VfGH vom 14.06.1991, g177/90
Sammlungsnummer
12741
Leitsatz
Feststellung der Verfassungswidrigkeit des § 56 und § 57 BSVG betreffend das Ruhen von Pensionsansprüchen bei Zusammentreffen mit Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz; Hinweis auf Aufhebung der Ruhensbestimmungen im ASVG durch den Verfassungsgerichtshof
Spruch
I. § 56 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes - BSVG, BGBl. 559/1978, war in den Fassungen der 13. BSVG-Novelle, BGBl. 751/1988, und der 15. BSVG-Novelle, BGBl. 296/1990, verfassungswidrig.
II. § 57 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes - BSVG, BGBl. 559/1978, war in der Fassung der 9. BSVG-Novelle, BGBl. 113/1986, verfassungswidrig.
III. Der Bundeskanzler ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Das Oberlandesgericht Graz beantragt nach Art 140 B-VG die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des § 56 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes - BSVG, BGBl. 559/1978, in den Fassungen der 13. Novelle zum BSVG, BGBl. 751/1988, und der 15. Novelle zum BSVG, BGBl. 296/1990, (letztere deshalb, weil diese, obwohl erst nach der Antragstellung erlassen, gemäß ihrem ArtIV Abs 2 Z 2 auf den und damit auch auf die Zeit vor der Antragstellung so zurückwirkt, daß die im Antrag zitierte 14. Novellierung des § 56 BSVG außer Kraft gesetzt wird) sowie § 57 BSVG in der Fassung der 9. Novelle zum BSVG, BGBl. 113/1986.
II. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
In den §§56 und 57 BSVG werden Bestimmungen über das Ruhen von Pensionsansprüchen bei deren Zusammentreffen mit Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit getroffen.
Während § 56 BSVG beim Zusammentreffen eines Pensionsanspruches aus der Pensionsversicherung mit Erwerbseinkommen aus einer die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz nicht begründenden Erwerbstätigkeit ein teilweises Ruhen der Pension vorsieht, bestimmt § 57 Abs 1 BSVG, daß beim Zusammentreffen eines Pensionsanspruches mit Einkommen aus einer die Pflichtversicherung nach dem BSVG begründenden Erwerbstätigkeit der Pensionsanspruch zur Gänze ruht. Von der Rechtsfolge des gänzlichen Ruhens werden in § 57 Abs 2 BSVG allerdings Witwen(Witwer)pensionen ausgenommen, wenn die die Pflichtversicherung nach dem BSVG begründende Erwerbstätigkeit ausschließlich in der Führung des vom verstorbenen Ehegatten im Zeitpunkt seines Todes geführten land- und forstwirtschaftlichen Betriebes besteht oder dessen Führung er dem Ehegatten schon vorher ganz oder teilweise übertragen hat und er in der Folge einen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine Erwerbsunfähigkeitspension nach § 123 BSVG gehabt hat. Auf diese beiden Tatbestände wird der Anwendungsbereich des § 56 BSVG ausgedehnt.
A. § 56 Abs 1 BSVG in der Stammfassung (BGBl. 559/1978), die Absätze 1 und 2 des § 56 BSVG in der Fassung der 13. Novelle (BGBl. 751/1988) sowie der gesamte § 56 BSVG in der Fassung der 15. Novelle (BGBl. 296/1990) lauteten wie folgt:
1. § 56 Abs 1 BSVG in der Stammfassung:
"(1) Wird neben einem Pensionsanspruch aus der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz mit Ausnahme des Anspruches auf Waisenpension noch Erwerbseinkommen (Abs2 und 3) aus einer gleichzeitig ausgeübten Erwerbstätigkeit, die nicht die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz begründet, erzielt, so ruht der Grundbetrag mit dem Betrag, um den das im Monat gebührende Erwerbseinkommen 4542 S übersteigt, höchstens jedoch mit dem Betrag, um den die Summe aus Pension und Erwerbseinkommen im Monat den Betrag von 7811 S übersteigt. An die Stelle der Beträge von 4542 S und 7811 S treten ab 1. Jänner eines jeden Jahres die unter Bedachtnahme auf § 47 mit der jeweiligen Richtzahl (§45) vervielfachten Beträge. Das Ruhen des Grundbetrages entfällt bei Pensionen aus eigener Pensionsversicherung, sobald
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a) | der Pensionist das 65. Lebensjahr vollendet hat und | |||||||||
b) | die Summe der in dieser Pension berücksichtigten und der nach deren Stichtag erworbenen Beitragsmonate der Pflichtversicherung oder der freiwilligen Versicherung mindestens 540 beträgt; hiebei | |||||||||
sind die Beitragsmonate der Pensionsversicherung nach diesem und nach anderen Bundesgesetzen zusammenzuzählen. |
Gebührt neben einer Pension aus eigener Pensionsversicherung, deren Grundbetrag wegen Zutreffens der Voraussetzungen gemäß lita und b nicht ruht, auch eine Witwenpension, so erstreckt sich der Entfall des Ruhens auch auf den Grundbetrag der Witwenpension."
2. § 56 Abs 1 und 2 BSVG in der Fassung der 13. Novelle:
"(1) Wird neben einem Pensionsanspruch aus der Pensionsversicherung mit Ausnahme des Anspruches auf Waisenpension noch Erwerbseinkommen (Abs3 und 4) aus einer gleichzeitig ausgeübten Erwerbstätigkeit, die nicht die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz begründet, erzielt, so ruhen unbeschadet des Abs 2 40 vH der Pension mit dem Betrag, um den das im Monat gebührende Erwerbseinkommen 3 306 S übersteigt, höchstens jedoch mit dem Betrag, um den die Summe aus Pension zuzüglich Hilflosenzuschuß und Erwerbseinkommen im Monat den Betrag von 7 231 S übersteigt. An die Stelle der Beträge von 3 306 S und 7 231 S treten ab 1. Jänner eines jeden Jahres die unter Bedachtnahme auf auf § 47 mit der jeweiligen Aufwertungszahl (§45) vervielfachten Beträge.
(2) Ist Abs 1 auf einen Anspruch auf
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a) | Witwen(Witwer)pension anzuwenden, | |||||||||
b) | Erwerbsunfähigkeitspension anzuwenden und wird das Erwerbseinkommen aus einer Erwerbstätigkeit erzielt, zu deren Ausübung der Versicherte durch Maßnahmen der Rehabilitation (§149 Abs 1 dieses Bundesgesetzes bzw. §§198 Abs 1 und 300 Abs 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes bzw. § 157 Abs 1 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes) befähigt wurde oder auf Grund deren der Versicherte während des Anspruches auf diese Pension, ohne daß ihm Maßnahmen der Rehabilitation gewährt worden sind, mindestens 36 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben hat, | |||||||||
so ruhen 40 vH der Witwen(Witwer)pension bzw. der Erwerbsunfähigkeitspension mit dem Betrag, um den das im Monat gebührende Erwerbseinkommen 6 156 S übersteigt, höchstens jedoch mit dem Betrag, um den die Summe aus Pension zuzüglich Hilflosenzuschuß und Erwerbseinkommen im Monat den Betrag von 10 585 S übersteigt. An die Stelle der Beträge von 6 156 S und 10 585 S treten ab 1. Jänner eines jeden Jahres die unter Bedachtnahme auf § 47 mit der jeweiligen Aufwertungszahl vervielfachten Beträge. Die Voraussetzung des Vorliegens von 36 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung entfällt, sofern der Versicherte Beitragsmonate der Pflichtversicherung erwirbt und ihm in dieser Zeit ein Freibetrag auf Grund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 65 vH nach § 35 Abs 3 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400, gebührt." |
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3. §56 BSVG in der Fassung der 15. Novelle: |
"(1) Wird neben einem Pensionsanspruch aus der Pensionsversicherung mit Ausnahme des Anspruches auf Waisenpension noch Erwerbseinkommen (Abs3 und 4) aus einer gleichzeitig ausgeübten Erwerbstätigkeit, die nicht die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz begründet, erzielt, so ruhen unbeschadet des Abs 2 40 vH der Pension, mit dem Betrag, um den das im Monat gebührende Erwerbseinkommen 8 000 S übersteigt, höchstens jedoch mit 50 vH des Betrages, um den die Summe aus Pension zuzüglich Hilflosenzuschuß und Erwerbseinkommen im Monat den Betrag von 14 000 S übersteigt. An die Stelle der Beträge von 8 000 S und 14 000 S treten ab 1. Jänner eines jeden Jahres, erstmals ab , die unter Bedachtnahme auf auf § 47 mit der jeweiligen Aufwertungszahl (§45) vervielfachten Beträge.
(2) Ist Abs 1 auf einen Anspruch auf Witwen(Witwer)pension anzuwenden, so ruhen 40 vH der Witwen(Witwer)pension mit 25 vH des Betrages, um den die Summe aus Pension zuzüglich Hilflosenzuschuß und Erwerbseinkommen im Monat den Betrag von 14 000 S übersteigt, höchstens jedoch mit dem Betrag des Erwerbseinkommens. An die Stelle des Betrages von 14 000 S tritt ab 1. Jänner eines jeden Jahres, erstmals ab , der unter Bedachtnahme auf § 47 mit der jeweiligen Aufwertungszahl (§45) vervielfachte Betrag.
(3) Als Erwerbseinkommen im Sinne des Abs 1 gilt bei einer gleichzeitig ausgeübten
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a) | unselbständigen Erwerbstätigkeit das aus dieser Tätigkeit gebührende Entgelt; | |||||||||
b) | selbständigen Erwerbstätigkeit der auf den Kalendermonat entfallende Teil der nachgewiesenen Einkünfte aus dieser Erwerbstätigkeit. | |||||||||
Hinsichtlich der Ermittlung des Erwerbseinkommens aus einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb ist § 140 Abs 5 und 6 entsprechend anzuwenden. Als Erwerbseinkommen im Sinne des Abs 1 gelten auch die im § 23 Abs 2 des Bezügegesetzes, BGBl. Nr. 273/1972, bezeichneten Bezüge. |
(4) Hat der Pensionsberechtigte Anspruch auf eine Beihilfe nach den besonderen Vorschriften über den Familienlastenausgleich, sind vom Erwerbseinkommen für jedes Kind, für das Anspruch auf eine Beihilfe besteht, 1 585 S im voraus abzusetzen. An die Stelle dieses Betrages tritt ab 1. Jänner eines jeden Jahres der unter Bedachtnahme auf § 47 mit der jeweiligen Aufwertungszahl (§45) vervielfachte Betrag.
(5) Gebührt im Anschluß an einen Entgeltbezug Krankengeld aus der Krankenversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz oder wird aus dieser Versicherung Anstaltspflege gewährt, so ruht für die Dauer des Anspruches auf Krankengeld oder der Gewährung von Anstaltspflege der Pensionsanspruch in der bisherigen Höhe weiter; hiebei ist die Verwirkung (§88 Abs 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) oder Versagung (§142 Abs 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) des Krankengeldanspruches dem Krankengeldanspruch gleichzuhalten. Der Gewährung von Anstaltspflege ist die Unterbringung des Versicherten in einem Genesungs-, Erholungs- oder Kurheim oder einer Sonderkrankenanstalt und der Ersatz der Verpflegskosten gemäß § 131 oder § 150 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes gleichzustellen.
(6) Waren die Voraussetzungen für die Anwendung der Abs 1 bzw. 2 nicht während eines ganzen Kalenderjahres gegeben, weil
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a) | der Pensionsberechtigte nicht während des ganzen Jahres Anspruch auf Pension hatte oder | |||||||||
b) | nicht ständig erwerbstätig war oder | |||||||||
c) | hat der Pensionsberechtigte während der Zeit, in der er Anspruch auf Pension hatte, ein Erwerbseinkommen (Abs3) erzielt, das in den einzelnen |
Kalendermonaten nicht gleich hoch war,
kann er beim leistungszuständigen Versicherungsträger bis 31. März des folgenden Kalenderjahres beantragen, daß die Bestimmungen der Abs 1 bzw. 2 für das vorangegangene Kalenderjahr oder den Teil desselben, für den ein Pensionsanspruch bestand, neuerlich angewendet werden, in den Fällen der litb und c, sofern das erzielte Erwerbseinkommen während des ganzen Kalenderjahres das Zwölffache des nach § 5 Abs 2 litc des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes jeweils in Betracht kommenden Monatseinkommens im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschritten hat; als monatlich erzieltes Erwerbseinkommen ist dabei das im Durchschnitt auf die Monate, in denen Pensionsanspruch bestand, entfallende Erwerbseinkommen anzunehmen. Eine solche neuerliche Feststellung kann jederzeit auch von Amts wegen erfolgen. Ergibt sich daraus ein Mehrbetrag gegenüber dem zur Auszahlung gelangten monatlichen Pensionsbetrag, ist der Mehrbetrag dem Pensionsberechtigten zu erstatten.
(7) Wird neben mehreren Pensionsansprüchen Erwerbseinkommen aus einer gleichzeitig ausgeübten Erwerbstätigkeit erzielt, ist zunächst Abs 1 auf Pensionsansprüche aus eigener Pensionsversicherung anzuwenden. Dabei sind diese Pensionsansprüche zu einer Einheit zusammenzufassen. Der Ruhensbetrag ist auf diese Pensionsansprüche nach deren Höhe aufzuteilen. Besteht auch Anspruch auf Witwen(Witwer)pension, sind alle Pensionsanprüche zu einer Einheit zusammenzufassen und um den Ruhensbetrag nach Abs 1 zu vermindern. Danach ist Abs 2 anzuwenden."
B. § 57 BSVG lautete in der Stammfassung (BGBl. 559/1978) sowie in der Fassung der 9. Novelle (BGBl. 113/1986) wie folgt:
1. § 57 BSVG in der Stammfassung:
"Übt der Pensionsberechtigte eine die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz begründende Erwerbstätigkeit aus, so ruht der Pensionsanspruch mit Ausnahme des Anspruches auf Waisenpension für die Dauer dieser Erwerbstätigkeit. Das Ruhen erfaßt auch die Zuschüsse und Zuschläge, jedoch nicht die besonderen Steigerungsbeträge für Höherversicherung (§132)."
2. § 57 BSVG in der Fassung der 9. Novelle:
"(1) Übt der Pensionsberechtigte eine die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz begründende Erwerbstätigkeit aus, so ruht der Pensionsanspruch mit Ausnahme des Anspruches auf Waisenpension für die Dauer dieser Erwerbstätigkeit.
(2) Abs 1 ist auf Witwen(Witwer)pensionen nicht anzuwenden, wenn die die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz begründende Erwerbstätigkeit ausschließlich in der Führung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes besteht, den der verstorbene Betriebsinhaber im Zeitpunkt seines Todes geführt hatte oder dessen Führung er schon vorher seinem Ehegatten ganz oder teilweise übertragen hat und wenn er in der Folge einen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine Erwerbsunfähigkeitspension nach § 123 gehabt hat. Eine solche Erwerbstätigkeit ist jedoch einer Erwerbstätigkeit im Sinne des § 56 gleichzuhalten."
C. Mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 1991, BGBl. 157/1991, wurden die §§56 und 57 BSVG mit Wirksamkeit ab aufgehoben (ArtIII Z 1 und 2 iVm ArtXI).
III. In seinem Antrag macht das Oberlandesgericht Graz die Verfassungswidrigkeit des (gesamten) § 56 BSVG und des (gesamten) § 57 BSVG wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot geltend.
1. Zur Antragslegitimation führt das Oberlandesgericht Graz aus, daß dem gerichtlichen Verfahren eine Klage gegen einen Bescheid des Sozialversicherungsträgers über das gänzliche Ruhen einer der Klägerin gebührenden Witwenpension ab dem infolge einer die Pflichtversicherung nach dem BSVG begründenden Erwerbstätigkeit zugrunde liege. Bei der Entscheidung habe es § 57 Abs 1 BSVG anzuwenden. Die Bestimmung sei Teil der umfassenden Pensionsruhensregelung bei Zusammentreffen von Pensionseinkommen mit Einkommen aus Erwerbstätigkeit (§§56 und 57 BSVG). So sei § 57 Abs 2 als Ausnahme von § 57 Abs 1 BSVG ohne letzteren nicht denkbar. § 56 leg.cit. sei mit § 57 Abs 2 BSVG insoweit verknüpft, als im Ausnahmefall des § 57 Abs 2 die Bestimmung des § 56 BSVG Anwendung finde. Die Ruhensregelung sei daher als einheitliches Gesetzgebungsthema aufzufassen, dessen Regelung dem Oberlandesgericht Graz verfassungsrechtlich insgesamt bedenklich erscheine.
2. Seine Bedenken legt das antragstellende Gericht folgendermaßen dar:
"...
Die Bedenken des Berufungsgerichtes gründen sich ... nur auf
... die Verletzung d(es) Gleichheitsgrundsatzes.
Der Oberste Gerichtshof hat in verschiedenen Verfahren (z.B. Beschluß vom in 10 Ob S 167/88 und vom in 10 Ob S 122/89) grundsätzliche Bedenken gegen das Bestehen von Ruhensbestimmungen bei Zusammentreffen von Pensionseinkommen nach ASVG und Einkommen aus Erwerbstätigkeit geltend gemacht (vgl. hiezu den im hg. Erkenntnis vom , G33,34/89 ua., S. 10 ff., zitierten Antrag des Obersten Gerichtshofes). Er hat in einer weiteren Entscheidung (Beschluß vom in 10 Ob S 345/88) diese Bedenken auf die im wesentlichen mit §§56, 57 BSVG gleichlautenden §§60, 61 GSVG erstreckt (vgl. hiezu die im hg. Erkenntnis vom , G252,253/1989 ua., S. 13 ff., zitierten Bedenken des Obersten Gerichtshofes). Das Berufungsgericht teilt diese Bedenken auch rücksichtlich der Ruhensbestimmungen im Bereich der Pensionsversicherung der in der Land(Forst-)wirtschaft selbständig erwerbstätigen Versicherten und führt dazu aus:
Eine neuerliche Prüfung der Verfassungsgemäßheit von Ruhensbestimmungen in Sozialversicherungsgesetzen, so auch im BSVG, ist deshalb erforderlich, weil sich seit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 5241, in welchem § 94 ASVG in der damaligen Fassung nicht als gleichheitswidrig erkannt wurde, einerseits die Ruhensbestimmungen des § 94 ASVG (und jene anderer Sozialversicherungsgesetze, insbesondere auch des B-PVG, BGBl. 1970/28, und des BSVG, BGBl. 1978/559), bedingt durch die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und budgetären Erfordernisse grundlegend geändert haben und andererseits diese Bestimmungen einer Überprüfung im Lichte des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , G184 - 194, 200/87, über die Verfassungsmäßigkeit des § 40 a Pensionsgesetz bedürfen.
Das resultiert einmal daraus, daß durch die Novellierung der Sozialversicherungsgesetze seit 1966 der Versorgungscharakter des Sozialversicherungsrechtes gegenüber versicherungsrechtlichen Elementen in den Hintergrund getreten ist. Zum anderen sind die vom Gesetzgeber vorgegebenen Ziel der 39., 40. und 48. ASVG-Novelle (7., 8. und 14. BSVG-Novelle), womit die Ruhensbestimmungen im wesentlichen ihre heutige Gestalt erhielten, nämlich die Sicherung der Arbeitsplätze und die Entlastung des Bundeshaushaltes, hiedurch kaum erreichbar. Dies deshalb, weil die weit überwiegende Zahl der ruhenden Pensionen Witwen- bzw. Witwerpensionen sind, also Pensionen von Personen, die unabhängig vom Ruhen ihrer Pension meist erwerbstätig sind und bleiben, während die Entlastung des Bundeshaushaltes durch das Ruhen von Pensionen nur unbedeutend sein kann, wenn gerade den Ruhensbestimmungen unterliegende Witwen- und Witwerpensionisten in § 94 Abs 2 ASVG (§56 Abs 2 BSVG) einer günstigeren Regelung unterworfen sind als die weiterhin erwerbstätigen Alterspensionisten, deren Zahl wiederum vergleichsweise unbedeutend ist. Die Ungleichbehandlung von erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Pensionisten scheint daher keine sachliche Rechtfertigung mehr zu haben.
Des weiteren erscheint § 94 ASVG (§§56, 57 BSVG) auch im Hinblick auf die mittlerweile erfolgte Aufhebung des § 40 a Pensionsgesetz verfassungsmäßig bedenklich. Zwischen Beamtenpensionen und ASVG-(BSVG-)Pensionen bestehen nicht mehr die Unterschiede wie im Jahre 1958 (VfSlg. 3389). Die Beitragsleistung des Versicherten bzw. des Beamten wurde weitgehend angeglichen. Die staatliche Beitragsleistung zur Pensionsversicherung hat sich sukzessive erhöht, sodaß auch bei den ASVG-(BSVG-)Versicherten nicht von einer Risikogemeinschaft der Angehörigen einer Sozialversicherungsgemeinschaft zur Abdeckung der Ansprüche einzelner gesprochen werden kann. Die Bestimmungen des ASVG (BSVG) über die Aufnahme in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis und das Ausscheiden aus einem solchen (§§308 f ASVG bzw. 164 f BSVG) und die Pflicht zur Leistung von Überweisungsbeiträgen, wenn kein Ruhe-(Versorgungs-)genußanspruch erwachsen ist (§§311 ASVG bzw. 167 BSVG), könnten auch dafür sprechen, daß die Unterschiede zwischen Beamtenpensionen und Sozialversicherungspensionen überwiegend in der rechtlichen Konstruktion und nicht wesentlich im tatsächlichen liegen, sodaß die nunmehrige Regelung, wonach Beamtenpensionen bei Zusammentreffen mit Erwerbseinkommen keine Schmälerung erfahren, Sozialversicherungspensionen aber schon, gleichheitswidrig sein könnte."
IV. 1. Aufgrund einer Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes hat die Sozalversicherungsanstalt der Bauern zu bestimmten, im Gesetzesprüfungsantrag enthaltenen Tatsachenbehauptungen statistische Unterlagen übermittelt.
2. Die Bundesregierung hat weder zu diesem Antrag eine Äußerung erstattet noch hat sie sich zu den ihr übersendeten (unter 1. erwähnten) statistischen Unterlagen geäußert.
3.1. Im Hinblick auf das hg. Erkenntnis vom , G33,34/89 ua., richtete der Verfassungsgerichtshof des weiteren an die Bundesregierung und alle Beteiligten die Aufforderung, zur Frage Stellung zu nehmen, ob und bejahendenfalls welche Unterschiede zwischen den Ruhensregelungen der §§56 und 57 BSVG und der Ruhensregelung des (aufgehobenen) § 94 ASVG bestehen.
3.2. Übereinstimmend wird in allen Stellungnahmen festgehalten, daß zwischen der Ruhensregelung des § 56 BSVG und jener des aufgehobenen § 94 ASVG keine Unterschiede bestehen.
3.2.1. Zu § 57 BSVG weist die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme darauf hin, daß diese Bestimmung
"die konsequente Fortsetzung der gesetzgeberischen Grundsatzentscheidung dar(stelle), daß Pensionsleistungen der Alterspension grundsätzlich nur dann gebühren sollen, wenn die die Pensionsversicherungspflicht begründende Tätigkeit aufgegeben wurde.
§ 57 BSVG war im systematischen Zusammenhang mit § 121 BSVG in der bis zum geltenden Fassung zu sehen, der in Abs 2 als Voraussetzung für den Anspruch auf Alterspension vorsah, daß der (die) Versicherte am Stichtag keine die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz begründende Erwerbstätigkeit ausübt."
3.2.2. Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern führte in ihrer Stellungnahme aus:
"Abgesehen von (der) ... Sonderregelung (des § 57 Abs 2 BSVG) lassen sich die Ruhensgrundsätze des § 57 BSVG historisch bis zum Inkrafttreten des LZVG, BGBl. 293/57, per zurückverfolgen.
Vorbild für § 57 BSVG war § 35 B-PVG, BGBl.28/70, per , welcher ebenfalls mit Ausnahme der Waisenpensionen ein gänzliches Ruhen des Pensionsanspruches bei Zusammentreffen desselben mit einer die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz begründenden Erwerbstätigkeit für die Dauer eben dieser Erwerbstätigkeit normierte.
Diese Bestimmung wiederum war § 41 LZVG nachgebildet, wobei dieser allerdings ein abgestuftes Ruhensausmaß in Abhängigkeit von der betraglichen Höhe des für die gesamte bewirtschaftete Fläche ermittelten Grundsteuermeßbetrages vorsah. Die Abstufung erfolgte aus Anlaß der verhältnismäßig geringen Höhe der Zuschußrente.
Welche rechtspolitischen Überlegungen jedoch allen drei genannten Bestimmungen gemeinsam zugrunde lag, kann den Erläuternden Bemerkungen zum Stammgesetz des LZVG (344 der Beilagen VIII.GP) entnommen werden:
'Es soll die Umgehung des Gesetzes in der Richtung verhindert werden, daß der Versicherte eine nach diesem Gesetz versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit, deren Ausübung die Voraussetzung für den Leistungsanspruch nicht eintreten läßt (§66 Abs 2 LZVG), zwecks Erlangung der Zuschußrente aufgibt und nach deren Gewährung wieder aufnimmt.'
Dieser bis fortgeführte Grundsatz fußte auf der agrarpolitischen Überlegung, den Generationenwechsel in der land(forst)wirtschaftlichen Betriebsführung sicherzustellen."
3.2.3. Die Klägerin des Anlaßverfahrens führte aus:
"Der wesentlichste Unterschied hat gemäß § 57 (1) ... darin bestanden, daß beim Zusammentreffen eines Pensionsanspruchs mit einer die Pflichtversicherung nach BSVG begründenden Erwerbstätigkeit auch der Anspruch auf Witwenpension zur Gänze geruht hat.
...
Zweifellos waren im Hintergrund auch bei den Bestimmungen der §§56 und 57 BSVG die gleichen sozialpolitischen und budgetpolitischen Überlegungen gegeben wie bei den Ruhensbestimmungen des ASVG.
...
In den Fällen des § 57 (1) BSVG hätte nur die totale Aufgabe meiner Tätigkeit als Landwirtin zur Erlangung der Witwenpension nach meinem verstorbenen Mann geführt.
Im übrigen sollen, soweit bekannt, in der Steiermark nur rund 100 verwitwete Personen von der Ruhensbestimmung des § 57 (1) BSVG betroffen gewesen sein, was die Gleichheitswidrigkeit besonders deutlich macht. Sehr krass war überdies die Gleichheitswidrigkeit im Vergleich zur Personengruppe des § 57 (2) BSVG."
V. 1. Der Gesetzesprüfungsantrag ist - da sämtliche Prozeßvoraussetzungen gegeben sind - zulässig:
Der Verfassungsgerichtshof hält sich nach seiner ständigen Rechtsprechung nicht für berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Ein Antrag auf Gesetzesprüfung im Sinne des Art 140 B-VG darf daher nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig ist, daß das antragstellende Gericht das angefochtene Gesetz (die angefochtene Gesetzesstelle) anzuwenden hätte (vgl. zB VfSlg. 10296/1984). Davon kann im vorliegenden Fall aber nicht die Rede sein.
Das Oberlandesgericht Graz geht von der Annahme aus, daß die §§56 und 57 BSVG in den im Anfechtungsantrag genannten Fassungen von ihm anzuwenden seien und eine nicht trennbare Einheit bilden (vgl. III.1.). Dieser Ansicht pflichtet der Verfassungsgerichtshof zunächst insoweit bei, als die Tatbestände der §§56 und 57 Abs 1 und 2 BSVG in den angegriffenen Fassungen jeweils eine nicht trennbare Einheit bilden, und verweist diesbezüglich auf sein Vorgehen im Gesetzesprüfungsfall VfSlg. 11665/1988, der die Verfassungsmäßigkeit des (dem § 94 ASVG (und damit auch den analogen Bestimmungen des BSVG; s.u., V.3.) nachgebildeten) § 40a des Pensionsgesetzes 1965 betraf, sowie auf seine Erkenntnisse vom , G33,34/89 ua., und vom , G252,253/89 ua. Der Verfassungsgerichtshof hält aber auch die den Ausführungen des antragstellenden Gerichtes implizit zugrunde liegende Ansicht, daß es nicht nur § 57 Abs 1 BSVG, sondern auch dessen Abs 2 - eine Ausnahmeregelung zu § 57 Abs 1 leg.cit. - und (im Hinblick auf den letzten Satz des Abs 2) auch § 56 BSVG anzuwenden hätte, nicht für denkunmöglich.
Der Antrag ist daher insgesamt zulässig.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat sohin in die Behandlung der dargelegten Bedenken einzutreten:
Der Gesetzesprüfungsantrag ist gerechtfertigt.
In den §§56 und 57 BSVG werden Anordnungen über das Ruhen von Leistungsansprüchen getroffen, wobei insofern ein Unterschied besteht, als im § 56 BSVG - beim Zusammentreffen eines Leistungsanspruches aus der Pensionsversicherung mit Erwerbseinkommen aus einer die Pflichtversicherung nach dem BSVG nicht begründenden Erwerbstätigkeit - ein bloß teilweises, im § 57 leg.cit. - beim Zusammentreffen eines Leistungsanpruches aus der Pensionsversicherung mit einer die Pflichtversicherung nach dem BSVG begründenden Erwerbstätigkeit - hingegen regelmäßig ein gänzliches Ruhen dieser Leistungsansprüche angeordnet wird, es sei denn, eine Witwen(Witwer)pension trifft mit einem Einkommen aus einer die Pflichtversicherung nach dem BSVG begründenden Erwerbstätigkeit zusammen; diesfalls sieht § 57 Abs 2 BSVG die Anwendung der Ruhensbestimmung des § 56 leg.cit. vor. Dieser unter dem Gesichtspunkt des Rechtsinstitutes des "Ruhens von Leistungsansprüchen" bestehende Konnex wird durch die in § 57 Abs 2 BSVG enthaltene Verweisung auf § 56 BSVG überdies auch im Normtext explizit zum Ausdruck gebracht.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G252,253/89 ua., unter Hinweis auf sein die Ruhensregelung des § 94 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG betreffendes Erkenntnis vom , G33,34/89 ua., ausgesprochen, daß sowohl die in § 60 getroffene Ruhensregelung des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes - GSVG (BGBl. 560/1978) in den Fassungen der 3., 4., 5., 8., 9., 10., 15. und 17. Novelle als auch die in § 61 Abs 1 und 2 leg.cit. getroffene Ruhensregelung in der Fassung der 10. Novelle wegen Verstoßes gegen das auch den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgebot verfassungswidrig waren.
Bei einem Vergleich zwischen den §§56 und 57 BSVG mit § 94 ASVG, insbesondere aber auch mit den §§60 und 61 GSVG ergibt sich nicht nur aus dem jeweiligen Gesetzestext eine enge Parallelität (die sogar bis hin zur gesetzlichen Festlegung von nominell gleichen Betragsgrenzen reicht); auch aus den Gesetzesmaterialien geht zweifelsfrei hervor, daß der Gesetzgeber über den gesamten Zeitraum der Entwicklung des Sozialversicherungsrechts hinweg in beiden Bereichen jeweils identische Ziele verfolgt hat (vgl. die für den gegebenen Zusammenhang maßgeblichen Erläuterungen zur 9. BSVG-Novelle (776 BlgNR XVI.GP unter Bezugnahme auf die 41. ASVG-Novelle), zur 13. BSVG-Novelle (784 BlgNR XVII.GP unter Bezugnahme auf die 46. ASVG-Novelle), zur 14. BSVG-Novelle (1102 BlgNR XVII.GP: "Diese Änderungen entsprechen den gleichartigen Änderungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, wie sie im Rahmen des Entwurfes einer 48. Novelle zum ASVG vorgeschlagen werden. Auf die entsprechenden Erläuterungen zum genannten Novellenentwurf des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes kann Bezug genommen werden, weil die in Betracht kommenden Ausführungen vollinhaltlich auch für die korrespondierenden Änderungsvorschläge zum Bauern-Sozialversicherungsgesetz Geltung haben.") und zur 15. BSVG-Novelle (1279 BlgNR XVII.GP unter Bezugnahme auf die 49. ASVG-Novelle)). Schließlich ergeben sich für den tatsächlichen Bereich auch aus den von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten statistischen Unterlagen diesbezüglich keine signifikanten Unterschiede, mag auch das Verhältnis zwischen Witwen(Witwer)-pensionen und Alterspensionen nicht so kraß sein wie im Bereich der Sozialversicherung nach dem ASVG und GSVG.
Aus allen diesen Gründen sind daher im vorliegenden Fall die gleichen Überlegungen maßgeblich, die den Verfassungsgerichtshof in seinen oben angesprochenen Entscheidungen vom , G33,34/89 ua., zur Aufhebung des § 94 ASVG und vom , G252,253/89 ua., zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der §§60 und 61 GSVG wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot veranlaßt haben, und auf die, um Wiederholungen zu vermeiden, hier verwiesen wird.
4. Es war daher festzustellen, daß die in Prüfung gezogenen, mit außer Kraft getretenen Bestimmungen verfassungswidrig waren.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.