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VfGH vom 15.10.1992, G159/92

VfGH vom 15.10.1992, G159/92

Sammlungsnummer

13232

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit der Berufung von Beamten eines Bundesministeriums als Richter unter Beibehaltung ihrer Funktion als Verwaltungsbeamte; Aufhebung der den Beisitzern des Kartellobergerichtes die Rechte und Pflichten von Richtern übertragenden Bestimmung des KartellG 1988; Qualifikation des Kartellobergerichtes nach Aufhebung der in Prüfung gezogenen Norm als Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag

Spruch

§ 93 Abs 1 dritter Satz des Kartellgesetzes 1988, BGBl. Nr. 600/1988, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist - unter G4/91 - ein Verfahren über einen Antrag des Kartellobergerichts beim Obersten Gerichtshof (künftig: KOG) anhängig, mit dem die Aufhebung des § 7 Abs 2 des Nahversorgungsgesetzes, BGBl. 392/1977 (künftig: NahVG) als verfassungswidrig beantragt wird.

Anläßlich der Überprüfung der Antragslegitimation des antragstellenden KOG entstanden beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 93 Abs 1 dritter Satz des Kartellgesetzes 1988, BGBl. 600/1988 (künftig: KartG). Der Gerichtshof leitete daher hinsichtlich dieser Bestimmung aus Anlaß des § 7 Abs 2 NahVG betreffenden Verfahrens ein weiteres Gesetzesprüfungsverfahren ein.

2. § 93 Abs 1 dritter Satz KartG steht - soweit dies für die beiden genannten Gesetzesprüfungsverfahren relevant ist - in folgendem normativen Zusammenhang:

Zur Untersagung der durch das NahVG verpönten Verhaltensweisen, insbesondere von ungerechtfertigten Lieferbedingungen an Wiederverkäufer, sowie zur Anordnung, Beschränkung oder Aufhebung einer Lieferpflicht sind das Kartellgericht beim OLG Wien und als Berufungsinstanz das KOG berufen (§6 und § 7 Abs 1 NahVG iVm § 88 KartG); dieses entscheidet gem. § 88 Abs 2 KartG in letzter Instanz.

Das Kartellgericht besteht kraft der ausdrücklichen Anordnung durch § 89 KartG aus einem Vorsitzenden und drei Beisitzern, das KOG aus einem Vorsitzenden und sechs Beisitzern. Für jeden Vorsitzenden und für jeden Beisitzer sind vier Stellvertreter zu ernennen. Die Vorsitzenden und ihre Stellvertreter müssen Richter des Dienststandes sein; der Vorsitzende des KOG ist dem Kreis der Mitglieder des OGH zu entnehmen (§91 Abs 1 KartG). Die Beisitzer und ihre Stellvertreter müssen zum Amt eines Geschwornen oder Schöffen fähig sein, ein inländisches rechts-, handels- oder wirtschaftswissenschaftliches Hochschulstudium vollendet und längere Berufserfahrungen auf rechtlichem oder wirtschaftlichem Gebiet haben (§91 Abs 2 KartG).

Die Mitglieder des Kartellgerichts und des KOG und ihre Stellvertreter werden vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung ernannt (§90 KartG). Die Ernennung der richterlichen Mitglieder geht auf Besetzungsvorschläge der Personalsenate des OLG Wien und des OGH zurück und ist in § 95 KartG näher geregelt. Über die Nominierung der Beisitzer bestimmt § 92 KartG:

"(1) Je ein Beisitzer des Kartellgerichts und ihre Stellvertreter sind von der Bundesregierung auf Grund von Vorschlägen der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, des Österreichischen Arbeiterkammertags "(nunmehr: der Bundesarbeitskammer; vgl. AKE 1992, BGBl. 626/1991)" und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs vorzuschlagen. Je zwei Beisitzer des Kartellobergerichts und ihre Stellvertreter sind von der Bundesregierung auf Grund von Vorschlägen der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und des Österreichischen Arbeiterkammertags vorzuschlagen. Je ein Beisitzer des Kartellobergerichts und ihre Stellvertreter sind aus dem Kreis der rechtskundigen Beamten des Bundesministeriums für Justiz und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten vorzuschlagen.

(2) Die vorschlagsberechtigten Stellen haben ihre Vorschläge an den Bundesminister für Justiz zu richten. Sie sollen in ihren Vorschlag für jeden Beisitzer (Stellvertreter) wenigstens zwei Personen aufnehmen und diese Personen reihen. Die Voraussetzungen für die Ernennung und die Zustimmung der vorgeschlagenen Personen zu ihrer Ernennung sind nachzuweisen.

(3) Die Bundesregierung darf jeweils nur eine der ihr vorgeschlagenen Personen vorschlagen; wird jedoch das Vorschlagsrecht nicht binnen einer angemessenen, vom Bundesminister für Justiz zu bestimmenden Frist ausgeübt, so ist die Bundesregierung bei Erstattung ihres Vorschlags an Vorschläge der genannten Stellen nicht gebunden."

Hinsichtlich der Rechtsstellung der Beisitzer (und ihrer Stellvertreter) bestimmt der in Prüfung genommene letzte Satz des § 93 Abs 1 KartG:

"Im übrigen gilt für die Beisitzer und ihre Stellvertreter § 21 des Gerichtsorganisationsgesetzes, RGBl. Nr. 217/1896, in der jeweils geltenden Fassung sinngemäß."

Die Vorschrift des § 21 GOG 1896 lautet:

"§21. (1) Die fachmännischen Laienrichter werden vor Antritt ihres Amtes vom Präsidenten des Gerichtshofes, für den sie ernannt wurden, beeidet. Bei Wiederernennung genügt die Verweisung auf den bereits geleisteten Eid.

(2) Nach der Eidesleistung kommen den fachmännischen Laienrichtern für die Dauer ihres Amtes in Ansehung der Ausübung desselben die Rechte und Pflichten eines selbständigen Richters zu. Sie können weder zeitweise ihres Amtes enthoben noch an eine andere Stelle versetzt werden; zur Amtsentsetzung ist zu schreiten, wenn der fachmännische Laienrichter die Eigenberechtigung verliert, ohne genügende Entschuldigung die Pflichten seines Amtes dauernd vernachlässigt, oder innerhalb seiner Amtsperiode durch ein inländisches Gericht wegen einer mit Bereicherungsvorsatz begangenen strafbaren Handlung oder wegen einer strafbaren Handlung gegen die Sittlichkeit verurteilt wird. Die Amtsentsetzung kann, außer den Fällen strafrechtlicher Verurteilung und des Verlustes der Eigenberechtigung, nur nach vorausgegangener mündlicher Verhandlung durch Erkenntnis des Oberlandesgerichtes verhängt werden."

Über die Amtsdauer bestimmt sodann § 99 KartG:

"(1) Das Amt der Beisitzer (Stellvertreter) endet mit Ablauf des Jahres, in dem der Beisitzer (der Stellvertreter) das 65. Lebensjahr vollendet hat.

(2) Der Bundesminister für Justiz hat ein Mitglied des Kartellgerichts (Kartellobergerichts) oder dessen Stellvertreter auf sein Ersuchen seines Amtes zu entheben."

Das KOG entscheidet gem. § 102 Abs 2 KartG stets in einem Siebenersenat. Das Gesetz regelt die Geschäftsverteilung (§103 KartG) und verweist hinsichtlich Beratung, Abstimmung und Ablehnung von Richtern auf die entsprechenden Bestimmungen der Jurisdiktionsnorm, deren sinngemäße Anwendung sie anordnet.

3.a) Der Verfassungsgerichtshof nahm in dem dieses Verfahren einleitenden Beschluß vorläufig an, daß er die für die Einrichtung des KOG maßgeblichen Vorschriften und somit auch den in Prüfung genommenen Satz des § 93 Abs 1 KartG bei seiner Entscheidung über die Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsantrags des KOG anzuwenden haben würde; dies deshalb, weil die organisatorischen Bestimmungen über die Einrichtung des antragstellenden Staatsorgans und insbesondere auch die in Prüfung gezogene Bestimmung für dessen Qualifikation als Gericht maßgeblich sein dürften.

b) In seinem Einleitungsbeschluß ging der Gerichtshof - in Übereinstimmung mit dem antragstellenden KOG und mit der Bundesregierung und in Einklang mit der herrschenden Lehre (vgl. zuletzt Rebhahn, Sind Kartellgerichte verfassungskonform organisiert?, WBl. 1991, 370 f) - weiters davon aus, daß das antragstellende Staatsorgan de lege lata als Gericht zu qualifizieren sei, was sich insbesondere aus der in Prüfung genommenen Bestimmung iVm dem verwiesenen § 21 GOG 1896, aber auch aus der Einbindung des KOG in die Gerichtsorganisation und aus § 99 KartG ergebe und was auch durch eine die Intentionen des Gesetzgebers beachtende historische Interpretation gestützt werde.

Diesbezüglich verwies der Gerichtshof im Einleitungsbeschluß auf die Stellungnahme der Bundesregierung im Verfahren über den Gesetzesprüfungsantrag des KOG, in dem diese ausgeführt hatte:

"Aus der Entstehungsgeschichte und den Materialien des Kartellgesetzes bzw. seiner Vorläufer ergibt sich eindeutig, daß der Gesetzgeber stets die Absicht hatte, das Kartellgericht und das Kartellobergericht als Gerichte im Sinn des Art 83 B-VG zu konstituieren.

Die Regierungsvorlage eines Kartellgesetzes (175 BlgNR VI. GP) hat noch die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau für Entscheidungen in Kartellsachen vorgesehen; das Kartellgesetz (1951) hingegen hat diese Zuständigkeit neugeschaffenen Organen, nämlich der Kartellkommission und der Kartelloberkommission, übertragen (§§5 bis 9) und in § 5 Abs 3 ausdrücklich festgestellt: 'Die Kartellkommission und die Kartelloberkommission sind Gerichte.'

Der Bericht des Handelsausschusses des Nationalrates (382 BlgNR VI. GP) führt hiezu unter anderem aus (S. 3): 'Obwohl sich aus der Tatsache, daß die Vorsitzenden der Kommissionen Richter sein müssen und auf die Beisitzer die Bestimmungen über die fachmännischen Laienrichter sinngemäß anzuwenden sind, in Verbindung mit der Anwendung des Verfahrens außer Streitsachen bereits ergibt, daß es sich bei den Kommissionen nicht um Verwaltungsbehörden, sondern um außerordentliche Gerichte handelt, spricht § 5 Abs 3 dies doch noch ausdrücklich aus, um jeden geringsten Zweifel auszuschalten.'

Dem ist auch das Schrifttum gefolgt; Wahle (Das neue Kartellgesetz ÖJZ 1952, 561) bezeichnet die Kartellkommission und die Kartelloberkommission als außerordentliche Gerichte und führt aus, daß die Übertragung der Kartellentscheidungen an Gerichte aus verfassungsrechtlichen Erwägungen erfolgt sei.

Weiters ist auch darauf hinzuweisen, daß das Kartellgesetz (1951) bei der Konstituierung der Kartellkommission und der Kartelloberkommission offensichtlich dem Vorbild der Rückstellungskommissionen nach dem 3. Rückstellungsgesetz, BGBl. 1947/54 gefolgt ist. Obwohl die Stellung der Beisitzer dieser Kommission weniger weit der Stellung eines Berufsrichters angenähert war, als dies beim Kartellgericht und dem Kartellobergericht der Fall ist, hat der Verfassungsgerichtshof diesen Kommissionen die Eigenschaft eines Gerichtes zugesprochen (VfSlg. Anh. 1948/1, 3767). Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof auch ausdrücklich die Arbeitsgerichte und die Schiedsgerichte der Sozialversicherung nach dem ASVG als Gerichte anerkannt (VfSlg. 2519, VfSlg. Anh. 1956/10, 3219, 3586, 3709)."

Unter der Prämisse der Qualifikation des KOG als Gericht hatte der Gerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Mitwirkung rechtskundiger Ministerialbeamter als Richter am KOG.

In ihrer schon zitierten Stellungnahme im Anlaß-Gesetzesprüfungsverfahren hatte die Bundesregierung die Auffassung vertreten, daß die Mitwirkung der über Vorschlag von Interessenvertretungen ernannten Beisitzer mit Art 91 Abs 1 B-VG nicht unvereinbar sei, dieser Einschätzung aber angefügt:

"Die aus dem Kreis der rechtskundigen Beamten des Bundesministeriums für Justiz und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten berufenen Beisitzer können hingegen nach Ansicht der Bundesregierung - schon im Hinblick auf den Auswahlmodus - nicht als Mitwirkende aus dem Volk, aber auch nicht als Richter im Sinne des B-VG angesehen werden. Die allfällige Argumentation, es handle sich bei diesen Personen um vom Bundespräsidenten ernannte, mit den Garantien des § 21 des Gerichtsorganisationsgesetzes ausgestattete nebenberufliche Richter, trifft nach Auffassung der Bundesregierung nicht zu, weil das B-VG, wie erwähnt, vom Bild des Berufsrichters ausgeht und Art 86 Abs 1 B-VG für die Ernennung die Einholung von Besetzungsvorschlägen der durch die Gerichtsverfassung hiezu berufenen Senate vorsieht (vgl. auch Rebhahn a.a.O. 373). Aus dem Voranstehenden ergibt sich somit, daß das Kartellgericht und das Kartellobergericht aufgrund der Besetzung mit hauptberuflichen Verwaltungsbeamten (§92 des Kartellgesetzes) nicht dem Art 91 Abs 2 B-VG entsprechend organisiert sein dürften."

Der Verfassungsgerichtshof schloß sich dieser Auffassung an: Es sei evident, daß die Beisitzer aus dem Kreis der rechtskundigen Ministerialbeamten keine Berufsrichter im Sinne der Art 86 ff B-VG seien; ihre Berufung zu Richtern des KOG dürfte aber auch

"keine Deckung in der Ermächtigung des Art 91 Abs 1 B-VG finden. Schon im Hinblick auf den Auswahlmodus und ihre Stellung als Verwaltungsbeamte können derartige Richter somit offenkundig weder als Mitwirkende aus dem Volk noch als Richter im Sinne des B-VG angesehen werden (vgl. auch Rebhahn, WBl. 1991, 377 f).

Der Verfassungsgerichtshof hätte keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Heranziehung von weisungsfrei gestellten und mit entsprechenden Garantien der Unabhängigkeit ausgestatteten Verwaltungsbeamten im Rahmen von weisungsfreien Verwaltungsbehörden gemäß Art 133 Z 4 B-VG. Wohl aber dürfte aus den angeführten Gründen eine Heranziehung der Verwaltungsbeamten als 'Richter' verfassungswidrig sein.

Diese Verfassungswidrigkeit scheint ihren Sitz in der in Prüfung genommenen Bestimmung zu haben, da erst die in ihr enthaltene Verweisung den Beisitzern am KOG die Rechte und Pflichten von Richtern überträgt."

4. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie darauf hinweist, daß die vom Verfassungsgerichtshof geäußerten Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Berufung rechtskundiger Beamter zweier Bundesministerien zu Richtern des KOG mit ihrer Einschätzung übereinstimmt. Sie meint jedoch, daß der Sitz der angenommenen Verfassungswidrigkeit nicht in § 93 Abs 1 dritter Satz KartG gesehen werden dürfe und beantragt dementsprechend, der Gerichtshof wolle das eingeleitete Prüfungsverfahren einstellen; in eventu wird der Antrag gestellt, die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben, für den Fall der Aufhebung aber für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu bestimmen, um die allenfalls erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.

Zur Begründung ihrer Anträge führt die Bundesregierung aus:

"Würde die vom Verfassungsgerichtshof in Prüfung gezogene Bestimmung des § 93 Abs 1 dritter Satz KartellG aufgehoben, so kämen den Beisitzern aus dem Kreis der rechtskundigen Beamten des Bundesministeriums für Justiz und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten nicht mehr die Garantien der Unabhängigkeit (Weisungsfreiheit, Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit) zu. Damit würde das KOG seines Charakters als Gericht entkleidet.

Eine Aufhebung dieser Regelung hätte offenbar zur Folge, daß das im KartellG vorgesehene KOG als Kollegialbehörde iS des Art 133 Z 4 B-VG gelten würde.

Dazu sind aus der Sicht der Bundesregierung folgende Überlegungen anzustellen:

1. Wie die Bundesregierung in ihrer Äußerung im Gesetzesprüfungsverfahren G4/91 ausgeführt hat, ist das beim OGH eingerichtete KOG als Gericht anzusehen: Aus der Entstehungsgeschichte und den Materialien des KartellG bzw. seiner Vorläufer ergibt sich eindeutig, daß der Gesetzgeber stets die Absicht hatte, das Kartellgericht und das Kartellobergericht als Gerichte iS des Art 83 B-VG zu konstituieren.

Die Regierungsvorlage eines KartellG (175 BlgNR VI. GP) hatte noch die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau für Entscheidungen in Kartellsachen vorgesehen. Das KartellG BGBl. Nr. 173/1951 hingegen hat diese Zuständigkeit neugeschaffenen Organen, nämlich der Kartellkommission und der Kartelloberkommission übertragen (§§5 bis 9 leg.cit.) und in § 5 Abs 3 ausdrücklich festgestellt: 'Die Kartellkommission und die Kartelloberkommission sind Gerichte.'

Auch dem Bericht des Handelsausschusses des Nationalrates, 382 BlgNR VI. GP, S. 3, läßt sich entnehmen, daß dem KOG der Charakter eines Gerichtes zukommen soll. Dem ist auch das Schrifttum gefolgt (Wahle, Das neue Kartellgesetz, ÖJZ 1952, 561).

Weiters hat die Bundesregierung in der genannten Äußerung auch darauf hingewiesen, daß das KartellG aus dem Jahr 1951 bei der Konstituierung der Kartellkommission und der Kartelloberkommission offensichtlich dem Vorbild der Rückstellungskommissionen nach dem dritten Rückstellungsgesetz gefolgt ist. Obwohl die Stellung der Beisitzer dieser Kommission weniger weit der Stellung eines Berufsrichters angenähert war, als dies beim Kartellgericht und beim Kartellobergericht der Fall ist, hat der Verfassungsgerichtshof diesen Kommissionen die Eigenschaft eines Gerichtes zugesprochen (VfSlg. Anh. 1948/1, 3767/1960).

2. Wollte man nun den Sitz der Verfassungswidrigkeit in § 93 Abs 1 dritter Satz KartellG annehmen, so hätte dies im Falle der Aufhebung offenbar zur Folge, daß das KOG - entgegen den Intentionen und rechtspolitischen Überlegungen des Gesetzgebers - als Kollegialbehörde mit richterlichen Einschlag iS des Art 133 Z 4 B-VG gälte.

Der Verfassungsgerichtshof geht nun in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß ein Gesetzesprüfungsverfahren dazu führen soll, die geltend gemachte bzw. festgestellte Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Der nach Aufhebung verbleibende Teil des Gesetzes soll dabei möglichst nicht mehr verändert werden, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist (siehe VfSlg. 8461/1978). Die Grenzen der Aufhebung einer in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmung müssen so gezogen werden, daß einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten, dem Gesetz überhaupt nicht zusinnbaren Inhalt bekommt (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , G170/88 sowie sein Erkenntnis vom , V268, 269/91 ua) und daß andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfaßt werden; dies trifft sowohl auf von Amts wegen als auch auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren zu (VfSlg. 8155/1977, 8461/1978).

Keineswegs solle aber die Aufhebung einer gesetzlichen Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof dazu führen, daß einem Gesetz ein veränderter Inhalt gegeben wird und damit die rechtspolitische Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs anstelle der rechtspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers gesetzt und somit ein Akt positiver Gesetzgebung vorgenommen würde (VfSlg. 8806/1980, 4471/1963, 5810/1968, 6674/1972 sowie Erk. v. , V268, 269/91 ua). Damit würde der Verfassungsgerichtshof nämlich eine Zuständigkeit in Anspruch nehmen, die ihm von der Verfassung nicht eingeräumt wird (VfSlg. 8806/1980).

3. Die Bundesregierung vertritt nun die Auffassung, daß der Sitz der hier in Rede stehenden Verfassungswidrigkeit in § 92 Abs 1 dritter Satz KartellG gelegen ist. Eine Aufhebung dieser Bestimmung würde den zuvor beschriebenen Akt der positiven Gesetzgebung durch den Verfassungsgerichtshof vermeiden."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat bei der Prüfung des Antrags des KOG zu beurteilen, ob das KOG ein zur Antragstellung gem. Art 140 Abs 1 B-VG berufenes Gericht ist. Dies ist anhand jener Vorschriften zu prüfen, durch die das antragstellende Staatsorgan eingerichtet wird und die für dessen Qualifikation als Gericht oder als Verwaltungsbehörde von Bedeutung sind. Da die in Prüfung genommene Bestimmung den Beisitzern des KOG die Rechte und Pflichten von Richtern überträgt, wäre sie durch den Verfassungsgerichtshof bei der Beurteilung der Prozeßvoraussetzungen des vom KOG gestellten (zu G4/91 protokollierten) Antrags anzuwenden und somit präjudiziell im Sinne des Art 140 Abs 1 B-VG.

2. Die Berufung von Beamten eines Bundesministeriums als Richter ist - wie im Einleitungsbeschluß in Übereinstimmung mit der im Anlaßverfahren auch von der Bundesregierung vertretenen Auffassung angenommen wurde - verfassungswidrig:

Als Beamte tätige Organwalter können nicht gleichzeitig mit der Ausübung ihrer Beamtenfunktion als Berufsrichter im Sinne des Art 86 ff B-VG tätig werden. Es ist aber auch ausgeschlossen, die Tätigkeit von Beamten als Richter als eine Form der Mitwirkung des Volkes an der Rechtsprechung im Sinne des Art 91 Abs 1 B-VG zu qualifizieren:

Der Verfassungsgesetzgeber hat in Art 91 Abs 1 B-VG die Form, in der die Repräsentanten des Volkes an der Gerichtsbarkeit mitwirken, nicht näher geregelt und es damit der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers überlassen, in welcher Weise die Laienrichter für ihre richterliche Funktion ausgewählt werden. Der Gesetzgeber kann sich dabei jeder sachgerechten Methode bedienen, soweit er damit nicht die in der Verfassung gezogenen Grenzen überschreitet. Diese von der Verfassung gezogenen Grenzen werden aber überschritten, wenn der Gesetzgeber - wie im vorliegenden Fall - bestimmt, daß "Richter", die aus dem Beamtenstand zu entnehmen sind, ohne zu Berufsrichtern zu werden nach ihrer Ernennung zum "Richter" sowohl als solche, als auch als Verwaltungsbeamte tätig sein sollen.

Die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, daß derartige Richter schon im Hinblick auf den Auswahlmodus und die Beibehaltung ihrer Funktion als Verwaltungsbeamte offenkundig weder als Mitwirkende aus dem Volk noch als Berufsrichter im Sinne des B-VG angesehen werden können, hat sich somit als zutreffend herausgestellt.

3. Daß die damit festgestellte Verfassungswidrigkeit ihren Sitz - jedenfalls auch - in der in Prüfung genommenen Bestimmung des KartG hat, kann nicht zweifelhaft sein. Denn durch diese Bestimmung wird die Geltung des § 21 GOG 1896 auf die Beisitzer des KOG erstreckt, indem normiert wird, daß ihnen "für die Dauer ihres Amtes in Ansehung der Ausübung desselben die Rechte und Pflichten eines selbständigen Richters zu(kommen)."

Nun meint die Bundesregierung der Sache nach, daß die Verfassungswidrigkeit auch in einer anderen Bestimmung des KartG, und zwar in dessen § 92 Abs 1 dritter Satz KartG zu lokalisieren wäre. Sie vertritt die Ansicht, daß die Aufhebung dieser Bestimmung einen geringeren Eingriff in das gesetzliche Regelungssystem darstelle und die rechtspolitische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auf diese Weise besser gewahrt werde, als durch die Aufhebung des in Prüfung genommenen dritten Satzes des § 93 Abs 1 KartG. Denn die Aufhebung dieser Bestimmung hätte zur Folge, daß das KOG - entgegen den Intentionen des historischen Gesetzgebers - als Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag im Sinne des Art 133 Z 4 B-VG zu qualifizieren wäre, was dem Gesetz einen völlig veränderten Inhalt geben würde.

Der Verfassungsgerichtshof hat in der Tat - wie die Bundesregierung richtig erkennt - in seiner Judikatur stets den Standpunkt eingenommen, daß er den Umfang der zu prüfenden und im Falle ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen habe, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden werde, als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt. Er hat aber - worauf die Bundesregierung in ihrer Gegenschrift nicht hinweist - dabei immer wieder darauf hingewiesen, daß beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, weshalb er in jedem Einzelfall abzuwägen habe, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebühre (vgl. etwa VfSlg. 8461/1978, 11190/1986, u.v.a.).

Vorliegendenfalls bewirkt die Aufhebung der in Prüfung genommenen Bestimmung, daß bislang als Gerichte eingerichtete Staatsorgane (nämlich das Kartellgericht wie auch das KOG) nunmehr zu Verwaltungsbehörden werden. Hinsichtlich des KOG führt die Aufhebung - wie die Bundesregierung richtig vermutet - angesichts des § 88 Abs 2 KartG und des systematischen Kontextes der normativen Ausgestaltung dazu, daß dieses Organ nunmehr als Kollegialbehörde nach Art 133 Z 4 B-VG zu qualifizieren ist. Denn es wird in oberster Instanz tätig und seine Entscheidungen unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg.

Es bewirkt somit die Aufhebung der in Prüfung genommenen Bestimmung in der Tat eine bedeutsame Änderung des rechtlichen Gehalts der organisatorischen Bestimmungen des KartG. Noch schwerer wäre freilich der Eingriff, würde man alle das KOG betreffenden Regelungen gänzlich beseitigen. Denn dies würde das Kartellgericht zur ersten und einzigen Instanz machen - eine Konsequenz, die den Intentionen des historischen Gesetzgebers ebensowenig entspräche und zudem mit schwerwiegenden Folgen der rechtstaatlichen Ausgestaltung des Verfahrens in Kartellsachen verbunden wäre.

Würde aber - der Anregung der Bundesregierung folgend - der dritte Satz des § 92 Abs 1 KartG, also jene Bestimmung aufgehoben werden, die die Bestellung der Beisitzer des KOG aus dem Kreis der Beamten zweier Bundesministerien regelt, so würde dies das KOG gänzlich funktionsunfähig machen. Denn der Anordnung des § 89 KartG, demzufolge das KOG aus einem Vorsitzenden und sechs Beisitzern besteht und der damit korrespondierenden Bestimmung in § 102 Abs 2 KartG ("das KOG entscheidet in einem Siebenersenat") stünden bloß Normierungsregelungen für den Vorsitzenden und vier Beisitzer gegenüber, sodaß eine rechtmäßige Zusammensetzung des KOG überhaupt nicht mehr gewährleistet wäre. Wollte man aber - um die Funktionsfähigkeit des KOG zu erhalten - annehmen, daß eine allfällige Aufhebung des § 92 Abs 1 dritter Satz KartG sich nur für neue Ernennungen zu Beisitzern auswirkte, nicht aber auf die bestehende Besetzung des KOG, so wäre die festgestellte Verfassungswidrigkeit durch eine solche Aufhebung auf Gesetzesebene überhaupt nicht beseitigt. Die von der Bundesregierung angeregte Aufhebung des § 92 Abs 1 dritter Satz KartG würde also entweder ebenfalls zu einem noch gravierenderen Eingriff in die organisatorischen Bestimmungen des Kartellrechts, nämlich zur Beseitigung der Funktionsfähigkeit des KOG überhaupt führen oder wäre (bei der zweiten der erwogenen möglichen Wirkungen der Aufhebung) gar nicht geeignet, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen.

Angesichts dieser Situation ist der Verfassungsgerichtshof der Ansicht, daß das von ihm in seiner Judikatur stets postulierte Abwägungsgebot die Aufhebung der in Prüfung genommenen Bestimmung erfordert.

4. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der Aufhebung, die sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B-VG gründet, erschien dem Gerichtshof im Hinblick auf die mit der Entscheidung verbundene, den Inhalt der verbleibenden Regelung doch gravierend verändernde Wirkung des Erkenntnisses (vgl. oben Pkt. II/3) notwendig. Sie soll dem einfachen Gesetzgeber für den Fall, daß er rechtspolitisch eine Lösung anstrebt, die von der durch die Aufhebung bewirkten abweicht, die Möglichkeit zu entsprechender Gestaltung der organisatorischen Bestimmungen des KOG bieten.

Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VerfGG.

5. Die Entscheidung konnte, da die zu beurteilenden Fragen größtenteils in der im Anlaßverfahren G4/91 abgehaltenen mündlichen Verhandlung erörtert wurden und im übrigen die Schriftsätze eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließen, gem. § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.