zielvorstellungen zu erblicken und die Verordnungsermächtigung durch unbestimmte Gesetzesbegriffe ausreichend determiniert ist."

Den vom VfGH unter dem Gesichtspunkt der Erwerbsfreiheit (Art6 StGG) aufgeworfenen Bedenken hält die Bundesregierung folgendes entgegen:

"Nach Auffassung der Bundesregierung ist die in Prüfung gezogene Regelung aus den nachstehenden Gründen sowohl im öffentlichen Interesse gelegen als auch sachlich gerechtfertigt:

Das den in Prüfung gezogenen Regelungen innewohnende öffentliche Interesse muß sowohl im Lichte der historischen Entwicklung als auch im Spannungsfeld der erwähnten Zielsetzungen des Ladenschlußgesetzes gesehen werden. Zur historischen Entwicklung ist auf Morscher zu verweisen (Ladenschluß in Österreich - beim Großhandel im wesentlichen problemlos, JBl. 1979 Seite 462), der aufzeigt, daß die im Jahre 1919 getroffene Regelung (vgl. StGBl. 282/1919) Schutzbestimmungen für Arbeiter und Angestellte 'wie sie schon die bestehende Gesetzgebung gewährt', ausbauen und vertiefen will.

Die Regierungsvorlage zum Ladenschlußgesetz läßt diese Zielsetzung - neben den anderen genannten Zielen - ebenfalls erkennen (RV 478 BlgNR VIII. GP. Seite 4).

Nur in der Verwirklichung aller genannten (vgl. die Aufzählung unter Abschn. I), miteinander eng verbundenen Interessen kann dem öffentlichen Interesse am klaglosen Funktionieren des Kleinverkaufes (vgl. § 1 des Ladenschlußgesetzes) adäquat Rechnung getragen werden. Die im Ladenschlußgesetz getroffene Regelung muß in diesem Sinn als ausgewogen angesehen werden (vgl. auch den Bericht des Handelsausschusses, 498 BlgNR VIII GP Seite 1, der von einem 'tragbaren Mittelweg' spricht).

Dazu gehört auch, daß der 'Sperrhalbtag' zumindest für ein ganzes Bundesland einheitlich festgesetzt wird. Eine Regelung, die nur grundsätzlich anordnen würde, daß ein Halbtag pro Woche geschlossen zu halten ist ohne, daß die Festlegung dieses Halbtags durch ein Staatsorgan erfolgt, würde


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a)
eine für den Konsumenten unübersichtliche Situation schaffen.


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b)
Darüber hinaus ist aber das sozialpolitische Problem eines in das Belieben des Gewerbeinhabers gestellten 'Sperrhalbtages' nicht zu übersehen. Wenn man den vom Gesetzgeber ausdrücklich angesprochenen sozialpolitischen Regelungszweck (allzulange Geschäftszeiten erschweren die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften) anerkennt, dann wird ein in das individuelle Ermessen des Gewerbeinhabers gestellter 'Sperrhalbtag' problematisch. Einerseits könnte - bei beliebigem Wechsel des 'Sperrhalbtages' - der Arbeitnehmer im voraus seine Freizeit nicht planen, da er nie genau weiß, an welchem Halbtag in den folgenden Wochen der Gewerbeinhaber
seine
Verkaufsstellen geschlossen hält. Andererseits wäre die Überprüfung der Einhaltung des 'Sperrhalbtages' durch Organe der Gewerbeaufsicht und Arbeitsinspektion
äußerst***** erschwert.


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c)
Auch Wettbewerbsverzerrungen wären möglich. Verkaufsstellen mit mehr Personal könnten wesentlich leichter an einem bestimmten vielleicht umsatzträchtigeren, aber für die Arbeitnehmer als Arbeitstag besonders unattraktiven Halbtag offen halten (Rotations- bzw. Turnusdienst) als ein kleiner Gewerbetreibender.

Die bereits zitierte Untersuchung des Beirates für Wirtschafts- und Sozialfragen führt zum vorliegenden Problemkomplex folgendes aus:

'Bei den Untersuchungen des Arbeitsausschusses hat sich gezeigt, daß eine isolierte Veränderung der Öffnungszeiten ohne Bedachtnahme auf die Auswirkungen in zahlreichen anderen Bereichen und auf andere Wirtschaftszweige schon bei relativ geringfügigem Umfang der Veränderungen unerwünschte Nebeneffekte bewirken könnte: Verdrängung bestimmter Betriebe der Nahversorgung vom Markt, regionale Wettbewerbsverschiebungen, Auswirkungen auf infrastrukturelle Bedingungen (Verkehrsorganisation) und familiäre Probleme der im Handel Tätigen sind hier ebenso möglich wie Kosten- und Preissteigerungen. Darüberhinaus befürchten die Arbeitnehmer Qualifikationsverminderungen auf dem Personalsektor infolge verschlechterter Arbeitsbedingungen beispielsweise im Zuge einer Zerstückelung der täglichen Arbeitszeit für die betroffenen Arbeitnehmer mit einer Verringerung des Freizeitwertes.'

Auch dieser Befund bestätigt die Notwendigkeit, auf alle drei erwähnten Interessensbereiche in gleicher Weise Bedacht zu nehmen.

Da der Gesetzgeber bei der Verwirklichung des öffentlichen Interesses auf alle der angegebenen Interessesbereiche Bedacht nehmen muß, erscheint es auch nicht zulässig, einen der genannten Bereiche zu vernachlässigen, um auf diese Weise den notwendigen Eingriff in die Erwerbsfreiheit zu verringern.

Nach Auffassung der Bundesregierung ist daher die Festsetzung eines grundsätzlich einheitlichen 'Sperrhalbtages' ein sachgerechtes Mittel zur Erreichung der vom Gesetzgeber im Rahmen seiner rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit verfolgten Zielsetzung und damit zur Verwirklichung der genannten öffentlichen Interessen."

Abschließend führt die Bundesregierung aus, daß ihre Äußerung auch für alle künftigen, sachverhaltsähnlichen, mit dem gegenständlichen Verfahren verbundenen Verfahren zur Prüfung derselben Gesetzesbestimmung gelte.

II. 1. Beim VfGH ist weiters ein Verfahren zur Überprüfung eines im Instanzenzug ergangenen Bescheides des Landeshauptmanns von Tirol vom anhängig, mit dem über die dort bf. Partei wegen viermaliger Übertretung des § 2 Abs 2 der Tiroler Ladenschlußverordnung Geldstrafen verhängt wurden.

Aus Anlaß dieses Verfahrens leitete der VfGH aus denselben Erwägungen, die den VwGH zur Antragstellung beim VfGH bewogen haben, ein Verfahren zur Prüfung des § 2 Abs 2 der Tiroler Ladenschlußverordnung ein (dieses Verfahren ist zu V88/87 protokolliert). Überdies faßte der VfGH den Beschluß, auch aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der Absätze 1 und 3 des § 3 LSchG von Amts wegen zu prüfen und verwies hinsichtlich seiner Bedenken auf den oben genannten, die Verfahren G132,133/87 einleitenden Prüfungsbeschluß. Dieses Verfahren wird zu G181/87 geführt.

2.a) Mit einem beim VfGH am eingelangten Schriftsatz begehren weiters mehrere Antragsteller die Aufhebung des § 2 des Ladenschlußgesetzes - das Verfahren zu diesen Anträgen ist bem VfGH zu G153/87 protokolliert und wird getrennt geführt - sowie die Aufhebung der §§1 und 2 der V des Landeshauptmanns von Wien über den Ladenschluß an Werktagen (Wiener Ladenschlußverordnung), LGBl. 21/1965.

Diese Bestimmungen stehen unter der Rubrik "Allgemeine Ladenschlußzeiten" und lauten:

"§1

Alle ständigen und nichtständigen für den Kleinverkauf von Waren bestimmten Betriebseinrichtungen (Verkaufsstellen) sind, soweit sich nach den folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt, an Werktagen von 18 Uhr bis 8 Uhr, beim Kleinverkauf von Lebensmitteln von 18.30 Uhr bis 7 Uhr geschlossen zu halten.

§2

An Samstagen sind die Verkaufsstellen ab 13 Uhr, beim Kleinverkauf von Lebensmitteln bis 6.30 Uhr und ab 14 Uhr geschlossen zu halten."

b) Aus Anlaß eines dieser Anträge, nämlich des der T T & Co KG, in dem unter anderem § 2 der Wiener Ladenschlußverordnung als verfassungswidrig bekämpft wird, leitete der VfGH ebenfalls von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren zur Prüfung der Absätze 1 und 3 des § 3 LSchG ein.

Er nahm an, daß dieser Verordnungsprüfungsantrag zulässig ist. Da die antragstellende Gesellschaft Trägerin eines Handelsgewerbes in Wien sei, dürfte sie durch die durch das Ladenschlußgesetz und die Wiener Ladenschlußverordnung verfügten Beschränkungen der möglichen Offenhaltezeiten für ihre Verkaufsstellen direkt in ihrer Rechtssphäre betroffen sein. Auch dürfte der Eingriff in die Rechtssphäre nach Art und Ausmaß durch die V selbst eindeutig bestimmt sein und die Interessen der Antragstellerin aktuell berühren; ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffs in ihre Rechtsposition scheine nicht zur Verfügung zu stehen.

Der VfGH nahm weiters an, daß die angefochtene Bestimmung des § 2 der Wiener Ladenschlußverordnung ihre gesetzliche Grundlage in der in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmung haben dürfte, gegen deren Verfassungsmäßigkeit er dieselben Bedenken hegte, die das zu G132,133/87 eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren bestimmen. Dieses Verfahren ist zu G183/87 protokolliert.

III. Der VfGH hat erwogen:

1.a) Im Verfahren ist weder vorgebracht worden noch hervorgekommen, daß die Verfahren, aus deren Anlaß der VfGH die Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet hat, unzulässig sind. Dies gilt auch für den unter Pkt. II.2. geschilderten Individualantrag auf Prüfung des § 2 der Wiener Ladenschlußverordnung.

b) Der VfGH hat bei der Entscheidung über die Gesetzmäßigkeit der in den Anlaßverfahren angefochtenen Verordnungsstellen, die den sogenannten "Sperrhalbtag" auf Samstag verlegen und verfügen, daß die Verkaufsstellen an Samstagen nachmittags geschlossen zu halten sind, die in Prüfung stehenden, miteinander in untrennbarem Zusammenhang stehenden Absätze 1 und 3 des § 3 LSchG anzuwenden.

c) Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, sind die Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2.a) Die in Prüfung gezogene gesetzliche Regelung begrenzt die zulässigen Öffnungszeiten von Betriebseinrichtungen, beschränkt damit die Möglichkeit der Erwerbsausübung und greift daher in das verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf Erwerbsfreiheit ein.

Der Gesetzgeber ist nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 3968/1961, 4011/1961, 5871/1968, 9233/1981) dem Art 6 StGG zufolge ermächtigt, die Ausübung der Berufe dergestalt zu regeln, daß sie unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt und unter bestimmten Umständen verboten ist, sofern er dabei den Wesensgehalt des Grundrechts nicht verletzt und auch sonst der Verfassung entspricht. Die jüngere Judikatur (vgl. etwa VfSlg. 10179/1984 (mit Hinweisen auf VfSlg. 9237/1981); VfSlg. 10718/1985, 10932/1986; Erk. v. , G174/86; Erk. v. , G1/87, 171/87; Erk. v. , G75/87 und Erk. v. , B414/87) hat dies dahin ergänzt und präzisiert, daß eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsfreiheit beschränkt, nur zulässig ist, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, geeignet, zur Zielerreichung adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist.

Diesen Standpunkt hat der VfGH vornehmlich in Verfahren eingenommen, in denen Regelungen auf ihre Übereinstimmung mit der Erwerbsfreiheit zu prüfen waren, die den Erwerbsantritt beschränkt haben. Aber auch gesetzliche Regelungen, die die Berufsausübung beschränken, sind auf ihre Übereinstimmung mit der verfassungsgesetzlich verbürgten Erwerbsfreiheit zu prüfen und müssen dementsprechend durch ein öffentliches Interesse bestimmt und auch sonst sachlich gerechtfertigt sein (vgl. das Erk. VfSlg. 10718/1985, in dem der VfGH das in der Gewerbeordnung statuierte Werbeverbot für Kontaktlinsenoptiker als sachlich nicht gerechtfertigt qualifiziert hat).

Wenn die die Berufsausübung beschränkenden Regelungen im Sinne der oben genannten Entscheidung - durch ein öffentliches Interesse sachlich gerechtfertigt sein müssen, so bedeutet das, daß Ausübungsregelungen bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein müssen. Es steht jedoch dem Gesetzgeber bei Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf (den Erwerbsantritt) beschränken, weil und insoweit durch solche die Ausübung einer Erwerbstätigkeit regelnden Vorschriften der Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Rechtssphäre weniger gravierend ist, als durch Vorschriften, die den Zugang zum Beruf überhaupt behindern.

b) Im Einleitungsbeschluß ist der VfGH davon ausgegangen, daß die Ziele, denen die Ladenschlußregelungen dienen - die Bedachtnahme auf die Interessen der Verbraucher, die wettbewerbsordnende und die sozialpolitische Funktion - an sich im öffentlichen Interesse liegen. Diese Auffassung, der auch die Bundesregierung beigestimmt hat, hat sich als zutreffend erwiesen. Dem einfachen Gesetzgeber ist bei der Entscheidung, welche (etwa wirtschafts- und sozialpolitischen) Ziele er mit seinen Regelungen verfolgt, innerhalb der Schranken der Verfassung ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt. Der VfGH hat nicht zu beurteilen, ob die Verfolgung eines bestimmten Zieles etwa aus wirtschaftspolitischen oder sozialpolitischen Gründen zweckmäßig ist. Er kann dem Gesetzgeber nur entgegentreten, wenn dieser Ziele verfolgt, die keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen sind (vgl. etwa VfSlg. 9911/1983; Erk. v. , G1/87, 171/87; Erk. v. , B414/87). Solches kann man aber von den genannten Zielen, denen die Ladenschlußregelungen im allgemeinen und die in Prüfung stehenden Bestimmungen im besonderen dienen, mit guten Gründen nicht behaupten.

Es kann vernünftigerweise auch nicht bezweifelt werden, daß es ein an sich taugliches Mittel zur Erreichung der genannten Ziele darstellt, die zulässigen Offenhaltezeiten für Verkaufsstellen von Handelsbetrieben gesetzlich zu limitieren.

c) Die auf ihre Verfassungskonformität zu beurteilende Regelung setzt als Sperrhalbtag den Donnerstag Nachmittag fest (vgl. VfSlg. 5384/1966) und überläßt es dem Landeshauptmann, ihn auf Mittwoch oder Samstag Nachmittag zu verlegen, womit gleichzeitig dem Gewerbetreibenden die Entscheidung über das Offenhalten genommen wird. Der VfGH hatte daher nicht zu untersuchen, ob es zulässig wäre, von Gesetzes wegen einen bestimmten Tag als Sperrhalbtag festzulegen, sondern, ob die zu prüfende gesetzliche Regelung durch die Ziele, denen sie dient, gerechtfertigt werden kann:

Im Einleitungsbeschluß hat der Gerichtshof vorläufig den Standpunkt eingenommen, daß auch die Verfügung eines Sperrhalbtags für sich ein im Sinne der in der Vorjudikatur genannten Kriterien taugliches Mittel zur Zielerreichung darstellt. Er bleibt im Hinblick auf die im Prüfungsbeschluß im Anschluß an die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (478 BlgNR, 8. GP) dargestellten wettbewerbsordnenden und sozialpolitischen Funktionen des Ladenschlußgesetzes bei dieser Ansicht:

Wenn der Gesetzgeber bei der Erlassung der in Prüfung stehenden Bestimmungen von der Auffassung ausgegangen ist, daß die Anordnung eines Sperrhalbtags zur Zielerreichung geeignet und sachlich gerechtfertigt ist, so kann ihm nicht entgegengetreten werden. Zwar stellt eine solche Vorschrift eine relativ weitgehende Beschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit dar, doch kann dieser Eingriff im Hinblick auf die Ziele, denen das Gesetz dient und angesichts der Funktion des Gesetzes, unterschiedliche Interessen auszugleichen, noch als gerechtfertigt qualifiziert werden, wenn dem Gewerbetreibenden dabei nicht jede Dispositionsmöglichkeit genommen ist, sondern nur vorgeschrieben ist, daß er - abgesehen von der Einhaltung der Sonn- und Feiertagsruhe - seine Betriebsstellen an einem Halbtag geschlossen zu halten hat. Dieser Eingriff ist aber - wie sich aus folgenden Erwägungen ergibt - nicht mehr adäquat, wenn die Bestimmung, an welchem Halbtag der Sperrverpflichtung nachzukommen ist, einem Verwaltungsorgan übertragen wird:

Daß die wettbewerbsordnende Funktion des Ladenschlußgesetzes, die Gewerbetreibenden nicht zu überlangen Öffnungszeiten zu veranlassen, diese Beschränkung nicht zu rechtfertigen vermag, versteht sich von selbst. Aber auch die sozialpolitische Funktion des Ladenschlußgesetzes ist nicht geeignet, die sachliche Rechtfertigung der in Rede stehenden Beschränkung in ihrer gesetzlichen Ausprägung darzutun:

Zunächst ist darauf zu verweisen, daß die Regelung und Begrenzung der Arbeitszeit, in der Dienstnehmer beschäftigt werden dürfen, primär Aufgabe der arbeits(zeit)rechtlichen Regelungen (insb. des ArbeitszeitG und des ArbeitsruheG) ist. Dennoch hat auch das Ladenschlußgesetz - wenngleich es Unternehmer auch dann bindet, wenn sie keine Arbeitnehmer beschäftigen - eine sozialpolitische (Hilfs)Funktion, die sich daraus ergibt, daß allzulange Geschäftszeiten bei jenen Handelsbetrieben, die Arbeitnehmer beschäftigen, die Einhaltung arbeitszeitrechtlicher Vorschriften erschweren könnten (EB zum Entwurf des geltenden Ladenschlußgesetzes, 478 BlgNR, 8. GP).

Ohne Zweifel können auch Auswirkungen von primär gewerberechtlichen Vorschriften auf die Lage der Arbeitnehmer eine Beschränkung der Freiheit der Erwerbsbetätigung (sowohl der selbständig wie auch der unselbständig Tätigen) rechtfertigen, wenn das Gewicht der geschützten Interessen die Grundrechtsbeschränkung zu rechtfertigen vermag. So werden etwa Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer, sofern sie die freie Erwerbs- und Berufsausübung einschränken, auch weitgehende Beschränkungen des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts rechtfertigen und auch Vorkehrungen für ausreichende Ruhe- und Erholungszeiten sowie der Schutz vor überlangen Arbeitszeiten werden eine weitergehende Beschränkung der sich aus Art 6 StGG ergebenden Rechtspositionen rechtfertigen.

Das Interesse an einer einheitlichen Festlegung des Sperrhalbtags durch den Landeshauptmann ist allerdings nicht von solchem Gewicht. Eine solche Regelung berührt - wie die Bundesregierung darlegt - die Interessen der Arbeitnehmer von Handelsbetrieben vor allem dadurch, daß ihr Wegfall mit einer möglichen Beeinträchtigung der Vorhersehbarkeit der individuellen Arbeitszeit verbunden ist. Zwar ist auch eine solche Auswirkung nicht ohne Bedeutung, doch vermag sie die bestehende Einschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit, die die Bestimmung des Sperrhalbtags zur Gänze dem Landeshauptmann überträgt, nicht zu rechtfertigen.

Dem Argument der Bundesregierung, die Regelung sei im Dienst der Vorhersehbarkeit der individuellen Arbeitszeit sachlich gerechtfertigt und adäquat, ist überdies zu erwidern, daß die maximalen Offenhaltezeiten auch nach geltendem Recht deutlich über den zulässigen Arbeitszeiten des Verkaufspersonals liegen, sodaß schon heute eine Anpassung der individuellen Arbeitszeit an die konkreten Bedürfnisse der Handelsunternehmungen notwendig ist und die Vorhersehbarkeit der individuellen Arbeitszeit bereits nach derzeitiger Rechtslage beschränkt ist.

Wenn die Bundesregierung die Regelung dadurch gerechtfertigt sieht, daß auf diese Weise eine für den Konsumenten besser überschaubare Situation geschaffen werde, so ist ihr entgegenzuhalten, daß ja die erlaubten Öffnungszeiten den Unternehmer nicht verpflichten, seine Verkaufsstellen offenzuhalten, sodaß die Einheitlichkeit der erlaubten Offenhaltezeit dem Konsumenten keineswegs die Sicherheit zu geben vermag, zu diesen Zeiten offene Geschäfte anzutreffen. Dies zeigt sich auch schon in der derzeitigen Praxis vieler Unternehmer zur individuellen Gestaltung der Offenhaltezeiten ihrer Verkaufsstellen im Rahmen der erlaubten Maximal-Offenhaltezeit.

Der Hinweis der Bundesregierung schließlich, eine Aufhebung der in Prüfung stehenden Vorschrift würde zu einer Veränderung der Chancen im Wettbewerbsprozeß führen (den Unternehmer mit vielen Arbeitnehmern durch Rotations- bzw. Turnusdienste besser ausnützen könnten), ist schon vom Ansatz her verfehlt. Denn abgesehen davon, daß Handelsbetriebe ohne oder mit nur wenigen Dienstnehmern je nach ihrer Struktur eben wieder andere Möglichkeiten haben, sich auf die Marktbedürfnisse einzustellen, verkennt diese Argumentation den Sinn der Erwerbsfreiheit, der - sieht man von (hier nicht vorliegenden) Sondersituationen (vgl. zB VfSlg. 10386/1985) ab - nicht darin liegt, daß bestimmten Unternehmen ein wirtschaftlicher Schutz garantiert wird (vgl. VfSlg. 8765/1980), sondern darin, ihnen die Erwerbsausübung im Rahmen eines geordneten Wettbewerbs zu ermöglichen.

d) Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen waren somit wegen Widerspruchs zu der verfassungsrechtlich grundgelegten Erwerbsausübungsfreiheit (Art6 Abs 1 letzter Fall StGG) aufzuheben.

3. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die vom VfGH unter dem Gesichtspunkt des Art 18 B-VG geäußerten Bedenken einzugehen.

4. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B-VG.

Der Ausspruch, daß frührere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VerfGG.