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VfGH vom 02.12.1985, G16/85

VfGH vom 02.12.1985, G16/85

Sammlungsnummer

10715

Leitsatz

WohnungseigentumsG 1975; Antrag des VwGH auf Aufhebung des § 12 Abs 2 Z 2; Zulässigkeit des Antrages; § 12 Abs 2 Z 2 regelt die Form, in der die Baubehörde im Falle ihrer Zuständigkeit Amtshilfe iS des Art 22 B-VG zu leisten hat - keine Erweiterung der Zuständigkeit; normative Wirkung dieser Bestimmung; Art 22 B-VG ermöglicht die Zusammenarbeit der Behörden aller Vollzugsbereiche - Zuständigkeit des an der Hilfe interessierten Gesetzgebers zur näheren Regelung der Hilfeleistungspflicht

Spruch

Dem Antrag wird keine Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Aufgrund des WohnungseigentumsG, BGBl. 417/1975, kann an selbständigen Wohnungen oder sonstigen selbständigen Räumlichkeiten das dort näher beschriebene sogenannte Wohnungseigentum begründet werden. Nach § 12 des Gesetzes wird es durch die Einverleibung in das Grundbuch erworben (Abs1). Dem Antrag auf Einverleibung sind jedenfalls beizulegen (Abs2):

"1. die schriftliche Vereinbarung der Miteigentümer über die Einräumung des Wohnungseigentumes;

2. die Bescheinigung der Baubehörde über den Bestand an selbständigen Wohnungen oder sonstigen selbständigen Räumlichkeiten; diese Bescheinigung darf auf Grund der behördlich bewilligten Baupläne auf Antrag eines Miteigentümers oder eines Wohnungseigentumsbewerbers ausgestellt werden;

3. die rechtskräftige Entscheidung des Gerichts über die Festsetzung der Nutzwerte."

Schon dem Antrag auf Festsetzung der Nutzwerte ist ua. auch die in § 12 Abs 2 Z 2 genannte Bescheinigung der Baubehörde beizufügen (§26 Abs 2 Z 8 litc).

1. Der Bf. des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens Zl. 83/06/0202 hat als Eigentümer des "Bungalowdorfs T" aufgrund des § 12 Abs 2 Z 2 WohnungseigentumsG beim Bürgermeister der Gemeinde Pflach (Bezirk Reutte) die Ausstellung einer Bescheinigung begehrt, daß die im angeschlossenen Lageplan und in den Einreichplänen ausgewiesenen Einheiten Top Nr. ... bis ... (auf den Grundparzellen ... und ... KG Oberletzen) selbständige Räumlichkeiten seien. Der Bürgermeister versagte die Ausstellung der Bescheinigung mit Bescheid vom , weil der Antragsteller nicht Mit- sondern Alleineigentümer sei und die errichteten Ferienhäuser (bestehend aus einem Wohn-, Eß- und Schlafraum und einem WC sowie Dusche, ohne Keller und Abstellraum) gemessen an den Erfordernissen des WohnbauförderungsG für eine Kleinwohnung keine selbständigen Räumlichkeiten iS des WohnungseigentumsG seien. Die Berufung an den Gemeindevorstand blieb im Ergebnis erfolglos. Die Tir. Landesregierung wies mit dem beim VwGH angefochtenen Bescheid die Vorstellung gegen den Berufungsbescheid als unbegründet ab. Sie ging davon aus, daß unter den Voraussetzungen des § 12 Abs 2 Z 2 WohnungseigentumsG die beantragte Bestätigung wohl auszustellen sei, hier jedoch keine selbständigen Wohnungen oder selbständigen Räumlichkeiten vorlägen.

2. Aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens stellt der VwGH zu A29/84 den Antrag, § 12 Abs 2 Z 2 WohnungseigentumsG als verfassungswidrig aufzuheben. Vorsichtshalber wird für den Fall der Aufhebung dieser Gesetzesbestimmung auch die Aufhebung des § 26 Abs 2 Z 8 litc des Gesetzes (idF des § 56 Z 3 des MietrechtsG, BGBl. 520/1981) begehrt, weil er mit der aufzuhebenden Vorschrift in unmittelbaren Zusammenhang stehe.

Der antragstellende Gerichtshof bemerkt einleitend:

"Mit Recht rügen Faistenberger - Barta - Call in ihrem Kommentar zum Wohnungseigentumsgesetz 1975, S 312, RdZ 17 zu § 12 die nachlässige Redaktion der Endfassung, da es im alten Gesetz nämlich noch hieß:

'diese Bescheinigung ist ... auszustellen'. Die Kommentatoren setzen fort, daß es 'angezeigt' sein dürfte, das Wort 'darf' als 'ist' zu verstehen, solle doch der ganzen Anlage des Gesetzes nach die Rechtsstellung des Miteigentümers (Wohnungseigentumsbewerbers) nicht gemindert, sondern gestärkt werden. Davon, daß die Baubehörde bei Zutreffen der Voraussetzung eine Verpflichtung trifft, gehen eigentlich sowohl Lehre (vgl. außer den zitierten Stellen noch Meinhart, Wohnungseigentumsgesetz 1975, S 212 f, im Zusammenhang mit

§26 Abs 3 Z 9 WEG 1975 und Würth in Rummel, ABGB II S 3337, Rdz 4 zu

§12 WEG) als auch die Rechtsprechung (VwGH in Slg. N.F. Nr. 5713/A noch zum WEG 1948 und Zl. 1718/80) aus. Der VwGH hat allerdings in den zitierten Erkenntnissen die verfassungsrechtliche Frage der Zuständigkeit der 'Baubehörde nicht weiter geprüft."

und formuliert seine Bedenken sodann wie folgt:

"Auszugehen ist davon, daß sich die anzuwendende Norm wie überhaupt die überwiegenden Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes 1975 auf den Kompetenztatbestand 'Zivilrechtswesen' (Art10 Abs 1 Z 6 B-VG) stützt. Als 'Baubehörde' muß im Zusammenhang des § 12 Abs 2 Z 2 WEG 1975 (arg. 'auf Grund der behördlich bewilligten Baupläne') jene Behörde verstanden werden, die die Baubewilligung zu erteilen hat. Von Art 15 Abs 5 B-VG abgesehen, ist dies in der Regel die Gemeindebehörde im eigenen Wirkungsbereich mit einem Instanzenzug innerhalb der Gemeinde und der Berechtigung zur Erhebung des Rechtsmittels der Vorstellung an die vom Landesgesetzgeber vorgesehene Gemeindeaufsichtsbehörde nach Erschöpfung des innergemeindlichen Instanzenzuges (örtliche Baupolizei - Art 118 Abs 3 Z 9 B-VG). Abgesehen davon, daß in der Regelung der Hinweis auf den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fehlt (Art118 Abs 2 zweiter Satz B-VG), was allein schon nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH eine Verfassungswidrigkeit bedeutet, sind die behördlichen Aufgaben der Gemeinde zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich in Art 118 Abs 3 abschließend aufgezählt (vgl. VfSlg. 5415). Im vorliegenden Fall dient die Regelung über die Ausstellung der Bescheinigung ausschließlich der Begründung von Wohnungseigentum, also einer Gesetzesmaterie, die dem Zivilrechtswesen (Art10 Abs 1 Z 6 B-VG) zuzuordnen ist und die nicht im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen ist (Art118 Abs 2 B-VG). Der Bundesgesetzgeber erscheint daher zur Betrauung der Gemeindebehörden mit derartigen Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich nicht berechtigt.

Nach Ansicht dieses Gerichtshofes ist es aber aus folgenden Gründen ausgeschlossen, die Befassung der Gemeinde mit dieser Materie im übertragenen Wirkungsbereich anzunehmen: Welche Organe der Gemeinde als Baubehörden tätig zu werden haben und welche Aufgaben ihnen zukommen, regelt die Gesetzgebung der Länder, dem Bund steht insofern keine Kompetenz zu. Die Übertragung der Zuständigkeit zur Ausstellung von Bescheinigungen nach § 12 Abs 2 Z 2 WEG 1975 durch den Bund hätte daher nur auf den Bürgermeister (Art119 Abs 2 B-VG), nicht aber auf die hievon unter Umständen verschiedenen Baubehörden (z.B. in Graz: der Stadtsenat) erfolgen dürfen, da aus den baurechtlichen Vorschriften eine Verpflichtung der Baubehörden zur Ausstellung solcher Bescheinigungen nicht abgeleitet werden kann.

Der VwGH hat schließlich noch geprüft, ob eine verfassungskonforme Auslegung des § 12 Abs 2 Z 2 WEG 1975 in der Richtung dankbar wäre, daß damit überhaupt keine Zuständigkeit begründet wird, wofür die, wenn auch vom historischen Gesetzgeber nicht bedachte, Verwendung des Wortes 'darf (ausgestellt werden)' statt 'ist (auszustellen)' spräche. Ein solcher Versuch einer verfassungskonformen Interpretation verstieße jedoch gegen den Eigentumsschutz des Art 5 StGG und des Art 1 des Zusatzprotokolls zur MRK, bzw. dem sich aus dem Gleichheitsgebot ergebenden Willkürverbot des Art 7 B-VG. Bei dieser Auslegung ist nämlich zu berücksichtigen, daß die Begründung von Wohnungseigentum, die der Bundesgesetzgeber zwar an bestimmte Voraussetzungen gebunden hat, die jedoch als Ausfluß des (Mit-)Eigentumsrechtes anzusehen ist, in § 12 Abs 1 und 2 WEG 1975 an die Vorlage einer positiven Bescheinigung der Baubehörde über den Bestand an selbständigen Wohnungen oder sonstigen selbständigen Räumlichkeiten gebunden ist. Jedes Grundbuchsgesuch, das auf erstmalige Begründung von Wohnungseigentum gerichtet ist, muß nach der derzeitigen Gesetzeslage abgewiesen werden, wenn die Bescheinigung, aus welchen Gründen immer, dem Gesuch nicht angeschlossen ist. - Das Nichtvorliegen der Bescheinigung stellt sogar ein Hindernis für das Verfahren zur Festsetzung der Nutzwerte im Sinne der §§3 ff WEG 1975 dar (vgl. § 26 Abs 2 Z 9 litc WEG 1975 in der Urfassung, bzw. § 26 Abs 2 Z 8 litc in der Fassung des § 56 Z 3 des Mietrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 520/1981). - Eine Auslegung des § 12 Abs 2 Z 2 WEG 1975 dahin, daß damit keine Zuständigkeit zu behördlichem Handeln begründet, sondern der 'Baubehörde' nur die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, nach ihrem Belieben Bescheinigungen auszustellen oder nicht, führte daher zu dem untragbaren Ergebnis, daß es von der Willkür dieser Behörde abhinge, ob Miteigentümer von ihrem aus dem verfassungsmäßig geschützten Eigentumsrecht erfließenden Anspruch auf Begründung von Wohnungseigentum Gebrauch machen könnten oder nicht. Auch diese Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des § 12 Abs 2 Z 2 WEG 1975 scheidet daher aus.

Die Begründung des Ausschußberichtes, darin lediglich eine 'Amtshilfe' zu sehen, scheitert nach Ansicht des VwGH am Begriff einer derartigen 'Amtshilfe', die lediglich auf Ersuchen einer Behörde oder eines Gerichtes, nicht aber auf Grund von Anträgen von Normunterworfenen denkbar ist, wie dies das Gesetz ausdrücklich vorsieht."

3. Die Bundesregierung ist der Meinung, die angefochtene Bestimmung knüpfe nur an landesrechtliche Vorschriften an. Die Ausstellung von Bescheinigungen sei bei entsprechendem Interesse der Partei - der Judikatur zum Feststellungsbescheid folgend - auch ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage möglich. Auch der VwGH sei im Erk. VwSlg. 4175 A/1956 (zum Wohnungsanforderungsgesetz) zum Schluß gekommen, daß zur Erlassung von Feststellungsbescheiden über die Frage, ob Räumen die rechtliche Eigenschaft einer Wohnung oder von Räumen sonstiger Art, etwa Geschäftsräumen zukomme, die Baubehörden berufen seien. Sollte eine solche Auslegung landesgesetzlicher Vorschriften nicht möglich sein, gehe die Regelung des Bundesgesetzgeber eben ins Leere.

§26 Abs 2 Z 8 litc sei für den VwGH nicht präjudiziell.

II. Der Antrag ist zulässig.

Zweifel an der Zulässigkeit könnten sich ergeben, weil nicht ohne weiters erkennbar ist, inwiefern der VwGH die angefochtene Bestimmung in dem bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahren anzuwenden hätte. Ihrem Wortlaut nach richtet sie sich ja an den die Einverleibung des Wohnungseigentums Begehrenden und an das Grundbuchsgericht. Wohl spricht dann der zweite Halbsatz die Baubehörde an ("darf ... ausgestellt werden"), doch scheint gerade dieser Satzteil (arg. "darf") keinen für diese Behörde normativen Inhalt zu haben, sondern nur zu sagen, welche Bescheinigung für das Gericht ausreicht. Würde die Bestimmung aber überhaupt kein Verhalten von Verwaltungsbehörden regeln, hätte sie der VwGH denkmöglicherweise auch nicht anzuwenden (vgl. VfSlg. 8318/1978).

Im Ergebnis hält der VfGH den Antrag aber dennoch für zulässig. Der Sinngehalt der angegriffenen Bestimmung erlaubt die Annahme, daß sie das Verhalten der Behörde unter bestimmten Voraussetzungen mit bestimmt. Sie regelt nämlich die Art und Weise, wie die Behörde einer vom Bundesgesetzgeber unterstellten Pflicht zur Amtshilfe nachzukommen hat:

1. Nach Inhalt und Entstehungsgeschichte der angegriffenen Norm ist offenkundig, daß der Bundesgesetzgeber sich nur die im eigenen Wirkungsbereich erworbene Sachkunde der Behörde zunutze machen wollte. Die Bescheinigung darf schon - und erst! - "auf Grund der behördlich bewilligten Baupläne" ausgestellt werden. Entgegen der RV (240 BlgNR XIII. GP), nach welcher dem Einverleibungsantrag der baubehördlich genehmigte Bauplan selbst beizulegen gewesen wäre (§11 Abs 2 Z 2), hat der Justizausschuß die in Prüfung stehende Regelung mit folgender Begründung vorgeschlagen (1681 BlgNR XIII. GP, S 6):

"Im Abs 2 Z 2 wird der Sinn des geltenden § 5 Abs 2 Buchstabe a 'die Bescheinigung der Baubehörde über den Bestand an selbständigen Wohnungen oder selbständigen sonstigen Räumlichkeiten' gefordert, die von der Baubehörde im Sinn der 'Amtshilfe' bereits 'auf Grund der behördlich bewilligten Baupläne' ausgestellt werden darf."

Schon § 5 Abs 2 lita WohnungseigentumsG 1948, BGBl. 149/1948, hatte die Vorlage einer "Bescheinigung der Baubehörde über den Bestand einer selbständigen Wohnung (eines Geschäftsraumes)" verlangt. Im Bericht zum Antrag des Justizausschusses (676 BlgNR V. GP, S 2) findet sich in diesem Zusammenhang der Satz:

"Gegenstand des Wohnungseigentumes können nur Wohnungen und Geschäftsräume sein, die die nach den Bestimmungen der Bauvorschriften erforderliche Selbständigkeit besitzen. Dadurch soll verhindert werden, daß an unselbständigen Teilen einer Wohnung, zum Beispiel an einzelnen Zimmern, Wohnungseigentum begründet wird."

Dazu hatte etwa Borotha, Das Wohnungseigentumsgesetz (1949), 12, ausgeführt, daß sich nach den bestehenden Bauvorschriften bestimme, welche Bestandteile eines Gebäudes als "Wohnung" oder "Geschäftsraum" anzusehen sind. Danach müßten Wohnungen regelmäßig eine in sich abgeschlossene Einheit bilden, eine gewisse Mindestfläche aufweisen und eine Kochgelegenheit besitzen, die Scheidewände zwischen Wohnungen müßten eine bestimmte Mindeststärke aufweisen usw. In den namentlich genannten §§90 und 100 der Wr. Bauordnung war in der ursprünglichen Fassung (LGBl. 11/1930) beispielsweise bestimmt:

"Jede Wohnung muß einschließlich der Nebenräume mindestens 35 Quadratmeter Grundfläche einnehmen, aus mindestens zwei Aufenthaltsräumen bestehen, von denen einer eine Kochgelegenheit besitzen muß, und einen eigenen Abort im Wohnungsverband enthalten. Jeder solchen Wohnung ist ein eigener Raum zur Lagerung von Brennstoffen zuzuweisen." (§90 Abs 1)

"Soweit Scheidewände verschiedene Wohnungen voneinander oder Wohnungen von Betrieben trennen, haben sie aus mindestens 12 cm starken Ziegelmauern oder aus solchen feuerbeständigen Wänden zu bestehen, die diesen Ziegelmauern in jeder Hinsicht, auch an Schalldichtigkeit, gleichkommen ..." (§100 Abs 1)

Die mit der Nov. BGBl. 28/1951 verfügte Ergänzung ("diese Bescheinigung ist schon auf Grund der Baupläne anläßlich deren Bewilligung auszustellen") begründet der Bericht zum Antrag des Justizausschusses auf Abänderung des § 5 Abs 2 lita WohnungseigentumsG 1948 (279 BlgNR VI. GP) folgendermaßen:

"Wann diese Bescheinigung ausgestellt werden soll, sagt das Gesetz nicht. Um aber das Wohnungseigentum rechtzeitig grundbücherlich einverleiben zu können, ist es notwendig, daß diese Bescheinigung schon auf Grund der Baupläne anläßlich deren Bewilligung ausgestellt wird. Die genannte Gesetzesstelle erhält daher einen entsprechenden Zusatz."

Faistenberger - Barta - Call, Kommentar zum Wohnungseigentumsgesetz 1975 (1976) RZ 13 und 14 zu § 1, führen zum Kriterium der Selbständigkeit ua. aus:

"... An Aussagekraft bietet der Ausdruck 'selbständig' nur wenig; der unbestimmte Artikel 'eine' Wohnung hätte denselben Dienst geleistet.

Nach den Erl. Bem. zu § 1 RV wurde das Begriffsmerkmal 'selbständig' dem § 5 Abs 2 lita des WEG 1948 entnommen.

Schon diese Textierung zeigt deutlich, daß es sich beim Wort 'selbständig' um ein bloßes 'Füllsel' handelt; weshalb sollte es beim Geschäftsraum sonst entbehrlich sein? In Wahrheit hatte die Baubehörde auch bisher nur den Bestand einer Wohnung oder eines Geschäftsraumes als taugliches WE-Objekt zu bescheinigen."

Würth bei Rummel, ABGB (1984), RZ 4 zu § 12 WohnungseigentumsG umschreibt die Aufgabe der Baubehörde so (Hervorhebung im Original):

"Sie hat zwar baurechtl(ich) die technische Selbständigkeit zu beurteilen, bindet das Gericht jedoch nicht bei der Prüfung der rechtl(ichen) Eigenschaft eines Objekts, zu selbständigem WE tauglich ... zu sein, MietSlg. 33.451/26, u(nd) schon gar nicht hinsichtl(ich) Umfangs u(nd) Zubehör der einzelnen Objekte ..."

2. Dem Gesetzgeber geht es also auch in der angegriffenen Bestimmung ausschließlich um einen - der Baubewilligung in der Regel nicht unmittelbar zu entnehmenden - Teil der baurechtlichen Beurteilung. Er will verhindern, daß baurechtlich unselbständige Gebäudeteile, also Räume, die vom baurechtlichen Standpunkt aus als bloßer Teil einer größeren Nutzungseinheit zu betrachten sind, gleichwohl zu selbständigen Vermögensobjekten werden. Damit knüpft er - wie die Bundesregierung im Ergebnis treffend ausführt - ausschließlich an die einschlägige Regelung des Landesgesetzgebers und die (freilich meist im Bereich der Vorfragenbeurteilung bleibende) Entscheidung der Baubehörde an. Sieht man auf den Zweck der Bestimmung, baurechtlich unselbständige Objekte nicht privatrechtlich selbständig werden zu lassen, so ist gar nicht erforderlich, daß das Baurecht besonders über die Selbständigkeit von Wohnungen oder sonstigen Räumen enthält. Geben die für die Baubehörde geltenden Vorschriften dieser insgesamt keinen Anlaß, die in Betracht kommenden Räume entsprechend ihrer Zweckbestimmung und Beschaffenheit als unselbständige Teile einer größeren Nutzungseinheit zu sehen, so steht der Bescheinigung des Bestandes selbständiger Wohnungen oder sonstiger Räumlichkeiten iS der angegriffenen Vorschrift offenbar nichts im Wege. Die Behörde hat keine anderen Überlegungen anzustellen, als diejenigen, die sie in ihrem Wirkungsbereich ohnedies anstellen muß. Ob dem Objekt die zur Begründung von Wohnungseigentum nach § 1 WohnungseigentumsG erforderliche Selbständigkeit zukommt und insbesondere ob sich das Erfordernis der Selbständigkeit in der von der Baubehörde festgestellten baurechtlichen Selbständigkeit erschöpft oder das Gesetz zusätzliche Anforderungen stellt, ist keine von der Baubehörde zu lösende Frage (vgl. Würth aaO).

3. Die angegriffene Bestimmung spricht von einer Bescheinigung der "Baubehörde". Der VwGH geht davon aus, daß unter der Baubehörde tatsächlich jene Behörde zu verstehen sei, die in Bausachen zur Entscheidung berufen ist. Auch die Bundesregierung nimmt nicht etwa einen besonderen Auftrag an den Bürgermeister im übertragenen Wirkungsbereich des Bundes an. Zwar wäre der Bürgermeister (oder der ihm unterstellte Magistrat) zumeist auch Baubehörde erster Instanz, doch kann der zuständige Gesetzgeber auch andere Organe berufen (wie etwa § 71 der Stmk. Bauordnung 1968 in Städten mit eigenem Statut den Stadtsenat). Der VfGH unterstellt im Hinblick auf Sinn und Zweck der angegriffenen Vorschrift gleichfalls, daß eine Bescheinigung der Baubehörde als solcher erwartet wird.

Dem inhaltlichen Befund entspricht die Aussage der Materialien, es handle sich um einen Akt der Amtshilfe. Auch die Amtshilfe kann Gegenstand einer gesetzlichen Regelung sein. Zwar hat der VfGH im Erk. VfSlg. 2598/1953 den spiegelbildlichen Fall einer Verpflichtung von Bundesorganen, wahrgenommene Handlungen oder Unterlassungen eines Gemeindebeamten, die den Tatbestand einer Verletzung seiner Dienstpflichten bilden könnten, seiner Dienstbehörde unverzüglich mitzuteilen, als Mitwirkung bei der Vollziehung eines Landesgesetzes beurteilt und die normative Bedeutung der landesgesetzlichen Regelung darin gesehen, daß sie den Wirkungskreis sämtlicher Dienststellen des Bundes um diese Verpflichtung erweitert (und daher - ungeachtet der Qualifikation als Hilfeleistung iS des Art 22 B-VG - der Zustimmung der Bundesregierung iS des Art 97 Abs 2 B-VG bedarf). Eine solche Erweiterung des Wirkungskreises der Baubehörde verfügt aber die angegriffene Bestimmung nicht. Die Baubehörden haben nichts wahrzunehmen, was sie nicht schon aufgrund baurechtlicher Vorschriften wahrzunehmen hätten. Sie sollen diese Wahrnehmungen nur in bestimmter Art, nämlich nach erfolgter Baubewilligung auf Antrag eines Miteigentümers oder Wohnungseigentumsbewerbers bescheinigen (wobei sie die bewilligten Baupläne zugrundelegen können). Zweck der angegriffenen Vorschrift ist insoweit also die Regelung der Art und Weise, wie die Baubehörde einer dem Bundesgesetzgeber unterstellten Hilfeleistung nachkommen soll.

Der verfassungsrechtliche Hintergrund spricht nicht grundsätzlich gegen die Annahme, daß Regelungen von derart eingeschränkter Bedeutung gleichwohl normative Wirkung auf die Behörden ausüben, deren Hilfeleistung erwartet wird. Die Zulässigkeit solcher Regelungen folgt aus Art 22 B-VG. Danach sind alle Organe des Bundes, der Länder und der Gemeinden im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches zur wechselseitigen Hilfeleistung verpflichtet. Schon kraft dieser Verfassungsbestimmung, auch ohne besondere gesetzliche Ermächtigung, können - und müssen - die von Behörden eines anderen Vollzugsbereiches begehrten Auskünfte erteilt werden. Die Mitteilung der im eigenen Wirkungsbereich getroffenen Feststellungen zum Zwecke ihrer Verwendung in einem anderen Vollzugsbereich darf jedenfalls nicht mit der Begründung verweigert werden, daß solche Mitteilungen in den Gesetzen über den Wirkungsbereich der Behörde nicht vorgesehen sind. Der Zweck solcher Mitteilungen liegt ja regelmäßig außerhalb des Wirkungskreises der Behörde. Art 22 B-VG ermöglicht eben die im Bundesstaat notwendige Zusammenarbeit der Behörden aller Vollzugsbereiche. Daß er auch unmittelbar anzuwenden ist, steht einer näheren Regelung der vorgesehenen Hilfeleistungspflicht durch den an der Hilfe interessierten Gesetzgeber nicht entgegen. Es kann zur Sicherung der erwünschten Zusammenarbeit notwendig sein, den Hilfeleistungsfall und das Verhalten der helfenden Behörden generell zu regeln. Und eine solche Regelung kann auch anstelle des Ersuchens der Behörde einen Antrag des Betroffenen als auslösendes Element der Amtshilfe und die dem Antragsteller auszufolgende Bescheinigung als deren Form vorsehen. Die Pflicht zur Befolgung einer solchen Regelung hängt allerdings davon ab, daß die Gesetze, welche die Zuständigkeit des betreffenden Organes umschreiben, ihm das von der anderen Autorität erwartete Verhalten ermöglichen.

Es ist mithin anzunehmen, daß die Baubehörde dann, wenn ihr die landesgesetzlichen Vorschriften das erlauben, ihr Verhalten auch an der angegriffenen Bestimmung ausrichten - diese also bedingt anwenden - muß, und zwar insoweit, als diese ihr - der Sache nach - aufträgt, die Amtshilfe durch Ausstellen einer Bescheinigung zu leisten. Daß der VwGH nicht vorträgt, ob er diese Voraussetzungen im Anlaßbeschwerdefall für gegeben hält, schadet deshalb nicht, weil es eine Frage der Zweckmäßigkeit richterlicher Vorgangsweise ist, welcher von mehreren nacheinander in Betracht zu ziehenden Bestimmungen er sich zuerst zuwendet. Jedenfalls ist nicht schlechthin ausgeschlossen, daß der VwGH die angegriffene Vorschrift anzuwenden hat. Der VfGH erachtet sich nach seiner ständigen Rechtsprechung nicht für befugt, dem antragstellenden Gericht in einer solchen Frage vorzugreifen.

III. Der Antrag ist aber nicht begründet.

Die Bedenken des VwGH gehen dahin, daß der Bundesgesetzgeber der Gemeinde die Zuständigkeit in einer Angelegenheit des Zivilrechtswesens überträgt, zur Wahrnehmung dieser Zuständigkeit aber nicht den verfassungsrechtlich dafür vorgesehenen Bürgermeister, sondern eine andere Gemeindebehörde beruft. Wie die Erörterung der Prozeßvoraussetzungen gezeigt hat, ist der antragstellende Gerichtshof dabei von einer falschen Prämisse ausgegangen. Die vorgetragenen Bedenken gehen daher ins Leere. Die angegriffene Bestimmung überträgt der Baubehörde keine neue Zuständigkeit, sondern regelt nur die Form, in der sie im Falle ihrer Zuständigkeit Amtshilfe iS des Art 22 B-VG zu leisten hat.

Der VwGH faßt in seinem Antrag - unter dem Blickwinkel einer "verfassungskonformen Auslegung" zur Vermeidung der gerügten Verfassungswidrigkeit - allerdings auch diese Möglichkeit ins Auge, schließt sie aber aufgrund der Überlegung aus, daß die Bestimmung dann gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und Gleichheit vor dem Gesetz verstieße, weil die nach den Bauvorschriften allenfalls mögliche Verweigerung der Hilfeleistung den Eigentümern der Liegenschaft die Begründung von Wohnungseigentum unmöglich mache; das führe zu einer unsachlichen Schlechterstellung gegenüber anderen Eigentümern. Der damit aufgeworfenen Frage kann der Gerichtshof aber im vorliegenden Verfahren nicht näher treten. Kann nämlich die vom VwGH anzuwendende Bestimmung nur eine nähere Regelung der von den Baubehörden (nach Maßgabe der ihren Wirkungsbereich regelnden Gesetze) erwarteten Amtshilfe sein - zu welchem Ergebnis der VfGH ohne die Notwendigkeit verfassungskonformer Auslegung schon aufgrund des Wortlautes und der Entstehungsgeschichte kommt -, so kann diese Norm schon begrifflich nicht Sitz einer Verfassungswidrigkeit sein, die in einer verfehlten Voraussetzung für die Einverleibung von Wohnungseigentum bestünde. Über die Voraussetzungen der Einverleibung können nur die Gerichte zu entscheiden haben und die von den Gerichten anzuwendende Norm kann jedenfalls nicht jener Teil des § 12 Abs 2 WohnungseigentumsG sein, der für eine Anwendung durch die Baubehörde in Betracht kommt. Die Ausführungen des VwGH zeigen nur auf, daß eine allfällige Verfassungswidrigkeit der Regelung über die Voraussetzungen der Einverleibung des Wohnungseigentums nicht dadurch hätte vermieden werden können, daß man die Baubehörde allein aufgrund der angegriffenen Vorschrift für verpflichtet hielte, die in Rede stehende Bescheinigung auszustellen. Der VwGH hat aber nicht die Frage zu beantworten, welche Auswirkungen es auf die Möglichkeit der Einverleibung von Wohnungseigentum hat, wenn der bisher offenbar noch nicht vorgekommene Fall eintritt, daß eine Baubehörde aufgrund der Vorschriften über ihren Wirkungsbereich einen Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung zurückweisen muß und der Antragsteller diesen Bescheid dem Gericht vorlegt. Selbständige Bedenken gegen jenen Teil des § 12 Abs 2, aus dem sich allenfalls ergeben könnte, daß das Einverleibungsgesuch mangels Vorlage der Bescheinigung der Baubehörde selbst dann abzuweisen wäre, wenn die Baubehörde Bescheinigungen dieser Art überhaupt nicht ausstellen darf (das Landesrecht sein Desinteresse am Gegenstand also auf diese Weise erkennen läßt), könnten an den VfGH nur von seiten der zur Lösung dieser Frage zuständigen ordentlichen Gerichte herangetragen werden.

Eine Erörterung des nur für den Fall der Aufhebung gestellten Zusatzbegehrens erübrigt sich unter diesen Umständen.

Dem Antrag des VwGH ist keine Folge zu geben.