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VfGH vom 28.09.2005, g175/04

VfGH vom 28.09.2005, g175/04

Sammlungsnummer

17641

Leitsatz

Feststellung der Gleichheitswidrigkeit einer Regelung in der Exekutionsordnung betreffend Kostenersatz bei der Fahrnisexekution unter Hinweis auf das Vorerkenntnis

Spruch

§ 74 Abs 1 letzter Satz des Gesetzes vom 27. Mai 1896 über das Exekutions- und Sicherungsverfahren (Exekutionsordnung), RGBl. 79 idF BGBl. I Nr. 98/2001, war verfassungswidrig. Diese Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Dem zu G175/04 protokollierten Antrag des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz liegt ein Rekursverfahren mit folgendem Sachverhalt zugrunde:

In Folge der auf Grundlage eines vollstreckbaren Zahlungsbefehls durch das Bezirksgericht Voitsberg bewilligten Fahrnisexekution zur Hereinbringung von € 20.942,85 samt Nebenforderungen, Zinsen und Kosten fand ein Vollzug statt, an dem sich die betreibende Partei durch ihren Rechtsvertreter beteiligte. Beim Vollzug wurden pfändbare Gegenstände nicht vorgefunden. Der Rechtsvertreter verzeichnete für seine Intervention Kosten nach TP7 Abs 2 RATG für zwei halbe Stunden zuzüglich 50% Einheitssatz und 20% USt. Dieses Kostenbegehren wurde vom Bezirksgericht Voitsberg mit der Begründung abgewiesen, dass der Intervenient - gemäß den Angaben des Gerichtsvollziehers - keine Tätigkeit entfaltet habe und daher auch ohne seine Beteiligung der gleiche Vollzugserfolg erzielt worden wäre. Zu erwartende oder aufgetretene Schwierigkeiten sachlicher oder rechtlicher Art seien weder behauptet noch bescheinigt worden. Gegen diesen Beschluss erhob die betreibende Partei Rekurs an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

2. Dem zu G176/04 protokollierten Antrag liegt ebenfalls ein Rekursverfahren vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz zugrunde, dem ein (nach ergebnislos gebliebenen Exekutionshandlungen neuerlicher) zur Hereinbringung von € 19.097,75 samt Nebenforderungen bewilligter Vollzug unter Beteiligung der betreibenden Gläubigerin vorausging, im Zuge dessen der Gerichtsvollzieher einen Gegenstand pfändete, jedoch im Akt festhielt, dass die für die betreibende Partei einschreitende Rechtsvertreterin keine Tätigkeit entfaltet habe. Das Kostenbegehren der betreibenden Partei wurde vom Bezirksgericht Voitsberg als Erstgericht mit der gleichen, oben unter 1. wiedergegebenen Begründung mit dem Hinweis auf das Erk. des Verfassungsgerichtshofes vom , G198-200/01, wonach § 74 Abs 1 letzter Satz EO verfassungswidrig gewesen und diese Bestimmung nicht mehr anzuwenden sei, abgewiesen.

3. Dem zu G22/05 protokollierten Antrag ging ferner ein Rekurs gegen einen Beschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz voraus, mit dem ebenso ein Begehren auf Ersatz von Kosten für die Intervention bei mehreren Vollzugsversuchen abgewiesen wurde. Das Erstgericht ging davon aus, dass der Aufwand für die Beteiligung am Vollzug dem betreibenden Gläubiger nur dann zuzusprechen sei, wenn ohne sie ein geringerer Erfolg erzielt worden wäre; da der Vollzugsort zweimal "versperrt" gewesen sei, sei nach der Aktenlage beim Vollzug überhaupt kein Erfolg erzielt worden, sodass ein Kostenzuspruch ungerechtfertigt erscheine.

4. Zu G74/05 ist ein Antrag des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz anhängig, dem ein Rekurs gegen einen Beschluss des Bezirksgerichtes Frohnleiten zugrunde liegt, womit das Kostenbegehren des betreibenden Gläubigers für die anwaltliche Intervention an dem zur Hereinbringung von € 76.730,61 s. A. bewilligten neuerlichen (und erfolglos gebliebenen) Vollzug sowohl mit der bereits unter Punkt 1. als auch unter Punkt 2. dargestellten Begründung abgewiesen wurde.

5. Aus Anlass der Behandlung der jeweils gegen die erstinstanzlichen Beschlüsse erhobenen Rekurse stellt das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht die vorliegenden auf Art 140 Abs 1 iVm Art 89 Abs 2 B-VG gestützten Anträge, "§74 Abs 1 letzter Satz EO, RGBl. 1896/79, idF des 2. Euro-Justiz-Begleitgesetz BGBl. I 2001/98 Art 49 Z 4, als verfassungswidrig aufzuheben".

Unter Berufung auf das Erk. vom , G198-200/01, worin der Verfassungsgerichtshof aussprach, dass § 74 Abs 1 letzter Satz EO idF vor der Novellierung durch das 2. Euro-Justiz-Begleitgesetz verfassungswidrig war, führt das antragstellende Gericht jeweils Folgendes aus:

"Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht hegt Bedenken, dass auch § 74 Abs 1 letzter Satz EO in der derzeit anzuwendenden Fassung des 2. Euro-Justiz-Begleitgesetzes (Artikel 49 Z 4) verfassungswidrig ist und zwar, dass die Regelung sachlich nicht gerechtfertigt ist und gegen das Gleichheitsgebot verstößt (weil anlässlich der letzten hier relevanten Novellierung dieser Bestimmung lediglich der Betrag von '52000 S' durch den Betrag '4000 €' ersetzt wurde, die Bestimmung im Übrigen aber inhaltlich unverändert blieb).

Nach § 74 Abs 1 EO hat der Verpflichtete dem betreibenden Gläubiger über dessen Antrag alle zur Rechtsverwirklichung notwendigen Kosten des Exekutionsverfahrens zu erstatten. Welche Kosten notwendig sind, hat das Gericht nach sorgfältiger Erwägung aller Umstände zu bestimmen.

Gemäß dem angefochtenen letzten Satz dieser Bestimmung, eingeführt mit der Exekutionsordnungs-Novelle 1995, gelten nunmehr die Kosten der Beteiligung am Exekutionsvollzug bis zur Pfändung jedenfalls als zur Rechtsverwirklichung notwendig, wenn die betriebene Forderung € 4.000,-- übersteigt, bei geringeren Forderungen jedoch nicht. Dies bedeutet, dass bei Fahrnisexekutionen unter € 4.000,-- unabhängig davon, ob beim Vollzug Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art zu erwarten sind, in keinem Fall der Verpflichtete dem betreibenden Gläubiger Interventionskosten zu ersetzen hat. Anderes gilt bei Forderungen, die € 4.000,-- übersteigen. In diesen Fällen gelten alle Interventionskosten bis zur Pfändung generell als zur Rechtsverwirklichung notwendig (soweit nicht der Vollzug aus Gründen scheitert, die der betreibende Gläubiger zu verantworten hätte) und zwar gleichgültig, ob sich die Intervention im Einzelfall als zur Erzielung des Vollzugserfolges notwendig erweist. Kriterium dafür, ob die Intervention zur Rechtsverwirklichung notwendig ist und damit der Verpflichtete die Kosten zu ersetzen hat, ist somit ausschließlich die Höhe der betriebenen Forderung. Für eine Abwägung durch das Gericht bleibt kein Raum (siehe Jakusch in Angst, EO-Kommentar § 74 Rz 53). Diese Privilegierung des betreibenden Gläubigers bei Forderungen über € 4.000,-- erscheint sachlich nicht gerechtfertigt und verstößt gegen das Gleichheitsgebot.

Die Gründe, die zur Feststellung führten, § 74 Abs 1 letzter Satz EO in der Fassung BGBl. I 1997/140 sei verfassungswidrig gewesen, sind somit auch auf die geltende Fassung dieser Bestimmung laut BGBl. I 2001/98 übertragbar."

II. Die Bundesregierung brachte in ihrer Äußerung jeweils im Hinblick auf das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen vor, dass aus den eingebrachten Anträgen nicht klar erkennbar sei, von welchem Organ sie gestellt worden seien, weil die Anträge jeweils vom "Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht, Abteilung 4" gestellt worden seien, zuständig sei jedoch der Senat 4 des Landesgerichtes.

Die Bundesregierung beantragte die Zurückweisung der Anträge, sah jedoch mit dem Hinweis auf das In-Kraft-Treten der Zivilverfahrens-Novelle 2004, BGBl. I Nr. 128, wodurch die angefochtene Regelung mit nicht mehr in Geltung stehe, hinsichtlich der vorgebrachten Bedenken von einer meritorischen Äußerung ab.

III. Gemäß § 74 Abs 1 letzter Satz der Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896 idF BGBl. I Nr. 140/1997, sind die Kosten der Beteiligung am Exekutionsvollzug bis zur Pfändung als zur Rechtsverwirklichung notwendig anzusehen, sofern bei einer Exekution auf bewegliche körperliche Sachen die hereinzubringende Forderung an Kapital 52 000 S übersteigt (Prozesskosten oder Nebengebühren sind nur dann zu berücksichtigen, wenn sie allein Gegenstand des durchzusetzenden Anspruchs sind). Durch Art 49 Z 4 des 2. Euro-Justiz-Begleitgesetzes, BGBl. I Nr. 98/2001, wurde in § 74 Abs 1 der Betrag von "52 000 S" durch den Betrag von "4 000 Euro" ersetzt. Mit BGBl. I Nr. 31/2003 wurde der dritte Satz des § 74 Abs 1 betreffend Vollzugs- und Wegegebühren gestrichen, sodass § 74 der Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896 idF BGBl. I Nr. 31/2003 (im Folgenden kurz: EO), folgendermaßen lautet:

"Kosten der Execution.

(1) Sofern nicht für einzelne Fälle etwas anderes angeordnet ist, hat der Verpflichtete dem betreibenden Gläubiger auf dessen Verlangen alle ihm verursachten, zur Rechtsverwirklichung nothwendigen Kosten des Executionsverfahrens zu erstatten; welche Kosten nothwendig sind, hat das Gericht nach sorgfältiger Erwägung aller Umstände zu bestimmen. Der § 54a ZPO ist auf die Kosten des Exekutionsverfahrens nicht anzuwenden. Übersteigt bei einer Exekution auf bewegliche körperliche Sachen die hereinzubringende Forderung an Kapital 4 000 Euro - Prozeßkosten oder Nebengebühren sind nur dann zu berücksichtigen, wenn sie allein Gegenstand des durchzusetzenden Anspruchs sind -, so sind die Kosten der Beteiligung am Exekutionsvollzug bis zur Pfändung zur Rechtsverwirklichung notwendig, bei geringeren Forderungen jedoch nicht.

(2) Der Anspruch auf Ersatz der nicht schon rechtskräftig zuerkannten Exekutionskosten erlischt, wenn deren Bestimmung nicht binnen vier Wochen begehrt wird. Die Frist beginnt mit der Beendigung oder Einstellung der Exekution zu laufen. Entstehen jedoch Kosten erst danach, so gilt § 54 Abs 2 ZPO.

(3) Bei der Exekution auf bewegliche körperliche Sachen sind die nach Bewilligung der Exekution entstandenen Kosten erst nach Bericht des Vollstreckungsorgans zu bestimmen.

(4) Beschlüsse, mit denen die Exekutionskosten bestimmt werden, sind ab deren Erlassung vollstreckbar."

Mit der Zivilverfahrens-Novelle 2004, BGBl. I Nr. 128/2004 (ArtIV Z 2), entfällt der durch die vorliegenden Anträge angefochtene § 74 Abs 1 letzter Satz per .

IV. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - gemäß § 463 Abs 1 und § 404 iVm § 187 Abs 1 ZPO (§35 VfGG) zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung miteinander verbundenen - Anträge erwogen:

1. Gemäß Art 140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen u.a. auf Antrag eines zur Entscheidung in zweiter Instanz berufenen Gerichtes, wobei jene Organe legitimiert sind, "die bei der Entscheidung über eine Rechtssache ein Gesetz, gegen welches sie aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit Bedenken hegen, anzuwenden haben" (VfSlg. 12.381/1990 mwN).

Der Verfassungsgerichtshof stellt aufgrund der Einsichtnahme in den Gerichtsakt fest, dass den Anträgen eine Beschlussfassung des zuständigen Senats des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz zugrunde liegt.

Die Anträge sind daher zulässig.

2. Das antragstellende Gericht erachtet die angefochtene Regelung als unsachlich und stützt sich in der Darlegung seiner Bedenken auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G198-200/01. Darin hat der Verfassungsgerichtshof hinsichtlich der Vorgängerregelung der im vorliegenden Verfahren bekämpften Vorschrift ausgesprochen, dass § 74 Abs 1 letzter Satz EO idF vor dem 2. Euro-Justiz-Begleitgesetz, BGBl. I Nr. 98/2001, verfassungswidrig war.

Dies begründete der Gerichtshof folgendermaßen:

"Nach § 74 Abs 1 EO hat der Verpflichtete dem betreibenden Gläubiger über dessen Antrag alle zur Rechtsverwirklichung notwendigen Kosten des Exekutionsverfahrens zu erstatten. Welche Kosten notwendig sind, hat das Gericht nach sorgfältiger Erwägung aller Umstände zu bestimmen (vgl. auch § 41 ZPO).

Gemäß dem angefochtenen letzten Satz dieser Bestimmung, eingeführt mit der Exekutionsordnungs-Novelle 1995, gelten nunmehr die Kosten der Beteiligung am Exekutionsvollzug bis zur Pfändung jedenfalls als zur Rechtsverwirklichung notwendig, wenn die betriebene Forderung S 52.000,- übersteigt, bei geringeren Forderungen jedoch nicht. Dies bedeutet, dass bei Fahrnisexekutionen unter S 52.000,- unabhängig davon, ob beim Vollzug Schwierigkeiten (rechtlicher oder tatsächlicher Art) zu erwarten sind - in keinem Fall der Verpflichtete dem betreibenden Gläubiger Interventionskosten zu ersetzen hat (s RV 1995 BlgNR 19. GP, 34). Anderes gilt bei Forderungen, die S 52.000,- übersteigen; in diesen Fällen gelten alle Interventionskosten bis zur Pfändung generell als zur Rechtsverwirklichung notwendig (es sei denn, dass der Vollzug aus Gründen scheitert, die der betreibende Gläubiger zu verantworten hat), und zwar gleichgültig, ob sich die Intervention im Einzelfall als zur Erzielung des Vollzugserfolges notwendig erweist. Kriterium dafür, ob die Intervention zur Rechtsverwirklichung notwendig ist und damit der Verpflichtete die Kosten zu ersetzen hat, ist ausschließlich die Höhe der betriebenen Forderung (s RV 195 BlgNR 19. GP, 34); für eine Abwägung durch das Gericht bleibt kein Raum (s Jakusch in Angst, Kommentar, Rz 53 zu § 74 EO).

2.1.4. Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass bei höheren Forderungen im Regelfall erheblich größere Probleme im Zuge des Auffindungsverfahrens auftreten und daher in jedem Fall eine Intervention gerechtfertigt ist. Dieser Umstand reicht nicht aus, um die Differenzierung zu rechtfertigen. Unabhängig davon, wie hoch die betriebene Forderung ist, wird der Vollzug von Fahrnisexekutionen von besonders geschulten Vollzugsorganen durchgeführt. Die Intervention durch einen Rechtsanwalt oder Rechtsanwaltsanwärter wird zur Wahrung der Interessen seines Mandanten etwa dann geboten sein, wenn Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art zu erwarten sind oder tatsächlich auftreten, dies unabhängig von der Höhe der betriebenen Forderung. Der Verfassungsgerichtshof hat keinen Einwand gegen eine Bagatellgrenze, die auf die Relation des einzubringenden Betrages zu den Kosten abstellt, hält es aber für unsachlich, wenn ab einer bestimmten Höhe der hereinzubringenden Forderung die Kosten der Beteiligung am Exekutionsvollzug generell als zur Rechtsverwirklichung notwendig zugesprochen werden müssen.

2.1.5. Zu berücksichtigen ist auch, dass der betreibende Gläubiger unter Beachtung des § 252h EO wiederholt Neuvollzüge der Fahrnisexekution beantragen kann, die, werden sie unter Beteiligung durchgeführt, bei Forderungen über S 52.000,- zu weiteren Kosten führen, für die aufgrund der angefochtenen Bestimmung den Verpflichteten jedenfalls die Kostenersatzpflicht trifft und zwar unabhängig davon, ob die Intervention o b j e k t i v gesehen zur Rechtsverwirklichung notwendig war.

2.1.6. Der Ansicht der Bundesregierung, dass § 39 Abs 1 Z 8 EO jedenfalls einen solchen Effekt verhindere, kann nicht gefolgt werden. Nach dieser Bestimmung ist die Exekution von Amts wegen einzustellen, wenn sich nicht erwarten lässt, dass die Fortsetzung oder Durchführung einer Exekution einen die Kosten dieser Exekution übersteigenden Ertrag ergeben wird.

Die Höhe des zu erwartenden Erlöses kann nur aufgrund einer Prognose im Einzelfall ermittelt werden. Dies setzt aber voraus, dass das bisherige Verfahren einen ausreichenden Überblick über die in dieser Exekution zu erreichenden Vermögenswerte erbracht hat. Insbesondere bei der Fahrnisexekution darf nicht mit der Einstellung nach § 39 Abs 1 Z 8 vorgegangen werden, solange nicht das gesamte, nach der Sachlage erreichbare Vermögen an Fahrnissen von der Exekution erfasst wurde. Es ist sohin in der Fahrnisexekution jedenfalls das Ergebnis des Verfahrens zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses nach den §§47f EO abzuwarten (Jakusch in Angst, Kommentar, Rz 52 zu § 39 EO). Selbst wenn es zur Einstellung der Exekution nach § 39 Abs 1 Z 8 EO kommt, bleibt dem betreibenden Gläubiger ein Anspruch auf Ersatz der ihm bisher im Verfahren aufgelaufenen Kosten bestehen (s Jakusch in Angst, Kommentar, Rz 44 zu § 39).

Auch der Hinweis der Bundesregierung auf die Möglichkeit eines Privatkonkursverfahrens ist nicht geeignet, die Sachlichkeit der angefochtenen Bestimmung zu rechtfertigen. Sinn und Zweck dieses Verfahrens, für dessen Durchführung nähere Voraussetzungen erst einmal vorliegen müssen, ist nämlich nicht Interventionskosten zu verhindern, sondern eine Schuldenregulierung herbeizuführen. Im Übrigen hat die Regelung in sich selbst verfassungsgemäß zu sein."

Der letzte Satz des § 74 Abs 1 EO in der Fassung des BGBl. I Nr. 98/2001 ist aber - von der bloßen Umrechnung des Schillingbetrages in Euro abgesehen - mit jenem wortgleich, den der Verfassungsgerichtshof mit dem Erkenntnis G198-200/01 als verfassungswidrig aufgehoben hat.

Die eben wiedergegebene Rechtsauffassung des Erkenntnisses G198-200/01 trifft zur Gänze auch auf die angefochtene Regelung zu. Zweifel an dieser Annahme sind auch von der Bundesregierung nicht vorgetragen worden, weshalb der Gerichtshof an seinem im Vorerkenntnis G198-200/01 eingenommenen Standpunkt festhält und davon ausgeht, dass die angefochtene Regelung - indem sie den generellen Zuspruch der Interventionskosten als zur Rechtsverwirklichung notwendig ausschließlich auf Grund der Höhe der betriebenen Forderung vorsieht (unabhängig davon, ob dies einer Einzelfallprüfung nach objektiven Maßstäben stand hielte) - gegen das aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließende Sachlichkeitsgebot verstößt und somit verfassungswidrig ist. Die Bedenken des antragstellenden Gerichts erweisen sich daher als zutreffend. Da die angefochtene Bestimmung inzwischen durch das BGBl. I Nr. 128/2004 aufgehoben wurde, ist die Bestimmung nicht vom Verfassungsgerichtshof aufzuheben, sondern auszusprechen, dass sie verfassungswidrig war.

V. 1. Der Ausspruch, dass § 74 Abs 1 letzter Satz EO verfassungswidrig war, gründet sich auf Art 140 Abs 4 B-VG, jener, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG. Der Verfassungsgerichtshof sah sich ferner veranlasst, von der Ermächtigung des Art 140 Abs 7 B-VG Gebrauch zu machen, womit die aufgehobene Bestimmung auch in vor den ordentlichen Gerichten anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden ist.

2. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.