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VfGH vom 07.12.2011, g17/11

VfGH vom 07.12.2011, g17/11

Sammlungsnummer

19584

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit der Ausnahme von Gastgärten von der gewerberechtlichen Genehmigungspflicht unter bestimmten Voraussetzungen; Benachteiligung der Nachbarn von Gastgärten gegenüber Nachbarn sonstiger Betriebsanlagen; Erfordernis der Einhaltung bestimmter Kriterien keine Rechtfertigung der Genehmigungsfreistellung

Spruch

I. 1. Die Wortfolge "eine Gesundheitsgefährdung oder unzumutbare Belästigung durch Lärm ist jedenfalls nicht zu erwarten, wenn die im Einleitungssatz und in Z 1 bis Z 3 genannten Voraussetzungen erfüllt sind;" in § 76a Abs 1 Z 4 Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194/1994 idF BGBl. I Nr. 66/2010, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

3. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht

wieder in Kraft.

4. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen

Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II. Der Antrag des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark, § 76a Abs 2 Gewerbeordnung 1994 idF BGBl. I Nr. 66/2010 als verfassungswidrig aufzuheben, und dessen Antrag, die Wortfolge "sich auf öffentlichem Grund befinden oder" in § 76a Abs 1 Gewerbeordnung 1994 idF BGBl. I Nr. 66/2010 als verfassungswidrig aufzuheben, werden zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.

1. Mit dem zu G17/11 protokollierten, auf Art 89 Abs 2, Art 129a Abs 3 und Art 140 Abs 1 B-VG sowie auf § 62 VfGG gestützten Antrag begehrt der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark (in der Folge: UVS),

"§76a Abs 2 Gewerbeordnung 1994 in der Fassung BGBl. I 66/2010, in eventu folgenden Wortlaut in § 76a Abs 1 Z 4 Gewerbeordnung 1994, in der Fassung BGBl. I 66/2010,

'eine Gesundheitsgefährdung oder unzumutbare

Belästigung durch Lärm ist jedenfalls nicht zu erwarten, wenn die im Einleitungssatz und in Z 1 bis Z 3 genannten Voraussetzungen erfüllt sind;'

als verfassungswidrig aufzuheben."

Diesem Antrag liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns von Bruck an der Mur vom wurde auf Ansuchen der G. H. GmbH die die Anwendung des vereinfachten Verfahrens begründende Beschaffenheit der gastgewerblichen Betriebsanlage ("Verkaufs- und Verkostungslounge") gemäß § 359b GewO 1994 iVm § 1 Z 1 der VO BGBl. 850/1994 festgestellt.

1.2. Auf Grund des Antrags dieser Gesellschaft vom auf Errichtung und Betrieb einer "Raucherlounge im Innenhof" wurde ein Änderungsgenehmigungsverfahren eingeleitet und in dessen Rahmen vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung ein Gutachten über die durch den Gastgarten bei der nächstgelegenen Nachbarschaft verursachten Schallimmissionen erstattet. Diesem zufolge würde der Beurteilungspegel den Basispegel überschreiten und wäre der energieäquivalente Dauerschallpegel erhöht. Darauf aufbauend führte die medizinische Amtssachverständige aus, dass sich dadurch eine wesentliche Veränderung der Ist-Situation ergebe; in Verbindung mit der zusätzlichen Belästigung durch Rauch würde dies zu wesentlichen Ablehnungsreaktionen in der Nachbarschaft und in weiterer Folge zu gesundheitlichen Auswirkungen führen.

1.3. Mit Eingabe vom zog die mitbeteiligte Partei den Antrag auf gewerbebehördliche Genehmigung der Errichtung und des Betriebs der Raucherlounge zurück und erstattete am selben Tag Anzeige über die Betriebsaufnahme eines Gastgartens im Innenhof für den Zeitraum von 9 bis 22 Uhr.

1.4. Mit dem auf das im Änderungsgenehmigungsverfahren erstattete Gutachten des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung sowie auf die Stellungnahme der medizinischen Amtssachverständigen gestützten Bescheid vom stellte die erstinstanzliche Behörde gemäß § 76a Abs 4 GewO fest, dass der angezeigte Betrieb die Voraussetzungen gemäß § 76a Abs 2 GewO nicht erfülle, und untersagte den Betrieb des Gastgartens. Begründend führte die Behörde aus, dass "im Gegenstande das zulässige Ausmaß an Immissionen das ortsübliche Ausmaß übersteige und eine unzumutbare Lärmbelästigung und Gesundheitsgefährdung der Nachbarn" gegeben sei. Dagegen erhob die mitbeteiligte Partei Berufung an den UVS.

2. Aus Anlass eines anderen Verwaltungsverfahrens

stellt der UVS den weiteren, zu G49/11 protokollierten, auf Art 89 Abs 2 zweiter Satz, Art 129a Abs 3 und Art 140 Abs 1 B-VG sowie auf § 62 VfGG gestützten Antrag,

"die Wortfolge 'sich auf öffentlichem Grund befinden oder' in § 76a Abs 1 der Gewerbeordnung 1994, in der Fassung BGBl. I 66/2010, als verfassungswidrig aufzuheben;

in eventu die Wortfolge 'eine Gesundheitsgefährdung oder unzumutbare Belästigung durch Lärm ist jedenfalls nicht zu erwarten, wenn die im Einleitungssatz und in Z 1 bis Z 3 genannten Voraussetzungen erfüllt sind;' in § 76a Abs 1 Z 4 zweiter Halbsatz der Gewerbeordnung 1994, in der Fassung BGBl. I 66/2010 als verfassungswidrig aufzuheben;

in eventu § 76a Abs 1 und Abs 2 der Gewerbeordnung 1994 in der Fassung BGBl. I 66/2010, als verfassungswidrig aufzuheben;

in eventu die §§76a, 336 Abs 3, den Ausdruck '§76a

Abs9,' in § 337 Abs 1 sowie § 366 Abs 1 Z 3a,§ 367 Z 24a und § 376 Z 50 und Z 51 der Gewerbeordnung 1994 in der Fassung BGBl. I 66/2010, als verfassungswidrig aufzuheben."

Diesem Antrag liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

2.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns von Leoben vom wurde der Antrag des H. S. auf Änderung einer gastgewerblichen Betriebsanlage durch Errichtung eines Gastgartens mit der Begründung abgewiesen, dass nach dem auf Basis eines schalltechnischen Gutachtens erstatteten humanmedizinischen Gutachten mit dem geplanten Betrieb des Gastgartens (24 Verabreichungsplätze, Betrieb von Montag bis Sonntag von 9 bis 22 Uhr) jedenfalls erhebliche Belästigungen der Nachbarn verbunden wären und auf längere Sicht eine Gesundheitsgefährdung der Nachbarn nicht ausgeschlossen werden könne.

2.2. Mit Eingabe vom zeigte die mitbeteiligte Partei bei der erstinstanzlichen Behörde den Betrieb eines Gastgartens mit 24 Verabreichungsplätzen im Gehsteigbereich vor dem Gastgewerbebetrieb mit den Betriebszeiten von 8 bis 23 Uhr an.

2.3. Mit Bescheid vom stellte die erstinstanzliche Behörde fest, dass die Voraussetzung nach § 76a Abs 1 Z 4 GewO für den Betrieb des angezeigten Gastgartens nicht erfüllt sei, und untersagte den Betrieb des Gastgartens. Begründet wurde diese Entscheidung im Wesentlichen mit den Ergebnissen des vorangegangenen Verfahrens nach § 81 GewO, dem - abgesehen von den Betriebszeiten - ein identer Sachverhalt zugrunde gelegen sei; es sei festgestellt worden, dass bei Betrieb des projektierten Gastgartens eine Gefährdung der Gesundheit der Nachbarn nicht ausgeschlossen werden könne. Die Annahme des § 76a Abs 1 Z 4 GewO sei daher durch Gutachten widerlegt worden. Dagegen erhob die mitbeteiligte Partei Berufung an den UVS.

3. Die Anträge des UVS wurden vor dem Hintergrund der folgenden Rechtslage gestellt.

3.1. Die Rechtslage bis zur GewO-Novelle 1998

Sonderregelungen für die Ausübung des Gastgewerbes in Gastgärten waren zunächst in § 153 GewO 1973 idF BGBl. 29/1993 bzw. in § 148 GewO 1994 idF BGBl. 194/1994 enthalten (vgl. zur Entwicklung der Rechtslage betreffend Gastgärten Gruber, Der Schanigarten - ein ewiges Problem?, in: Gruber/Paliege-Barfuß [Hrsg.], Gewerberecht Jahrbuch 2008, 149). § 148 GewO 1994 idF BGBl. 194/1994, lautete wie folgt:

"§148. (1) Gastgärten, die sich auf öffentlichem

Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, dürfen jedenfalls von 8 bis 22 Uhr, vom 15. Juni bis einschließlich 15. September bis 23 Uhr, betrieben werden, wenn sie ausschließlich der Verabreichung von Speisen und dem Ausschank von Getränken dienen, lautes Sprechen, Singen und Musizieren in ihnen vom Gastgewerbetreibenden untersagt ist und auf dieses Verbot hinweisende Anschläge dauerhaft und von allen Zugängen zum Gastgarten deutlich erkennbar angebracht sind. Der erste Satz gilt auch für bereits bestehende sonstige Gastgärten.

(2) Der Landeshauptmann kann mit Verordnung vom Abs 1 abweichende Regelungen betreffend die Gewerbeausübung in Gastgärten für solche Gebiete festlegen, die insbesondere wegen ihrer Flächenwidmung, ihrer Verbauungsdichte, der in ihnen bestehenden Bedürfnisse im Sinne des § 152 Abs 1 und ihrer öffentlichen Einrichtungen, wie Krankenhäuser, Altersheime, Bahnhöfe, Theater, Sportplätze und Parks, diese Sonderregelung rechtfertigen.

(3) [...]"

§148 Abs 1 zweiter Satz GewO 1994 idF BGBl. 194/1994 wurde mit VfSlg. 14.551/1996 aufgehoben.

3.2. Die Rechtslage nach der GewO-Novelle 1998

Nach mehreren Gesetzesänderungen lautete die Bestimmung des § 148 Abs 1 GewO idF BGBl. I 116/1998 wie folgt:

"Gewerbeausübung in Gastgärten und außerhalb der Betriebsräume und allfälligen sonstigen Betriebsflächen

§148. (1) Gastgärten, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, dürfen jedenfalls von 8 bis 22 Uhr, vom 15. Juni bis einschließlich 15. September bis 23 Uhr, betrieben werden, wenn sie ausschließlich der Verabreichung von Speisen und dem Ausschank von Getränken dienen, lautes Sprechen, Singen und Musizieren in ihnen vom Gastgewerbetreibenden untersagt ist und auf dieses Verbot hinweisende Anschläge dauerhaft und von allen Zugängen zum Gastgarten deutlich erkennbar angebracht sind. Gastgärten, die sich weder auf öffentlichem Grund befinden noch an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, dürfen jedenfalls von 9 bis 22 Uhr betrieben werden, wenn sie die Voraussetzungen des ersten Satzes erfüllen. Im Rahmen eines Verfahrens zur Genehmigung einer Betriebsanlage oder ihrer Änderung, das sich auch oder nur auf einen Gastgarten erstreckt, der die Voraussetzungen des ersten oder zweiten Satzes erfüllt, dürfen in Ansehung des Gastgartens keine Auflagen für den Lärmschutz vorgeschrieben werden und ist auch die Versagung der Genehmigung dieses Gastgartens aus Gründen des mit seinem Betrieb ursächlich im Zusammenhang stehenden Lärms unzulässig.

(2) Der Landeshauptmann kann mit Verordnung vom Abs 1 abweichende Regelungen betreffend die Gewerbeausübung in Gastgärten für solche Gebiete festlegen, die insbesondere wegen ihrer Flächenwidmung, ihrer Verbauungsdichte, der in ihnen bestehenden Bedürfnisse im Sinne des § 152 Abs 1 und ihrer öffentlichen Einrichtungen, wie Krankenhäuser, Altersheime, Bahnhöfe, Theater, Sportplätze und Parks, diese Sonderregelung rechtfertigen."

3.3. Die Rechtslage nach der GewO-Novelle 2002

Durch die Novelle BGBl. I 111/2002 wurde das gesamte II. Hauptstück der GewO 1994 neu gefasst und wurden besondere Vorschriften für Gastgärten in die Bestimmung des § 112 Abs 3 GewO übernommen. § 112 Abs 3 GewO idF BGBl. I 42/2008 lautete wie folgt:

"(3) Gastgärten, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, dürfen jedenfalls von 8 bis 23 Uhr betrieben werden, wenn sie ausschließlich der Verabreichung von Speisen und dem Ausschank von Getränken dienen, lautes Sprechen, Singen und Musizieren in ihnen vom Gastgewerbetreibenden untersagt ist und auf dieses Verbot hinweisende Anschläge dauerhaft und von allen Zugängen zum Gastgarten deutlich erkennbar angebracht sind. Gastgärten, die sich weder auf öffentlichem Grund befinden, noch an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, dürfen jedenfalls von 9 bis 22 Uhr betrieben werden, wenn sie die Voraussetzungen des ersten Satzes erfüllen. Die Gemeinde kann mit Verordnung abweichende Regelungen betreffend die Gewerbeausübung in Gastgärten für solche Gebiete festlegen, die insbesondere wegen ihrer Flächenwidmung, ihrer Verbauungsdichte, der in ihnen bestehenden Bedürfnisse im Sinne des § 113 Abs 1 und ihrer öffentlichen Einrichtungen, wie Krankenhäuser, Altersheime, Bahnhöfe, Theater, Sportplätze und Parks, diese Sonderregelung rechtfertigen."

3.4. Die Rechtslage nach der GewO-Novelle 2010

Durch die Novelle BGBl. I 66/2010, in Kraft getreten am , wurde § 112 Abs 3 GewO idaF durch § 76a GewO ersetzt, welcher wie folgt lautet (die den zulässigen Eventualanträgen zugrundeliegende Bestimmung ist hervorgehoben):

"§76a. (1) Für Gastgärten, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, ist für die Zeit von 8 bis 23 Uhr keine Genehmigung erforderlich, wenn

1. sie ausschließlich der Verabreichung von Speisen und dem Ausschank von Getränken dienen,

2. sie über nicht mehr als 75 Verabreichungsplätze verfügen,

3. in ihnen lauteres Sprechen als der übliche Gesprächston der Gäste, Singen und Musizieren vom Gastgewerbetreibenden untersagt ist und auf dieses Verbot hinweisende Anschläge dauerhaft und von allen Zugängen zum Gastgarten deutlich erkennbar angebracht sind, und

4. auf Grund der geplanten Ausführung zu erwarten

ist, dass die gemäß § 74 Abs 2 wahrzunehmenden Interessen hinreichend geschützt sind und Belastungen der Umwelt (§69a) vermieden werden; eine Gesundheitsgefährdung oder unzumutbare Belästigung durch Lärm ist jedenfalls nicht zu erwarten, wenn die im Einleitungssatz und in Z 1 bis Z 3 genannten Voraussetzungen erfüllt sind; eine wesentliche Beeinträchtigung des Verkehrs im Sinne des § 74 Abs 2 Z 4 ist jedenfalls nicht zu erwarten, wenn der Gastgarten gemäß § 82 Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960, in der jeweils geltenden Fassung, bewilligt ist.

(2) Für Gastgärten, die sich weder auf öffentlichem Grund befinden noch an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, ist für die Zeit von 9 bis 22 Uhr keine Genehmigung erforderlich, wenn die Voraussetzungen gemäß Abs 1 Z 1 bis Z 4 sinngemäß erfüllt sind.

(3) Der Betrieb eines Gastgartens im Sinne des Abs 1 oder des Abs 2 ist der Behörde vorher anzuzeigen. Dieser Anzeige sind Unterlagen im Sinne des § 353 Z 1 lita bis litc in vierfacher Ausfertigung anzuschließen.

(4) Sind die Voraussetzungen gemäß Abs 1 oder Abs 2

nicht erfüllt, so hat die Behörde unbeschadet eines Verfahrens nach §§366 ff dies festzustellen und den Betrieb des Gastgartens zu untersagen. Die Behörde hat diesen Bescheid spätestens drei Monate nach Einlangen der Anzeige samt Unterlagen zu erlassen.

(5) Wenn die in Abs 1 oder Abs 2 angeführten Voraussetzungen wiederholt nicht eingehalten werden, hat die Behörde den Gastgarteninhaber mit Verfahrensanordnung zur Einhaltung der Voraussetzungen aufzufordern. Kommt der Gewerbetreibende dieser Aufforderung nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die Schließung des Gastgartens zu verfügen. § 360 Abs 4 letzter Satz und Abs 5 sind sinngemäß anzuwenden.

(6) Mit Erteilung einer Genehmigung gemäß § 81 treten Bescheide gemäß Abs 4 oder Abs 5 außer Wirksamkeit.

(7) Gastgärten, die im Sinne des Abs 1 Z 1 bis Z 4,

jedoch über die in Abs 1 oder Abs 2 angeführten Zeiten hinaus betrieben werden, bedürfen einer Genehmigung, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.

(8) Auf Gastgärten, die im Sinne des Abs 1 oder Abs 2 betrieben werden, sind die §§79 und 79a mit der Maßgabe anzuwenden, dass Auflagen und Einschränkungen der Betriebszeit zugunsten von Nachbarn im Sinne des § 75 Abs 2 und 3 nur soweit vorzuschreiben sind, als diese zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen notwendig sind.

(9) Die Gemeinde kann mit Verordnung abweichende Regelungen betreffend die in Abs 1 und Abs 2 festgelegten Zeiten für solche Gebiete festlegen, die insbesondere wegen ihrer Flächenwidmung, ihrer Verbauungsdichte, der in ihnen bestehenden Bedürfnisse im Sinne des § 113 Abs 1 und ihrer öffentlichen Einrichtungen, wie Krankenhäuser, Altersheime, Bahnhöfe, Theater, Sportplätze und Parks, diese Sonderregelung rechtfertigen. Im Besonderen kann in der Verordnung auch in Gebieten mit besonderen touristischen Einrichtungen oder Erwartungshaltungen (Tourismusgebiete) eine Zeit insbesondere bis 24 Uhr als gerechtfertigt angesehen werden."

3.5. Das Bundesverfassungsgesetz vom über den umfassenden Umweltschutz, BGBl. 491/1984, lautet:

"§1. (1) Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zum umfassenden Umweltschutz.

(2) Umfassender Umweltschutz ist die Bewahrung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen vor schädlichen Einwirkungen. Der umfassende Umweltschutz besteht insbesondere in Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft, des Wassers und des Bodens sowie zur Vermeidung von Störungen durch Lärm.

§2. Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung betraut."

II.

1. Zu dem zu G17/11 protokollierten Antrag des UVS

1.1. Zur Zulässigkeit des Antrags führt der UVS aus, dass er, da die mitbeteiligte Partei den Betrieb eines weder auf einem öffentlichen Grund liegenden noch an eine öffentliche Verkehrsfläche angrenzenden Gastgartens angezeigt und die erstinstanzliche Behörde diesen mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 76a Abs 2 GewO untersagt habe, als zuständige Berufungsbehörde § 76a Abs 2 GewO und durch den darin vorgenommenen Verweis auch § 76a Abs 1 unmittelbar anzuwenden hätte.

1.2. In der Sache hegt der UVS gegen die im Antrag genannten Bestimmungen Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz und auf die Bestimmungen des Bundesverfassungsgesetzes vom über den umfassenden Umweltschutz (in der Folge: BVG Umweltschutz).

1.2.1. Eine gewerbliche Betriebsanlage sei genehmigungspflichtig, wenn sie geeignet sei, Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen iSd § 74 Abs 2 GewO hervorzurufen; es reiche aus, wenn nachteilige Auswirkungen auf Personen sowie Tätigkeits- und Sachbereiche iSd § 74 Abs 2 GewO nicht ausgeschlossen werden könnten. Sei es zur Wahrung der in § 74 Abs 2 GewO umschriebenen Interessen erforderlich, bedürfe auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung.

Durch die Regelung des § 76a Abs 1 Z 4 zweiter Teilsatz GewO idF BGBl. I 66/2010, der gemäß § 76a Abs 2 auch auf Gastgärten, die sich weder auf öffentlichem Grund befänden, noch an öffentliche Verkehrsflächen angrenzten, anzuwenden sei, werde "das grundsätzliche System der Gewerbeordnung" (Abwehr der vom Gewerbebetrieb unmittelbar ausgehenden Gefahren für Gewerbetreibende, Kunden und Nachbarn) insofern "unterlaufen", als losgelöst von den Genehmigungskriterien des § 74 Abs 2 Z 1 und Z 2 GewO betreffend Lärmemissionen eine "Genehmigungsfreistellung" für Gastgärten geschaffen worden sei. Insbesondere führt der UVS dazu Folgendes aus:

"[...] Diese Ausnahme vom Erfordernis einer Genehmigung erfasst sohin Gastgärten, unabhängig davon, ob durch deren Betrieb die Gesundheit von Menschen gefährdet oder diese unzumutbar belästigt werden. Selbst Gastgärten, von denen gesundheitsgefährdende Lärmemissionen ausgehen sind genehmigungsfrei! Ein Schutz der Nachbarn ist nur nachträglich durch Vorschreibung von Auflagen gem. § 76a Abs 8 GewO möglich. Unzumutbare Belästigungen sind kraft Gesetzes ausdrücklich jedenfalls in Kauf zu nehmen!

Eine sachliche Rechtfertigung für diese Privilegierung gegenüber anderen gewerblichen Betriebsanlagen(-teilen) fehlt."

1.2.2. Die Regelung des § 76a Abs 2 GewO widerspreche auch dem sich aus der Gewerbepraxis und der Judikatur ergebenden Prinzip der Einheit der Betriebsanlage, wonach eine Betriebsanlage gewerberechtlich ein einheitliches Objekt darstelle, soweit ein örtlicher Zusammenhang aller Anlagenteile gegeben sei. Nur durch eine solche Gesamtbetrachtung könnten die Auswirkungen auf die Umwelt umfassend beurteilt und damit der vom Gesetzgeber "bisher" angestrebte umfassende Nachbarschutz bewirkt werden.

1.2.3. Das im Erkenntnis VfSlg. 14.551/1996 als für eine verfassungskonforme Regelung wesentlich erachtete Element der "räumlichen Situierung" von Gastgärten, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen würden, liege gerade bei Gastgärten im Innenhofbereich nicht vor. Gerade in diesen Fällen könne nicht "mit Fug" davon ausgegangen werden, dass angesichts der Nutzungsbeschränkungen des Gastgartens der zu erwartende Immissionsstandard die nach § 77 GewO vorgesehene Zumutbarkeitsgrenze, die sich an den tatsächlichen örtlichen Verhältnissen orientiere, nicht überschreite. Es sei nicht einzusehen, dass auch Gastgewerbetreibenden, deren Gastgärten nicht von vornherein ein gewisses Maß an Lärmimmissionen zumutbar erscheinen ließen, eine "Betriebsgarantie" zukommen solle.

1.2.4. Die Benachteiligung der Nachbarn von

Gastgärten sei jedenfalls unverhältnismäßig, da der Gesetzgeber mit der Ausnahme vom Erfordernis einer Genehmigung selbst Gesundheitsgefährdungen und jedenfalls unzumutbare Belästigungen der Nachbarn in Kauf nehme. Damit widerspreche diese Regelung den Bestimmungen des BVG Umweltschutz, das den umfassenden Umweltschutz, insbesondere auch Maßnahmen zur Vermeidung von Störungen durch Lärm zum Staatsziel erklärt habe:

"[...] Gerade die Emissionen durch Lärm sind kraft § 76a Abs 1 Z 4 zweiter Teilsatz GewO 'als' jedenfalls nicht zu erwarten zu werten und daher nicht geeignet, die Genehmigungspflicht des Gastgartens auszulösen, weshalb selbst bei den restriktiven Tatbestandselementen ein eklatanter Widerspruch zu diesem Staatsziel gegeben ist."

1.3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den Bedenken des UVS entgegentritt:

1.3.1. Die Bestimmung des § 76a Abs 1 Z 4 GewO enthalte die allgemeine Vorgabe, dass sich die Anwendung der Gastgartenregelung auf Fälle beschränke, bei denen auf Grund der geplanten Ausführung zu erwarten sei, dass die gemäß § 74 Abs 2 GewO wahrzunehmenden Interessen hinreichend geschützt seien und Belastungen der Umwelt vermieden werden. Somit sei im Wege einer Prognoseentscheidung sichergestellt, dass grundsätzlich alle Kriterien des § 74 Abs 2 eingehalten würden. Nur hinsichtlich der Emissionen von Lärm habe der Gesetzgeber eine typisierende Betrachtung vorgenommen, aber auch hinsichtlich jener könne die Genehmigungsfreistellung keineswegs als losgelöst von den Kriterien des § 74 Abs 2 Z 1 und 2 GewO angesehen werden. Die gesetzliche Vermutung sei an strenge Voraussetzungen geknüpft, die geeignet seien, gerade diese Gefährdungen zu vermeiden:

"Im Hinblick auf Beeinträchtigungen durch Lärm sieht § 76a Abs 1 GewO 1994 spezielle Kriterien vor, mit denen möglichen nachteiligen Auswirkungen vorgebeugt wird. Das Entstehen eines Geräuschpegels in einem Gastgarten, welcher seiner Intensität und Art nach als Lärm empfunden wird, wird weitgehend beeinflusst

1. vom Ausmaß und der Situierung des Gastgartens,

2. vom Verhalten an der Schallquelle (dies lässt sich weitgehend unter 'Gesang' und 'unüblich lautes Sprechen' zusammenfassen), und

3. von der Uhrzeit, zu welcher der Gastgarten in Betrieb ist."

Diesen Lärmemissionsfaktoren werde durch § 76a GewO umfassend Rechnung getragen: Die Beschränkung auf (überschaubare) 75 Verabreichungsplätze stelle einerseits sicher, dass der Betreiber in der Lage sei, für eine wirksame Einhaltung der in Z 3 genannten Verbote zu sorgen. Andererseits werde dadurch bewirkt, dass sich große und lärmgeneigte Publikumsmassen in solchen Gastgärten von vornherein nicht ansammeln könnten. Gesang und unüblich lautes Sprechen sei gemäß § 76a Abs 1 Z 3 GewO untersagt, wobei dieses Verbot auch mit einer besonderen Publikationspflicht verknüpft sei. Die Beschilderung allein befreie den Betreiber aber nicht davon, für eine Durchsetzung des Verbots in geeigneter Weise Sorge zu tragen. Schließlich sei die Betriebszeit des Gastgartens maßgeblich; bei Gastgärten iSd § 76a Abs 2 GewO werde durch die Beschränkung auf die Zeit zwischen 9 und 22 Uhr die Einhaltung der Nachtruhe gewährleistet.

Der Gesetzgeber habe demnach zum Schutz vor Lärm spezielle Kriterien vorgesehen; damit habe er die Erwartungshaltung hinsichtlich der Lärmemissionen bereits selbst intensiv geprüft und strenge Voraussetzungen zur Lärmvermeidung vorgesehen. Es bedürfe daher bezüglich des Schutzes vor Lärm keiner behördlichen Einzelfallprüfung der Erwartungshaltung.

1.3.2. In der Folge nennt die Bundesregierung weitere "flankierende Regelungen", die geeignet seien, sicherzustellen, dass eine Gesundheitsgefährdung und unzumutbare Belästigung durch Lärm nicht eintrete. Härtefälle, die von der vom Gesetzgeber vorgenommenen Durchschnittsbetrachtung nicht umfasst seien, sollten damit abgefedert werden.

Die Bundesregierung nennt in diesem Zusammenhang die Untersagung des angezeigten Gastgartenbetriebs nach § 76a Abs 4 GewO, die in Zusammenhang mit den restriktiven Voraussetzungen der Genehmigungsfreistellung als Surrogat für die Genehmigungspflicht diene. Da ein solcher Bescheid spätestens drei Monate nach Einlangen der Anzeige zu erlassen sei, sei sichergestellt, dass ein allfälliger Gastgartenbetrieb nur für einen begrenzten Zeitraum möglich sei. Bei wiederholter Nichteinhaltung der Voraussetzungen des § 76a Abs 1 und 2 könne gemäß § 76a Abs 5 GewO die Schließung angeordnet werden. Weiters sei auf die Strafbestimmung des § 366 Abs 1 Z 3a GewO, auf die Entziehung der Gewerbeberechtigung des § 87 Abs 1 Z 3 GewO sowie auf die Möglichkeit der nachträglichen Vorschreibung von (auch wesensändernden) Maßnahmen nach § 76a Abs 8 GewO hinzuweisen.

1.3.3. Dem Vorwurf eines Verstoßes gegen das Prinzip der Einheit der Betriebsanlage hält die Bundesregierung entgegen, dass es ein verfassungsrechtliches Gebot der Einheit der Betriebsanlage nicht gebe. Im Hinblick auf den Gleichheitssatz führt sie aus, dass der Grundsatz der Einheit der Betriebsanlage unter anderem dazu diene, das gegenseitige Ineinanderwirken der einzelnen Anlagenteile in ihren Auswirkungen umfassend beurteilen zu können, dass aber der Gesetzgeber durch die vorgesehenen Voraussetzungen die Auswirkungen der Gastgärten so beschränkt habe, dass auch allfällige Kumulationswirkungen vermieden würden. So seien zum Beispiel unter Singen und Musizieren iSd § 76a Abs 1 Z 3 GewO auch Darbietungen von Musik zu verstehen, die aus dem Innenbereich des Gastgewerbebetriebs stammen. Letztlich finde der Grundsatz der Einheit der Betriebsanlage in der GewO differenziert Anwendung (vgl. § 356e GewO zur Trennung des Verfahrens in eine Generalgenehmigung und Spezialgenehmigungen; vgl. IPPC-Anlagen).

1.3.4. Den Bedenken des UVS hinsichtlich des BVG Umweltschutz hält die Bundesregierung entgegen, dass der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 14.551/1996 ausgesprochen habe, dass die rechtspolitische Gestaltungsfreiheit durch das BVG Umweltschutz zwar begrenzt, aber nicht beseitigt sei und dass der Gesetzgeber angesichts der Einschränkungen des § 148 Abs 1 erster Satz GewO einen sinnvollen Interessenausgleich gefunden habe.

1.3.5. Schließlich merkt die Bundesregierung an, dass die bisher angestellten Überlegungen durch den Verweis in § 76a Abs 2 GewO auch auf die von diesem erfassten Gastgärten zuträfen, und führt in diesem Zusammenhang insbesondere Folgendes aus:

"[...] Entgegen der - den Gegenstand des Verfahrens zu VfSlg. 14.551/1996 bildenden - Regelung des § 148 Abs 1 letzter Satz GewO 1994 sind in der Regelung des § 76a GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 66/2010 Gastgärten auf privatem Grund in differenzierter Weise erfasst. Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen im Vergleich zu Gastgärten auf öffentlichem Grund strenger gefasst und damit berücksichtigt, dass sich für solche Gastgärten eine Sondersituation ergeben kann. Diese Differenzierung findet hinsichtlich der kürzeren Betriebszeit statt. [...]

[...]

Der Verfassungsgerichtshof hat zum ersten Satz [des § 148 Abs 1 GewO idaF] ausgeführt, dass ihre sachliche Begründung in den besonderen - restriktiven - Tatbestandsmerkmalen zu erblicken ist, und hat in diesem Zusammenhang die Einschränkung der Nutzung, die Verbote von lautem Sprechen, Singen und Musizieren samt den Anschlägen, sowie in besonderer Weise den Umstand ihrer räumlichen Situierung auf öffentlichem Grund bzw. an öffentlichen Grund angrenzend hervorgehoben. Der Gerichtshof hat sich weiters mit dem zweiten Satz des § 148 Abs 1 GewO 1994 auseinandergesetzt - dieser Satz hat in dieser Fassung keine materielle Unterscheidung zwischen Gastgärten auf öffentlichem Grund und sonstigen bestehenden Gastgärten getroffen - und kritisiert, dass bestehenden sonstigen Gastgärten, die unter anderen räumlichen Bedingungen betrieben werden, die gleiche Betriebszeitenregelung zu Gute kommen soll. zudem hat der Verfassungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass es umgekehrt auch sachlich nicht gerechtfertigt sei, neue Gastgärten auf privatem Grund von der Begünstigung generell auszuschließen.

Es ist zwar geboten, Gastgärten auf privatem Grund und Gastgärten auf öffentlichem Grund angesichts der vorliegenden Unterschiede im Tatsächlichen nicht völlig gleich zu behandeln. Nach Auffassung der Bundesregierung handelt es sich bei diesen Unterschieden aber nur um graduelle Unterschiede; auch auf Flächen, die sich nicht auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, ist - wenn auch in engeren zeitlichen Grenzen - ein gewisses Maß an Lärm hinzunehmen. Eine völlige Ausnahme von Gastgärten auf privatem Grund vom Regime des § 76a GewO 1994 wäre daher aus gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten bedenklich, derartige Gastgärten sind daher - wenn auch in sachlich differenzierter Weise - in diese Regelung einzubeziehen. Genau dies hat der Gesetzgeber getan.

Durch die Regelungen des § 76a Abs 2 iVm § 76a Abs 1 Z 1 bis 4 GewO 1994 wird ein Zustand geschaffen, der bei Durchschnittsbetrachtung einer - gegebenenfalls unter entsprechenden Auflagen im Hinblick auf Emissionen von Lärm - erteilten betriebsanlagenrechtlichen Genehmigung eines Gastgartens auf privatem Grund gleichkommt. Insbesondere das restriktive Zeitkriterium ist - in Verbindung mit den weiteren lärmvermeidenden Vorgaben der Z 1 bis 3 - geeignet, ein solches Schutzniveau herzustellen. Der Gesetzgeber hat durch die - zusätzliche - Einschränkung der Betriebszeit von 9 bis 22 Uhr für Gastgärten auf privatem Grund in einer nicht zu beanstandenden Weise von seinem rechtspolitischen Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht und auf Grund einer differenzierenden Regelung im Vergleich zu jener des § 76a Abs 1 GewO 1994 auch Gastgärten auf privatem Grund in das Regime des § 76a GewO 1994 einbezogen."

1.3.6. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, für das Außerkrafttreten eine Frist von zwölf Monaten zu bestimmen.

2. Zu dem zu G49/11 protokollierten Antrag

2.1. Zur Zulässigkeit des Antrags führt der UVS aus, er habe als zuständige Berufungsbehörde § 76a Abs 1 und 4 GewO unmittelbar anzuwenden, da der Betrieb eines Gastgartens iSd § 76a Abs 1 GewO angezeigt worden und durch die erstinstanzliche Behörde gemäß § 76a Abs 4 GewO untersagt worden sei.

Zum Umfang der Anfechtung erläutert der UVS, dass die im vorliegenden Fall unmittelbar relevante Verfassungswidrigkeit der Neuregelung zwar in der gesetzlichen Vermutung des § 76a Abs 1 Z 4 zweiter Halbsatz GewO liege, doch auch bei Wegfall dieser Vermutung eine sachlich nicht begründbare und ebenso präjudizielle Freistellung von der Genehmigungspflicht für Gastgärten auf öffentlichem Grund bestehen bliebe. Daher werde im Hauptantrag die Wortfolge "sich auf öffentlichem Grund befinden oder" und im ersten Eventualantrag die Wortfolge des zweiten Halbsatzes des § 76a Abs 1 Z 4 GewO angefochten.

Mit einem weiteren Eventualantrag werde § 76a Abs 1

und 2 GewO angefochten, da, wenn dem Hauptantrag stattgegeben würde, eine Genehmigungsfreistellung für Gastgärten, die an öffentliche Verkehrsflächen angrenzten, und für Gastgärten, die sich weder auf öffentlichem Grund befänden, noch an öffentliche Verkehrsflächen angrenzten, bestehen bliebe; dies würde ein offensichtlich verfassungswidriges und vom Gesetzgeber nicht gewolltes Ergebnis darstellen.

Wegen des untrennbaren normativen Zusammenhangs werde schließlich der Eventualantrag gestellt, die im Antrag genannten weiteren Bestimmungen als verfassungswidrig aufzuheben, da diese ohne Bezugspunkt und ohne eigenständige Bedeutung wären, wenn dem zweiten Eventualantrag stattgegeben würde.

2.2. Der UVS hegt gegen die angefochtenen

gesetzlichen Regelungen Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz, auf das aus dem rechtsstaatlichen Prinzip ableitbare Recht auf einen effektiven Rechtsschutz und auf die Bestimmungen des BVG Umweltschutz.

2.2.1. Näher führt der UVS aus, dass durch die Regelung des § 76a Abs 1 GewO idF BGBl. I 66/2010 bestimmte Gastgärten, die im Hinblick auf die Lage, die Betriebszeiten, die Betriebsweise und die Zahl der Verabreichungsplätze die Voraussetzungen der Z 1 bis 4 erfüllen, von der Genehmigungspflicht nach § 74 Abs 2 GewO ausgenommen seien. Zum Ziel dieser Regelung bringt der UVS Folgendes vor:

"Erklärtes Ziel dieser Regelung ist es, die durch die Judikatur des VfGH (Erkenntnis vom , Zl. G4/05) und des VwGH (zuletzt Erkenntnis vom , Zl. 2007/04/0111) erfolgte Klarstellung, wonach auch Gastgärten nach § 112 Abs 3 GewO der Genehmigungspflicht unterliegen, und in einer betriebsanlagenrechtlichen Genehmigung keine von den gesetzlichen Betriebszeiten abweichende Regelung getroffen werden darf, 'rückgängig' zu machen, um der schon ursprünglich beabsichtigten 'Betriebszeitengarantie', die durch die Judikatur der Höchstgerichte ihren Garantiecharakter verloren hat, nun effektiv zum Durchbruch zu verhelfen (vgl. Erläuterungen, Allgemeiner Teil der Regierungsvorlage, 780 der Beilagen XXIV. GP, im Folgenden RV).

Eine wesentliche Rolle bei der Umsetzung der vom Gesetzgeber verfolgten 'echten' Betriebszeitengarantie kommt der (von der Gesamtkonzeption der Neuregelung nur als unwiderlegbar zu verstehenden) Rechtsvermutung in § 76a Abs 1 Z 4, zweiter Halbsatz GewO zu [...] die - so die Ausführungen in der RV - eine Rechtssicherheit für die Planung von Gastgärten schaffen sowie aufwändige Verwaltungsverfahren vermeiden soll. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Gesundheitsbeeinträchtigungen und unzumutbare Belästigungen durch Lärm schon aufgrund der vorgegebenen zeitlichen und betrieblichen Voraussetzungen hintangehalten werden, weshalb sich eine Prüfung der Auswirkungen des Gastgartenlärms auf Nachbarn der Betriebsanlage im Einzelfall erübrigt."

2.2.2. Diese Annahme treffe nicht auf alle Fälle zu, wie auch der Anlassfall zeige. Aber auch wenn dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zukomme und er Durchschnittsbetrachtungen anstellen könne, bedürfe eine Ausnahme vom Grundsatz der Genehmigungspflicht nicht emissionsneutraler Betriebsanlagen, die nur für die von der Regelung erfassten Gastgärten gelte, im Hinblick auf das Gleichheitsgebot einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, etwa dass sich das Emissionsverhalten der erfassten Gastgärten von anderen Betriebsanlagen unterscheide oder dass die ungleiche Behandlung trotz vergleichbarer Emissionen sachlich gerechtfertigt sei.

2.2.3. Der UVS zieht in der Folge das Erkenntnis

VfSlg. 14.551/1996 heran: Darin seien Anträge des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung des § 148 Abs 1 erster Satz GewO idaF abgewiesen worden, da diese Regelung ihre sachliche Begründung in den besonderen restriktiven Tatbestandsmerkmalen finde, wodurch der zu erwartende Immissionsstandard die Zumutbarkeitsgrenze des § 77 Abs 2 GewO im Normalfall nicht überschreite. Der Verfassungsgerichtshof habe ausgesprochen, dass diese Vorschrift eine Gesundheitsgefährdung nicht in Kauf nehme, da auch der nach § 148 Abs 1 erster Satz GewO zu betreibende Gastgarten der Genehmigungspflicht nach § 74 iVm § 77 GewO unterliege, wenn auch die Betriebszeit nicht mehr Gegenstand des Genehmigungsverfahrens sei.

Die in § 148 Abs 1 erster Satz GewO formulierten gesetzlichen Voraussetzungen für Gastgärten seien unverändert in die Nachfolgebestimmung des § 112 Abs 3 erster Satz GewO idF der Gewerberechtsnovelle 2002 übernommen worden. Auch Gastgärten, die die besonderen restriktiven Tatbestandsmerkmale des § 112 Abs 3 GewO erfüllten, bedürften einer Genehmigung. Allein aus den genannten Voraussetzungen ergebe sich daher keine sachliche Begründung für den Umstieg von einem Genehmigungsverfahren in ein Anzeigeverfahren.

2.2.4. Weiters stellt der UVS die Frage, ob die vom Gesetzgeber vorgenommenen Änderungen in den Voraussetzungen für die Genehmigungsfreistellung die Ausnahme vom Grundsatz der Genehmigungspflicht nicht emissionsneutraler Betriebsanlagen verfassungsrechtlich tragen könnten.

Der Gesetzgeber stütze die Ausnahme von der Genehmigungspflicht auf den Ausbau der lärmbeschränkenden Eigenschaften der Gastgärten. Diese hätten sich jedoch gegenüber der alten Gastgartenregelung nicht in einem solchen Ausmaß geändert, dass der Wegfall der Einzelfallprüfung gerechtfertigt erschiene: Es könne auf Grund der Festlegung auf höchstens 75 Verabreichungsplätze immer noch eine beträchtliche Gastgartengröße erreicht werden. Laut Regierungsvorlage reduziere sich die Erwartung des § 74 Abs 1 Z 4 erster Halbsatz GewO auf die behördliche Prüfung des Vorliegens von Stolpergefahr, Blendungen und des Verstellens von Notausgängen; die Lärmimmissionen seien der Prüfungsbefugnis der Behörde jedoch entzogen und somit auch nicht durch Sachverständigengutachten zu widerlegen. Die Nachbarn, die unzumutbare Belästigungen durch Lärm hinnehmen müssten, hätten nicht einmal Parteistellung im Anzeigeverfahren. Die allfällige - wenn überhaupt mögliche - Durchsetzung ihrer Interessen im Rahmen des Unterlassungsanspruchs nach § 364 Abs 2 ABGB sei nicht ausreichend, um den Wegfall des gewerbebehördlichen Schutzes zu rechtfertigen. Erst wenn sich im Nachhinein herausstelle, dass von dem Gastgarten gesundheitsbeeinträchtigende Emissionen ausgingen, könne die Behörde dem Gastgartenbetreiber Auflagen vorschreiben. Werde die Behörde nicht tätig, obliege dem Nachbarn im Rahmen seines Antragsrechts nach § 79a GewO die Glaubhaftmachung, dass er von den Auswirkungen der Betriebsanlage nicht hinreichend geschützt sei. Zusätzlich werde die Rechtsschutzeinbuße auf Nachbarseite durch die Neuformulierung der betrieblichen Anforderungen in 76a Abs 1 Z 3 GewO negativ verstärkt ("lauteres Sprechen als der übliche Gesprächston der Gäste" anstelle der Formulierung "lautes Sprechen" in § 112 Abs 3 GewO idaF). Das Emissionsverhalten der erfassten Gastgärten unterscheide sich von jenem anderer Betriebsanlagen nicht wesentlich.

Es lasse sich aber auch kein legitimes Ziel für die sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung finden: Für die von der Genehmigungsfreistellung erwartete Verwaltungsvereinfachung bleibe nicht viel Spielraum, da bisher ein Großteil der Gastgärten ohnehin im vereinfachten Verfahren nach § 359b GewO genehmigt worden und die Gewerbebehörde auch im Rahmen des Anzeigeverfahrens nicht gänzlich ihrer Prüfpflicht enthoben sei. Die von einem Gastgartenbetrieb betroffenen Nachbarn würden die Gewerbebehörden nach wie vor mit Beschwerden und Anträgen befassen; es sei zu erwarten, dass die Gewerbebehörden im Nachhinein jene aufwändigen Verfahren zu führen haben würden, die durch die Genehmigungsfreistellung vorerst unterblieben wären. Weiters entspreche die ins Treffen geführte kurze, auf die Sommermonate beschränkte Betriebsdauer von Gastgärten nicht mehr den Lebensgewohnheiten der Menschen. Aus unterschiedlichen Anlässen würden Gastgärten das ganze Jahr hindurch zur Bewirtung von Gästen benutzt. Schließlich stünden auch die wirtschaftlichen Überlegungen (Tourismus) in keinem vertretbaren Verhältnis zu den Rechtseinbußen der Nachbarn.

2.2.5. Der UVS sieht darin, dass den Nachbarn im gewerberechtlichen Verfahren gegen unzumutbare Lärmbelästigungen gar kein Rechtsinstrument zur Verfügung stehe, einen Widerspruch zum rechtsstaatlichen Prinzip der Bundesverfassung. Diese Einschränkung der Nachbarrechte werde auch durch keine Ausnahmeregelungen für Härtefälle entschärft. Die behördlichen Sanktionen für die Nichteinhaltung der Bedingungen für die Genehmigungsfreistellung sowie die Möglichkeit der nachträglichen Vorschreibung von Auflagen sowie die Strafbestimmungen und der Entziehungstatbestand könnten keinen Ausgleich für den Verlust einer Einzelfallprüfung vor Errichtung und Betrieb eines Gastgartens darstellen.

2.2.6. Schließlich führt der UVS ins Treffen, dass der Gesetzgeber dadurch, dass er die Hinnahme von unzumutbaren Lärmbelästigungen der Nachbarn vorgesehen habe, nicht den Bestimmungen des BVG Umweltschutz entsprechend gehandelt habe.

2.3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zulässigkeit des zweiten und des dritten Eventualantrags bestreitet: Im Ausgangssachverhalt handle es sich um die Untersagung eines Gastgartens auf öffentlichem Grund, welcher für die Betriebszeit von 8 bis 23 Uhr angezeigt worden sei. Die Regelungen des § 76a Abs 2 GewO sowie des § 76a Abs 5 bis 9 GewO seien jedenfalls nicht präjudiziell. Im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof sei lediglich ausschlaggebend, dass die Verfassungswidrigkeit für den jeweiligen Anlassfall beseitigt werde.

In der Sache entspricht die Äußerung der Bundesregierung in weiten Teilen ihrer im zu G17/11 protokollierten Verfahren erstatteten Äußerung, sodass im Folgenden nur das darüber hinausgehende Vorbringen dargestellt wird.

2.3.1. Der Verfassungsgerichtshof habe in VfSlg. 14.551/1996 ausdrücklich keine Bedenken dagegen gehegt, dass die Betriebszeiten nicht mehr Gegenstand des Genehmigungsverfahrens waren. Wenn es zulässig sei, unter bestimmten Umständen die Betriebszeit, also ein zentrales Element für die Beeinträchtigung durch Lärm, vom Genehmigungsverfahren auszunehmen, erscheine es auch gerechtfertigt, unter wesentlich verschärften Voraussetzungen hinsichtlich der Lärmbelästigung von einer Einzelfallprüfung abzusehen.

2.3.2. Die Neuformulierung "lauteres Sprechen als der übliche Gesprächston der Gäste" in § 76a Abs 1 Z 3 GewO statt "lautes Sprechen" in § 112 Abs 3 GewO idaF bewirke keine nachteiligen Auswirkungen auf den Rechtsschutz; damit werde vielmehr klargestellt, dass für die Beurteilung dieses Kriteriums das Verhalten an der Gesprächsquelle ausschlaggebend sei. Zwar könne der übliche Gesprächston je nach Gastgarten unterschiedlich sein; doch sei dieses Kriterium nur eines von mehreren, die alle erfüllt sein müssten. Die Gesamtheit der Kriterien nach § 76a Abs 1 Z 1 bis 3 GewO sowie die genannten Zeiten würden Gewähr dafür bieten, dass Belästigungen der Nachbarn durch Lärm bei einer zulässigen Durchschnittsbetrachtung vermieden würden.

2.3.3. Die Voraussetzungen einer Genehmigungsfreistellung seien im Vergleich zu § 112 GewO in hinreichendem Maße geändert worden, um eine Freistellung von der Genehmigungspflicht zu rechtfertigen. Der Nachbarschutz erschöpfe sich nicht in der nachträglichen Vorschreibung von Maßnahmen, sondern es werde den nach § 74 Abs 2 geschützten Interessen hinsichtlich der Emissionen von Lärm bereits vom Gesetz ex ante im Wege einer verfassungsrechtlich zulässigen typisierenden Durchschnittsbetrachtung umfassend Rechnung getragen, da eine Genehmigungsfreistellung eines Gastgartens außerhalb des von § 76a GewO vorgegebenen Rahmens nicht vorgesehen sei.

2.3.4. Zu der im Antrag herangezogenen

Glaubhaftmachung bei einem Antrag nach § 79a GewO werde darauf hingewiesen, dass an diese ein wesentlich geringerer Maßstab angelegt werde, als dies etwa bei einer Nachweispflicht der Fall sei. Die Glaubhaftmachung erfordere weder Gutachten noch sonstige mit Aufwand zu beschaffende Bescheinigungsmittel.

2.3.5. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, für das Außerkrafttreten eine Frist von zwölf Monaten zu bestimmen.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat die vorliegenden Anträge in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.

III.

Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der vorliegenden Anträge erwogen:

Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt,

durch seine Präjudizialitätsentscheidung den antragstellenden unabhängigen Verwaltungssenat an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieser Behörde in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 140 B-VG bzw. des Art 139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden unabhängigen Verwaltungssenates im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 14.464/1996, 15.293/1998, 16.632/2002, 16.925/2003).

Der Umfang der zu prüfenden und im Falle ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Bestimmung ist derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, andererseits aber der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfahren soll (vgl. VfSlg. 8155/1977). Es ist dabei in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und welchem dieser Ziele der Vorrang gebührt (VfSlg. 7376/1974, 7786/1976, 13.701/1994). Die Grenzen einer (möglichen) Aufhebung müssen so gezogen werden, dass der verbleibende Gesetzesteil keinen völlig veränderten Inhalt bekommt, aber auch die mit der aufzuhebenden Gesetzesbestimmung in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden Bestimmungen erfasst werden (VfSlg. 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003).

1. Zur Zulässigkeit des zu G17/11 protokollierten Antrags:

1.1. Die Bundesregierung bestreitet die Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsantrages nicht. Der Annahme des UVS, er habe in dem bei ihm anhängigen Berufungsverfahren die angefochtene Bestimmung des § 76a Abs 2 GewO idF BGBl. I 66/2010 anzuwenden, ist auch nicht entgegenzutreten. Allerdings erweist sich der auf die Aufhebung des § 76a Abs 2 GewO idF BGBl. I 66/2010 gerichtete Hauptantrag als überschießend und daher unzulässig, da es für die Beseitigung der behaupteten Verfassungswidrigkeit ausreicht, die in § 76a Abs 2 GewO verwiesene, im Eventualantrag angefochtene Wortfolge des § 76a Abs 1 Z 4 zweiter Halbsatz GewO aufzuheben.

1.2. Der zu G17/11 protokollierte Eventualantrag

erweist sich hingegen als zulässig. Die Annahme des UVS, er habe in dem bei ihm anhängigen Berufungsverfahren die Wortfolge "eine Gesundheitsgefährdung oder unzumutbare Belästigung durch Lärm ist jedenfalls nicht zu erwarten, wenn die im Einleitungssatz und in Z 1 bis Z 3 genannten Voraussetzungen erfüllt sind;" in § 76a Abs 1 Z 4 GewO idF BGBl. I 66/2010 anzuwenden, ist zutreffend. Die Aufhebung dieser Wortfolge reicht zu Beseitigung der Verfassungswidrigkeit aus (s. IV.4.11.).

2. Zur Zulässigkeit des zu G49/11 protokollierten Antrags:

2.1. Der Auffassung des UVS, dass die angefochtene Wortfolge in § 76a Abs 1 GewO eine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bildet, ist nicht entgegenzutreten. Der Antrag erweist sich jedoch vor dem Hintergrund des Antragsvorbringens als zu eng gefasst:

Es ist nicht ersichtlich, dass durch eine Aufhebung im beantragten Ausmaß - nämlich nur der Wortfolge "sich auf öffentlichem Grund befinden oder" in § 76a Abs 1 GewO - eine Rechtslage hergestellt wäre, auf die die verfassungsrechtlichen Bedenken des UVS für den dem Antrag zugrunde liegenden Fall nicht mehr zuträfen. Selbst bei Beseitigung dieser Wortfolge ist - mangels diesbezüglicher Ausführungen im Antrag - anzunehmen, dass sich die Anwendung des § 76a Abs 1 GewO auf den konkreten Gastgarten immer noch aus der Wortfolge "an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen" ergeben kann und die behauptete Verfassungswidrigkeit daher letztlich bestehen bliebe. Da der Antrag somit zu eng gestellt wurde, ist er unzulässig (vgl. VfSlg. 12.762/1991, 13.299/1992, 17.681/2005).

2.2. Der zu G 49/11 protokollierte (erste) Eventualantrag erweist sich - wie auch der zu G17/11 protokollierte Eventualantrag (s. III.1.2.) - hingegen als zulässig.

IV.

Der Verfassungsgerichtshof hat über die Anträge in der Sache erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg. 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg. 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2. Der UVS hegt gegen die angefochtenen Bestimmungen Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz und auf die Bestimmungen des BVG Umweltschutz. Zunächst beanstandet der UVS, dass die Regelung des § 76a Abs 1 und 2 das "grundsätzliche System der Gewerbeordnung" - die Genehmigungspflicht nicht emissionsneutraler Betriebsanlagen - unterlaufe, da Gastgärten unabhängig von den Kriterien nach § 74 Abs 2 Z 1 und 2 GewO nicht mehr genehmigungspflichtig seien, selbst wenn von diesen gesundheitsgefährdende oder unzumutbare Lärmemissionen ausgingen. Es fehle an einer sachlichen Rechtfertigung für diese Privilegierung gegenüber anderen gewerblichen Betriebsanlagen, die darin bestehe, dass keine Einzelfallprüfung mehr vorgenommen werden müsse.

Dabei nimmt der UVS auf die - auch auf Gastgärten iSd § 76a Abs 2 GewO anzuwendende - Wortfolge "eine Gesundheitsgefährdung oder unzumutbare Belästigung durch Lärm ist jedenfalls nicht zu erwarten, wenn die im Einleitungssatz und in Z 1 bis Z 3 genannten Voraussetzungen erfüllt sind;" in § 76a Abs 1 Z 4 GewO Bezug. Hintergrund dieser - als unwiderlegbar zu verstehenden - Rechtsvermutung sei die Annahme, dass Gesundheitsbeeinträchtigungen und unzumutbare Belästigungen durch Lärm schon auf Grund der Voraussetzungen des § 76a Abs 1 Z 1 bis 4 GewO hintangehalten würden; dies treffe jedoch nicht auf alle Fälle zu.

Der UVS beruft sich weiters auf das Erkenntnis

VfSlg. 14.551/1996, aus dem er den Schluss zieht, dass eine Garantie bestimmter Betriebszeiten ihre sachliche Begründung in den besonderen restriktiven Tatbestandsmerkmalen sowie in der bestehenden Genehmigungspflicht nach § 74 iVm § 77 GewO finde. Aus den gesetzlichen Voraussetzungen für Gastgärten, die der angefochtenen Bestimmung unterliegen, ergebe sich keine sachliche Begründung für den Umstieg von einem Genehmigungsverfahren in ein Anzeigeverfahren.

In den behördlichen Sanktionen für die Nichteinhaltung der Bedingungen für die Genehmigungsfreistellung, in den Strafbestimmungen und im Gewerbeentziehungstatbestand sowie in der Möglichkeit der nachträglichen Vorschreibung von Auflagen sieht der UVS keinen Ausgleich für den Verlust der Einzelfallprüfung.

Zu den Gastgärten iSd § 76a Abs 2 GewO führt der UVS aus, dass entgegen dem Erkenntnis VfSlg. 14.551/1996 das wesentliche Element der räumlichen Situierung von Gastgärten auf öffentlichem Grund gerade bei Gastgärten im Innenhofbereich nicht vorliege und daher in diesen Fällen nicht davon ausgegangen werden könne, dass angesichts der Nutzungsbeschränkungen des Gastgartens der zu erwartende Immissionsstandard die Zumutbarkeitsgrenze nach § 77 GewO nicht überschreite. Die räumlichen Bedingungen würden in solchen Fällen nicht von vornherein ein gewisses Maß an Lärmimmissionen zumutbar erscheinen lassen.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat zu prüfen, ob die angefochtene Wortfolge mit dem Gleichheitsgrundsatz im Einklang steht.

3.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg. 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg. 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s. etwa VfSlg. 16.176/2001, 16.504/2002). Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (zB VfSlg. 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003).

3.2. Nicht jede Härte im Einzelfall, die eine einheitliche Regelung mit sich bringt, kann bereits als unsachlich gewertet werden. Dem Gesetzgeber muss es gestattet sein, eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu treffen (vgl. VfSlg. 11.616/1988, 14.694/1996, 16.361/2001, 16.641/2002). Der Gesetzgeber kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wohl von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen (vgl. zB VfSlg. 14.841/1997, 16.124/2001 und 16.771/2002); dass dabei Härtefälle entstehen, macht das Gesetz nicht gleichheitswidrig (zB VfSlg. 11.615/1988, 14.841/1997).

3.3. Das BVG Umweltschutz enthält zwar kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes subjektives Recht. Seine als Umschreibung einer Staatsaufgabe zu verstehenden Inhalte (VfSlg. 11.294/1987, 12.009/1989) sind jedoch bei der Beurteilung gesetzlicher Regelungen am Maßstab des Gleichheitsgrundsatzes zu berücksichtigen

(VfSlg. 12.485/1990). Zu diesen Inhalten gehört insbesondere auch die Vermeidung von Störungen durch Lärm.

4. Die dem Gesetzgeber durch den Gleichheitsgrundsatz gesetzten Schranken wurden durch die Bestimmung des § 76a GewO idF BGBl. I 66/2010 überschritten, weil eine sachliche Rechtfertigung für die Privilegierung der von § 76a GewO erfassten Gastgärten fehlt:

4.1. Anlass für die Einfügung des § 76a GewO in den Abschnitt der Bestimmungen über Betriebsanlagen bzw. des Ersatzes des § 112 Abs 3 GewO idaF durch BGBl. I 66/2010 war die Entwicklung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. VfSlg. 14.551/1996; ferner VfSlg. 17.559/2005) und jener des Verwaltungsgerichtshofes (s. ; , 2007/04/0100) dahingehend, dass Gastgärten trotz der gesetzlichen "Betriebszeitengarantie" nach Maßgabe der §§74 ff. GewO der Genehmigungspflicht unterlägen und auch die Betriebsgeräusche im Genehmigungsverfahren zu prüfen seien (RV 780 BlgNR 24. GP, 4).

Der Gesetzgeber ging bei der Novellierung offenbar davon aus, dass Gastgärten iSd § 76a GewO auf Grund der vorausgesetzten lärmbeschränkenden Eigenschaften sowie auf Grund sonstiger Umstände (Bestehen einer gewissen Lärmbelastung bereits durch Straßenverkehr und Fußgänger; ortsübliche Geräuschentwicklungen; zeitliche Beschränkung des Betriebs von Gastgärten auf die Sommermonate) keine gravierenden nachteiligen Auswirkungen auf die Nachbarn zeitigen würden; insbesondere Gesundheitsgefährdungen und unzumutbaren Belästigungen durch Lärm sollte durch die Voraussetzungen des § 76a Abs 1 Z 1 bis 3 GewO vorgebeugt werden (RV 780 BlgNR 24. GP, 8 f.). Hinsichtlich der Gastgärten, die nicht auf öffentlichem Grund oder angrenzend an öffentliche Verkehrsflächen betrieben werden, wird in den Gesetzesmaterialien Folgendes ausgeführt:

"Eine besondere Situation ergibt sich für Gastgärten 'auf privatem Grund'. Solche Gastgärten sind oftmals in Innenhöfen oder ähnlichen Lagen mit hohem Schallreflexionsgrad gelegen, sodass diesbezüglich - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich in diesen Lagen Störgeräusche üblicherweise stärker von den Umgebungsgeräuschen abheben - eine differenzierte Behandlung erforderlich ist. Ein nach den landespolizeilichen Regelungen und dem zivilen Nachbarschaftsrecht zu beurteilender besonderer Ruheanspruch wird in der Regel erst ab 22 Uhr angenommen (vgl. z. B. ). Es ist daher sachlich konsequent, den Entfall des Erfordernisses einer betriebsanlagenrechtlichen Genehmigung für Gastgärten 'auf privatem Grund' weiterhin an diesen in der Sicherheitsverwaltung und im Nachbarschaftsrecht üblichen Zeitpunkt von 22 Uhr zu knüpfen."

Den Gesetzesmaterialien zufolge stellt § 76a GewO im Vergleich zu § 112 Abs 3 GewO idaF auch weitere Anforderungen an die Inanspruchnahme der Ausnahme von der Genehmigungspflicht, nämlich die Limitierung auf höchstens 75 Verabreichungsplätze sowie das Erfordernis der erwarteten Vermeidung der Beeinträchtigung geschützter Interessen (RV 780 BlgNR 24. GP, 5).

4.2. Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis

VfSlg. 14.551/1996 die Betriebszeitengarantie für Gastgärten und die daraus folgende Beeinträchtigung der Nachbarn zwar noch für verfassungskonform befunden, dies aber (nur) deshalb, weil die Genehmigungspflicht nach §§74 ff. GewO samt nachträglicher Auflagenerteilung bestehen blieb, wenn auch die genehmigende Behörde die Betriebszeiten nicht einschränken durfte. Gerade von dieser - vom Verfassungsgerichtshof als verfassungsrechtlich geboten beurteilten - Genehmigungspflicht sind Gastgärten nach der geltenden, sich von jener dem genannten Erkenntnis zugrundeliegenden unterscheidenden Rechtslage ausgenommen, weshalb die Begründung der Verfassungskonformität der früheren Regelung im Erkenntnis VfSlg. 14.551/1996 nicht auf die geltende Rechtslage übertragbar ist. Das Erfordernis der Einhaltung zusätzlicher Kriterien vermag an der Tatsache, dass eine Beurteilung der Wahrung der in § 74 Abs 2 GewO genannten Schutzinteressen vor Aufnahme des Gastgartenbetriebs nicht erfolgt, nichts zu ändern; insbesondere sind die Voraussetzungen nicht dafür maßgeblich, ob der Gastgartenbetrieb geführt wird; sie berühren lediglich die Gestaltung des Gastgartenbetriebs.

4.3. Der Verfassungsgerichtshof vermag auch dem Argument der Bundesregierung, dass der Bestimmung des § 76a GewO eine Durchschnittsbetrachtung zugrunde liege und allenfalls Härtefälle entstünden, nicht zu folgen. Die unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hinzunehmenden Härtefälle zeichnen sich zum Teil durch ihr seltenes - auf atypische Fälle beschränktes - Vorkommen, zum Teil durch ein relativ geringes Maß der Intensität des für die Betroffenen im Verhältnis zu anderen eintretenden Nachteils aus

(VfSlg. 19.031/2010). Fälle erheblicher Lärmbelästigung durch Gastgärten sind jedoch weder selten, noch haben sie a priori geringeres Gewicht. Vielmehr ist es offenkundig, dass es durch das - einer Prüfung der Auswirkungen von Lärm im Einzelfall entzogene - System der Anzeigepflicht des Gastgewerbetreibenden nicht nur in Härtefällen, sondern in einer nicht zu vernachlässigenden Anzahl an Fällen, wenn nicht sogar - zumindest in Wohngebieten - im Regelfall, zur Beeinträchtigung der Schutzinteressen der Nachbarn kommt. Es verbietet sich daher die Annahme, dass die Regelung lediglich zu Härtefällen im Sinne nicht vermeidbarer "Systemfehler" (VfSlg. 19.031/2010; vgl. auch VfSlg. 17.237/2004) führen kann. Das Entstehen jedenfalls von unzumutbaren Belästigungen - insbesondere durch Lärmimmissionen - ist im gewählten System nicht auf Ausnahmefälle beschränkt.

4.4. Die Wertung des Gesetzgebers bzw. dessen

Annahme, dass die durch die von Gastgärten ausgehenden Lärmimmissionen betroffenen Schutzinteressen des § 74 Abs 2 GewO bereits durch die Erfüllung der in den Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen hinreichend geschützt sind, ist angesichts dessen, dass bei der schalltechnischen und lärmmedizinischen Beurteilung in jedem Fall auf die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten abgestellt werden müsste, nicht nachvollziehbar. So wären bei einer ordnungsgemäßen Beurteilung der zu erwartenden Lärmemissionen etwa der Abstand zwischen der Lärmquelle zum nächsten Anrainer, die Verbauungsdichte und das Bestehen bzw. die Beschaffenheit von Reflektionsflächen sowie der tatsächlich während der Betriebszeit gegebene Umgebungslärm (etwa die Verringerung des Verkehrsaufkommens in den Abendstunden) zu berücksichtigen; insbesondere gehen öffentliche Verkehrsflächen - etwa im Fall von wenig frequentierten Straßen, Sackgassen oder Fußgängerzonen - nicht zwingend mit einer hohen akustischen Vorbelastung einher. Es ist nicht zu erwarten und muss daher im Einzelfall geprüft werden, dass die spezifischen Immissionen allein durch eine Begrenzung auf 75 Verabreichungsplätze und ein bestimmtes, durch Hinweistafeln angezeigtes und durch den Gastgewerbetreibenden durchzusetzendes Verhalten an der Lärmquelle begrenzt werden (vgl. zur Bedeutung des Lärmschutzes im Zusammenhang mit dem Betrieb von Gastgärten VfSlg. 17.559/2005).

4.5. Soweit die Bundesregierung vorbringt, dass sich die Anwendung der Gastgartenregelung auf Fälle beschränke, bei denen auf Grund der geplanten Ausführung zu erwarten sei, dass die gemäß § 74 Abs 2 GewO wahrzunehmenden Interessen hinreichend geschützt seien und Belastungen der Umwelt vermieden würden, ist ihr entgegenzuhalten, dass eine Sicherstellung der Einhaltung sämtlicher Kriterien des § 74 Abs 2 GewO durch eine Prognoseentscheidung schon deshalb nicht erfolgen kann, weil der Behörde nach § 76a Abs 1 Z 4 zweiter Halbsatz GewO die Überprüfung der - gerade im Fall des Gastgartenbetriebs idR die Ursache von Beeinträchtigungen der Nachbarn darstellenden - Lärmemissionen im Einzelfall bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen des Einleitungssatzes des Abs 1 und der Z 1 bis 3 entzogen ist.

4.6. Die Ausnahme von Gastgärten iSd § 76a GewO von der Genehmigungspflicht ("Genehmigungsfreistellung") bzw. der Ersatz des Genehmigungsverfahrens durch ein Anzeigeverfahren und die dadurch bewirkte Minderung des Nachbarschutzes und der Abwehr sonstiger Gefahren iSd § 74 Abs 2 GewO sowie die dadurch eintretende Benachteiligung von Nachbarn von derartigen Gastgärten gegenüber Nachbarn sonstiger Betriebsanlagen sind auch nicht dadurch zu rechtfertigen, dass § 76a Abs 1 Z 1 bis 4 GewO nunmehr - im Vergleich zu § 112 Abs 3 GewO idaF - "weitere" (RV 780 BlgNR 24. GP, 5) Voraussetzungen (hinsichtlich der Dimensionierung, Situierung und Betriebszeit) für die Inanspruchnahme der Genehmigungsfreistellung vorsieht, da diese Bedingungen Gesundheitsgefährdungen und unzumutbare Belästigungen iSd § 74 Abs 2 Z 1 und 2 GewO in einer erheblichen Zahl von Fällen nicht auszuschließen vermögen.

4.7. Ein angemessener Ausgleich zwischen den verfassungsrechtlich geschützten Interessen des durch die Lärmerregung durch Gastgärten beeinträchtigten Personenkreises und der ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Erwerbsfreiheit der Gastgewerbetreibenden sowie den allgemeinen Interessen der Bevölkerung am Betrieb von Gastgärten wird durch die Regelung des § 76a GewO jedenfalls nicht erzielt.

4.8. Auch die Möglichkeit der nachträglichen Auflagenerteilung nach § 76a Abs 8 iVm §§79, 79a GewO vermag die Genehmigungsfreistellung nicht zu rechtfertigen. Einerseits besteht die Möglichkeit der nachträglichen (amtswegigen oder antragsgemäßen) Vorschreibung nur, soweit dies zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen notwendig ist; unzumutbaren Beeinträchtigungen durch Lärm kann daher nicht abgeholfen werden, sondern haben die Nachbarn diese hinzunehmen. Andererseits wird im Fall einer Gesundheitsgefährdung eine beantragte Maßnahme nur dann vorgeschrieben, wenn jene durch den antragstellenden Nachbarn glaubhaft gemacht wird. Letztlich ist auch festzustellen, dass die Möglichkeit, nachträglich, also während des laufenden Gastgartenbetriebs, Auflagen zum Schutz der Nachbarn vor Auswirkungen des Gastgartenbetriebs vorzuschreiben, keine rechtfertigende Begleitmaßnahme für die Ausnahme von Gastgärten von der Genehmigungspflicht des Betriebsanlagenrechts darstellt. Im Fall der Einleitung von Verfahren nach §§79, 79a GewO besteht die Gefahr, dass Nachbarn gesundheitsgefährdende Betriebszustände durch einen längeren Zeitraum hindurch während eines laufenden Ermittlungsverfahrens hinnehmen müssen.

Ebenso wenig vermögen die anderen von der Bundesregierung genannten "flankierenden Regelungen", nämlich die Untersagung des Betriebs innerhalb von drei Monaten nach Anzeige (§76a Abs 4 GewO), die Schließung des Gastgartens nach § 76a Abs 5, die auf die letztgenannten Bestimmungen Bezug nehmende Sanktionierung nach § 366 Abs 1 Z 3a GewO sowie die Entziehung der Gewerbeberechtigung nach § 87 Abs 1 Z 3 GewO, die Interessen der Nachbarn nach § 74 Abs 2 Z 1 und 2 GewO ausreichend zu wahren (vgl. VfSlg. 16.103/2001, wonach die Möglichkeit der Geltendmachung von Schutzinteressen ex post einer ex-ante-Beurteilung im Bewilligungsverfahren nicht gleichkommt).

4.9. Eine Vergleichbarkeit des Anzeigeverfahrens nach § 76a GewO mit dem - grundsätzlich als verfassungsrechtlich zulässig erachteten - vereinfachten Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nach § 359b GewO ist deshalb nicht gegeben, weil in letzterem jedenfalls die Vornahme einer Einzelfallprüfung, ob auf Grund der Ergebnisse des Verfahrens zu erwarten ist, dass Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen und sonstige nachteilige Einwirkungen iSd § 74 Abs 2 GewO oder Belastungen der Umwelt vermieden werden, geboten ist (s. zur notwendigen Einzelfallbezogenheit des nach § 359b GewO durchzuführenden Genehmigungsverfahrens das Erkenntnis VfSlg. 17.165/2004, dem überdies eine Gastgartengenehmigung als Anlassfall zugrunde lag).

4.10. Eine verfassungskonforme Interpretation des § 76a GewO, insbesondere der Abs 1 bis 4 und 7, dahingehend, dass die von diesem erfassten Gastgärten einer Genehmigungspflicht nach § 74 iVm § 77 GewO unterliegen, kommt nicht in Betracht: Sowohl der Wortlaut als auch der erkennbare Zweck der Regelung lassen keinen Zweifel offen, dass anstelle der mit einer auf die Betriebszeit eingeschränkten "ausübungsrechtlichen Garantie" verbundenen Genehmigungspflicht nunmehr ein bloßes Anzeigeverfahren angeordnet wird und der Betrieb von Gastgärten zwischen 8 und 23 Uhr bzw. 9 und 22 Uhr ohne Genehmigung ermöglicht werden soll (s. RV 780 BlgNR 24. GP, 8). Zudem nennen die Gesetzesmaterialien das Ziel, der in der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und jener des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Auslegung, dass auch Gastgärten der Genehmigungspflicht nach § 74 iVm § 77 GewO unterlägen, entgegenzuwirken.

4.11. Die Regelung des § 76a GewO idF BGBl. I 66/2010 verstößt daher gegen den Gleichheitsgrundsatz. Zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit reicht es aus, die Wortfolge "eine Gesundheitsgefährdung oder unzumutbare Belästigung durch Lärm ist jedenfalls nicht zu erwarten, wenn die im Einleitungssatz und in Z 1 bis Z 3 genannten Voraussetzungen erfüllt sind;" in § 76a Abs 1 Z 4 Gewerbeordnung idF BGBl. I 66/2010 aufzuheben.

Bei diesem Ergebnis muss auf das übrige Vorbringen des UVS bzw. der Bundesregierung nicht eingegangen werden.

V.

1. Die Wortfolge "eine Gesundheitsgefährdung oder unzumutbare Belästigung durch Lärm ist jedenfalls nicht zu erwarten, wenn die im Einleitungssatz und in Z 1 bis Z 3 genannten Voraussetzungen erfüllt sind;" in § 76a Abs 1 Z 4 Gewerbeordnung 1994, BGBl. 194/1994 idF BGBl. I 66/2010, ist als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B-VG.

3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche

Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.