VfGH vom 11.03.1994, g155/93

VfGH vom 11.03.1994, g155/93

Sammlungsnummer

13725

Leitsatz

Zulässigkeit der Individualanträge von Zeitungsverlagen auf Aufhebung des Zugabenverbots für periodische Druckwerke trotz zum Teil anhängiger Wettbewerbsprozesse und gleichartiger Gesetzesprüfungsanträge des zur Entscheidung in zweiter Instanz berufenen Gerichts; kein Verstoß dieser Bestimmungen des UWG über das Verbot des Anbietens, der Ankündigung oder Gewährung von unentgeltlichen Zugaben (Prämien) einschließlich der Einräumung einer Teilnahmemöglichkeit an einem Preisausschreiben neben periodischen Druckwerken gegen das Gleichheitsrecht, das Recht auf Erwerbsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung im Hinblick auf die vom Gesetzgeber angestrebte, im öffentlichen Interesse gelegene Verhinderung eines Verdrängungswettbewerbs zu Lasten kleinerer Medienunternehmen im Sinne der Medienvielfalt

Spruch

Die Anträge werden abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Das Wettbewerbs-Deregulierungsgesetz, BGBl. 147/1992, hatte ua. (s. dessen ArtII Abs 2 Z 3) das Zugabengesetz, BGBl. II 196/1934, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. 75/1971, aufgehoben und in das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 - UWG, BGBl. 448/1984 (im folgenden: UWG), einen § 9a, überschrieben mit "Zugaben", eingefügt.

1.2. § 9a UWG wurde durch die UWG-Novelle 1993, BGBl. 227/1993, ua. bezüglich Zugaben zu periodischen Druckwerken geändert (Neufassung des § 9a Abs 1; dem Abs 2 wurde ein Satz angefügt) und hat nunmehr folgenden Wortlaut:

"Zugaben

§ 9 a (1) Wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

1. in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, ankündigt, daß er Verbrauchern neben Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben (Prämien) gewährt, oder Verbrauchern neben periodischen Druckwerken unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, ankündigt oder

gewährt oder

2. Unternehmern neben Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, ankündigt oder gewährt, kann auf Unterlassung und Schadenersatz in Anspruch genommen werden. Dies gilt auch dann, wenn die Unentgeltlichkeit der Zugabe durch Gesamtpreise für Waren oder Leistungen, durch Scheinpreise für eine Zugabe oder auf andere Art verschleiert wird.

(2) Abs 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Zugabe besteht

1. in handelsüblichem Zugehör zur Ware oder handelsüblichen Nebenleistungen,


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2.
in Warenproben,
3.
in Reklamegegenständen, die als solche durch eine
auffallend sichtbare und dauerhafte Bezeichnung des reklametreibenden Unternehmens gekennzeichnet sind,
4. in geringwertigen Zuwendungen (Prämien) oder geringwertigen Kleinigkeiten, sofern letztere nicht für Zusammenstellungen bestimmt sind, die einen die Summe der Werte der gewährten Einzelgegenstände übersteigenden Wert besitzen,
5. in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag, der der Ware nicht beigefügt ist,
6. in einer bestimmten oder lediglich nach Bruchteilen zu berechnenden Menge derselben Ware,
7.
in der Erteilung von Auskünften oder Ratschlägen oder
8.
in der Einräumung einer Teilnahmemöglichkeit an einem Preisausschreiben (Gewinnspiel), bei dem der sich aus dem Gesamtwert der ausgespielten Preise im Verhältnis zur Zahl der ausgegebenen Teilnahmekarte (Lose) ergebende Wert der einzelnen Teilnahmekarte 5 S und der Gesamtwert der ausgespielten Preise 300 000 S nicht überschreitet; dies kann nur mittels eigener Teilnahmekarten erfolgen.

Z8 gilt nicht für Zugaben zu periodischen Druckwerken."

1.3. Zur UWG-Novelle 1993 wird in den Erläuterungen (RV 965 BlgNR 18. GP) ausgeführt:

"Das am in Kraft getretene Wettbewerbs-Deregulierungsgesetz, BGBl. Nr. 147/1992, sah eine weitgehende Deregulierung des Rechtes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, insbesondere auch des Zugabenrechts, vor. So wurde das Zugabengesetz, BGBl. II Nr. 196/1934, aufgehoben und eine liberal gestaltete Ersatzbestimmung als § 9 a in das UWG aufgenommen.

In der Praxis hat sich allerdings gezeigt, daß diese Bestimmung die spezifische Zugabenproblematik bei periodischen Druckwerken - wie Zeitungen und Zeitschriften - nicht berücksichtigt. Im Zusammenhang mit periodischen Druckwerken wäre nämlich darauf Bedacht zu nehmen, daß ein intensiver Wettbewerb durch Gewährung von Zugaben, zu denen auch die Einräumung von Teilnahmemöglichkeiten an Preisausschreiben gehört, angesichts der relativ großen Zahl der täglich, wöchentlich usw. verkauften Zeitungen und Zeitschriften eine enorme wirtschaftliche Belastung für kleinere Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmer mit sich bringt und zu einem ruinösen Wettbewerb führen könnte. Dies sollte aber im Interesse der Medienvielfalt verhindert werden.

...

Gemäß § 9 a Abs 1 Z 1 UWG in der Fassung des Wettbewerbs-Deregulierungsgesetzes kann auf Unterlassung und Schadenersatz geklagt werden, wer in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, ankündigt, daß er Verbrauchern neben Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben (Prämien) gewährt. Zulässig ist es hingegen, Verbrauchern Zugaben anzubieten, zu gewähren oder, wenn die nach der erwähnten Bestimmung erforderliche Publizität fehlt, anzukündigen.

Um die Gefahr eines, insbesondere kleinere Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmer treffenden, ruinösen Wettbewerbs auszuschließen, sieht der Entwurf bei periodischen Druckwerken eine Erweiterung des Zugabenverbotes auf die Fälle des Anbietens, Gewährens sowie auch auf Ankündigungen vor, die nicht in öffentlichen Bekanntmachungen oder in anderen, für einen größeren Personenkreis bestimmten, Mitteilungen enthalten sind.

...

Als problematisch im Bereich periodischer Druckwerke hat sich auch die im § 9 a Abs 2 Z 8 UWG enthaltene Ausnahmebestimmung herausgestellt. Nach dieser ist das Zugabenverbot dann nicht anzuwenden, wenn die Zugabe in der Einräumung einer Teilnahmemöglichkeit an einem Preisausschreiben (Gewinnspiel) besteht, bei dem der sich aus dem Gesamtwert der ausgespielten Preise im Verhältnis zur Zahl der ausgegebenen Teilnahmekarten (Lose) ergebende Wert der einzelnen Teilnahmekarte 5 S und der Gesamtwert der ausgespielten Preise 300 000 S nicht überschreitet.

Im Hinblick auf den relativ niedrigen Verkaufspreis periodischer Druckwerke, insbesondere von Tageszeitungen, besteht trotz der im § 9 a Abs 2 Z 8 UWG festgelegten Betragsgrenzen die Gefahr, daß der eingeräumten Gewinnchance größere Bedeutung für den Kaufentschluß zukommt als der Qualität des Druckwerkes und somit in den Warenvertrieb ein unsolides Element hineingetragen wird, indem das Bestreben, durch Zufall zu gewinnen, zum Antrieb für die Deckung des Bedarfs gemacht wird.

Der Entwurf nimmt daher Zugaben zu periodischen Druckwerken vom Geltungsbereich des § 9 a Abs 2 Z 8 aus."

2. Mit dem zu G73/93 protokollierten Individualantrag gemäß Art 140 B-VG beantragt ein österreichisches Verlagsunternehmen, welches Medieninhaber einer Tageszeitung ist, die kostenpflichtige Aufhebung der Wortfolgen

in § 9a Abs 1 Z 1 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb 1984, BGBl. 448/1984, idF der UWG-Novelle 1993, BGBl. 227/1993 (im folgenden: UWG), "oder Verbrauchern neben periodischen Druckwerken unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, ankündigt oder gewährt", in eventu der Worte "ankündigt oder gewährt", in eventu der Worte "oder gewährt",

und in § 9a Abs 2 leg.cit. "Z8 gilt nicht für Zugaben zu periodischen Druckwerken."

Zur Antragslegitimation wird ausgeführt, daß die antragstellende Gesellschaft durch das rasche Inkrafttreten der UWG-Novelle 1993 gezwungen gewesen sei, zuvor angekündigte Zugabenaktionen abzubrechen, da es ihr nicht zumutbar gewesen sei, sich im tobenden "Zeitungskrieg" Wettbewerbsprozessen, einstweiligen Verfügungen und Beugestrafen auszusetzen. Dieses Vorbringen wird im einzelnen dokumentiert und es werden die gegen die bekämpften Regelungen bestehenden Bedenken im einzelnen dargetan.

3. Dieselben Bestimmungen (ohne Eventualbegehren) werden im Verfahren G229/93 von einer Zeitschriftenverlags GmbH & Co KG und einer Zeitschriftenverlags GmbH, welche Medieninhaber periodischer Zeitschriften sind, bekämpft.

Die antragstellenden Gesellschaften bringen vor, durch das Verbot von Gewinnspielen aktuell betroffen zu sein, da ihre Gestaltungsfreiheit bei jeder einzelnen Ausgabe ihrer Zeitschriften durch dieses Verbot, welches keiner weiteren Konkretisierung bedürfe, beschränkt werde. Ihre Pflicht, keine Gewinnspiele durchzuführen bzw. keine Zugaben anzukündigen, anzubieten oder zu gewähren, hänge weder von gerichtlichen noch verwaltungsbehördlichen Entscheidungen ab, welche angefochten werden könnten. "Ein Verstoß mit der Folge empfindlicher Wettbewerbsklagen ist zur Erlangung einer behördlichen Entscheidung weder wirtschaftlich zumutbar noch wegen des anhängigen Verfahrens G146/93 und der sonst durch Behördenentscheidungen nicht prognostizierbaren Verfahren, daher in Hinblick auf die Frage der Anlaßfallwirkung in zeitlicher Hinsicht möglich.", heißt es zur Antragslegitimation abschließend.

In der Sache werden die verfassungsrechtlichen Bedenken im einzelnen erörtert.

4.1. Das Oberlandesgericht Wien beantragt anläßlich bei ihm anhängiger Rekursverfahren in den zu G120/93 und G155/93 protokollierten Gesetzesprüfungsverfahren, "die UWG-Novelle 1993, BGBl. 1993/227, womit § 9 a UWG i.d.F. des Wettbewerbs-Deregulierungsgesetzes 1992 (BGBl. 1992/147) geändert wurde (durch Ergänzung eines weiteren Halbsatzes in § 9 a Abs 1 Z 1 '... Verbrauchern neben periodischen Druckwerken unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, ankündigt oder gewährt oder ...' und durch den letzten Satz im § 9 a Abs 2 UWG 'Z8 gilt nicht für Zugaben zu periodischen Druckwerken'), als verfassungswidrig aufzuheben."

4.2. Weiters beantragt das OLG Wien aufgrund zweier weiterer bei ihm anhängiger Rekursverfahren, "im § 9a UWG in der Fassung der UWG Novelle 1993 im Absatz 1 Z 1 die Wortfolge 'oder Verbrauchern neben periodischen Druckwerken unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, ankündigt oder gewährt' und im Absatz 2 Z 8 den Satz 'Z8 gilt nicht für Zugaben zu periodischen Druckwerken' als verfassungswidrig aufzuheben." Diese Anträge sind hg. zu G146/93 und G238/93 protokolliert.

4.3. Diesen Anträgen liegen Unterlassungsklagen und Anträge auf Erlassung einstweiliger Verfügungen zugrunde, die Verleger, Medieninhaber bzw. Drucker von Printmedien gegeneinander angestrengt haben, um die Ankündigung bzw. Veranstaltung von Gewinnspielen im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei der Herausgabe periodischer Druckschriften zu unterbinden. In diesen zivilgerichtlichen Verfahren ist die Antragstellerin zu G73/93 mehrfach beklagte Partei, die Zweitantragstellerin des zu G229/93 protokollierten Verfahrens sowie deren Rechtsnachfolgerin jeweils einmal klagende Partei.

5.1. Die Bundesregierung hat im Verfahren zu G73/93 aufgrund ihres Beschlusses vom eine Äußerung erstattet, in welcher sie unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Antragslegitimation verneint und beantragt, den Antrag aus diesem Grunde zurückzuweisen, in eventu die bekämpften Wortfolgen nicht als verfassungswidrig aufzuheben, für den Fall der Aufhebung aber gemäß Art 140 Abs 5 B-VG eine Frist von einem Jahr zu bestimmen.

In der Sache verteidigt die Bundesregierung die angegriffene Regelung im einzelnen. Ferner wurde erklärt, daß diese Äußerung auch für alle künftigen, sachverhaltsähnlichen, mit diesem Verfahren verbundenen Verfahren zur Prüfung derselben Gesetzesbestimmung gelte.

5.2. Im Verfahren zu G120/93 bezweifelte die Bundesregierung in der aufgrund ihres Beschlusses vom erstatteten Äußerung, daß der Antrag die von § 62 Abs 1, erster Satz, VerfGG 1953 geforderte Bestimmtheit aufweise.

Im übrigen trat sie den vorgetragenen Bedenken entgegen und beantragte und erklärte gleich wie zu G73/93 (s. oben I.5.1.).

6. Im Verfahren zu G73/93 erstattete die Antragstellerin drei weitere Äußerungen, in denen sie dem Vorbringen der Bundesregierung sowohl zur Antragslegitimation als auch in der Sache entgegentrat und umfangreiches Material zur Stützung ihrer Auffassung, zuletzt insbesondere auch ein zeitungswissenschaftliches Gutachten vorlegte.

In ihrer Replik vom trägt sie zur Antragslegitimation vor:

"Es ist also auf die Frage einzugehen, ob ein durch die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes mehrfach, und zwar hinsichtlich unterschiedlicher Lebenssachverhalte, Betroffener auch mehrfach zur Geltendmachung dieser Verfassungswidrigkeit legitimiert ist.

...

Damit ist auch die Frage der Antragslegitimation beim Individualantrag neuerlich zu überdenken.

Bisher stand in der Betrachtung der Lehre und der Rechtsprechung des Gerichtshofes - personenbezogen - der Antragsteller und die Eingriffsnorm im Vordergrund. Es wurde undifferenziert ausgeführt, der Individualantrag sei ein subsidiärer Rechtsbehelf, dessen Zulässigkeit davon abhänge, daß der Betroffene die Eingriffsnorm nicht auf einem anderen zumutbaren Weg, also durch Erwirkung eines verwaltungsbehördlichen Bescheides oder durch eine entsprechende Anregung in einem gerichtlichen Verfahren zur Prüfung an den Verfassungsgerichtshof herantragen könne.

Diese Betrachtungsweise ist aber zu eng, gewissermaßen nur zweidimensional. Es gibt noch eine dritte Dimension.

Es kommt nämlich immer auch auf den Sachverhalt an, hinsichtlich dessen der Betroffene durch die Eingriffsnorm beschwert ist.

Es kann ja doch nicht richtig sein, daß ein durch die Eingriffsnorm in mehreren Lebenssachverhalten Betroffener hinsichtlich aller anderen Lebenssachverhalte ohne Rechtsschutz wäre, wenn er nur einen einzigen dieser Lebenssachverhalte in irgendeiner Weise an den Verfassungsgerichtshof herantragen kann.

Im vorliegenden Fall würde der - zu enge - Rechtsstandpunkt der Bundesregierung bedeuten, daß die Eingriffsnorm (wenn überhaupt) aus Anlaß des einen oder anderen Wettbewerbsprozesses geprüft und gegebenenfalls als verfassungswidrig aufgehoben würde, diese Aufhebung aber die Beschwer des Betroffenen hinsichtlich der 'Entfernungsfrage' und des 'Buchgeschenkes' nicht beseitigen, sondern verfestigen und verewigen würde, wirkt doch bekanntlich die Aufhebung eines Gesetzes durch den Verfassungsgerichtshof (außerhalb des Anlaßfalles) im Zweifel nicht zurück, sodaß eine Aufhebung der Eingriffsnorm zwar für den Sachverhalt des Anlaßprozesses und für zukünftige Sachverhalte, nicht jedoch für die durch die Eingriffsnorm unmittelbar erfaßten und verbotenen Aktionen wirksam wäre.

...

Eine nähere Überprüfung der Legitimationsfrage beim Individualantrag führt also dazu, daß die Legitimation für die Antragstellung nicht losgelöst von dem Lebenssachverhalt geprüft werden darf, für den sich die Eingriffsnorm beschwerend auf den Betroffenen auswirkt. Nur wenn für diesen Lebenssachverhalt und mit Wirkung für diesen Sachverhalt ein anderes Mittel (Bescheidanfechtung oder Anregung im Prozeß) zur Verfügung steht, mit dem eine sich auf diesen Lebenssachverhalt auswirkende und die Beschwer für diesen Lebenssachverhalt beseitigende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes herbeigeführt werden könnte, wird die Subsidiarität des Individualantrages schlagend und die direkte Anfechtung des Gesetzes unzulässig.

Hingegen wird die Legitimation des Betroffenen, eine Eingriffsnorm mit Individualantrag anzufechten, nicht dadurch beseitigt, daß sich dieselbe Norm in einer anderen zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Konstellation ebenfalls für den Betroffenen belastend auswirkt und für diese Konstellation eine andere (mittelbare oder unmittelbare) Möglichkeit besteht, den Verfassungsgerichtshof anzurufen."

7.1. In den Verfahren zu G120/93 und G155/93 haben die erstbeteiligten Parteien (das sind die Klägerinnen in den zugrundeliegenden Zivilprozessen) Äußerungen erstattet, in welchen sie die Antragslegitimation verneinen, dem Antragsvorbringen des OLG Wien entgegentreten und "Anträge" stellen.

7.2. Im Verfahren zu G146/93 haben beide beteiligten Parteien Äußerungen abgegeben, in denen sie dem Antrag des OLG Wien zustimmen bzw. entgegentreten und Kostenzuspruch begehren.

7.3. Im Verfahren zu G238/93 haben sich die zweit- und drittbeteiligte Partei in ihrer Äußerung der Auffassung des antragstellenden OLG Wien angeschlossen und Kostenzuspruch begehrt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Anträge, die er in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm. § 35 VerfGG 1953 zur gemeinsamen Verhandlung, Beratung und Beschlußfassung verbunden hat, erwogen:

A. Zur Zulässigkeit der Anträge:

1. Zu den Individualanträgen:

1.1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art 140 Abs 1, letzter Satz, B-VG setze - ebenso wie jene nach Art 139 Abs 1 B-VG - voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß die durch Art 140 Abs 1 bzw. Art 139 Abs 1 B-VG dem einzelnen eingeräumten Rechtsbehelfe dazu bestimmt sind, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 10481/1985, 11684/1988).

Es ist nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes weiters grundsätzlich zumutbar, den Klagsweg zu beschreiten, im folgenden gerichtlichen Rechtsstreit Bedenken gegen präjudizielle Vorschriften vorzubringen und vor dem in zweiter Instanz zur Entscheidung berufenen Gericht die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages beim Verfassungsgerichtshof anzuregen (vgl. zB VfSlg. 8979/1980, 8890/1980, 9394/1982, 9695/1983, 9926/1984, 10445/1985, 10785/1986, 11551/1987, 11759/1988, 11890/1988, 12046/1989, 12775/1991). Wollte man wegen des Prozeßrisikos und der damit verbundenen Kostenfolgen oder wegen der damit verbundenen Zeitdauer grundsätzlich davon ausgehen, daß die Beschreitung des Gerichtsweges unzumutbar sei, so verlöre die in Art 140 Abs 1, letzter Satz, B-VG - wie auch in der ihr korrespondierenden Bestimmung des Art 139 Abs 1, letzter Satz, B-VG - enthaltene Einschränkung "sofern das Gesetz (die Verordnung) ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung ... für diese Person wirksam geworden ist" ihren hauptsächlichen Anwendungsbereich (vgl. VfSlg. 10785/1986, 11551/1987, 11759/1988, 11889/1988, 12046/1989 ua.).

Angesichts der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgesetzgebers, die Initiative zur Prüfung genereller Normen - vom Standpunkt des Betroffenen aus - zu mediatisieren, wenn die Rechtsverfolgung vor Gerichten stattfindet, kommt es dabei auch nicht auf die Erfolgschancen des Antragstellers im Gerichtsverfahren, sondern bloß darauf an, daß sich im Zuge eines derartigen Verfahrens Gelegenheit bietet, verfassungsrechtliche Bedenken gegen präjudizielle Vorschriften über die ordentlichen Gerichte an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. VfSlg. 9170/1981, 9285/1981, 10592/1985, 11889/1988). Andernfalls gelangte man zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Charakter eines Individualantrages als eines subsidiären Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde (vgl. zB VfSlg. 9939/1984, 11454/1987). Ob und inwieweit allerdings das Gericht auf die Kritik der Partei des Gerichtsverfahrens an der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzesbestimmungen eingeht, ist hiebei nicht ausschlaggebend (vgl. VfSlg. 11890/1988, 12046/1989).

1.2. Die bekämpften Bestimmungen normieren ein Verbot, Verbrauchern neben periodischen Druckwerken unentgeltliche Zugaben (Prämien) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren (§9a Abs 1 UWG), und zwar auch im Falle des § 9a Abs 2 Z 8 UWG (s. den letzten Satz dieser Bestimmung). Dieses Verbot trifft die Antragstellerinnen unmittelbar und aktuell in ihrer Rechtssphäre.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes steht hier auch kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, die Frage der Verfassungsmäßigkeit der bekämpften Vorschriften an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Denn es ist einem Normunterworfenen nicht zumutbar, eine verbotene Handlung zu setzen, um sich in einem gegen ihn eingeleiteten Verfahren mit der Behauptung zur Wehr zu setzen, daß die Verbotsnorm verfassungswidrig sei; insbesondere kann der Normunterworfene nicht auf einen Wettbewerbsprozeß verwiesen werden, den er nur provozieren kann, indem er sich in einer gesetzlich verpönten Weise verhält (s. VfSlg. 11853/1988, 12379/1990).

Dies gilt trotz des Umstandes, daß einzelne Antragstellerinnen gegen andere Antragstellerinnen bereits Klagen wegen behaupteten verbotswidrigen Verhaltens eingebracht haben, anläßlich deren das zur Entscheidung in zweiter Instanz berufene Gericht gleichartige Gesetzesprüfungsanträge beim Verfassungsgerichtshof gestellt hat. Denn die im Zivilprozeß Beklagten haben den Fortgang desselben nicht bis zum entscheidenden Stadium - das ist die mögliche Stellung eines Antrages auf Gesetzesprüfung durch ein zur Entscheidung in zweiter Instanz berufenes Gericht - in der Hand (vgl. , V13/93, S 17). Daran ändert der Umstand nichts, daß hier das Gericht tatsächlich solche Anträge gestellt hat: Denn nach der dargestellten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kommt es für die Beurteilung der Frage, ob ein anderer zumutbarer Weg der Rechtsverfolgung besteht, nicht darauf an, ob ein Gericht tatsächlich einen Normprüfungsantrag stellt oder nicht. Auch fällt die Zulässigkeit eines Individualantrages nicht weg, wenn aus dem Blickwinkel einer anderen Betroffenheit weitere Normprüfungsanträge gestellt werden. Denn insoweit kann von einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes im Sinne der Rechtsprechung nicht die Rede sein, da hinsichtlich der Individualanträge angestrebtes zukünftiges Verhalten, hinsichtlich der Gerichtsanträge jedoch in der Vergangenheit gesetztes Verhalten das Substrat bildet.

Aber auch den Klägerinnen in den Zivilprozessen steht kein anderer zumutbarer Weg der Rechtsverfolgung offen. Sie können, wie dargetan, nicht darauf verwiesen werden, daß sie selbst, noch viel weniger aber darauf, daß andere Mitbewerber ein verbotenes Verhalten setzen. Wenn sie aber andere Mitbewerber auf Unterlassung aufgrund der geltenden Rechtslage geklagt haben, wäre es offenkundig nicht zumutbar, daß sie bei dieser Gelegenheit die Verfassungsmäßigkeit jener Rechtsgrundlagen bestreiten, auf die sie ihren Anspruch stützen. Unabhängig davon kann ihre unmittelbare Betroffenheit durch die angefochtenen Regelungen und ihr Interesse an deren Beseitigung nicht verneint werden, sodaß auch insoweit wegen der jeweils völlig unterschiedlichen Rechtsposition eine Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes nicht gegeben ist.

2. Zu den Anträgen des OLG Wien:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art 140 B-VG bzw. des Art 139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (zB VfSlg. 7999/1977, 9811/1983, 10296/1984, 11565/1987).

2.2. Daß dies der Fall wäre, ist im Gesetzesprüfungsverfahren nicht hervorgekommen. Vielmehr kann dem antragstellenden OLG nicht entgegengetreten werden, wenn es davon ausgeht, daß es in den bei ihm anhängigen Verfahren die bekämpften Regelungen anzuwenden hätte.

Auch die zu G120/93 und G155/93 protokollierten Anträge des OLG Wien richten sich nicht gegen den gesamten § 9a UWG idF der UWG-Novelle 1993, sondern nur gegen die hervorgehobenen Wortfolgen.

3. Die Anträge erweisen sich sohin als zulässig.

B. In der Sache:

Die Anträge sind aber nicht begründet:

1.1.1. Das OLG Wien ist in seinen zu G120/93 und G155/93 protokollierten Anträgen der Ansicht, daß die angefochtenen Bestimmungen sowohl gegen Art 2 StGG iVm. Art 7 Abs 1 B-VG als auch gegen Art 6 StGG verstoßen, weil nicht erkennbar sei, "warum ein Gewinnspiel nur im Bereich der Printmedien als 'unsolides Element' einen Kaufanreiz darstellen sollte, und warum nur in diesem Bereich ein ruinöser Wettbewerb infolge der Zulässigkeit von Zugaben, insbesondere durch die Teilnahmemöglichkeiten an Preisausschreiben, zu befürchten wäre". Das allein an Printmedien gerichtete Verbot des im übrigen erlaubten Werbemittels sei für diese diskriminierend bzw. für die Unternehmer in anderen Branchen privilegierend.

In den Anträgen zu G146/93 und G238/93 führt das antragstellende OLG aus, der Gesetzgeber habe diese Differenzierung nur auf Basis der - dem antragstellenden Gericht nicht einsichtigen - Hypothese getroffen, daß der Ausschluß sämtlicher Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmer vom Gewähren von Zugaben und kleinen Gewinnspielen die Medienvielfalt sichere, sodaß von einem Exzeß rechtspolitischer Gestaltung gesprochen werden könne.

Nach Darstellung der Entwicklung des Zugabenrechtes begründet das OLG Wien in seinen zu G120/93 und G155/93 protokollierten Anträgen seine Auffassung, die angefochtenen Regelungen verstießen gegen das Gleichheitsgebot und gegen Art 6 StGG im einzelnen wie folgt:

"Trotz der zitierten Gesetzesmaterialien ist für das Rekursgericht nicht erkennbar, warum ein Gewinnspiel nur im Bereich der Printmedien als 'unsolides Element' einen Kaufanreiz darstellen sollte, und warum nur in diesem Bereich ein ruinöser Wettbewerb infolge der Zulässigkeit von Zugaben, insbesondere durch die Einräumung von Teilnahmemöglichkeiten an Preisausschreiben, zu befürchten wäre. Der Hinweis auf den relativ niedrigen Verkaufspreis periodischer Druckwerke erscheint dem Rekursgericht nicht sonderlich gewichtig, zumal auch in anderen Branchen der Preis der Hauptware (der Leistung) im Verhältnis zum Gesamtwert der zulässigerweise ausgespielten Preise von S 300.000,-- im Sinne des § 9 a Abs 2 Z 8 UWG in vielen Fällen durchaus ebenfalls als relativ niedrig angesehen werden kann (beispielsweise für Produkte im Lebensmittelhandel).

Unter Zugabe wurde nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung zur Rechtslage vor dem Wettbewerbs-DeregulierungsG ein zusätzlicher Vorteil verstanden, der neben der Hauptware ohne besondere Berechnung angekündigt, angeboten oder gewährt wurde, um den Absatz der Hauptware oder die Verwertung der Hauptleistung zu fördern. Dieser Vorteil mußte mit der Hauptware in einem solchen Zusammenhang stehen, daß er objektiv geeignet war, den Kunden in seinem Entschluß zum Erwerb der Hauptware zu beeinflussen, die Zugabe mußte also Werbe- oder Lockmittel sein. Bei der Beurteilung eines Gewinnspiels als derartiges Werbe- oder Lockmittel hat der OGH wiederholt ausgesprochen, daß solche Gewinnspiele dann keine Zugabe darstellen, wenn das Zeitungsunternehmen weder auf dem Titelblatt der Zeitschrift noch sonst in der Werbung darauf hingewiesen hat und die Personen, welche die Zeitung erwerben und damit beim Durchlesen auf das Gewinnspiel stoßen, keinen Anlaß haben, im Hinblick auf die Teilnahmebedingungen weitere Exemplare derselben Zeitschrift zu kaufen. In aller Regel lese der Erwerber einer Zeitschrift vor dem Kauf nur die Titelseite, nicht aber die Ankündigungen im Blattinneren (ÖBl. 1992, 226 mwN). Ausgehend von diesem auch nach dem Wettbewerbs-DeregulierungsG gültigen Zugabenbegriff (4 Ob 87/92) stellt sich die Frage, ob (über den geringen Preis des Produktes hinausgehende) wesentliche Unterschiede zwischen dem Produkt eines periodischen Druckwerkes und anderen Waren bzw. Dienstleistungen bestehen, die eine Differenzierung der wettbewerbsrechtlichen Normen sachlich rechtfertigen könnten. Der allgemeine Hinweis auf den Anlockeffekt muß für alle Produkte gelten. Gewinnspiele werden beispielsweise im Lebensmittelhandel, Elektrohandel und praktisch in allen anderen Branchen die Rolle spielen können, wie dies im Bereich der Printmedien der Fall ist. Wenn der Gesetzgeber 'kleine' Gewinnspiele mit Preisen bis S 300.000,-- grundsätzlich für erlaubt erachtet (dagegen generell aus Gründen des lauteren Wettbewerbs Schuhmacher in WBl. 1992, 116), so kann im Verbot derartiger Gewinnspiele für periodische Printmedien allein eine sachlich nicht begründete Diskriminierung erblickt werden.

Das öffentliche Interesse an einem vielfältigen Medienmarkt kann durchaus bejaht werden. Es besteht aber auch für andere Branchen ein öffentliches Interesse gegen Tendenzen zur Konzentration. Zweifellos ist das Pressewesen für den Konsumenten besonders bedeutsam, wie sich dies schon aus dem verfassungsrechtlichen Schutz des Gutes der Pressefreiheit ergibt. In diesem Bereich können Gewinnspiele als unsachliche Differenzierungsmittel im Wettbewerb angesehen werden, die geeignet sind, von der Qualität der Produkte abzulenken und eine Konzentration (Monopolisierung) zu fördern. Das allein an Printmedien gerichtete Verbot des im übrigen erlaubten Werbemittels ist jedoch für diese diskriminierend bzw. für die Unternehmer in anderen Branchen privilegierend. Besonders deutlich zeigt sich dies daran, daß der Gesetzgeber die Einschränkung im Zugabenrecht nicht einmal für den Medienbereich einheitlich verfügte und den unmittelbaren Konkurrenten der Printmedien, den österreichischen Rundfunk, in das Glückspielverbot nicht einbezog. Im Gegensatz zur Meinung der Klägerin kann dies nicht mit dem bestehenden Rundfunkmonopol ausreichend begründet werden. Es trifft vor allem nicht zu, daß für den ORF keine Möglichkeit bestünde, seine Leistung mit einem Glückspiel zu verbinden. Der ORF könnte beispielsweise ein Gewinnspiel in der Form ankündigen und veranstalten, daß unter den zu werbenden nächsten 100 sich anmeldenden Rundfunkteilnehmern oder den nächsten 100 Interessenten an Werbeeinschaltungen Gewinne ausgelost werden. Dabei bestünde nicht nur ein direktes Konkurrenzverhältnis zu den Printmedien, sondern auch ein solches zu ausländischen Anstalten mit in Österreich empfangbaren Rundfunkprogrammen.

Der Hinweis der Klägerin, daß Printmedien die einzige Gruppe von Unternehmen darstelle, für die der glückspielartige Warenvertrieb Sinn mache, weil sie selbst die Ankündigung und Abwicklung der Gewinnspiele durchführten, andere Unternehmen außerhalb der Kommunikationsbranche sich aber für die Ankündigung weiterer Unternehmen (z.B. der Tageszeitungen) bedienen müßten, vermag eine Differenzierung nicht als sachlich gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Ein (offenbar im öffentlichen Interesse als nicht wünschenswert anzusehender) Verdrängungswettbewerb mit Hilfe von Glückspielen ist für den werbenden Unternehmer primär eine Kostenfrage, die sich in allen Branchen gleich stellt. Daß Printmedien für die Ankündigung des Gewinnspiels nicht Leistungen eines Dritten benötigen, sondern diese Leistungen selbst erbringen können (und sich solcherart einen Teil der Kosten der Kampagne ersparen) erscheint als sachliches Differenzierungsmittel zu geringfügig und damit nicht ausreichend für eine unterschiedliche gesetzliche Behandlung.

...

Der Hinweis, daß das Gewinnspiel der Beklagten auch auf dem Boden der Rechtslage nach dem WettbDerG wegen der Einheitlichkeit des Gewinnspieles und der daraus resultierenden Zusammenrechnung aller täglich ausgespielten Gewinnsummen wettbewerbswidrig wäre, ist zumindest in dem Umfang nicht relevant, wo (auch) ein von der Gewinnsumme unabhängiges Verbot angestrebt wird.

...

Der Ansicht, daß aus dem Grund der wünschenswerten Medienvielfalt Gewinnspiele verboten sein sollten, kann durchaus gefolgt werden. Daß dieses Verbot aber ausschließlich für Printmedien gelten soll, erachtet das Rekursgericht jedoch nach wie vor als sachlich nicht ausreichend begründet."

In seinen Anträgen zu G146/93 und G238/93 führt das OLG Wien aus:

"Die UWG-Novelle 1993 trifft also erstmals eine Unterscheidung zwischen Zugaben zu periodischen Druckwerken und zu allen anderen Waren und Leistungen, insbesonders hinsichtlich der Zulässigkeit der sogenannten kleinen Gewinnspiele, weil dies zu einem ruinösen Wettbewerb zulasten kleiner Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmen führen könnte. Aus dem Gebrauch des Konjunktives ergibt sich, daß der Gesetzgeber gar nicht der Ansicht ist, daß die Gewährung von Zugaben zu periodischen Druckwerken oder die Durchführungen von kleinen Gewinnspielen tatsächlich einen ruinösen Wettbewerb zwischen Zeitungsunternehmen herbeiführen oder verstärken wird.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichtes Wien erscheint es bedenklich, das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot bei Zugaben, wie es von 1929 bis 1993 bestanden hat, aufzuheben und nun eine Differenzierung zwischen Zeitungsunternehmern und anderen Unternehmern einzuführen, wenn dabei nur auf eine hypothetische Möglichkeit abgestellt wird. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Slg 10.918/1986) mußten gesetzliche Differenzierungen aus entsprechenden Unterschieden im Tatsächlichen ableitbar sein. Die UWG-Novelle 1993 bemühte sich aber nicht, Differenzierungen nach tatsächlichen Lebenssachverhalten durchzuführen, sondern begnügte sich mit hypothetischen Möglichkeiten. Die Hypothese, daß der Ausschluß sämtlicher Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmer vom Gewähren von Zugaben und von kleinen Gewinnspielen die Medienvielfalt sichere, ist aber nicht einsichtig. So ist es nämlich durchaus denkbar, daß kleinere Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmer ihren periodischen Druckschriften Zugaben beilegen oder Gewinnspiele durchführen, die gerade auf die Bedürfnisse und Interessen ihrer Leserschaft abstellen und damit der Sicherung ihres Absatzes dienen können oder einen belebenden Effekt auf ihren Absatz bewirken. Daß Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmern das Gewähren von Zugaben und die Durchführung von kleinen Gewinnspielen verboten wird, diese Maßnahmen aber allen übrigen Unternehmern erlaubt sind, ist als eine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung der Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmer anzusehen und läßt sich mit dem Argument der Bewahrung der Medienvielfalt sachlich nicht rechtfertigen. Nach Ansicht des Rekursgerichtes handelt es sich bei dieser Differenzierung im § 9a UWG durch die UWG-Novelle 1993 um einen Exzeß rechtspolitischer Gestaltung durch den Bundesgesetzgeber, mit dem auch das Grundrecht der Freiheit der Erwerbsausübung der Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmer wesentlich geschmälert wird (Erkenntnis Slg 6.533/1971). In diesem Zusammenhang muß auch darauf Bedacht genommen werden, daß es gerade die Absicht des Gesetzgebers des Deregulierungsgesetzes im Jahr 1992 war, den Warenabsatz durch die Zulässigkeit kleiner Gewinnspiele zu beleben."

1.1.2.1. Zur Begründung ihres zu G73/93 protokollierten Antrages bringt die Gesellschaft vor, die angefochtenen Bestimmungen seien deshalb verfassungswidrig, weil sie von Konkurrenten veranlaßt worden seien, um einen einzigen Mitbewerber im Wettbewerb zu behindern, und verstießen daher als Maßnahmegesetz bzw. Individualgesetz gegen das Gleichheitsgebot. Im Wettbewerbsrecht werde dadurch hinsichtlich Zugaben (Prämien) und insbesondere Preisausschreiben (Gewinnspielen) der Verlag und Vertrieb periodischer Druckwerke gegenüber allen anderen Wirtschaftszweigen (Branchen) diskriminiert und auch dadurch das Gleichheitsprinzip verletzt. Die Verleger und Vertreiber periodischer Druckschriften im allgemeinen und die Antragstellerin im besonderen würden im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung unsachlich beschränkt, ohne daß diese Einschränkung durch ein öffentliches Interesse geboten, geeignet, zur Zielerreichung adäquat und auch sonst sachlich gerechtfertigt wäre.

1.1.2.2. Der zu G229/93 protokollierte Individualantrag enthält ähnliche Bedenken wie die Anträge des OLG Wien. Er verweist auf jüngste, erfolgreiche Zeitungsneugründungen, die bewiesen, daß die Voraussetzungen, von denen der Gesetzgeber bei Erlassung der UWG-Novelle 1993 ausgegangen sei, gar nicht vorlägen und die durch die angefochtenen Bestimmungen bewirkten gravierenden Eingriffe in die durch Art 7 Abs 1 B-VG und Art 6 StGG gewährleisteten Rechte nicht rechtfertigen könnten.

Die antragstellenden Gesellschaften unterstellen § 9a Abs 1 UWG den Inhalt, er verbiete auch das Inserieren von Gewinnspielen anderer Unternehmen im Heftinneren von periodischen Druckwerken. Daraus ziehen sie den Schluß, daß die Printmedien einen Teil des Anzeigengeschäftes, worauf gerade kleinere Zeitungen und Zeitschriften aus wirtschaftlichen Gründen angewiesen seien, verlören und die vom Gesetzgeber gewünschte Erhaltung der Medienvielfalt nicht erreicht werde.

Vor allem aber äußern die antragstellenden Gesellschaften Bedenken, die angefochtenen Bestimmungen seien mit Art 10 EMRK unvereinbar:

"Nach Art 10 Abs 1 MRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Vom Schutzumfang dieser Bestimmung, die das Recht der Freiheit der Meinung und der Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Ideen ohne Eingriff öffentlicher Behörden einschließt, werden sowohl reine Meinungskundgaben als auch Tatsachenäußerungen, aber auch Werbemaßnahmen erfaßt. Durch den angefochtenen Gesetzestext werden sowohl die Dispositionsmöglichkeiten einer objektiven Berichterstattung als auch insbesondere die Werbemaßnahmen eingeschränkt. Betreffend der Einschränkung der Werbemaßnahmen reicht es auf das obengesagte zu verweisen bzw. ist ja das gerade der Zweck der Bestimmung.

Zu den Einschränkungen der Dispositionsmöglichkeiten einer objektiven Berichterstattung ist auszuführen, daß durch die sehr eng gefaßte Bestimmung nunmehr jede Zugabe zu periodischen Druckwerken verboten ist. Da als Zugabe iSd bisherigen Judikatur auch sehr geringwertige Gegenstände betrachtet werden, ist es einem Journalisten im Rahmen des freien Journalismus jetzt nicht mehr möglich, z.B. Erhebungen oder Umfragen durchzuführen, wobei er, um sein Erhebungsergebnis leichter gestalten zu können, als Anreiz der Rücksendung der Befragung eventuell eine Teilnahme an einem Gewinnspiel oder eine Zusendung eines kleinen Geschenkes anbietet. Ebenfalls ist es z.B. nicht möglich, einer Zeitung oder Zeitschrift zur Erhebung der durchschnittlichen Eiweiß- oder Cholesterinwerte der Österreicher einen Harnteststreifen beizulegen und den Konsumenten bzw. Leser zu bitten, nach Durchführung des Testes das Ergebnis mitzuteilen. Auch hier würde es sich bereits um eine Zugabe handeln, die nicht angekündigt werden darf.

Selbstverständlich hat auch Art 10 MRK einen Gesetzesvorbehalt, jedoch ist auch diese Einschränkung nur anhand des angeblich öffentlichen Interesses der Medienvielfalt zu messen. Dazu ist eindeutig auszuführen, daß durch die nunmehrigen Einschränkungen die Gefahr der Bevorzugung anderer Medien gegeben ist. Da nur periodische Druckwerke - also Zeitungen und Zeitschriften - durch die Wettbewerbseinschränkung erfaßt sind, wird auch hier eher das Gegenteilige vom Gesetzgeber angestrebte Ziel erreicht werden, nämlich daß der Anreiz der periodischen Druckmedien im allgemeinen sinkt und die Medienvielfalt auf diesem Sektor daher durch diese Regelung nicht unterstützt wird. Die Beschränkung (ist) iSd Art 10 Abs 2 MRK weder zur Aufrechterhaltung nationaler Sicherheit, der Ordnung oder Verbrechensbekämpfung, des Gesundheitsschutzes, der Moral oder subjektiver Rechte Dritter oder zur Aufrechterhaltung der Unparteilichkeit der Rechtsprechung nötig. Die Begründung für die Norm fällt nicht unter den einschränkend zu interpretierenden Ausnahmekatalog des Art 10 Abs 2 MRK.

Die Auswirkungen zeigen sich bereits jetzt, wenn man sich Radio- bzw. Fernsehwerbungen ansieht. Man kann eindeutig erkennen, daß dieses Verbot am Printmediensektor Gewinnspiele durchzuführen von anderen Anbietern am Markt ausgenützt wird, indem nunmehr erst recht bei anderen Gelegenheiten Gewinnspiele oder Zugaben gegeben, angekündigt oder angeboten werden.

Den wahren Zweck, den der Gesetzgeber vermutlich erreichen wollte, ist gerade in letzter Zeit die sicher übertriebene reißerische Veranstaltung von Gewinnspielen und deren Ankündigungen auf den Titelblättern der jeweiligen Zeitschriften zu verhindern. Da der Leser von Zeitschriften und Zeitungen auf diese Art und Weise zu dem Kauf von bestimmten Zeitungen und Zeitschriften angereizt wird und dabei nicht auf den eigentlichen Inhalt, nämlich die Berichterstattung achtet. Dem hat jedoch die bereits oben erwähnte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , 4 Ob 19/92 - 'Verführerschein' einen ausreichenden Riegel vorgeschoben, in dem er unter Anwendung der §§1 und 28 UWG eine solche Werbung als verboten ansah. Der offensichtliche Versuch der Verankerung dieser Judikatur im Gesetz war erstens nicht notwendig und hat der Gesetzgeber zweitens durch diese getroffene Regelung weit mehrere Möglichkeiten erfaßt als jene, welche er hier vielleicht verbieten wollte. Der Eingriff des Gesetzgebers durch diese Regelung ist daher auch betreffend des Art 10 MRK zu weitgehend und exzessiv. Es wirkt daher eine Einschränkung der journalistischen Freiheit wesentlich gravierender, als der Schutz des Lesers, eine seriösere Zeitung oder Zeitschrift deswegen nicht zu kaufen, weil bei einer anderen ein Gewinnspiel veranstaltet wurde. Dies nicht zuletzt deswegen, weil die Judikatur die Werbemöglichkeiten in Verbindung mit Kaufzwang je bereits eingeschränkt hatte und eine Veränderung des Käuferverhaltens wegen Anreizen im Heftinneren nicht erwartet werden kann.

In diesem Zusammenhang sei auch noch darauf verwiesen, daß eine bloße Regelung betreffend der Ankündigung, Anbietung oder Gewährung von Zugaben auf der Titelseite zur Erreichung des vom Gesetzgeber erwähnten Zweckes durchaus ausgereicht hätte. Der Grundrechtseingriff ist daher auch in diesem Punkte zu weitgehend und stellt sich als exzessiver Eingriff in verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte dar, ohne Rechtfertigung in Art 10 Abs 2 MRK zu finden."

1.2. Zum Vorwurf, die bekämpften Regelungen seien als Individualgesetz zu werten, äußert die Bundesregierung, der größte Teil der Antragsausführungen sei der Unterstützung des Vorbringens gewidmet, die angefochtenen Gesetzesstellen seien auf Betreiben von Konkurrenten der Antragstellerin, und zwar ausschließlich zu dem Zweck erlassen worden, die Antragstellerin im Wettbewerb zu behindern. Die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung könne jedoch nicht daran gemessen werden, ob Personen, in deren Interesse die Regelung gelegen sei, auf das Zustandekommen des Gesetzes Einfluß genommen hätten. Abzustellen sei vielmehr ausschließlich auf den Inhalt des Gesetzes und auf die tatsächlichen Verhältnisse, in denen es seine Wirkungen entfalte. In diesem Zusammenhang sei insbesondere das Vorbringen, es handle sich um eine ausschließlich gegen die Antragstellerin gerichtete Regelung, nicht stichhaltig. Bereits aus dem Gesetzestext gehe eindeutig hervor, daß das Zugabenverbot hinsichtlich periodischer Druckwerke für alle Zeitungs- und Zeitschriftenherausgeber gelte. Das Anbieten, Ankündigen und Gewähren von Zugaben, insbesondere die Veranstaltung von als Zugaben anzusehenden Gewinnspielen, sei nicht allein der Antragstellerin, sondern auch sämtlichen mit ihr im Wettbewerb stehenden Herausgebern periodischer Druckwerke rechtlich verwehrt. Aber auch faktisch treffe dieses Zugabenverbot nicht ausschließlich die Antragstellerin; sie betreibe ja keineswegs das einzige Unternehmen, das zu den verbotenen Wettbewerbshandlungen in der Lage wäre, und insbesondere auch nicht das einzige Unternehmen der "fraglichen Branche", das vor dem Inkrafttreten der angefochtenen Gesetzesstellen Gewinnspiele veranstaltet habe. Es könne daher weder in rechtlicher noch in faktischer Hinsicht von einer individuell gegen die Antragstellerin gerichteten Regelung gesprochen werden, sodaß aus diesem Grunde keine Verletzung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes vorliege.

Dem vorgebrachten Bedenken der Ungleichbehandlung verschiedener Wirtschaftszweige hält die Bundesregierung entgegen, der Gesetzgeber habe auf tatsächlich eingetretene Mißstände reagiert. Die durch das Wettbewerbs-DeregulierungsG eingetretene Lockerung des Zugabenrechtes habe nämlich im Bereich der periodischen Druckwerke eine in dieser Form vorher nicht zulässige und auch nicht erwartete Verschärfung des Wettbewerbes mittels Zugaben mit sich gebracht.

Weiters führt sie aus:

"In diesem Zusammenhang hat sich die Zugabenpolitik bei Zeitungen und Zeitschriften insofern als gegenüber anderen Waren und Leistungen verschieden und damit ganz branchenspezifisch herausgestellt, als bei vergleichsweise äußerst niedrigpreisigen Produkten wie periodischen Druckwerken der Kaufentschluß durch die damit verbundene Gewährung einer Zugabe, welche meist in der Einräumung einer Gewinnchance bei einem Gewinnspiel besteht, viel eher beeinflußbar erscheint als bei anderen, teureren Produkten. In vielen Fällen ist der Wert der Zugabe, also etwa der errechnete fiktive Lospreis (das sei der errechnete Wert der Zugabe, der sich aus dem Verhältnis des Gesamtwertes der ausgespielten Preise zur Zahl der ausgegebenen Teilnahmekarten (Lose) ergebe), sogar höher als der Wert z.B. der Zeitung selbst, sodaß die damit möglicherweise erst hervorgerufene Motivierung zum Kauf wohl nicht ernstlich geleugnet werden kann.

Neben Rundfunk und Fernsehen gehören Zeitungen und Zeitschriften zu den bedeutendsten Informationsmedien unserer Zeit, deren Einfluß auf die Meinungsbildung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Aufgrund der Bedeutung dieser Medien muß es daher als ein Grundanliegen des demokratischen Staates und seiner Gesellschaftsordnung angesehen werden, die Vielfalt der Medien sowie das Niveau ihrer Berichterstattung zu bewahren bzw. zu fördern. Es erscheint daher gerechtfertigt, die demokratiepolitisch äußerst sensible Zeitungs- und Zeitschriftenbranche im Bereich der Zugaben anders zu behandeln als unter diesem Aspekt in keiner Weise vergleichbare andere Waren oder Leistungen. Der Zielsetzung der Erhaltung der Medienvielfalt dienen u. a. Maßnahmen, die sicherstellen, daß für den Wettbewerb auf diesem Gebiet vor allem die Qualität der Berichterstattung entscheidend ist. Durch den großen Anlockeffekt insbesondere von Gewinnspielen werden diese Kriterien aber beim Kaufentschluß des Lesers zunehmend in den Hintergrund gedrängt und die Marktanteile periodischer Druckwerke entscheidend von der Attraktivität der zu gewinnenden Preise, der Größe der Gewinnchancen und der Häufigkeit derartiger Zugaben mitbestimmt.

Beispielsweise ist bei dem von der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz angesprochenen Gewinnspiel betreffend einen Personenkraftwagen eine Teilnahme - jedenfalls praktisch - nur möglich, wenn man insgesamt 32 Fragen betreffend Entfernungen zwischen verschiedenen Städten beantwortet und hiezu ebensoviele Ausgaben der von der Antragstellerin herausgegebenen Tageszeitung erwirbt. In diesem Zusammenhang ist es leicht vorstellbar, daß zahlreiche Käufer sich zum Erwerb aller 32 Zeitungsausgaben nur entschließen, um ihre Gewinnchancen zu wahren, unabhängig von ihrem Interesse am sonstigen Inhalt der Zeitung. Derartige Versuche, Leser bzw. Käufer an sich zu binden, stehen jedoch über das Ziel eines fairen Wettbewerbs hinaus im Gegensatz zum öffentlichen Interesse an einem durch Medienvielfalt gekennzeichneten Pressemarkt.

Der enorme Aufwand, den die Veranstaltung von Gewinnspielen mit sich bringt, wird von auflagenstarken Zeitungen und Zeitschriften naturgemäß wesentlich leichter verkraftet als von kleineren Unternehmen der Branche. Diesen bleiben nur die Alternativen eines weiteren Leserschwundes, wenn auf Konkurrenzgewinnspiele verzichtet wird, oder aber einer größeren, in der Regel nicht mehr verkraftbaren finanziellen Belastung durch eigene Gewinnspiele. Dem sind jedoch kleine Unternehmen auf die Dauer nicht gewachsen. Die Folgen wären eine weitere Steigerung der Vorherrschaft einiger weniger großer Unternehmen sowie damit Hand in Hand gehend ein weiteres 'Zeitungssterben' und eine laufende Verringerung der Medienvielfalt im Bereich der periodischen Druckwerke.

Dazu kommt, daß auflagenstarke Anbieter schon durch die in den Medienwissenschaften als 'Anzeigen-Auflagen-Spirale' bekannte Eigenheit des Medienmarktes, somit durch die strukturellen Bedingungen des Marktes bevorzugt werden. Durch die höhere Auflage sind sie für Anzeigenkunden unverhältnismäßig interessanter, was, da Anzeigeneinnahmen einen wesentlichen Teil der Gesamteinnahmen eines Medienunternehmens darzustellen, ihre Marktstellung weiter stärkt. Glücksspiele in diesem Bereich wirken zusätzlich verzerrend und als Behinderung des Leistungswettbewerbs.

Der Faktor Gewinnspiele ist zugegebenermaßen nicht ausschließlich für eine solche Entwicklung verantwortlich zu machen, trägt jedoch in einem solchen Maße dazu bei, daß die Ergreifung regulierender bzw. wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen, wie dies im § 9a UWG derzeit vorgesehen ist, gerechtfertigt erscheint.

Der Ansicht der Antragstellerin, die angefochtene Regelung wirke sich nur im Bereich der großen Boulevardzeitungen und dabei nur zu deren Nachteil aus, sodaß kleine Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmer gar nicht betroffen wären, kann nicht gefolgt werden.

Wenngleich es sicherlich Leserschichten gibt, die sich bei der Auswahl von Zeitungen und Zeitschriften durch Zugaben völlig unbeeindruckt zeigen, so muß doch davon ausgegangen werden, daß viele Leser ihre Kaufentscheidung von Zugaben einschließlich Gewinnspielen mitbeeinflussen lassen.

Unbestreitbar ist auch die Tatsache, daß die großen Boulevardzeitungen, ausgehend von Wien, ihre Marktpräsenz immer mehr auch auf andere Bundesländer auszudehnen trachten und die dort ansässigen, überwiegend kleineren Unternehmen der Branche zunehmend konkurrenzieren. Es kann somit gesagt werden, daß Zugaben auch in diesen Wettbewerbsverhältnissen eine zunehmende Rolle spielen."

Aus denselben Erwägungen hält die Bundesregierung die auf Art 6 StGG gestützten Bedenken für nicht begründet.

Zu G120/93 vertritt sie überdies die Meinung, die Vorteile der Anbieter periodischer Druckwerke seien dadurch, daß sie die Ankündigung von Zugaben unmittelbar als Bestandteil ihrer Hauptware und damit ohne Zuhilfenahme Dritter vornehmen könnten, ein gewichtiger Grund dafür, daß die Häufigkeit von Zugaben, insbesondere in Form von Gewinnspielen, im Printmedienbereich deutlich höher als in anderen Branchen sei. Der Anlockeffekt von Gewinnspielen auf Titelseiten periodischer Druckwerke sei durch deren spezifische Vertriebsweise besonders groß. Was den vom OLG Wien getroffenen Vergleich der Printmedien mit dem Rundfunk betreffe, sei durch Studien bewiesen, daß zwischen Printmedien einerseits und elektronischen Medien andererseits keine Substituierbarkeit bestehe; zudem unterliege die Werbung in den elektronischen Medien weitgehenden Beschränkungen, wie etwa gesetzlichen Werbehöchstgrenzen, die auf Printmedien nicht zuträfen.

1.3. In den Äußerungen der Parteien der Anlaßverfahren vor dem OLG Wien wird insbesondere ausgeführt:

1.3.1. Die in den Verfahren zu G120/93 und zu G155/93 sowie die im Verfahren zu G238/93 von der jeweils erstbeteiligten Partei erstatteten Äußerungen halten dem Antragsvorbringen des OLG Wien im wesentlichen entgegen, der "Verfassungsgesetzgeber von 1925" habe das von ihm vorgefundene System des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb aus dem Jahre 1923, BGBl. 531/1923, stillschweigend akzeptiert (VfSlg. 8215/1977). In dessen Regelungskonzept (s. § 28) sei bereits das Verbot von Zugaben, die in der Einräumung einer Teilnahmemöglichkeit an einem Preisausschreiben (Gewinnspiel) bestehen, in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise enthalten gewesen. Der Gesetzgeber sei nach einer kurzen Phase einer in einem bestimmten Bereich zu weitgehenden Liberalisierung bloß zu seinem alten Ordnungssystem zurückgekehrt; außerdem stelle § 9a UWG lediglich eine Konkretisierung der unbestritten verfassungskonformen Generalklausel des § 1 UWG dar, die der Gesetzgeber im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes getroffen habe. Ob diese Regelung tatsächlich die zweckmäßigste sei und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden werde, sei nicht unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes zu beurteilen.

Die bereits auf verfassungsgesetzlicher Ebene vorgezeichnete Differenzierung zwischen medialer und nicht-medialer Meinungsäußerung einerseits und einer weiteren Differenzierung der Medien andererseits werde im Wettbewerbsrecht fortgesetzt, wobei das überragende öffentliche Interesse am Bestand des Wettbewerbs im Bereich der Printmedien als unerläßliche Voraussetzung des Meinungskampfes zu berücksichtigen sei.

Mit der Untersagung von Glücksspielen werde keineswegs der Kernbereich des Leistungsangebotes eines periodischen Druckwerkes, sondern der "Nichtleistungswettbewerb" in einem von starker Konzentration gekennzeichneten Markt betroffen, der - wie in der Äußerung zu G155/93 näher ausgeführt wird - durch ausgeprägte Besonderheiten (so wie sie bereits die Bundesregierung beschrieben hat) gekennzeichnet sei.

Ferner werden gegen die gesamte Z 8 des § 9a Abs 2 UWG verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht (s. dazu sogleich unten II.B.2.1.).

1.3.2.1. Im Verfahren zu G146/93 hat sich die zweitbeteiligte Partei, im Verfahren zu G238/93 haben sich die zweit- und drittbeteiligte Partei den Bedenken des antragstellenden Gerichtes angeschlossen und zusätzliche Argumente (s. dazu sogleich unten II.B.2.1.) zur Untermauerung der behaupteten Verletzung des Art 6 StGG vorgebracht.

1.3.2.2. Die zu G146/93 erstbeteiligte Partei bezeichnet das Zugabenverbot für Printmedien als exzessiven Mißgriff des Gesetzgebers in Reaktion auf Gewinnspiel-Exzesse. Es betreffe etwa auch "kleine Dankeschöns" in Gestalt geringwertiger Beigaben bzw. die Möglichkeit, den Leser zu bestimmten, die Öffentlichkeit interessierenden Verhaltensweisen (zB "Teststreifen-Aktionen") zu veranlassen. Die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur (alten) Regelung des Zugabenverbotes nach § 28 UWG habe immerhin die Ankündigung und Gewährung von Zugaben im Heftinneren zugelassen. Das übrige Vorbringen der beteiligten Partei bezieht sich nicht auf das durch den Antrag des OLG Wien umgrenzte Prozeßthema.

Abschließend wird ersucht, in § 9a Abs 1 Z 1 UWG nur die Worte "anbietet oder gewährt" aufzuheben, im übrigen dem Antrag des OLG Wien nicht Folge zu geben.

2.1. Zunächst ist daran zu erinnern, daß sich der Verfassungsgerichtshof in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG bzw. zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art 139 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken hat (vgl. etwa VfSlg. 12592/1990, 12691/1991, 12947/1991, , bzw. VfSlg. 9089/1981, 10811/1986). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtenen Bestimmungen aus den in der Begründung der Anträge dargelegten Gründen verfassungs- bzw. gesetzwidrig sind.

2.2. Die Anträge halten - auf das wesentliche zusammengefaßt - das ausschließlich für periodische Druckwerke geltende Zugabenverbot deshalb für verfassungswidrig, weil es eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Waren bzw. Unternehmen bedeute und somit den Gleichheitssatz verletze (sämtliche Anträge); ein Antrag (G73/93) erachtet die bekämpften Regelungen als Maßnahme- bzw. Individualgesetz, das "von Konkurrenten veranlaßt wurde, um einen einzelnen Mitbewerber im Wettbewerb zu behindern." Ferner widerspreche es Art 6 StGG, weil es weder erforderlich (G229/93) noch geeignet und adäquat (sämtliche Anträge) in bezug auf das angestrebte Ziel der Medienvielfalt erscheine; der zu G73/93 protokollierte Antrag bestreitet auch, die angegriffene Regelung sei im öffentlichen Interesse geboten. Schließlich wird vorgebracht, die Regelungen widersprächen dem Art 10 EMRK (G229/93).

3. Dieses Vorbringen ist im Hinblick auf folgende Entwicklung des Zugabenrechtes zu beurteilen:

3.1. Nach § 1 Abs 1 ZugabenG 1934 durften im geschäftlichen Verkehr zu Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben weder angeboten, angekündigt noch einem größeren Kreis von Personen gewährt werden. Nicht als Zugaben galten Entgelt- oder Naturalrabatte. Das ZugabenG enthielt für periodische Druckwerke keine besonderen Regelungen und galt deshalb im geschäftlichen Verkehr für diesen Bereich genauso wie für alle anderen Waren und Leistungen.

Nach der - auch in Anträgen des OLG Wien dargestellten - Rechtsprechung des OGH mußte der durch die Zugabe bewirkte zusätzliche Vorteil, der neben der Hauptware ohne besondere Berechnung angekündigt, angeboten oder gewährt wurde, um den Absatz der Hauptware oder die Verwertung der Hauptleistung zu fördern, mit der Hauptware in einem solchen Zusammenhang stehen, daß er objektiv geeignet war, den Kunden in seinem Entschluß zum Erwerb der Hauptware zu beeinflussen. Bei der Beurteilung eines Gewinnspieles als derartiges Werbe- oder Lockmittel hat der OGH wiederholt ausgesprochen, daß solche Gewinnspiele dann keine Zugabe darstellten, wenn das Unternehmen weder auf dem Titelblatt der Zeitschrift noch sonst in der Werbung darauf hingewiesen hatte und die Personen, welche die Zeitung erwarben und sodann beim Durchlesen auf das Gewinnspiel stießen, keinen Anlaß hatten, im Hinblick auf die Teilnahmebedingungen weitere Exemplare derselben Zeitschrift zu kaufen. Begründet wurde diese Auffassung damit, im allgemeinen lese der Erwerber einer Zeitschrift vor dem Kauf nur die Titelseite, nicht aber die Ankündigungen im Blattinneren (ÖBl. 1992, 226 ff.).

3.2. Durch das laut seinem ArtII Abs 1 mit in Kraft getretene Wettbewerbs-Deregulierungsgesetz, BGBl. 147/1992, wurde einerseits das ZugabenG 1934 aufgehoben (vgl. ArtII Abs 2 Z 3 leg.cit.), andererseits wurde in das UWG 1984 (u.a.) ein neuer § 9a betreffend Zugaben eingefügt, wobei der diesbezüglichen Regierungsvorlage zu entnehmen ist (vgl. 338 BlgNR 18. GP), Ziel der Gesetzesvorlage sei die Deregulierung des Rechts zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs durch Aufhebung nicht aktueller Regelungen verschiedener Einzelgesetze und die Zusammenfassung verbleibender einschlägiger Tatbestände im UWG (so im Vorblatt), und daß dem im Arbeitsübereinkommen der Bundesregierung betreffend die 18. GP enthaltenen Programm einer weitgehenden Deregulierung des Rechts zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs der vorliegende Gesetzesentwurf Rechnung getragen werden solle. Zum vorgeschlagenen § 9a des Gesetzentwurfes wird ausgeführt, er enthalte jene zugabenrechtlichen Vorschriften, die auch nach Aufhebung des ZugabenG "unverzichtbar erscheinen" (S 6 der RV).

Im Zuge der parlamentarischen Beratungen über diesen Entwurf fand der vorgeschlagene § 9a Abs 2 UWG betreffend Ausnahmen vom Verbot des Abs 1 insofern eine Veränderung, als ein neuer Ausnahmetatbestand der Z 8 geschaffen wurde, wonach im Bereich des glücksspielartigen Wettbewerbs die Ankündigung von Glücksspielen erlaubt wurde, bei denen die Teilnahmemöglichkeit vom Kauf der Ware abhängt und der sich aus dem Gesamtwert der ausgespielten Preise im Verhältnis zur Zahl der ausgegebenen Teilnahmekarten (Lose) ergebende Wert der einzelnen Teilnahmekarte S 5,-- nicht übersteigt und der Gesamtwert der ausgespielten Preise S 300.000,-- nicht überschreitet.

Auch der durch das Wettbewerbs-DeregulierungsG neugeschaffene § 9a UWG unterschied nicht zwischen Zugaben zu periodischen Druckwerken und zu anderen Waren und Leistungen.

3.3. Dies änderte sich durch die (nach Ablauf des in Kraft getretene) UWG-Novelle 1993, BGBl. 227/1993. § 9a Abs 1 Z 1 UWG idF des genannten Bundesgesetzes verbietet seither, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Verbrauchern neben periodischen Druckwerken unentgeltliche Zugaben (Prämien) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren; darüber hinaus gilt die Ausnahmebestimmung des § 9a Abs 2 Z 8 (welche Bestimmung unter einem dahin ergänzt wurde, daß die Teilnahmemöglichkeit an einem Preisausschreiben (Gewinnspiel) der oben näher beschriebenen Art "nur mittels eigener Teilnahmekarten erfolgen" kann) nun nicht (mehr) für Zugaben zu periodischen Druckschriften.

Begründet wird die diesbezügliche Gesetzesinitiative damit (vgl. die wörtliche Wiedergabe der maßgeblichen Ausführungen der Erläuterungen zur RV 965 BlgNR 18. GP oben unter I.1.3.), in der Praxis habe sich gezeigt, daß die liberal gestaltete Gesetzesbestimmung des § 9a UWG die spezifische Zugabenproblematik bei periodischen Druckwerken nicht berücksichtige. Ein intensiver Wettbewerb durch Gewährung von Zugaben, insbesondere durch Einräumung von Teilnahmemöglichkeiten an Preisausschreiben, könnte für kleinere Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmer zu einer enormen wirtschaftlichen Belastung und zu einem ruinösen Wettbewerb führen. Dies sollte im Interesse der Medienvielfalt verhindert werden.

4. Die unter II.B.3.3. dargestellten Überlegungen wurden von der Bundesregierung in ihren Äußerungen übernommen und weiter vertieft. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes erweisen sich unter Berücksichtigung dessen die vorgetragenen Bedenken im Ergebnis als nicht begründet. Eine spezifische Regelung des Zugabenwesens für periodische Druckwerke kann weder unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes des Art 7 Abs 1 B-VG iVm. Art 2 StGG noch unter jenem der Erwerbsfreiheit gemäß Art 6 StGG noch unter dem der Meinungsfreiheit iS des Art 10 EMRK beanstandet werden.

4.1. Der Gleichheitssatz verbietet u.a., wesentlich Gleiches ohne sachliche Rechtfertigung ungleich zu behandeln (vgl. VfSlg. 2956/1956, 5727/1968, 7947/1976, 8279/1978, 10001/1984, 10413/1985, , ua.). Er richtet sich auch an den Gesetzgeber. Er setzt ihm insoferne verfassungsrechtliche Schranken, als er ihm verbietet, sachlich nicht begründbare gesetzliche Regelungen zu treffen (VfSlg. 11369/1987).

Die bekämpften Regelungen verstoßen nicht aus den in den Anträgen vorgetragenen Gründen gegen den Gleichheitssatz:

4.1.1. Wenn die Anträge das für periodische Druckwerke geltende, strengere Zugabenverbot mit dem im Vergleich damit großzügigeren Zugabenverbot in anderen Wirtschaftsbereichen vergleichen und daraus eine Verfassungswidrigkeit ableiten wollen, übersehen sie, daß der Gleichheitssatz nur verbietet, wesentlich Gleiches ohne sachliche Rechtfertigung ungleich zu behandeln.

Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt auf die besondere Aufgabe, die der Presse in einem demokratischen Rechtsstaat zukommt, hingewiesen (VfSlg. 11297/1987; , G13/93).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Bedeutung der durch Art 10 EMRK garantierten Freiheit der Meinungsäußerung für eine demokratische Gesellschaft mehrfach betont (vgl. EGM , Handyside, EuGRZ 1977, 38 ff., sowie die im folgenden zitierten Entscheidungen) und die daraus abgeleiteten Grundsätze für den Bereich der Presse als von ganz besonderer Bedeutung erachtet (s. EGM , Sunday Times, EuGRZ 1979, 386 ff., , Lingens, EuGRZ 1986, 424 ff., , Oberschlick, EuGRZ 1991, 216 ff. = ÖJZ 1991, 641 ff., , Observer und Guardian, ÖJZ 1992, 378 ff.). In den erwähnten Entscheidungen ist darauf abgestellt worden, daß sich der besondere Schutz der Presse auf deren Aufgabe bezieht, Nachrichten und Ideen über politische Fragen sowie über andere Fragen von öffentlichem Interesse zu verbreiten.

Wenngleich im allgemeinen kein öffentliches Interesse besteht, in Konkurrenzverhältnisse einzugreifen, auch wenn sie die Existenz einzelner Unternehmen bedrohen, so kann doch in sensiblen Bereichen ein solches Interesse bestehen. Medien sind ein solcher sensibler Bereich. Ihre Produkte sind nicht nur eine Ware, sondern gleichzeitig ein wesentliches Element der Meinungsbildung. Ein Gesetzgeber, der durch Maßnahmen, zu denen auch das Verbot bestimmter Formen der Werbung gehören kann, der Gefährdung der Existenz kleinerer Medienunternehmen entgegenzuwirken versucht, unterstützt jene Ziele, die durch Art. 13 StGG und Art 10 EMRK vorgegeben sind. Schon aus diesem Grund können Werbeverbote für Medien nicht mit solchen für andere Waren verglichen werden.

4.1.2. Wie die Bundesregierung unter Berufung auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage ausführt, sind die bekämpften Regelungen nicht ohne sachlichen Grund erlassen worden. Der Gesetzgeber wollte nämlich damit auf von ihm unerwünschte Fehlentwicklungen reagieren, die im Gefolge des durch das Wettbewerbs-Deregulierungsgesetz, BGBl. 147/1992, gelockerten Zugabenrechtes im Bereich periodischer Druckwerke festgestellt werden mußten und zu einer in dieser Form nicht vorhergesehenen und auch nicht vorhersehbaren, geradezu extremen Verschärfung des Wettbewerbs mittels Zugaben führte. Dabei trifft es zu, daß diese Entwicklung dadurch begünstigt wird, daß sich die Anbieter periodischer Druckwerke - anders als Anbieter anderer Waren und Leistungen - bei der Ankündigung von Zugaben nicht Dritter, insbesondere auch anderer periodischer Druckwerke bedienen müssen. Vielmehr steht ihnen die Möglichkeit offen, Zugaben in Form der Einräumung von Teilnahmemöglichkeiten an Gewinnspielen unmittelbar als Bestandteil des periodischen Druckwerks - zu den besonders günstigen "Selbstkosten" - anzukündigen.

Dem Gesetzgeber kann auch nicht entgegengetreten werden, wenn er davon ausgeht, daß auch der enorme Aufwand, den die Veranstaltung von Gewinnspielen mit sich bringt, von auflagenstarken Zeitungen und Zeitschriften leichter bewältigt werden könne als von kleineren Unternehmen. Verzichteten diese auf Gewinnspiele, riskierten sie einen (weiteren) Leserschwund, oder aber sie hätten in der Regel nicht mehr verkraftbare finanzielle Belastungen durch eigene Gewinnspiele auf sich zu nehmen, denen sie auf Dauer nicht gewachsen wären. Gleiches gilt für die Annahme des Gesetzgebers, die Folge wäre eine weitere Zunahme der Vorherrschaft der einen oder anderen weit verbreiteten periodischen Druckschrift und damit Hand in Hand gehend eine weitere Verarmung der Medienvielfalt im Bereich der periodischen Druckwerke.

4.1.3. Der Verfassungsgerichtshof hegt auch keine Bedenken dagegen, daß in den bekämpften Zugabenregelungen eine unterschiedliche Behandlung von Presse und Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen) gelegen ist, da sich das Phänomen, auf das die angefochtenen Regelungen reagieren, in Hörfunk und Fernsehen so andersartig darstellt, daß vergleichbare oder gleichartige gesetzliche Regelungen unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes nicht gefordert werden können und daß vom Gleichheitsgrundsatz her auch nichts dagegen spricht, wenn der Gesetzgeber auf eine Verpönung unentgeltlicher Zugaben und Gewinne oder ähnlichem beim Rundfunk verzichtet.

Zwar steht der Rundfunk mit den Printmedien hinsichtlich des Werbeetats zweifellos in direkter Konkurrenz. Es gibt auch den Zeitungs-Gewinnspielen vergleichbare Erscheinungen im Rundfunk. Es ist nicht einmal daran zu zweifeln, daß derartige Gewinnspiele auch Auswirkungen auf Einschaltquoten im Rundfunk (und damit auf die Reichweite der Werbebotschaften im Rundfunk) haben. Aber man kann unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes dem Gesetzgeber nicht entgegentreten, wenn er annimmt, daß sich Gewinnspiele im Rundfunk auf die Einschaltquoten bei Werbesendungen im Rundfunk anders und geringer auswirken als Gewinnspiele in Printmedien, und daß sich derartige Zugaben und Gewinnspiele im Rundfunk nur sehr beschränkt auf die Auflagenhöhe und damit auf die Werbewirkung von Printmedien auswirken.

Auch weist die Bundesregierung zutreffend darauf hin, daß für die Werbung in elektronischen Medien spezifische andere gesetzliche Beschränkungen gelten.

4.1.4. Ferner ist auch der von der Antragstellerin zu G73/93 erhobene Vorwurf eines verfassungswidrigen "Individual-" bzw. "Maßnahmengesetzes" nicht begründet, selbst wenn die Behauptung zuträfe, daß bestimmte Medieninhaber Einfluß auf das Zustandekommen des Gesetzes genommen hätten. Zunächst erscheint es dem Verfassungsgerichtshof nicht offenkundig, daß das Verbot von Preisausschreiben ein finanzstarkes Medienunternehmen mit kleinerer Auflage gegenüber dem ebenfalls finanzstarken Unternehmen, das eine Tageszeitung mit größerer Auflage herausgibt, benachteiligt, könnte doch das andere finanzstarke Unternehmen auf die Werbung des andrängenden Unternehmens mit Gewinnspielen sofort dadurch reagieren, daß es selbst Gewinnspiele im eigenen Printmedium durchführt, wodurch der Wettbewerbsvorteil, den Gewinnspiele mit sich bringen, sofort wieder ausgeglichen würde. Dem Gesetzgeber kann jedenfalls nicht entgegengetreten werden, wenn er eine Form der Werbung verbietet, bei der der Kampf von finanzstarken Medienunternehmen gegeneinander letztlich dazu führen kann, daß kleinere Konkurrenten auf der Strecke bleiben.

4.2. Schließlich wird in den Anträgen behauptet, daß die angefochtene Gesetzesbestimmung das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsfreiheit verletze.

Der Gesetzgeber ist nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 4011/1961, 5871/1968, 9233/1981) durch Art 6 StGG ermächtigt, die Ausübung der Berufe dergestalt zu regeln, daß sie unter gewissen Voraussetzungen erlaubt oder unter gewissen Umständen verboten ist (also auch den Erwerbsantritt behindernde Vorschriften zu erlassen), sofern er dabei den Wesensgehalt des Grundrechtes nicht verletzt und die Regelung auch sonst nicht verfassungswidrig ist.

Eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsfreiheit beschränkt, ist nur zulässig, wenn das öffentliche Interesse sie gebietet, sie zur Zielerreichung geeignet und adäquat ist und sie auch sonst sachlich gerechtfertigt werden kann (vgl. zB VfSlg. 10179/1984, 10386/1985, 10718/1985, 10932/1986, 11276/1987, 11483/1987, 11494/1987, 11503/1987, 11625/1988, 11749/1988, 11853/1988, 12094/1989, 12481/1990, 12578/1990, 12677/1991, ). Auch gesetzliche Regelungen, die die Berufsausübung beschränken, sind auf ihre Übereinstimmung mit der verfassungsgesetzlich verbürgten Erwerbsausübungsfreiheit zu prüfen und müssen dementsprechend durch ein öffentliches Interesse bestimmt und auch sonst sachlich gerechtfertigt sein. Das bedeutet, daß Ausübungsregeln bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein müssen. Es steht jedoch dem Gesetzgeber bei Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf (den Erwerbsantritt) beschränken, weil und insoweit durch solche die Ausübung einer Erwerbstätigkeit regelnden Vorschriften der Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Rechtssphäre weniger gravierend ist, als durch Vorschriften, die den Zugang zum Beruf überhaupt behindern (vgl. VfSlg. 11558/1987 mwH, 11853/1988, 12379/1990, 12481/1990).

4.2.1. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, wollte der Gesetzgeber mit den angefochtenen Bestimmungen der Verdrängung kleinerer Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmen entgegenwirken. Preisausschreiben stellten eine enorme wirtschaftliche Belastung dar, die nur große Medienunternehmen zu tragen in der Lage seien. Der Verdrängungswettbewerb zu Lasten kleinerer Medienunternehmen mit Hilfe von aufwendigen Preisausschreiben sollte im Sinne der Medienvielfalt verhindert werden.

Auch das antragstellende OLG und die Antragstellerinnen zu G229/93 gehen davon aus, daß ein solches Ziel des Gesetzgebers in öffentlichem Interesse steht. Der Verfassungsgerichtshof teilt diese Ansicht. Das Argument der Antragstellerin zu G73/93, es bestehe kein öffentliches Interesse daran, daß "Zeitungen nur wegen ihres Inhaltes und nicht wegen anderer Annehmlichkeiten, die sie bieten, gekauft werden", geht an der Begründung der Gesetzesmaterialien für die angefochtene Bestimmung vorbei. Medienvielfalt dient dem Ziel, möglichst viele Medien zu Wort kommen zu lassen. Auf den Inhalt der geäußerten Meinungen oder Informationen kommt es hiebei nicht an. Auch den Gesetzesmaterialien ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen.

4.2.2. Das antragstellende OLG und die Antragstellerinnen bestreiten die Eignung der angefochtenen Bestimmung, das vom Gesetzgeber erwünschte Ziel zu erreichen.

Primär obliegt die Prognose, ob eine gesetzgeberische Maßnahme geeignet ist, das angestrebte Ziel zu erreichen, dem Gesetzgeber selbst. Der Verfassungsgerichtshof kann dem Gesetzgeber nur dann entgegentreten, wenn die Eignung von vornherein auszuschließen ist. Im vorliegenden Fall erscheint es dem Verfassungsgerichtshof plausibel, daß auflagenstarke Printmedien durch Preisausschreiben so massiv in die Käuferschichten von Printmedien mit geringer Auflage, die die Kosten aufwendiger Preisausschreiben nicht zu tragen in der Lage sind, eindringen können, daß die Existenz solcher auflagenschwächerer Printmedien gefährdet sein kann.

In der mündlichen Verhandlung ist mit den Parteien erörtert worden, ob die Rechtslage vor dem Wettbewerbs-Deregulierungsgesetz, BGBl. 147/1992, strenger war als die Rechtslage nach der UWG-Novelle 1993 und ob Erfahrungen aus der Zeit vor 1992 Schlüsse auf die Eignung der angefochtenen Bestimmungen zulassen. Der Verfassungsgerichtshof ist der Ansicht, daß solche Schlüsse nicht möglich sind. Vor dem Wettbewerbs-DeregulierungsG waren Glücksspiele in Printmedien nicht - wie nach der geltenden Rechtslage - schlechthin verboten (vgl. die in den Anträgen des OLG Wien dargestellte Rechtsprechung zum ZugabenG 1934). Selbst wenn die Beschränkung der glücksspielartigen Werbung nicht dem "Mediensterben" entgegengewirkt hätte, so kann nicht davon ausgegangen werden, daß der nunmehr strengeren Gesetzgebung diese Eignung ebenso fehle. Im übrigen beweist der Umstand, daß es auch vor dem Jahr 1992 zu einer Medienkonzentration kam, nicht die mangelnde Eignung der damaligen Beschränkung der Werbung, da für die Entwicklung auf dem Medienmarkt zahlreiche Faktoren maßgebend sind.

Die Antragstellerinnen begründen die mangelnde Eignung auch nur jeweils unter Bezugnahme auf andere - vom Verbot nicht betroffene - Medien oder Formen der Werbung. Der Verfassungsgerichtshof hat zu diesen Argumenten bei der Behandlung der Gleichheitsbedenken Stellung genommen, sodaß auf die dortigen Ausführungen hingewiesen wird.

4.2.3. Das Verbot ist auch nicht überschießend, zumal der Gesetzgeber den Printmedien andere Formen der (lauteren) Werbung überläßt.

4.3. Die Antragstellerinnen zu G229/93 behaupten auch, daß die angefochtene Gesetzesbestimmung gegen das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 Abs 1 EMRK verstoße.

4.3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt dargetan, daß auch kommerzielle Werbung in den Schutzbereich des Art 10 EMRK fällt (vgl. VfSlg. 10948/1986, 11996/1989, 12467/1990, 13128/1992), wobei in den den zitierten Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen die Werbung mit der Weitergabe von Informationen verbunden war. Für Gewinnspiele trifft dies im allgemeinen nicht zu. Der Verfassungsgerichtshof verkennt jedoch nicht, daß in besonderen Fällen auch mit Gewinnspielen die Übertragung und der Empfang von Informationen verbunden sein kann. Es ist daher nicht schlechthin auszuschließen, daß auch die angefochtene Gesetzesbestimmung in den Schutzbereich des Art 10 EMRK eingreift.

4.3.2. Gemäß dem zweiten Absatz des Art 10 EMRK sind solche Eingriffe u.a. zum Schutz der Rechte Dritter zulässig. Der Verfassungsgerichtshof ging daher schon in seinen Erkenntnissen VfSlg. 12467/1990 und 13128/1992 davon aus, daß Werbebeschränkungen nach dem UWG für den Schutz der Rechte anderer unentbehrlich sein können. Ein Verstoß gegen Art 10 EMRK sah er nur in jenen Fällen als gegeben, in denen ein nahezu absolutes Werbeverbot bestand (s. zuletzt etwa VfSlg. 13128/1992). Daß solches hier der Fall wäre, behaupten die Anträge nicht.

Im Hinblick auf die spezifische Bedeutung der Presse im allgemeinen und ihrer Vielfalt im besonderen erachtet der Verfassungsgerichtshof die durch die angefochtenen Regelungen bewirkten Eingriffe in die kommerzielle Werbung im Hinblick auf die durch Art 10 Abs 1 EMRK garantierten "Rechte anderer" auf freie Meinungsäußerung iS des Abs 2 dieser Bestimmung als "dringendes gesellschaftliches Bedürfnis" iS der (unter II.B.4.1.1. zitierten) Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.

Die durch die bekämpften Regelungen bewirkten Einschränkungen des wirtschaftlichen Verhaltens von Medienunternehmen stehen dem durch Art 10 EMRK gewährleisteten besonderen Schutz der Presse nicht nur nicht entgegen, vielmehr dient diese Einschränkung insgesamt der besonderen Rolle und Funktion der Presse.

5. Die Anträge waren deshalb abzuweisen.

6. Ein Kostenersatz ist im Verfahren nach den §§62 bis 65 VerfGG 1953 nur einem obsiegenden Individualantragsteller zuzusprechen. Über die Kosten der Parteien der Verfahren vor dem antragstellenden Gericht hat das antragstellende Gericht zu entscheiden (vgl. VfSlg. 10833/1986).