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VfGH vom 27.09.1990, G170/88

VfGH vom 27.09.1990, G170/88

Sammlungsnummer

12465

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrags auf Aufhebung einiger Bestimmungen des Luftfahrtgesetzes wegen zu weit gefaßten Aufhebungsbegehrens; völlig veränderte Bedeutung der nach der beantragten Aufhebung verbleibenden Bestimmungen über die Differenzierungen zwischen Militär- und Zivilluftfahrzeugen; keine Ermächtigung des VfGH zu Akten positiver Gesetzgebung im Wege der Aufhebung von Gesetzesbestimmungen; keine unsachliche Beschränkung der Parteistellung im Verfahren betreffend die Errichtung oder Erweiterung eines Militärflugplatzes auf durch eine solche Maßnahme besonderen Nachteilen (einschließlich Immissionen) ausgesetzten Personen; Berücksichtigung der Interessen der Landesverteidigung im Einzelfall; keine Verletzung des Berücksichtigungsprinzips bei der Regelung der Errichtung von Militärflugplätzen und der Einwendungen dagegen durch den Bundesgesetzgeber im Hinblick auf die Raumordnung

Spruch

Der Antrag wird insoweit zurückgewiesen, als die Aufhebung von Wortteilen im § 12 Abs 1, § 13, § 14 und § 19 sowie die Aufhebung des § 12 Abs 2 und des § 71 Abs 1 litd des Luftfahrtgesetzes, BGBl. 253/1957, begehrt wird.

Im übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Steiermärkische Landesregierung beantragt unter Berufung auf Art 140 B-VG mit näherer Begründung, folgende Stellen des Luftfahrtgesetzes (LFG), BGBl. 253/1957, als verfassungswidrig aufzuheben:

"1. Im § 12 Abs 1: Den Wortteil 'Zivil' im Wort 'Zivilluftfahrzeug'.

2. § 12 Abs 2

3. Im § 13: Den Wortteil 'Zivil' im Wort 'Zivilluftfahrzeugen' in der Überschrift und im Wort 'Zivilluftfahrzeuge' im Abs 1.

4. Im § 14: Den Wortteil 'Zivil' im Wort 'Zivilluftfahrzeugen' in der Überschrift und im Wort 'Zivilluftfahrzeug' im Abs 1.

5. Im § 19: Den Wortteil 'Zivil' im Wort 'Zivilluftfahrzeugen' und im Wort 'Zivilluftfahrzeug'.

6. § 71 Abs 1 litd

7. Im § 82 Abs 3: Die Worte 'im Bereich der vorgesehenen Sicherheitszone'.

8. In eventu: Die §§82 und 83 zur Gänze."

2. Die Bundesregierung erstattete hiezu eine Äußerung, in der sie begehrt, den Antrag bezüglich der Punkte 1 bis 6 und 8 zurückzuweisen und ihn im übrigen (Punkt 7) abzuweisen.

II. Der Antrag erweist sich hinsichtlich der Punkte 1 bis 6 als nicht zulässig und im übrigen (Punkte 7 und 8) als nicht gerechtfertigt.

1.a) Die in den Antragspunkten 1 bis 5 bezogenen Paragraphen des LuftfahrtG haben - samt jeweiliger Überschrift - folgenden Wortlaut:

"§12. Voraussetzungen für die Verwendung im Fluge

(1) Soweit in den §§7 und 20 nichts anderes bestimmt ist, darf ein Zivilluftfahrzeug im Fluge nur verwendet werden, wenn

a) es vom Bundesamt für Zivilluftfahrt durch Bescheid gemäß § 13 zugelassen ist, oder

b) die Zulassung in einem anderen Staat vom Bundesamt für Zivilluftfahrt gemäß § 18 durch Bescheid anerkannt worden ist, oder

c) die Zulassung in einem anderen Staat auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen als anerkannt gilt.

(2) Militärluftfahrzeuge dürfen im Fluge nur verwendet werden, wenn und solange ihre Lufttüchtigkeit (§17) gegeben ist.

§13. Zulassung von Zivilluftfahrzeugen

(1) Zivilluftfahrzeuge sind vom Bundesamt für Zivilluftfahrt auf Antrag des Luftfahrzeughalters durch schriftlichen Bescheid (Zulassungsschein) zuzulassen, wenn die in § 14 bezeichneten Voraussetzungen gegeben sind. Die Zulassung ist im Rahmen des Antrages für alle Verwendungsarten auszusprechen, für die das Luftfahrzeug nach seiner Bauart und technischen Ausrüstung geeignet ist.

(2) Halter eines Zivilluftfahrzeuges ist, wer das Zivilluftfahrzeug auf eigene Rechnung betreibt und jene Verfügungsmacht darüber besitzt, die ein solcher Betrieb voraussetzt.

§ 14. Voraussetzungen für die Zulassung von Zivilluftfahrzeugen

(1) Ein Zivilluftfahrzeug ist gemäß § 13 zuzulassen, wenn es

a) die österreichische Staatszugehörigkeit (§15) besitzt,

b) lufttüchtig (§17) und technisch so ausgerüstet ist, daß das durch seinen Betrieb entstehende Geräusch das nach dem jeweiligen Stande der Technik unvermeidbare Maß nicht übersteigt, und

c) in gesetzlich vorgeschriebener Weise haftpflichtversichert ist.

(2) Für Fallschirme entfällt die Voraussetzung gemäß Abs 1 lita."

"§19. Widerruf von Zulassungen und Anerkennungen

Zulassungen (§12 lita) und Anerkennungen ausländischer Zulassungen (§12 litb) von Zivilluftfahrzeugen sind vom Bundesamt für Zivilluftfahrt zu widerrufen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß das Zivilluftfahrzeug nicht mehr lufttüchtig ist. Gleichzeitig mit dem Widerruf ist die Rückgabe der ausgestellten Urkunden vorzuschreiben."

b) Die Steiermärkische Landesregierung geht davon aus, daß die wiedergegebenen Vorschriften zwischen Zivilluftfahrzeugen und Militärluftfahrzeugen sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen für die Verwendung im Flug als auch hinsichtlich der Zulassung und deren Voraussetzungen sowie deren Widerrufs differenzieren. Sie stelle nicht in Abrede, daß eine solche Differenzierung grundsätzlich gerechtfertigt sei, doch sei kein Grund dafür ersichtlich, nicht auch für Militärluftfahrzeuge ein Zulassungsverfahren vorzusehen. Nach Ansicht der antragstellenden Regierung widerspricht es dem dem Gleichheitsgebot der Bundesverfassung innewohnenden Sachlichkeitsgebot, derart kraß zwischen den Luftfahrzeugen zu differenzieren. Die jeweils im Verfassungsrang stehenden Bekenntnisse zur umfassenden Landesverteidigung (Art9a B-VG) und zum umfassenden Umweltschutz (BVG BGBl. 491/1984) machten es erforderlich, auch bei der Verfolgung von Zwecken der Landesverteidigung unter mehreren zielführenden Mitteln jenes zu wählen, das im höchstmöglichen Maß eine Berücksichtigung von Aspekten des Umweltschutzes (hervorgehoben wird der Gesichtspunkt der Lärmvermeidung) ermögliche.

c) Die Bundesregierung hält diesen Antragspunkten in prozessualer Hinsicht entgegen, daß ein Gesetzesprüfungsverfahren nach Art 140 B-VG nicht der geeignete Weg sei, ein rechtspolitisches Anliegen durchzusetzen; die von der Steiermärkischen Landesregierung begehrte Aufhebung würde nämlich dazu führen, den Anwendungsbereich der Bestimmungen über die Zulassung von Zivilluftfahrzeugen generell auf Militärluftfahrzeuge auszudehnen, würde also einen Akt der positiven Gesetzgebung darstellen. In diesem Zusammenhang weist die Bundesregierung auf jene Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs hin, in der für die Abgrenzung des Prüfungsumfangs bei amtswegigen Gesetzesprüfungsverfahren maßgebliche Kriterien sinngemäß auf solche Prüfungsverfahren übertragen wurden, denen ein Regierungsantrag zugrundeliegt (VfSlg. 8155/1977 und 8461/1978).

d) Der Verfassungsgerichtshof pflichtet der Bundesregierung bei und hält an seiner von ihr zu Recht bezogenen Judikatur fest.

In von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren hat der Gerichtshof den Standpunkt eingenommen, er habe den Umfang der zu prüfenden und im Fall ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden könnten, habe der Verfassungsgerichtshof in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt. Die Grenzen der Aufhebung einer in Prüfung stehenden Gesetzesbestimmung müßten - wie der Gerichtshof weiters darlegte - so gezogen werden, daß einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und daß andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfaßt werden; dies treffe sowohl auf von Amts wegen als auch auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren zu (siehe die zitierten Erk. VfSlg. 8155/1977 und 8461/1978).

Bezieht man die eben dargelegte Rechtsauffassung auf die von der Steiermärkischen Landesregierung angegriffenen Gesetzesstellen, so folgt aus ihr, daß der Regierungsantrag in jenen Punkten, die in Erörterung stehen, zurückgewiesen werden muß. Es würde nämlich dem Gesetz einen völlig veränderten, dem Gesetzgeber überhaupt nicht zusinnbaren (und im übrigen sogar mit der Antragsprämisse, daß eine gewisse Differenzierung zwischen Zivil- und Militärluftfahrzeugen geboten ist, unvereinbaren) Inhalt geben, wenn man die wesentlichen Regelungen über die Verwendung von Zivilluftfahrzeugen im Flug, die Voraussetzungen für ihre Zulassung sowie den Widerruf von Zulassungen auf Militärluftfahrzeuge schlechthin ausdehnte und überdies die administrative Behandlung dieser primär militärischen Belange der ausschließlichen Zuständigkeit der für die Zivilluftfahrt kompetenten Behörden überantwortete. Die Bundesregierung betont mit Recht, daß die gedachte Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen des LFG, wodurch die verbleibenden eine völlig veränderte Bedeutung erhielten, im Ergebnis geradezu einen dem Verfassungsgerichtshof verwehrten Akt positiver Gesetzgebung darstellte (vgl. dazu VfSlg. 8806/1980, S. 315, und die dort bezogene Vorjudikatur).

2.a) In Punkt 6 des Antrags begehrt die Steiermärkische Landesregierung, die litd im Abs 1 des § 71 LFG als verfassungswidrig aufzuheben. Dieser Paragraph lautet wie folgt:

"§71. Voraussetzungen der Zivilflugplatz-Bewilligung

(1) Die Zivilflugplatz-Bewilligung ist zu erteilen, wenn

a) das Vorhaben vom technischen Standpunkt geeignet und eine sichere Betriebsführung zu erwarten ist,

b) der Bewilligungswerber verläßlich und zur Führung des Betriebes geeignet ist,

c) die finanziellen Mittel des Bewilligungswerbers die Erfüllung der aus diesem Bundesgesetz für den Flugplatzhalter sich ergebenden Verpflichtungen gewährleisten, und

d) sonstige öffentliche Interessen nicht entgegenstehen.

(2) Voraussetzung für die Erteilung der Zivilflugplatz-Bewilligung eines öffentlichen Flugfeldes ist außerdem, daß ein Bedarf hiefür gegeben ist. Flughäfen dürfen nur bewilligt werden, wenn ihre Errichtung im öffentlichen Interesse gelegen ist. Ein Flughafen ist insbesondere dann nicht im öffentlichen Interesse gelegen, wenn

a) er von einem bereits bewilligten und in Betrieb befindlichen Flughafen weniger als 100 km in der Luftlinie entfernt ist und geeignet wäre, dessen Verkehrsaufgaben zu gefährden, und

b) der Unternehmer dieses bereits bestehenden Flughafens in der Lage und gewillt ist, binnen sechs Monaten die für den geplanten Flughafen in Aussicht genommenen Aufgaben selbst zu übernehmen."

b) Nach Ansicht der antragstellenden Landesregierung widerspricht litd des § 71 Abs 1 LFG dem aus dem Gleichheitsgebot der Bundesverfassung folgenden Sachlichkeitsgebot; diese Vorschrift normiere, daß es keine adäquaten Nachbarrechte (wie in anderen Bewilligungsverfahren für Anlagen, etwa in der Gewerbeordnung) gebe, und verwehre zur Teilnahme an einer Verhandlung berechtigten Grundeigentümern und Anrainern das Recht auf Berücksichtigung ihrer Einwendungen.

c) Die Bundesregierung hält den vorliegenden Antrag (auch) in dessen Punkt 6 für nicht zulässig, weil eine Aufhebung der kritisierten Gesetzesvorschrift nicht die Beseitigung der behaupteten Verfassungswidrigkeit zur Folge hätte. Sie ist mit diesem Einwand im Ergebnis im Recht:

Eine Aufhebung der litd im § 71 Abs 1 LFG würde - wie die Bundesregierung richtig herausstellt - bewirken, daß bei der Erteilung einer Zivilflugplatz-Bewilligung nur mehr die unter den lita bis c des § 71 Abs 1 enthaltenen Kriterien zu #erücksichtigen wären; sie führte keineswegs zur Begründung irgendwelcher subjektiver Nachbarrechte, insbesondere solcher mit dem von der Steiermärkischen Landesregierung für erforderlich erachteten Inhalt. Im Fall der begehrten Aufhebung käme sogar eine Berücksichtigung der Bewilligungserteilung entgegenstehender - allenfalls sogar äußerst gewichtiger - sonstiger (nach dem LFG wahrzunehmender) öffentlicher Interessen überhaupt nicht mehr in Betracht, zu denen - gemäß der Rechtsprechung des VwGH (zB VwSlg. 7913/1970/A) beispielsweise der Schutz der Allgemeinheit (§§92, 96 und 124 LFG), die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit (§§5, 124, 126, 145), die Hintanhaltung der Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum (§133), die Gewährleistung der Sicherheit der Person und des Eigentums (§122), der Sicherheit von Personen und Sachen auf der Erde (§128), die Fernhaltung störender Einwirkungen auf Personen und Sachen (§5) und die Vermeidung vermeidbaren Geräusches (§14) gehören.

3.a) Die Steiermärkische Landesregierung begehrt in Punkt 7 ihres Antrags, die im § 82 Abs 3 LFG enthaltenen Worte "im Bereich der vorgesehenen Sicherheitszone" als verfassungswidrig aufzuheben.

Dieser Paragraph sowie § 83 LFG haben folgenden Wortlaut:

"§82. Errichtung, Umgestaltung und Auflassung von

Militärflugplätzen

(1) Die Errichtung, Umgestaltung und Auflassung von Militärflugplätzen obliegt dem Bundesministerium für Landesverteidigung. Dieses hat hinsichtlich der in Aussicht genommenen Lage eines Militärflugplatzes das Einvernehmen mit dem Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr herzustellen.

(2) Vor der Errichtung oder Erweiterung eines Militärflugplatzes ist der zuständigen Landesregierung und den zuständigen Gemeinden, der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, dem Östereichischen Arbeiterkammertag und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftkammern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(3) Die Errichtung oder Erweiterung eines Militärflugplatzes ist unzulässig, wenn sie eine unbillige Härte für Personen darstellen würde, die an den um den geplanten Flugplatz im Bereich der vorgesehenen Sicherheitszone gelegenen Liegenschaften dingliche Rechte oder Leitungsrechte im Sinne der elektrizitätsrechtlichen Vorschriften besitzen. Die Errichtung oder Erweiterung eines Militärflugplatzes ist auf jeden Fall zulässig, wenn im Interesse der Landesverteidigung darauf nicht verzichtet werden kann.

§ 83. Einwendungen gegen die beabsichtigte Errichtung oder Erweiterung eines Militärflugplatzes

(1) Die beabsichtige Errichtung oder Erweiterung eines Militärflugplatzes und die erforderliche Sicherheitszone oder deren Erweiterung sind in den Gemeinden, die ganz oder teilweise im Bereich der vorgesehenen Sicherheitszone liegen, in ortsüblicher Weise bekanntzumachen.

(2) Die an den in § 82 Abs 3 genannten Liegenschaften dinglich Berechtigten sowie die im Sinne der elektrizitätsrechtlichen Vorschriften hieran Leitungsberechtigten können gegen die beabsichtige Maßnahme binnen einem Monat nach dem Tage der Bekanntmachung aus dem in § 82 Abs 3 bezeichneten Grund Einwendungen geltend machen. Über die Einwendungen hat das Bundesministerium für Landesverteidigung zu entscheiden.

(3) Mit der Errichtung oder Erweiterung des Militärflugplatzes darf erst begonnen werden, wenn das Bundesministerium für Landesverteidigung über die Einwendungen entschieden hat."

b) Im einzelnen bringt die Antragstellerin hiezu vor:

§ 82 Abs 3 beschränke in Verbindung mit § 83 Abs 2 LFG die Möglichkeit, Einwendungen gegen die beabsichtigte Errichtung oder Erweiterung eines Militärflugplatzes zu erheben, auf Personen, die an den um den geplanten Flugplatz im Bereich der vorgesehenen Sicherheitszone gelegenen Liegenschaften dingliche Rechte oder Leitungsrechte im Sinne der elektrizitätsrechtlichen Vorschriften besitzen und für die diese Errichtung oder Erweiterung eine unbillige Härte darstellen würde. Diese Regelung reduziere die Rechte der Nachbarn eines bestehenden Militärflugplatzes, dessen Erweiterung beabsichtigt ist, oder eines beabsichtigten neuen Militärflugplatzes auf einen Schutz vor der Beeinträchtigung des Rechtes zur Errichtung oder Erweiterung von Objekten, die als Luftfahrtshindernisse im Sinne des § 85 Abs 1 LFG qualifiziert werden können. Die Geltendmachung sonstiger Rechte, insbesondere die Geltendmachung eines Anspruches auf einen Schutz vor vermeidbaren Immissionen gewähre § 82 Abs 3 LFG nicht.

Weiters bringt die Antragstellerin vor:

"Die Steiermärkische Landesregierung vertritt die Ansicht, daß die Erfordernisse der militärischen Landesverteidigung die gänzlich fehlende verfahrensrechtliche Berücksichtigung dieser Immissionsschutzinteressen nicht zu rechtfertigen vermag. Nach Ansicht der Steiermärkischen Landesregierung wäre es sehr wohl möglich, ein nachbarrechtliches Immissionsschutzverfahren auch bei Anlagen der militärischen Luftfahrt gesetzlich vorzusehen, ohne daß deshalb die wirksame Erfüllung der Aufgaben der militärischen Luftfahrt und darüber hinaus die Wahrung der Interessen der Landesverteidigung behindert sein müßte. Es könnte durch eine entsprechende Regelung sehr wohl den öffentlichen Interessen der militärischen Landesverteidigung der Vorrang eingeräumt sein, aber den von den von einer Militärflugplatz ausgehenden Emissionen Betroffenen dennoch eine verfahrensrechtliche Mitsprache zum Schutz vor Immissionsbelastungen zugestanden werden. Nach Ansicht der Steiermärkischen Landesregierung wäre eine solche Regelung schon dann gegeben, wenn aus § 82 Abs 3 des Luftfahrtgesetzes die Worte 'im Bereich der vorgesehenen Sicherheitszone' gestrichen würden. Da ohne Schaden für die militärische Landesverteidigung ein rechtliches Verfahren zur angemessenen Berücksichtigung von entgegenstehenden und potentiell beeinträchtigten privaten Interessen der Anrainer und Nachbarn durch diese Worte verhindert wird, verstößt diese Bestimmung gegen das im Gleichheitsgebot eingeschlossene Übermaßverbot."

c) Die Bundesregierung begegnet dem erhobenen Vorwurf ausschließlich mit meritorischen Argumenten und setzt sohin die Zulässigkeit der Anfechtung in diesem Punkt voraus. Sie führt aus:

"Die sachliche Rechtfertigung der Beschränkung der Parteistellung auf Liegenschaftseigentümer, deren Grundstücke im Bereich der vorgesehenen Sicherheitszone liegen, ergibt sich aus den verfassungsgesetzlich verankerten Erfordernissen der militärischen Landesverteidigung. Diese manifestieren sich insbesonders in Art 9a B-VG, es erscheint daher gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber diesem, von der Bundesverfassung ausdrücklich hervorgehobenen und damit als besonders wichtig qualifizierten Interesse gegenüber anderen Interessen den Vorrang einräumt. Die in § 82 Abs 3 enthaltene Regel muß daher als durchaus sachlich bezeichnet werden. Zunächst ist hervorzuheben, daß sich der Gesetzgeber auch bei der Regelung der Errichtung oder Erweiterung eines Militärflugplatzes nicht über die Interessen der am meisten betroffenen Nachbarn hinwegsetzt, sondern sie sogar dadurch schont, daß die Errichtung oder Erweiterung eines Militärflugplatzes in der Regel unmöglich gemacht ist, wenn sie für eine dieser Personen eine unbillige Härte darstellen würde. Bei der Planung, Errichtung und Umgestaltung von Militärflugplätzen sind auch die besonderen Voraussetzungen dieser Verwaltungsmaterie zu beachten. Schon bei der Wahl des Standortes eines Militärflugplatzes muß sowohl auf strategische als auch auf taktische Gesichtspunkte Rücksicht genommen werden, welche ihrerseits wieder vom Gesamtkonzept der militärischen Landesverteidigung abhängen. Zusätzlich müssen besondere topographische Voraussetzungen erfüllt sein. All diese Umstände müssen schließlich auch mit den besonderen technischen Anforderungen an einen Militärflugplatz abgestimmt werden. Dies führt dazu, daß bei der Auswahl von geeigneten Standorten für Militärflugplätze nur eine begrenzte Zahl von Standorten im Bundesgebiet überhaupt in Frage kommt. Daraus ergibt sich aber die Notwendigkeit, daß die Interessen der Eigentümer jener Liegenschaften, welche durch die Errichtung und den Betrieb eines Militärflugplatzes berührt sind, nicht in jenem Umfang berücksichtigt werden können, wie dies bei der Errichtung von Anlagen anderer Art der Fall ist.

Der Gesetzgeber hat die Geltendmachung der Interessen der betroffenen Personengruppen auch keineswegs ausgeschlossen, sondern in § 82 Abs 2 LFG ausdrücklich normiert, daß vor der Errichtung oder Erweiterung eines Militärflugplatzes der zuständigen Landesregierung und den zuständigen Gemeinden, der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, dem Österreichischen Arbeiterkammertag und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist. Er hat damit ein Verfahren vorgesehen, in dem auch die Interessen der Anrainer geäußert und berücksichtigt werden können."

d) Die Antragstellerin ist nicht im Recht:

aa) Nach Art 9a B-VG bekennt sich Österreich zur umfassenden Landesverteidigung. Danach ist es Aufgabe der Landesverteidigung, die Unabhängigkeit nach außen sowie die Unverletzlichkeit und Einheit des Bundesgebietes zu bewahren, insbesondere zur Aufrechterhaltung und Verteidigung der immerwährenden Neutralität. Hiebei sind auch die verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihre Handlungsfähigkeit sowie die demokratischen Freiheiten der Einwohner vor gewaltsamen Angriffen von außen zu schützen und zu verteidigen. Nach Abs 2 dieser Verfassungsbestimmung gehören zur umfassenden Landesverteidigung die militärische, die geistige, die zivile und die wirtschaftliche Landesverteidigung.

Diese Verfassungsrechtslage ist bei der Auslegung des § 82 Abs 3 LFG zu berücksichtigen.

Nach dem ersten Satz des § 82 Abs 3 LFG ist die Errichtung oder Erweiterung eines Militärflugplatzes unzulässig, wenn sie für Personen eine unbillige Härte darstellen würde, die an den um den geplanten Flugplatz im Bereich der vorgesehenen Sicherheitszone gelegenen Liegenschaften dingliche Rechte oder Leitungsrechte im Sinne der elektrizitätsrechtlichen Vorschriften besitzen.

Der genannte Satz schränkt die Einwendungsmöglichkeiten in zweifacher Hinsicht ein. Zum einen gibt er sie nur dinglich Berechtigten oder Besitzern von Leitungsrechten im Sinne der elektrizitätsrechtlichen Vorschriften, zum anderen muß die Errichtung oder Erweiterung eines Militärflugplatzes für diesen Personenkreis eine unbillige Härte bewirken.

Entgegen der Auffassung der Steiermärkischen Landesregierung gewährt diese Regelung aber nicht nur "Schutz vor der Beeinträchtigung des Rechtes zur Errichtung oder Erweiterung von Objekten, die als Luftfahrthindernisse im Sinne des § 85 Abs 1 Luftfahrtgesetz qualifiziert werden können". Da das Gesetz keine Einschränkung enthält, ist für den im ersten Satz des § 82 Abs 3 LFG genannten Personenkreis die Geltendmachung sonstiger Rechte nicht ausgeschlossen. Daher kann die Errichtung eines Militärflugplatzes für diese Personen auch deshalb eine unbillige Härte darstellen, weil damit vermeidbare Immissionen verbunden sind. Ob den vorgebrachten Einwendungen eine unbillige Härte zugrunde liegt oder nicht, ist im Einzelfall zu beurteilen, wobei jedenfalls stets auch die Interessen der Landesverteidigung einzufließen haben.

Liegt nach Abwägung aller Umstände eine unbillige Härte vor, die von dem im ersten Satz des § 82 Abs 3 LFG umschriebenen Personenkreis geltend gemacht wurde, so ist die Errichtung oder Erweiterung eines Militärflugplatzes unzulässig, es sei denn, daß ein Fall gemäß dem zweiten Satz in § 82 Abs 3 LFG vorliegt. Nach dem zweiten Satz ist die Errichtung oder Erweiterung eines Militärflugplatzes auf jeden Fall zulässig, wenn im Interesse der Landesverteidigung darauf nicht verzichtet werden kann.

bb) Das Gesetz unterscheidet hinsichtlich der Einräumung der Parteistellung zwischen jenen Personen, die in der Sicherheitszone dingliche Rechte oder Leitungsrechte haben, und anderen Personen. Diese Abgrenzung ist sachlich. Aus dem V. Teil des LFG ergibt sich, daß innerhalb von Sicherheitszonen zahlreiche gesetzliche Beschränkungen des Eigentums bestehen, die bis zur Pflicht zur Beseitigung von Luftfahrthindernissen führen können (§96). Dinglich Berechtigte in der Sicherheitszone, also dem örtlichen Nahbereich des Flugplatzes, sind im Regelfall auch besonders intensiv von Immissionen betroffen, die von der Errichtung und Erweiterung (und damit auch vom Betrieb) des Militärflugplatzes ausgehen.

Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehalten, jedermann, der durch Immissionen beeinträchtigt sein könnte, Parteistellung einzuräumen. Beschränkt der Gesetzgeber - wie im vorliegenden Fall - die Parteistellung auf einen Kreis von Personen, die im Regelfall infolge der Errichtung und des Betriebes eines Militärflugplatzes besonderen Nachteilen (einschließlich von Immissionen) ausgesetzt sind, so ist diese Beschränkung nicht unsachlich (vgl. zur Sachlichkeit der Abgrenzung der Parteistellung im Bereiche des Bundesstraßengesetzes VfSlg. 5271/1966).

Der Antrag ist daher in diesem Punkt nicht gerechtfertigt.

4.a) Schließlich begehrt die Steiermärkische Landesregierung mit ihrem Eventualantrag unter Punkt 8, die §§82 und 83 LFG zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben.

Die in diesen Paragraphen getroffenen Regelungen über die Errichtung, Umgestaltung und Auflassung von Militärflugplätzen und die Möglichkeit, gegen die beabsichtigte Errichtung oder Erweiterung eines Militärflugplatzes Einwendungen zu erheben, normierten keinerlei Verpflichtung, bei der Entscheidung über die Errichtung oder Erweiterung eines Militärflugplatzes auf Raumordnungsmaßnahmen nach dem jeweiligen Raumordnungsgesetz Rücksicht zu nehmen. Damit werde das Luftfahrtgesetz dem Gebot zur Rücksichtnahme auf die von den Ländern kompetenzgemäß wahrzunehmenden Aufgaben nicht gerecht. Im Sinne der der Verfassung innewohnenden Rücksichtnahmepflicht wäre jedoch zu fordern, daß auch in den Regelungen über die Errichtung und Erweiterung von militärischen Flugplätzen - bzw. im Zusammenhang mit diesen Regelungen - die Verpflichtung normiert wird, eine zu einem angemessenen Ausgleich führende Abwägung der Interessen des Bundes, im konkreten Fall der Interessen der Landesverteidigung, mit jenen des Landes, insbesondere im Hinblick auf die Raumordnung, vorzunehmen. Die Steiermärkische Landesregierung vertritt die Ansicht, daß das Rücksichtnahmegebot der Bundesverfassung auch im Zusammenhang mit Maßnahmen der militärischen Landesverteidigung grundsätzlich zu beachten sei. Auch wenn im Sinne des Art 9a B-VG der militärischen Landesverteidigung ein besonderer Stellenwert zukomme, sei es dennoch nicht gerechtfertigt, den Bund im Zusammenhang mit der Setzung von Maßnahmen auf dem Gebiet der militärischen Landesverteidigung schlechthin von jeder Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die von den Ländern in ihrem Kompetenzbereich gesetzten bzw. zu setzenden Maßnahmen zu dispensieren. Da die §§82 und 83 LFG keinerlei Berücksichtigung von Maßnahmen des Landes, insbesondere in der Raumordnung, die auf Grund der jeweiligen Landesgesetze gesetzt worden sind, vorsehen, trügen sie dem Rücksichtnahmegebot der Bundesverfassung nicht Rechnung.

b) Die Bundesregierung hält den Antrag in diesem Punkt aus zwei Gründen für unzulässig. Der Eventualantrag lasse einerseits nicht erkennen, welche (konkreten) Voraussetzungen das Aufhebungsbegehren bedingen. Andererseits sei das Eventualbegehren zu unbestimmt, weil die Steiermärkische Landesregierung bloß generell behaupte, daß der Bundesgesetzgeber entgegen seiner Rücksichtnahmepflicht auf "die Raumordnungsmaßnahmen nach dem jeweiligen Raumordnungsgesetz" und damit "auf die von den Ländern kompetenzgemäß wahrzunehmenden Aufgaben" nicht ausreichend Bedacht genommen habe, nicht aber jene Regelungen aus dem Steiermärkischen Raumordnungsgesetz (oder dem eines anderen Landes) nenne, auf welche nicht ausreichend Bedacht genommen worden sei.

In meritorischer Hinsicht hält die Bundesregierung dem Antragspunkt 8 im wesentlichen entgegen, daß dem Antrag nicht zu entnehmen sei, die Wahrnehmung welcher Kompetenzen der Länder die angegriffenen Vorschriften verletzten. Raumordnungsgesetze stützten sich nicht auf einheitliche Kompetenztatbestände, sondern stellten sogenannte Querschnittsmaterien dar; militärische Planung - und damit auch die Planung der Errichtung und Umgestaltung von Militärflugplätzen - sei aber gemäß Art 10 Abs 1 Z 15 B-VG eine Angelegenheit, die in Gesetzgebung und Vollziehung dem Bund zustehe. Den im Zusammenhang mit dem Begriff "militärische Landesverteidigung" (Art9a Abs 2 B-VG und Art 79 Abs 1 B-VG) zu sehenden Kompetenztatbestand "militärische Angelegenheiten" komme eine sehr weite Bedeutung zu. Im übrigen ordne der steiermärkische Landesgesetzgeber in § 1 Abs 3 des Stmk. ROG an, daß den Bestimmungen dieses Gesetzes keine über die Zuständigkeit des Landes hinausgehende rechtliche Wirkung zukommen soll, soweit durch sie der Zuständigkeitsbereich des Bundes berührt wird. Gemäß § 3 Abs 15 des Stmk. ROG gehöre es weiters zu den Grundsätzen der Steiermärkischen Raumordnung, daß "auf raumbedeutsame Maßnahmen und Erfordernisse der Landesverteidung und des Zivilschutzes ... Bedacht zu nehmen" sei.

c) Die verfahrensrechtlichen Einwendungen der Bundesregierung sind nach Auffassung des Gerichtshofes nicht stichhältig. Aus dem inhaltlichen Zusammenhang der unmittelbar aufeinanderfolgenden Antragspunkte 7 und 8 ergibt sich mit ausreichender Deutlichkeit, daß die antragstellende Landesregierung eine Prüfung der §§82 und 83 LFG auf ihre Verfassungsmäßigkeit unter dem Aspekt des sogenannten Berücksichtigungsprinzips für den Fall begehrt, daß der Verfassungsgerichtshof (und zwar gleichviel, ob aus prozessualen oder materiellen Gründen) eine Aufhebung der gemäß Antragspunkt 7 angefochtenen Wortfolge im § 82 Abs 3 LFG ablehnt. Der weitere Einwand der Bundesregierung betrifft der Sache nach überhaupt keine Verfahrensvoraussetzung, sondern enthält eine inhaltliche Kritik an den geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken.

d) Der im materiell-rechtlichen Bereich geäußerten Ansicht der Bundesregierung pflichtet der Verfassungsgerichtshof hingegen im Ergebnis bei.

Es kann auf sich beruhen, ob dem Rücksichtnahmeprinzip (s. dazu das von der Bundesregierung zitierte Erk. VfSlg. 10.292/1984) im hier gegebenen Zusammenhang überhaupt die von der Steiermärkischen Landesregierung angenommene Bedeutung zukommt, zumal "Raumordnung" (im Sinne des im Erk. VfSlg. 2674/1954 formulierten Rechtssatzes) keinesfalls solche planenden Maßnahmen umfaßt, die der Gesetzgebung oder auch der Vollziehung des Bundes ausdrücklich vorbehalten sind, mithin auch nicht die in Art 10 Abs 1 Z 15 B-VG genannten "militärischen Angelegenheiten". Selbst wenn man sich jedoch auf den Boden des von der Antragstellerin eingenommenen Standpunktes begeben wollte, wäre ihr (wie die Bundesregierung - wenngleich aus prozessualem Blickwinkel - zu Recht dartut) entgegenzuhalten, daß im Antrag keine (konkreten) Regelungen des steiermärkischen oder eines anderen Raumordnungsgesetzes genannt sind, auf welche der Bundesgesetzgeber nicht ausreichend Bedacht genommen hätte.

Der Antrag erweist sich somit auch in seinem Eventualbegehren als nicht gerechtfertigt.

III. Aus den dargelegten Gründen war der Antrag hinsichtlich der Punkte 1 bis 6 als unzulässig zurückzuweisen und im übrigen (Punkte 7 und 8) abzuweisen.

Von einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG abgesehen.