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VfGH vom 12.10.2016, G159/2016

VfGH vom 12.10.2016, G159/2016

Leitsatz

Abweisung des Individualantrags einer Tabakgroßhändlerin auf Aufhebung von Bestimmungen betreffend das Verbot des Inverkehrbringens von Kautabak; kein Verstoß gegen das Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung im Hinblick auf das im öffentlichen Interesse liegende Ziel des Schutzes der menschlichen Gesundheit; kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz; sachliche und verhältnismäßige Beschränkung der unternehmerischen Disposition durch die normierte Übergangsvorschrift

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit auf Art 140 B VG gestütztem Antrag begehrt die antragstellende Gesellschaft, der Verfassungsgerichtshof möge "die Wortfolge 'oder 3. Kautabak' in § 2 Abs 1 Z 2 und 3, sowie die §§17 Abs 9 (3. Satz) und § 18 Abs 12 des Bundesgesetzes über das Herstellen und Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen sowie die Werbung für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse und den Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutz (Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz – TNRSG)" als verfassungswidrig aufheben.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Herstellen und Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen sowie die Werbung für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse und den Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutz (Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz – TNRSG), BGBl 431/1995 idF BGBl I 22/2016, lauten (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Begriffsbestimmungen

§1. Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als

1. 'Tabakerzeugnis' jedes Erzeugnis, das zum Rauchen, Schnupfen, Lutschen oder Kauen bestimmt ist, sofern es ganz oder teilweise aus Tabak, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Tabak in gentechnisch veränderter oder unveränderter Form handelt, besteht,

1a. 'neuartiges Tabakerzeugnis' jedes Tabakerzeugnis, das nicht in eine der Kategorien Zigaretten, Tabak zum Selbstdrehen, Pfeifentabak, Wasserpfeifentabak, Zigarren, Zigarillos, Kautabak, Schnupftabak und Tabak zum oralen Gebrauch fällt und erstmals nach dem in Verkehr gebracht wurde,

1b. – 1f. […]

1g. 'Kautabak' ein rauchloses Tabakerzeugnis, das ausschließlich zum Kauen bestimmt ist,

1h. 'Tabak zum oralen Gebrauch' ein Tabakerzeugnis zum oralen Gebrauch – mit Ausnahme eines Erzeugnisses, das zum Inhalieren oder Kauen bestimmt ist –, das ganz oder teilweise aus Tabak besteht und in Pulver- oder Granulatform oder in einer Kombination aus beiden Formen, insbesondere in Portionsbeuteln oder porösen Beuteln, angeboten wird,

1i. […]

1j. 'Rauchtabakerzeugnis' jedes Tabakerzeugnis mit Ausnahme rauchloser Tabakerzeugnisse,

1k. 'rauchloses Tabakerzeugnis' ein Tabakerzeugnis, das nicht mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert wird, unter anderem Kautabak, Schnupftabak und Tabak zum oralen Gebrauch,

1l. […]

2. 'Inverkehrbringen' die entgeltliche oder unentgeltliche Bereitstellung von Produkten – unabhängig vom Ort ihrer Herstellung – für Verbraucherinnen bzw. Verbraucher,

3. – 5. […]

6. 'Verbraucher' jede natürliche Person, die das Tabakerzeugnis für den Eigenverbrauch oder die Weitergabe an bestimmte Dritte für deren Eigenverbrauch erwirbt,

7. – 8. […]

9. 'Inhaltsstoff' Tabak, ein Zusatzstoff sowie jeder in einem endgültigen Tabakerzeugnis oder verwandten Erzeugnis vorhandene Stoff oder Bestandteil, einschließlich Papier, Filter, Druckerfarben, Kapseln und Kleber,

9a. 'Emission' jeder Stoff, der freigesetzt wird, wenn ein Tabakerzeugnis oder ein verwandtes Erzeugnis bestimmungsgemäß verwendet wird,

9b. 'Höchstwert' oder 'Emissionshöchstwert' der maximale Gehalt oder die maximale Emission (einschließlich 0) eines Stoffs in einem Tabakerzeugnis oder verwandten Erzeugnis, gemessen in Milligramm,

9c. 'Zusatzstoff' ein Stoff mit Ausnahme von Tabak, der einem Tabakerzeugnis oder verwandtem Erzeugnis, einer Packung oder einer Außenverpackung zugesetzt wird,

9d. 'Aromastoff' ein Zusatzstoff, der Geruch und/oder Geschmack verleiht,

9e. 'charakteristisches Aroma' ein von Tabakgeruch bzw. -geschmack unterscheidbarer Geruch oder Geschmack, der durch einen Zusatzstoff oder eine Kombination von Zusatzstoffen erzeugt wird – unter anderem Früchte, Gewürze, Kräuter, Alkohol, Süßigkeiten, Menthol oder Vanille – und der vor oder beim Konsum des Tabakerzeugnisses oder verwandten Erzeugnisses bemerkbar ist,

10. 'vermarkten' die Weitergabe von Tabakerzeugnissen durch die Herstellerin oder den Hersteller bzw. die Importeurin oder den Importeur,

11. – 12. […]

Verbot des Inverkehrbringens

§2. (1) Das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen,

1. die den §§3 bis 7 oder auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungen nicht entsprechen oder

2. die für einen anderen oralen Gebrauch als den im Rauchen oder Kauen bestehenden bestimmt sind,

ist verboten.

(2) Eine Zigarettenpackung muss mindestens 20 Zigaretten enthalten.

(3) Verbote des In-Verkehr-Bringens von Tabakerzeugnissen auf Grund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

[…]

§17. (1) – (8) […]

(9) […] § 2 Abs 1 in der Fassung BGBl I Nr 22/2016 tritt mit in Kraft. […]

(10) – (11) […]

§18. (1) – (11) […]

(12) Tabakerzeugnisse, die vor dem gemäß dem Tabakgesetz in der Fassung BGBl I Nr 120/2008 hergestellt oder in Verkehr gebracht und gekennzeichnet wurden, dürfen:

1. von Großhändlern bis an Tabaktrafikanten abgegeben werden und

2. von Tabaktrafikanten bis verkauft werden.

(13) – (14) […]"

2. Gemäß der Übergangsbestimmung des § 17 Abs 9 dritter Satz TNRSG lautet § 2 Abs 1 TNRSG in der – erst ab in Kraft tretenden – angefochtenen Fassung folgendermaßen (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"Verbot des Inverkehrbringens

§2. (1) Das Inverkehrbringen von

1. Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen, die den §§4 bis 10e oder nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen nicht entsprechen oder

2. Tabak zum oralen Gebrauch oder

3. Kautabak

ist verboten."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die antragstellende Gesellschaft, eine Tabakgroßhändlerin, handelt seit mehreren Jahren unter anderem mit Kautabak. Sie bringt zunächst zum Sachverhalt vor, dass sie "unter erheblichen Mühen und finanziellen Aufwendungen […] im Hinblick auf diese Produktlinie ein für die Antragstellerin fundamentales Geschäftssegment aufgebaut" habe und dass sie "[i]n den letzten Jahren […] erhebliche finanzielle Mittel in den Aufbau eines Außendienstes durch Mitarbeiter (Vertriebsnetz) investiert" habe. Die antragstellende Gesellschaft habe sich mittlerweile auf diesem Gebiet österreichweit die Marktführerschaft gesichert und werde durch das nunmehr – nach Ansicht der antragstellenden Gesellschaft überraschende und auf von der Richtlinie 2014/40/EU zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG abweichende Weise – gesetzlich verankerte Inverkehrbringungsverbot von Kautabak sowie durch die kurzen Abverkaufsfristen massiv in ihrer Erwerbstätigkeit eingeschränkt und in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet.

1.1. Zur ihrer Antragslegitimation bringt die antragstellende Gesellschaft im Wesentlichen Folgendes vor:

1.1.1. Das Inverkehrbringen von Kautabak werde durch die angefochtene Wortfolge in § 2 Abs 1 Z 2 und 3 TNRSG unmittelbar, plötzlich und ohne Einschränkung illegal und somit – nach Ablauf der Abverkaufsfristen – vollends verboten. Die bisherige Rechtsposition der antragstellenden Gesellschaft verändere sich durch die bekämpften Bestimmungen gravierend zu ihrem Nachteil, wodurch sie in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt werde. Die antragstellende Gesellschaft sei zweifellos Adressatin der angefochtenen Norm und durch diese unmittelbar und aktuell in ihrer Rechtssphäre betroffen; es bestehe auch kein zumutbarer Weg zur Abwehr dieses rechtswidrigen Eingriffes.

1.1.2. Die antragstellende Gesellschaft sei bereits vor dem Inkrafttreten bzw. Wirksamwerden der bekämpften Normen zur Antragstellung legitimiert, weil im Hinblick auf das Inkrafttreten des Inverkehrbringungsverbotes von Kautabak am (bzw. im Hinblick auf die Abverkaufsfrist für Großhändler bis zum ) bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung (am ) die Notwendigkeit zur Schaffung umfangreicher administrativer, technischer oder sonstiger Vorkehrungen bestehe, um sich ab dem Stichtag rechtskonform verhalten zu können. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes iZm Normen, die eine Berechtigung zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Erlöschen bringen, müsse mit der Stellung eines Individualantrages nicht bis zu dem Zeitpunkt zugewartet werden, zu dem eine bestehende Berechtigung kraft Gesetzes verloren gehe. Die antragstellende Gesellschaft habe bereits seit der Kundmachung der angefochtenen Norm am Vorkehrungen dahingehend zu treffen, wie mit bereits bestelltem oder vorrätigem Kautabak verfahren werde und es wären diverse (Arbeits-)Vertragsverhältnisse zu kündigen bzw. zu modifizieren sowie Werbemaßnahmen einzuschränken oder anzupassen. Vorstehende Ausführungen würden zeigen, dass der gesetzlich vorgesehene nachteilige Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft bereits vor dem Wirksamwerden des Inverkehrbringungsverbotes eine aktuelle Beeinträchtigung der Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft bewirken würde.

1.2. Die antragstellende Gesellschaft legt in der Folge ihre auf den Gleichheitsgrundsatz und das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gestützten Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen dar:

1.2.1. Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass das Inverkehrbringen von Kautabak und Tabak zum oralen Gebrauch durch die bekämpfte Wortfolge in § 2 Abs 1 Z 2 und 3 TNRSG gänzlich verboten werde, während das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen gemäß Z 1 leg. cit. nur dann verboten sei, wenn diese Erzeugnisse nicht dem TNRSG oder den nach den TNRSG erlassenen Verordnungen entsprechen würden; Kautabak werde daher im Vergleich zu anderen Tabakerzeugnissen in verfassungswidriger Weise ungleich behandelt.

1.2.2. Die antragstellende Gesellschaft bringt weiters vor, dass das Inverkehrbringungsverbot von Kautabak insgesamt unsachlich und überschießend sei und der RL 2014/40/EU widerspreche. Die vom Gesetzgeber offenbar verfolgte Zielvorstellung, Kautabak aus gesundheitlichen Gründen gänzlich zu verbieten, vernachlässige sämtliche mit Kautabak in Zusammenhang stehenden gesellschaftlichen und gesundheitlichen Aspekte: Kautabak lasse sich schon im Hinblick darauf, dass es sich lediglich um ein Nischenprodukt handle, das noch dazu weniger schädlich sei als andere Tabakprodukte, gesellschafts- und gesundheitspolitisch nicht mit den weiteren in § 2 Abs 1 TNRSG erwähnten Produkten vergleichen. Ein gänzliches Verbot wäre nur bei Vorliegen triftiger Gründe zu rechtfertigen, derartige Gründe würden im Zusammenhang mit Kautabak jedoch gerade nicht vorliegen. Die restriktive Regelung sei insbesondere im Hinblick darauf, dass die Gesundheit anderer – "nicht-kauender" – Menschen oder die Umwelt durch den Konsum von Kautabak nicht berührt würden, nicht nachvollziehbar. Die Begründung des Gesetzgebers, wonach auch Kautabak Stoffe enthalten "könne", welche ernsthafte Risiken bergen würden, sowie die Annahme des Gesetzgebers, dass eine klare Unterscheidung zwischen den Produkten "Snus" und Kautabak nicht möglich wäre, seien unzutreffend; vielmehr würde das gesundheitliche Risikoprofil der oralen Produkte jenes der brennenden Tabakprodukte bei weitem unterschreiten.

1.2.3. Die antragstellende Gesellschaft moniert ferner eine Verletzung des Vertrauensschutzes, weil "[g]erade auch in Hinblick auf Kautabak […] im Rahmen staatlicher Maßnahmen – in Form der vorbehaltlosen gesetzlichen Zulassung von Kautabak – eine Vielzahl weitreichender Investitionsentscheidungen der Antragstellerin gezielt hervorgerufen" worden seien und diese daher "eine Vielzahl faktischer Dispositionen im Vertrauen auf die bislang geltende Rechtslage" getroffen habe; in der Zwischenzeit hätten sich weder die gesundheitlichen noch die gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Umstände derart geändert, dass das nunmehrige Inverkehrbringungsverbot gerechtfertigt wäre.

1.2.4. Schließlich wendet sich die antragstellende Gesellschaft gegen die "unverhältnismäßig kurze Abverkaufsfrist" für Großhändler und führt in diesem Zusammenhang Folgendes aus: Das gesetzlich festgelegte Inverkehrbringungsverbot trete gemäß § 17 Abs 9 TNRSG mit in Kraft. Andererseits bestimme jedoch § 18 Abs 12 TNRSG, dass Tabakerzeugnisse, die vor dem gemäß dem Tabakgesetz idF BGBl I 120/2008 hergestellt oder in Verkehr gebracht und gekennzeichnet werden, von Großhändlern bis an Tabaktrafikanten abgegeben werden und von Tabaktrafikanten bis verkauft werden dürften. Im Hinblick auf die Haltbarkeit von Kautabak, die in der Regel maximal sechs Monate betrage, werde das Inverkehrbringungsverbot für Großhändler faktisch auf Anfang des Jahres 2017 vorverlegt.

1.2.5. Ihre Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen im Hinblick auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung legt die antragstellende Gesellschaft schließlich folgendermaßen dar: Die antragstellende Gesellschaft werde durch die bekämpfte Norm, mit der ihr das Inverkehrbringen von Kautabak gänzlich untersagt werde, in ihrem Recht, die bisher ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, beschränkt und verletzt. Nach Ansicht der antragstellenden Gesellschaft sei das Verbot des Inverkehrbringens von Kautabak nicht nachvollziehbar und es würden keine wichtigen öffentlichen Interessen vorliegen, die einen "derart massiven Eingriff" rechtfertigen könnten. Selbst unter Berücksichtigung des bestehenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers erweise sich das Inverkehrbringungsverbot von Kautabak als zur Zielerreichung ungeeignet, nicht im öffentlichen Interesse geboten und auch sonst sachlich nicht zu rechtfertigen.

2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge – soweit der Antrag nicht als unzulässig zurückzuweisen sei – aussprechen, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art 140 Abs 5 B VG eine Frist für das Außerkrafttreten von einem Jahr bestimmen.

2.1. Die Bundesregierung bringt zunächst vor, dass die antragstellende Gesellschaft in ihrem Antrag den Anfechtungsumfang der angefochtenen Normen nicht richtig abgegrenzt habe: Soweit sich der Antrag auf Aufhebung von § 17 Abs 9 dritter Satz TNRSG beziehe, sei er als unzulässig zurückzuweisen, weil die Aufhebung dieser Bestimmung im Falle der Aufhebung der angefochtenen Teile des § 2 Abs 1 TNRSG nichts zur Beseitigung der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit beitragen würde und auch kein untrennbarer Zusammenhang zwischen diesen Bestimmungen bestehe. Ferner sei der Antrag auf Aufhebung von § 18 Abs 12 TNRSG zurückzuweisen: Zum einen sei die antragstellende Gesellschaft keine Tabaktrafikantin und somit nicht von der angefochtenen Bestimmung in ihrer Gesamtheit betroffen und zum anderen würde auch die Aufhebung dieser Bestimmung im Falle der Aufhebung der angefochtenen Teile des § 2 Abs 1 TNRSG nichts zur Beseitigung der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit beitragen.

2.2. In der Folge tritt die Bundesregierung den von der antragstellenden Gesellschaft im Hinblick auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung vorgebrachten Bedenken entgegen:

2.2.1. Das Verbot des Inverkehrbringens von Kautabak stelle zweifellos einen Eingriff in die von Art 6 StGG geschützte Freiheit der Erwerbsbetätigung der antragstellenden Gesellschaft dar. Im Hinblick darauf, dass es sich jedoch nur um eine Ausübungsbeschränkung handle, weil es der antragstellenden Gesellschaft unbenommen bleibe, mit anderen, nicht vom Verbot des § 2 Abs 1 TNRSG erfassten Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen zu handeln, stehe dem Gesetzgeber jedoch ein weiter Gestaltungsspielraum offen.

2.2.2. Nach Auffassung der Bundesregierung sei das Verbot des Inverkehrbringens von Kautabak durch "schwerwiegende öffentliche Interessen" geboten: Zum einen diene das Verbot dem Schutz der Gesundheit, weil von rauchlosen Tabakerzeugnissen (wie etwa Kautabak) und den darin enthaltenen Substanzen ein erhebliches Gesundheitsrisiko für den Konsumenten ausgehe. Langzeiteffekte rauchloser Tabakerzeugnisse auf die Gesundheit von Menschen, insbesondere von Jugendlichen, sowie das Suchtpotential rauchlosen Tabaks, Zusatzstoffe und deren mögliche Wechselwirkungen mit anderen Inhaltsstoffen der Tabakpflanze und ihre Effekte auf den Körper seien noch nicht ausreichend erforscht. Das Gesundheitsrisiko beim Konsum von Kautabak ergebe sich einerseits auf Grund des Nikotins, welches abhängig mache, das Wachstum von Tumoren fördere und im Verdacht stehe, Krebs zu erregen, und andererseits auf Grund der anderen Inhaltsstoffe (z.B. polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, tabakspezifische Nitrosame), welche unter anderem das Risiko für Pankreaskarzinome oder auch Mundhöhlenkrebs erhöhen würden. Angesichts der weiteren möglichen Gefahren des Konsums von Kautabak, wie etwa eine verzögerte Wundheilung, Zahnschäden und Zahnausfall uvm., könne nicht von der Unbedenklichkeit dieses Produktes ausgegangen werden. Im Zusammenhang mit dem Schutz von Konsumenten weist die Bundesregierung auch darauf hin, dass der Kautabak sich auf Grund seiner Beschaffenheit nicht "trennscharf" von dem in Österreich und in der EU (außer in Schweden) verbotenen Tabak zum oralen Gebrauch ("Snus"), der jedenfalls als giftig gelte, abgrenzen lasse. Die unterschiedlichsten Darreichungsformen (lose, gepresst, mit oder ohne Säckchen etc.) der beiden Produkte würden in der Praxis keine eindeutige Unterscheidung zulassen.

Zudem eigne sich Kautabak als Mittel zum Einstieg in den herkömmlichen Tabakkonsum und damit in die Nikotinabhängigkeit, weil es besonders für Jugendliche ein vielfältiges Angebot stark aromatisierter und sehr süßer Einsteigerprodukte gebe, deren Konsum sich auf Grund des "unauffälligen Erscheinungsbildes (Kauen)" im Gegensatz zum herkömmlichen Tabakkonsum (Rauchen) praktisch kaum kontrollieren lasse; aus diesem Grund würden die angefochtenen Bestimmungen auch insbesondere dem Schutz der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen dienen. In diesem Zusammenhang weist die Bundesregierung darauf hin, dass nach Angaben des Bundesministeriums für Finanzen der Verkauf von Kautabak zwischen 2009 und 2015 von einem Jahresvolumen von 200 Kilogramm auf 10.000 Kilogramm gestiegen sei; im Hinblick auf das erweiterte Rauchverbot sei nach Ansicht der Bundesregierung mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Es könne daher entgegen der Ansicht der antragstellenden Gesellschaft keineswegs davon ausgegangen werden, dass es sich um ein bloßes "Rand- und Nischenprodukt" handle.

2.2.3. Die angefochtenen Regelungen seien auch geeignet und erforderlich, die im öffentlichen Interesse gelegenen Ziele zu erreichen: Das Inverkehrbringungsverbot von Kautabak würde zu den von der Gesetzgebung im Hinblick auf die durch zahlreiche internationale Studien und Berichte belegte gesundheitsgefährdende Wirkung von Kautabak nach Maßgabe des Vorsorgeprinzips ergriffenen wirksamen Maßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit zählen. Das Verbot des § 2 Abs 1 TNRSG sei insbesondere erforderlich, um dem Schutz der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Rechnung zu tragen, aber auch aus Gründen des Konsumentenschutzes (s. dazu bereits die Ausführungen der Bundesregierung unter Pkt. 2.2.2.). Nach Ansicht der Bundesregierung könne nur ein Verbot des Inverkehrbringens von Kautabak sicherstellen, dass die Verbreitung von gesundheitsschädlichen Substanzen sowie der Einstieg in den Nikotinkonsum bei der Bevölkerung wirksam reduziert und die Missbrauchsmöglichkeiten zur Umgehung des Verbots von Tabak zum oralen Gebrauch ("Snus") wirksam unterbunden werden.

2.3. Den Bedenken der antragstellenden Gesellschaft, die angefochtenen Be-stimmungen würden gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, sei Folgendes entgegenzuhalten:

2.3.1. Die unterschiedliche Behandlung von Kautabak im Vergleich zu anderen Tabakerzeugnissen bzw. verwandten Erzeugnissen sei nach Ansicht der Bundesregierung sachlich gerechtfertigt: Ein Vergleich dieser Produkte sei schon deshalb nicht zulässig, weil sie sich im Hinblick auf ihre Verpackung und Aufmachung grundlegend unterscheiden würden. Zudem würden die Inhaltsstoffe von herkömmlichen Tabakerzeugnissen bzw. verwandten Erzeugnissen durch Verbrennen bzw. Verdampfen freigesetzt und über die Lunge aufgenommen, während Kautabak durch Kauen und damit über direkten Kontakt mit den Mundschleimhäuten konsumiert werde; in Einzelfällen könne die Nikotinexposition bei rauchlosen Tabakerzeugnissen höher sein als bei Rauchtabak. Im Übrigen verweist die Bundesregierung auf die bereits dargestellten schwerwiegenden öffentlichen Interessen (s. Pkt. 2.2.2.) sowie den weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Auf Grund der vergleichbaren Art und Weise des Konsums von Kautabak und Tabak zum oralen Gebrauch werde in internationalen Studien und Berichten keine Differenzierung innerhalb der unterschiedlichen rauchlosen Tabakerzeugnisse in Bezug auf deren Gesundheitsschädlichkeit vorgenommen und es sei daher jedenfalls gesundheitspolitisch geboten, Kautabak dem gleichen Regelungsregime wie dem Tabak zum oralen Gebrauch zu unterwerfen, um dadurch einem gesellschaftspolitisch unerwünschten Anstieg des Tabakkonsums entgegenzuwirken.

2.3.2. Dem Vorbringen der antragstellenden Gesellschaft in Bezug auf den Vertrauensschutz sei die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach das bloße Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genieße und der Vertrauensschutz dem Gesetzgeber nur unter besonderen Umständen verfassungsgesetzliche Grenzen setze. Dies sei im Zusammenhang mit den angefochtenen Bestimmungen nicht der Fall: Zum einen habe die Gesetzgebung keine Regelungen getroffen, die die Normunterworfenen zu Dispositionen im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen von Kautabak veranlasst haben könnten, und es würden auch nicht rückwirkend nachteilige Rechtswirkungen angeordnet. Zum anderen werde aus dem Vorbringen der antragstellenden Gesellschaft auch nicht ersichtlich, dass sie die angeführten Aufwendungen nicht problemlos auch weiterhin für ihre Geschäftstätigkeit verwenden könne. So sei es der antragstellenden Gesellschaft nicht verwehrt, andere als die vom Verbot des § 2 Abs 1 TNRSG erfassten Tabakerzeugnisse anzubieten und zu verkaufen. Das Vorbringen der antragstellenden Gesellschaft, dass sie bestehende Wirtschaftsbeziehungen beenden und Mitarbeiter kündigen müsse, sei daher nicht zutreffend.

2.3.3. Dem Vorbringen der antragstellenden Gesellschaft, dass der Gesetzgeber eine unverhältnismäßig kurze Abverkaufsfrist vorgesehen habe, hält die Bundesregierung entgegen, dass die Länge der Abverkaufsfrist auf Grund der kurzen Haltbarkeitsdauer von Kautabak (sechs Monate) sachlich gerechtfertigt sei. Im Übrigen würde die unterschiedliche Fristsetzung für Großhändler und Tabaktrafikanten in den größeren Abgabemengen durch Großhändler einerseits und geringeren Verkaufsmengen durch Tabaktrafikanten andererseits ihre sachliche Rechtfertigung finden.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litc B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litc B VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden.

1.3. Die antragstellende Gesellschaft war bereits im Zeitpunkt der Einbringung des Antrages aktuell von den angefochtenen Regelungen betroffen. § 2 Abs 1 TNRSG tritt zwar erst zu einem Zeitpunkt nach Stellung des Antrages beim Verfassungsgerichtshof, nämlich am , in Kraft. Ungeachtet dessen zeitigt die Bestimmung jedoch Vorwirkungen dergestalt, dass die antragstellende Gesellschaft bereits ab Kundmachung entsprechende Maßnahmen (zB müssen Vertragsverhältnisse gekündigt bzw. modifiziert werden) vorzunehmen hat (vgl. ua.).

1.4. Die Annahme der Bundesregierung, die antragstellende Gesellschaft habe den Anfechtungsumfang nicht richtig abgegrenzt, trifft nicht zu. Zwar ist die antragstellende Gesellschaft Normadressat nur des § 18 Abs 1 Z 1 TNRSG und zunächst nur von dieser Vorschrift unmittelbar in ihren Rechten betroffen. Der Inhalt dieser Vorschrift, nämlich das Verbot, nach dem Tabakerzeugnisse (die vor dem hergestellt oder in Verkehr gebracht und gekennzeichnet wurden) an Tabaktrafikanten abzugeben, ergibt sich nämlich nicht aus der – als befristete Erlaubnis formulierten – Vorschrift selbst, sondern nur e contrario aus dieser in Verbindung mit dem – am in Kraft tretenden – Verbot des § 2 Abs 1 Z 3 TNRSG. Die Inkrafttretensbestimmung des § 17 Abs 9 TNRSG wiederum steht vor dem Hintergrund des Antragsvorbringens in untrennbarem Zusammenhang mit § 2 Abs 1 TNRSG. § 18 Abs 12 Z 2 TNRSG enthält schließlich das für Tabaktrafikanten geltende, bereits durch § 2 Abs 1 und § 17 Abs 9 TNRSG statuierte Verbot in der Formulierung einer befristeten Erlaubnis des Inverkehrbringens (mit der Maßgabe, dass sich diese nur auf bereits am hergestellte Tabakerzeugnisse bezieht). Für die antragstellende Gesellschaft wäre nichts gewonnen, würde sie nur die Aufhebung des für den Großhandel geltenden Verbots (§18 Abs 12 Z 1 TNRSG) erwirken, weil sie dann in ihrem Hauptabsatzmarkt in Österreich keine Abnehmer mehr hätte. Die Bundesregierung ist daher mit ihren Bedenken ob der Zulässigkeit des Antrages, soweit dieser § 18 Abs 12 TNRSG betrifft, wonach die antragstellende Gesellschaft nicht "von der angefochtenen Bestimmung in ihrer Gesamtheit" betroffen sei, nicht im Recht.

1.5. Daraus folgt, dass die angefochtene Wortfolge in § 2 Abs 1 Z 2 und 3 TNRSG in Verbindung mit der Inkrafttretensbestimmung des § 17 Abs 9 TNRSG mit § 18 Abs 12 TNRSG in untrennbarem Zusammenhang stehen, und die antragstellende Gesellschaft durch die angefochtenen Bestimmungen unmittelbar und aktuell rechtlich betroffen ist, und die Anfechtung aller genannten Vorschriften und Wortfolgen nicht zur (gänzlichen oder partiellen) Ab- oder Zurückweisung des Antrages führt.

1.6. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Die antragstellende Gesellschaft erachtet zunächst unter Berufung auf die Grundrechte der Freiheit der Erwerbsbetätigung und des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes das gänzliche Verbot des Inverkehrbringens von Kautabak als verfassungswidrig.

2.1.1. Nach der ständigen Judikatur zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art 6 StGG (s. zB VfSlg 10.179/1984, 12.921/1991, 15.038/1997, 15.700/1999, 16.120/2001, 16.734/2002 und 17.932/2006) sind gesetzliche, die Erwerbs(ausübungs)freiheit beschränkende Regelungen auf Grund des diesem Grundrecht angefügten Gesetzesvorbehaltes nur dann zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind.

2.1.1.1. Die angefochtenen Regelungen in § 2 Abs 1, in § 17 Abs 9 und in § 18 Abs 12 TNRSG, die im Ergebnis ab den Verkauf von Kautabak in Österreich gänzlich untersagen, greifen in die Freiheit der Erwerbsbetätigung der antragstellenden Gesellschaft, einer Großhändlerin für Tabakwaren, ein. Zwar regelt § 2 Abs 1 TNRSG für sich genommen mit dem Verbot des Inverkehrbringens nur die entgeltliche oder unentgeltliche Bereitstellung von Produkten für Verbraucherinnen bzw. Verbraucher (§1 Z 2 TNRSG). Diese Beschränkung bedeutet jedoch für die antragstellende Gesellschaft, dass – unabhängig vom rechtlichen Schicksal der Anordnung des § 18 Abs 12 TNRSG – Kautabak nicht mehr in Österreich in Verkehr gebracht werden darf und daher auch keine Abgabe durch Großhändler an Tabaktrafikanten stattfinden kann.

2.1.1.2. Eine objektive Beschränkung der Erwerbsausübung durch Hürden, die der Betroffene nicht aus eigener Kraft überwinden kann, ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur angemessen, wenn dafür besonders wichtige öffentliche Interessen sprechen und wenn keine Alternativen bestehen, um den erstreben Zweck in einer gleich wirksamen, aber die Grundrechte weniger einschränkenden Weise zu erreichen (vgl. zum Erwerbsantritt VfSlg 11.483/1987). Es steht dem Gesetzgeber bei Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf (den Erwerbsantritt) beschränken, weil und insoweit durch solche die Ausübung einer Erwerbstätigkeit regelnden Vorschriften der Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Rechtssphäre weniger gravierend ist, als durch Vorschriften, die den Zugang zum Beruf überhaupt behindern (s. etwa VfSlg 13.704/1994 und die dort zitierte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.024/2000 und 16.734/2002).

Der durch die angefochtenen Bestimmungen bewirkte Eingriff bildet weder eine Antritts- noch eine bloße Ausübungsbeschränkung, vielmehr wird damit das Ende einer bisher rechtmäßig ausgeübten Tätigkeit angeordnet. Ein solcher Eingriff wiegt schwerer als eine Ausübungsbeschränkung, die bloß einzelne Modalitäten der Erwerbsausübung regelt und modifiziert, nicht aber die grundsätzliche Zulässigkeit berührt. Die Anordnung der Beendigung einer gewerblichen Tätigkeit kommt in ihren nachteiligen Konsequenzen einer Antrittsbeschränkung jedenfalls gleich und wird sie in manchen Konstellationen übertreffen. Der Gesetzgeber ist daher am selben strengen Maßstab zu messen, wie er für Erwerbsantrittsschranken herangezogen wird (vgl. ua.). Dass die angefochtenen Regelungen nicht den Handel mit Tabakprodukten insgesamt, sondern nur mit einem bestimmten Produkt verbieten, vermag daran nichts zu ändern.

2.1.1.3. Die angefochtenen Bestimmungen verfolgen ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel, nämlich den Schutz der menschlichen Gesundheit (RV 1056 BlgNR 25. GP, 1 f.).

Das Mittel des gänzlichen gesetzlichen Verbots des Vertriebs von Kautabak ist auf beiden Distributionsstufen, des Einzelhandels und des Großhandels, angesichts des Gewichts des Ziels des Gesetzes angemessen. Zwar enthält Art 17 der RL 2014/40/EU nicht das Verbot des Inverkehrbringens von Kautabak, sondern nur das Verbot des Inverkehrbringens von Tabak zum oralen Gebrauch. Auch der Hinweis der Bundesregierung auf völkerrechtliche Verpflichtungen der Republik Österreich vermag für sich genommen das Verbot des Inverkehrbringens von Kautabak nicht zu rechtfertigen. Weder das Rahmenübereinkommen der WHO vom (von Österreich im September 2005 ratifiziert) noch der Beschluss der Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens vom enthalten ein verbindliches Verbot des Inverkehrbringens. Dem darin enthaltenen Rahmen und den darin enthaltenen Empfehlungen ist die Republik Österreich im Übrigen auch in anderen Bereichen (etwa hinsichtlich der Folgen des Passivrauchens) nur teilweise nachgekommen, ohne dass dies zu einer Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen geführt hätte.

Wenn der Gesetzgeber aber ausweislich der Materialien gesundheitliche Bedenken im Hinblick auf bestimmte mögliche Inhaltsstoffe und das Risiko der Erkrankung an bestimmten Karzinomen zum Anlass für ein generelles Verbot nimmt (RV 1056 BlgNR 25. GP, 2), so verfolgt er ungeachtet dessen ein Ziel von erheblichem Gewicht. Auch der – ebenfalls in den Gesetzesmaterialien ins Treffen geführte – Umstand, dass Kautabak wegen der unterschiedlichen Darreichungsformen von Tabak zum oralen Gebrauch von diesem sowohl für die Behörden als auch für die Konsumenten in der Praxis oft schwer zu unterscheiden ist, vermag zur Rechtfertigung des Verbots beizutragen, dient es doch damit auch der besseren Durchsetzbarkeit des unionsrechtlichen Verbots von Tabak zu oralem Gebrauch. Auch dient das Verbot dem Jugendschutz. In diesem Zusammenhang ist der von der Bundesregierung gegebene Hinweis erheblich, dass der Konsum von Kautabak in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat, dies auch im Hinblick darauf, dass die von der Bundesregierung getroffene Annahme, Kautabak könnte vermehrt von ehemaligen Rauchern konsumiert werden, nicht von der Hand zu weisen ist.

2.1.1.4. Das Gewicht dieser gesundheitspolitischen Zielsetzungen verbunden mit Aspekten der Verwaltungsökonomie und des Konsumentenschutzes (Unterscheidbarkeit von Tabak zum oralen Gebrauch) überwiegt die Schwere des Eingriffs in die Rechte von Großhändlern und Trafikanten, die bereits seit längerem – im Einklang mit dem Unionsrecht und dem Verfassungsrecht – Einschränkungen im Bereich des Tabaks zum oralen Gebrauch hinnehmen mussten und daher auch schon bisher ihre wirtschaftliche Existenz und Tätigkeit nicht alleine auf das in der Darreichungsform und in Gesundheitsrisiken verwandte Produkt des Kautabaks gründen konnten und dies, jedenfalls im Fall der Trafiken, auch faktisch nicht getan haben. Der Eingriff erweist sich daher als verhältnismäßig.

2.1.2. Auch eine Prüfung des Verbots des Inverkehrbringens von Kautabak an sich am Maßstab des Gleichheitssatzes erbringt kein abweichendes Ergebnis.

2.1.2.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s. etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002). Diese Schranken sind im vorliegenden Fall nicht überschritten. Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003).

2.1.2.2. Der Gesetzgeber handelt nicht unsachlich, wenn er gesundheitliche Risiken von Kautabak und die mangelnde Unterscheidbarkeit von Tabak zu oralem Gebrauch, der auch nach Unionsrecht nicht in Verkehr gebracht werden darf, zum Anlass nimmt, ein generelles Verbot des Inverkehrbringens von Kautabak zu verfügen, und dieses Verbot auch auf den Großhandel mit Tabakwaren erstreckt. Im Hinblick darauf liegt in dem Verbot des Inverkehrbringens von Kautabak auch keine unsachliche Ungleichbehandlung gegenüber (herkömmlichen) Tabakerzeugnissen, wie insbesondere Zigaretten. Das auch bei Kautabak gegebene Suchtpotential verbunden mit gerade für Jugendliche schädlichen Inhaltsstoffen und die im Vergleich zu Zigaretten wesentlich schwierigere Kontrolle der Einhaltung von Altersgrenzen für den Konsum rechtfertigen die Ungleichbehandlung. Schließlich liegt es auf dem Boden der zur Erwerbsfreiheit angestellten Erwägungen im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, das Inverkehrbringen von Kautabak und Tabak zum oralen Gebrauch gleichermaßen zu verbieten.

2.1.2.3. Die Regelung des § 2 Abs 1 Z 3 TNRSG steht daher mit den Anforderungen des Gleichheitsgrundsatzes im Einklang und erweist sich als verfassungskonform.

2.2. Die antragstellende Gesellschaft wendet sich auch gegen das in § 18 Abs 12 Z 1 TNRSG (iVm § 2 Abs 1 Z 3) zum Ausdruck kommende, unter bestimmten Voraussetzungen eingeführte Verbot für Großhändler, ab Kautabak an Tabaktrafikanten abzugeben. Nach dieser Vorschrift dürfen ganz allgemein Tabakerzeugnisse, "die vor dem gemäß dem Tabakgesetz in der Fassung BGBl I Nr 120/2008 hergestellt oder in Verkehr gebracht und gekennzeichnet wurden," von Großhändlern (nur) bis an Tabaktrafikanten abgegeben werden.

2.2.1. Die gesetzliche Maßnahme bildet jedenfalls auch eine Übergangsvorschrift für das Wirksamwerden des allgemeinen und dauerhaften Verbots des Inverkehrbringens von Tabakerzeugnissen einschließlich Kautabak. Während für andere Tabakerzeugnisse bestimmte neue Kennzeichnungsvorschriften eingeführt werden, tritt für Kautabak mit auch ein allgemeines Verbot des Inverkehrbringens in Kraft. Daher gilt für Kautabak nach § 2 Abs 1 Z 3 TNRSG etwas anderes als für Tabakerzeugnisse nach § 2 Abs 1 Z 1 TNRSG. Insoweit kommt dem Gesetzgeber auch ein gewisser rechtspolitischer Gestaltungsspielraum bei der Festlegung von Fristen zu. Der Zeitraum von einem Jahr zwischen der Kundmachung der das Verbot des Inverkehrbringens von Kautabak verfügenden Bestimmung des § 2 Abs 1 Z 3 TNRSG und ihrem Inkrafttreten am erscheint angesichts der gesundheitspolitischen Zielsetzungen angemessen und gibt sowohl Tabaktrafikanten als auch Großhändlern hinreichend Zeit, um Lagerbestände abzuverkaufen und sonstige Dispositionen im Hinblick auf Kautabak zu treffen, mit denen wirtschaftlicher Schaden vermieden wird.

2.2.2. Der antragstellenden Gesellschaft ist zuzugestehen, dass eine Frist von etwa drei Monaten zwischen der Kundmachung der Novelle und dem Wirksamwerden des Verbots der Abgabe von bestimmten Tabakerzeugnissen einschließlich Kautabak durch Großhändler an Tabaktrafikanten angesichts des Umstandes, dass ein Verkauf an Konsumenten noch bis zugelassen wird, vergleichsweise kurz bemessen ist. Das Verbot der Abgabe von Kautabak nach dem bezieht sich indessen seinem Wortlaut nach nur auf vor dem gemäß dem Tabakgesetz in der Fassung BGBl I 120/2008 hergestellte oder in Verkehr gebrachte und gekennzeichnete Tabakerzeugnisse. Daraus folgt, dass es Großhändlern auch nach der neuen Rechtslage unbenommen ist, später hergestellten Kautabak (ungeachtet eines nicht differenzierenden Hinweises auf Kautabak in den Gesetzesmaterialien, RV 1056 BlgNR 25. GP, 8) weiterhin an Tabaktrafikanten abzugeben. Der Verfassungsgerichtshof kann dem Gesetzgeber im Übrigen nicht entgegentreten, wenn dieser ein – nicht nur auf den Kautabak, sondern auf Tabakerzeugnisse allgemein bezogenes – Verkaufsverbot für den Großhandel bereits zu einem früheren Zeitpunkt wirksam werden lässt, um von vorneherein und frühzeitig zu verhindern, dass bestimmte den neuen Regelungen nicht entsprechende Tabakerzeugnisse in Verkehr gebracht werden.

Das in § 18 Abs 12 Z 1 TNRSG verfügte Verbot betrifft den Verkauf von Kautabak durch Großhändler nur am Rande: Wie die antragstellende Gesellschaft und die Bundesregierung übereinstimmend dartun, ist die Haltbarkeit von Kautabak unter gewöhnlichen Lagerbedingungen mit höchstens sechs Monaten begrenzt. Weil aber vor dem hergestellter oder in Verkehr gebrachter Kautabak am bereits an der Grenze seiner Haltbarkeit angelangt sein kann und weil ab diesem Zeitpunkt nach dem hergestellter Kautabak an Tabaktrafikanten abgegeben werden darf, bildet das Verbot keinen schwerwiegenden, seine Unverhältnismäßigkeit bewirkenden Eingriff in die Freiheit der Erwerbsbetätigung und ist es auch im Hinblick auf die vergleichsweise geringen nachteiligen Auswirkungen auf Großhändler, wie die antragstellende Gesellschaft, im Lichte des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes sachlich gerechtfertigt.

2.2.3. Die in § 18 Abs 12 Z 1 TNRSG verfügte Frist erweist sich daher als sachliche und verhältnismäßige Beschränkung der unternehmerischen Disposition und verstößt daher weder gegen den Gleichheitsgrundsatz, noch verletzt es die antragstellende Gesellschaft in ihrem Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung.

V. Ergebnis

1. Der Antrag wird abgewiesen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2016:G159.2016