VfGH vom 26.09.1988, g174/88
Sammlungsnummer
11805
Leitsatz
Pensionsordnung 1966, § 39a idF der 7. Nov., LGBl. für Wien 34/1986; Feststellung der Verfassungswidrigkeit von dem Gleichheitsgebot widersprechenden Ruhensbestimmungen unter Hinweis auf die Erk. VfSlg. 11665/1988 und 11741/1988
Spruch
1. Im § 39a der Pensionsordnung 1966, LGBl. für Wien Nr. 19/1967, in der Fassung der 7. Nov. zur Pensionsordnung 1966, LGBl. Nr. 34/1986, waren verfassungswidrig:
die Wendungen "der Beamte oder", "Ruhe- oder" und "des Beamten 50 vH, das" in Abs 1 erster Satz, "Ruhe- oder" und "beim Beamten 100 vH und" in Abs 1 zweiter Satz sowie "dem Beamten oder" in Abs 2.
2. Der Landeshauptmann von Wien ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Der Bf. des anhängigen Beschwerdeverfahrens B1141/87 ist ein Ruhestandsbeamter der Stadt Wien; er bezieht einen Ruhegenuß einschließlich der Haushaltszulage mit Steigerungsbeträgen für zwei Kinder. Im Hinblick auf ein Erwerbseinkommen des Bf. stellte der Berufungssenat der Stadt Wien mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid vom unter Bezugnahme auf § 39a der Pensionsordnung 1966, LGBl. 19/1967, idF der 7. Nov. zur Pensionsordnung 1966, LGBl. 34/1986, fest, daß der ab gebührende Ruhebezug mit einem Betrag von monatlich S 4.139,50 (d.i. das halbe Anfangsgehalt eines Beamten der Verwendungsgruppe E) ruht.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde.
2. § 39a Pensionsordnung (die in Prüfung gezogenen Stellen sind hervorgehoben) lautet:
"§39a
(1) Bezieht der Beamte oder der überlebende Ehegatte aus einer gleichzeitig ausgeübten Erwerbstätigkeit ein Erwerbseinkommen, so ruht der Ruhe- oder Versorgungsbezug bis zum Betrag des halben Anfangsgehaltes der Verwendungsgruppe E insoweit, als das für den Kalendermonat gebührende Erwerbseinkommen des Beamten 50 vH, das des überlebenden Ehegatten 75 vH des Anfangsgehaltes der Verwendungsgruppe E übersteigt. Das Ruhen tritt überdies höchstens in dem Ausmaß ein, in dem die Summe aus Ruhe- oder Versorgungsbezug und Erwerbseinkommen beim Beamten 100 vH und beim überlebenden Ehegatten 150 vH des Anfangsgehaltes der Verwendungsgruppe E übersteigt.
(2) Vom Erwerbseinkommen sind für jedes Kind, für das dem Beamten oder dem überlebenden Ehegatten ein Steigerungsbetrag der Haushaltszulage gebührt, 25 vH des Anfangsgehaltes der Verwendungsgruppe E abzusetzen. Gleiches gilt, wenn ein Steigerungsbetrag nur deshalb nicht gebührt, weil das Kind Anspruch auf Waisenversorgung hat.
(3) Bei Anwendung des Abs 1 sind die Haushaltszulage und die Hilflosenzulage außer Betracht zu lassen.
(4) Gebühren gleichzeitig ein Ruhe- und ein Witwen- oder Witwerversorgungsbezug nach diesem Gesetz, dann tritt das Ruhen nur beim Ruhebezug ein.
(5) Die Abs 1 bis 4 sind nicht anzuwenden,
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a) | wenn gleichzeitig Anspruch auf eine Pension aus der gesetzlichen Sozialversicherung besteht, diese Pension wegen eines Erwerbseinkommens zum Teil oder zur Gänze ruht und das Ruhen nicht durch die Erhöhung eines Pensionszuschusses des ehemaligen Dienstgebers ausgeglichen wird oder |
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b) | wenn gleichzeitig Anspruch auf eine höhere Pension auf Grund pensionsrechtlicher Vorschriften einer anderen Gebietskörperschaft besteht und diese Pension wegen eines Erwerbseinkommens zum Teil oder zur Gänze ruht. |
(6) Als Erwerbseinkommen gilt bei einer unselbständigen Erwerbstätigkeit das aus dieser Tätigkeit gebührende Entgelt. Ausgenommen sind jedoch Bezüge, die für einen größeren Zeitraum als den Kalendermonat gebühren (zB 13. und 14. Monatsbezug, Sonderzahlungen, Belohnungen). Ist innerhalb eines Kalenderjahres (der zweiten Hälfte des Jahres 1985) das Entgelt in jenen Kalendermonaten, in denen Anspruch auf Ruhe-(Versorgungs-)bezug bestanden hat, nicht gleich hoch gewesen, oder war der Beamte (der überlebende Ehegatte) während dieser Kalendermonate nicht ständig erwerbstätig, so ist auf Antrag das im Durchschnitt auf die genannten Kalendermonate entfallende Entgelt als monatliches Erwerbseinkommen anzusehen, wenn es für den Beamten (den überlebenden Ehegatten) günstiger ist. Ein solcher Antrag ist bis 31. März des folgenden Kalenderjahres zu stellen.
(7) Als Erwerbseinkommen gilt bei einer selbständigen Erwerbstätigkeit je Kalendermonat ein Zwölftel des im selben Kalenderjahr aus dieser Tätigkeit bezogenen Einkommens; solange das Jahreseinkommen nicht feststeht, ist das Einkommen des vorletzten Kalenderjahres heranzuziehen, es sei denn, daß die selbständige Erwerbstätigkeit später aufgenommen wurde oder der Beamte (der überlebende Ehegatte) glaubhaft macht, daß die Höhe des Einkommens im laufenden Kalenderjahr entscheidend von der des vorletzten Kalenderjahres abweichen wird."
3.1. Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wendungen "der Beamte oder", "Ruhe- oder" und "des Beamten 50 vH, das" im ersten Satz des Abs 1, weiters "Ruhe- oder" und "beim Beamten 100 vH und" im zweiten Satz des Abs 1 und schließlich der Wendung "dem Beamten oder" im Abs 2 des § 39a der Pensionsordnung 1966, LGBl. 19/1967, idF der 7. Nov. zur Pensionsordnung 1966, LGBl. 34/1986, eingeleitet.
3.2. Der VfGH legte zu den Verfahrensvoraussetzungen und den Bedenken im Einleitungsbeschluß folgendes dar:
"4. Der VfGH geht vorläufig davon aus, daß die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendet wurden, er sie daher bei Prüfung der an ihn gerichteten Beschwerde anzuwenden hätte, sodaß ihnen Präjudizialität im Sinne des Art 140 Abs 1 B-VG zukommen dürfte.
5. Der VfGH hegt gegen die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen das Bedenken, daß sie mit dem Gleichheitsgebot nicht vereinbar sind. Hiebei geht der Gerichtshof davon aus, daß jene Ruhensbestimmungen, die durch § 40a des Pensionsgesetzes 1965 idF BGBl. 426/1985 festgelegt sind und Gegenstand des Gesetzesprüfungsverfahrens G184/87 waren, den hier maßgeblichen der PensionsO 1966 (§39a) weitgehend entsprechen, sodaß gegen die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen die sinngemäß gleichen verfassungsrechtlichen Überlegungen zutreffen, die zur Aufhebung des § 40a im PensionsG 1965 idF BGBl. 426/1985 geführt haben (s. hiezu insbesondere die Ausführungen auf S. 22 bis 24 des Erkenntnisses G184/87 ua. vom , aber auch , welches das Ruhen von Witwenversorgungsgenüssen nach § 39a PensionsO 1966 idF der 6. Nov. betrifft; beide Erkenntnisse sind beigeschlossen)."
4. Die Wiener Landesregierung sah von einer Äußerung im Gesetzesprüfungsverfahren im Hinblick auf die Erkenntnisse des ua. und vom G10/87 sowie im Hinblick auf die durch die 8. Nov. zur Pensionsordnung 1966 mit Wirksamkeit vom erfolgte Aufhebung des § 39a der Pensionsordnung 1966 ab.
5. Der VfGH hat erwogen:
5.1. Die Prozeßvoraussetzungen des eingeleiteten Prüfungsverfahrens sind offenkundig gegeben (vgl. sinngemäß ).
5.2. In der Sache bleibt der VfGH auf dem in seinem Erkenntnis vom G184/87 ua. eingenommenen Standpunkt, daß Ruhensbestimmungen in der gegebenen Art mit dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot nicht vereinbar sind (vgl. auch , mit welchem Wendungen in Abs 1 und 2 des § 39a der Pensionsordnung 1966, LGBl. Nr. 19/1967, idF der 6. Nov. zur Pensionsordnung 1966, LGBl. Nr. 40/1984, als verfassungswidrig festgestellt wurden). Der Gerichtshof nimmt hiebei auf die Entscheidungsgründe seines angeführten Erkenntnisses vom G184/87 Bezug, die unter Berücksichtigung des Umstandes, daß das Pensionssystem des Pensionsgesetzes 1965 und das der Pensionsordnung 1966 einander weitreichend entsprechen (vgl. etwa § 2 Abs 1 des Pensionsgesetzes 1965 mit § 2 Abs 1 der Pensionsordnung 1966), sinngemäß auch über die verfassungsrechtliche Beurteilung im vorliegenden Gesetzesprüfungsfall voll zutreffen. Die in Prüfung stehenden Wendungen der Abs 1 und 2 des § 39a der Pensionsordnung 1966 idF der 7. Nov. zur Pensionsordnung 1966, LGBl. 34/1986, widersprechen sohin dem in der Bundesverfassung verankerten Gleichheitssatz.
6. Da der Wiener Landesgesetzgeber dem Erkenntnis des ua. aus eigenem Rechnung getragen und § 39a der Pensionsordnung 1966 durch die 8. Nov. zur Pensionsordnung 1966, LGBl. Nr. 32/1988, gemäß deren ArtIV mit Wirksamkeit vom aufgehoben hat, sodaß die in Prüfung stehenden Wendungen nicht mehr dem geltenden Rechtsbestand angehören, hatte sich der Gerichtshof auf den Ausspruch zu beschränken, daß diese in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen verfassungswidrig waren.
7. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Die Verpflichtung des Landeshauptmannes zur Kundmachung der getroffenen Feststellung stützt sich auf Art 140 Abs 5 erster und zweiter Satz B-VG.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 2 VerfGG 1953 abgesehen werden.