VfGH vom 08.10.2015, G154/2015 ua

VfGH vom 08.10.2015, G154/2015 ua

Leitsatz

Abweisung von Parteianträgen auf Aufhebung der Bestimmungen des StGB über den schuldunabhängigen Verfall nach dem Bruttoprinzip; Verfall weder als Strafe noch strafähnliche Maßnahme konzipiert; primär Präventionszielen dienende vermögensrechtliche Maßnahme nicht unsachlich

Spruch

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anträge

Mit den vorliegenden, auf Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG gestützten Anträgen begehren die (vom selben Rechtsbeistand vertretenen) Antragsteller, § 20 des Strafgesetzbuches (StGB), BGBl 60/1974, idF BGBl I 108/2010 zur Gänze, in eventu § 20 Abs 1 bis 3 StGB, in eventu § 20 Abs 1 und 3 StGB, in eventu die Wortfolge "Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden" in § 20 Abs 1 StGB sowie die Wortfolgen "unterliegenden Vermögenswerte" und "der den nach Abs 1 und Abs 2 erlangten Vermögenswerten entspricht" in § 20 Abs 3 StGB, in eventu das Wort "Vermögenswerte" in § 20 Abs 1 und 3 StGB, als verfassungswidrig aufzuheben. Der zu G313/2015 protokollierte Antrag enthält noch zwei zusätzliche Eventualbegehren, nämlich auf Aufhebung des § 20 Abs 3 allein sowie auf Aufhebung des Wortes "Vermögenswerte" nur in § 20 Abs 3 leg.cit.

II. Rechtslage

1. Die mit dem strafrechtlichen Kompetenzpaket – sKp, BGBl I 108/2010, neu gefassten – im Dritten, mit "Strafen, Verfall und vorbeugende Maßnahmen" überschriebenen Abschnitt des Allgemeinen Teils stehenden – §§20 bis 20c StGB lauten (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Verfall

§20. (1) Das Gericht hat Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, für verfallen zu erklären.

(2) Der Verfall erstreckt sich auch auf Nutzungen und Ersatzwerte der nach Abs 1 für verfallen zu erklärenden Vermögenswerte.

(3) Soweit die dem Verfall nach Abs 1 oder 2 unterliegenden Vermögenswerte nicht sichergestellt oder beschlagnahmt sind (§§110 Abs 1 Z 3, 115 Abs 1 Z 3 StPO), hat das Gericht einen Geldbetrag für verfallen zu erklären, der den nach Abs 1 und Abs 2 erlangten Vermögenswerten entspricht.

(4) Soweit der Umfang der für verfallen zu erklärenden Vermögenswerte nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermittelt werden kann, hat das Gericht ihn nach seiner Überzeugung festzusetzen.

Unterbleiben des Verfalls

§20a. (1) Der Verfall gegenüber einem Dritten nach § 20 Abs 2 und 3 ist ausgeschlossen, soweit dieser die Vermögenswerte in Unkenntnis der mit Strafe bedrohten Handlung erworben hat.

(2) Der Verfall ist überdies ausgeschlossen:

1. gegenüber einem Dritten, soweit dieser die Vermögenswerte in Unkenntnis der mit Strafe bedrohten Handlung entgeltlich erworben hat,

2. soweit der Betroffene zivilrechtliche Ansprüche aus der Tat befriedigt oder für sie Sicherheit geleistet hat, oder

3. soweit seine Wirkung durch andere rechtliche Maßnahmen erreicht wird.

(3) Vom Verfall ist abzusehen, soweit der für verfallen zu erklärende Vermögenswert oder die Aussicht auf dessen Einbringung außer Verhältnis zum Verfahrensaufwand steht, den der Verfall oder die Einbringung erfordern würde.

Erweiterter Verfall

§20b. (1) Vermögenswerte, die der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation (§278a) oder einer terroristischen Vereinigung (§278b) unterliegen oder als Mittel der Terrorismusfinanzierung (§278d) bereitgestellt oder gesammelt wurden, sind für verfallen zu erklären.

(2) Ist eine rechtswidrige Tat nach den §§165, 278, 278c, für deren Begehung oder durch die Vermögenswerte erlangt wurden, oder ein solches Verbrechen begangen worden, sind auch jene Vermögenswerte für verfallen zu erklären, die in einem zeitlichen Zusammenhang mit dieser Tat erlangt wurden, sofern die Annahme naheliegt, dass sie aus einer rechtswidrigen Tat stammen und ihre rechtmäßige Herkunft nicht glaubhaft gemacht werden kann.

(3) § 20 Abs 2 bis Abs 4 StGB gilt entsprechend.

Unterbleiben des erweiterten Verfalls

§20c. (1) Der erweiterte Verfall nach § 20b Abs 1 StGB ist ausgeschlossen, soweit an den betroffenen Vermögenswerten Rechtsansprüche von Personen bestehen, die an der kriminellen Organisation oder terroristischen Vereinigung oder Terrorismusfinanzierung nicht beteiligt sind.

(2) § 20a StGB gilt entsprechend."

2. Zur Rechtslage vor Einführung der angefochtenen Bestimmung weist die Bundesregierung in ihrer gemäß § 63 Abs 2 VfGG erstatteten Äußerung auf Folgendes hin:

"[...] Die Einführung der angefochtenen Bestimmung durch das strafrechtliche Kompetenzpaket – sKp ersetzte die vermögensrechtlichen Anordnungen der Abschöpfung der Bereicherung nach § 20 StGB aF und des Verfalls nach § 20b StGB aF. Diese bestanden seit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1996, BGBl Nr 762/1996 (mit dem wiederum die bis zu diesem Zeitpunkt bestehende vermögensrechtliche Anordnung des Verfalls gemäß § 20 StGB idF BGBl Nr 605/1987 ersetzt wurde). Die Abschöpfung der Bereicherung bezog sich auf die 'eingetretene unrechtmäßige Bereicherung' und basierte demgemäß auf dem sogenannten 'Nettoprinzip' (vgl. ). Die zugeflossenen Vermögenswerte waren also um den vom Täter dafür gemachten Aufwand zu vermindern; erfasst war nur der Gewinn des Täters ( Fabrizy , StGB, 10. Aufl., § 20 Rz. 2).

[…] Insbesondere wegen den – aus dem 'Nettoprinzip' resultierenden – Schwierigkeiten bei Anwendung dieser Bestimmungen erlangten die mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1996 eingeführten vermögensrechtlichen Anordnungen in der Praxis jedoch nur geringe Bedeutung.

[…] Dieser Umstand ist sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene kritisiert worden:

Der Rechnungshof gelangte in seinem Bericht zu 'Geldwäschebekämpfung und Vermögensabschöpfung' (Reihe Bund 2008/12) an den Nationalrat vom (11 BlgNR XXIV. GP) zu der Schlussfolgerung, dass es an wesentlichen Voraussetzungen fehlen würde, um kriminell erwirtschaftetes Vermögen wirkungsvoll zugunsten des Staatshaushaltes abzuschöpfen.

Die Staatengruppe des Europarats gegen Korruption (GRECO) sprach in ihrem am angenommenen Evaluierungsbericht zur Korruptionsbekämpfung in Österreich betreffend Abschöpfung (der Erträge von Korruption) Empfehlungen für eine Verstärkung des Abschöpfungssystems ua. dahingehend aus, dass die Abschöpfung der Bereicherung auch auf die direkten Erträge der Korruption und nicht nur auf einen gleichwertigen Wert anwendbar ist.

Auch im Zuge der Länderprüfung Österreichs durch die Financial Action Task Force [zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung] (FATF) im Sommer 2009 wurde Kritik an einer zu geringen Anwendung von vermögensrechtlichen Anordnungen geübt und gefordert, 'die Effektivität der Bestimmungen durch häufigere Anwendung der Beschlagnahme und der Abschöpfung krimineller Vermögenswerte im Zusammenhang mit Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Vortaten zur Geldwäscherei zu verbessern, insbesondere durch vermehrte Anwendung des Verfalls'.

Das Gutachten im Rahmen der fünften Runde der gegenseitigen Begutachtungen betreffend 'Finanzkriminalität und Finanzermittlungen' der Multidisziplinären Gruppe 'Organisierte Kriminalität' (MDG) der EU vom richtete u.a. folgende Empfehlungen an Österreich: 'Größere Aufmerksamkeit sollte seitens der Strafverfolgungsbehörden und vor allem seitens der Staatsanwaltschaft auf die forensische Finanzanalyse, das Aufspüren von Vermögenswerten, die Sicherstellung und die Abschöpfung verwandt werden. Diese Punkte sollten zu wichtigeren Elementen der Ermittlungen werden.'

[…] Daneben waren nach dem Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 1996 verschiedene Rechtsakte der EU und internationaler Organisationen erlassen worden, mit denen Österreich zur Einführung und Vollstreckung vermögensrechtlicher Anordnungen verpflichtet wird. Hervorzuheben sind dabei der von der EU erlassene Rahmenbeschluss 2005/212/JI des Rates über die Einziehung von Erträgen, Tatwerkzeugen und Vermögensgegenständen aus Straftaten, ABl. 2005 L 68, das OECD-Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr, BGBl III Nr 176/1999, das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus, BGBl III Nr 102/2002, und das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, BGBl III Nr 84/2005.

[...]

[...] Schließlich erfolgte eine Neuregelung der vermögensrechtlichen Anordnungen mit dem strafrechtlichen Kompetenzpaket – sKp, um den dargestellten nationalen und internationalen Anforderungen gerecht zu werden. Die Abschöpfung der Bereicherung ist entfallen und mit (dem angefochtenen) § 20 StGB wurde ein Verfall neuen Typs als vermögensrechtliche Anordnung eingeführt. Die wesentliche Neuerung gegenüber der Abschöpfung der Bereicherung besteht dabei in der Einführung (bzw. – im Hinblick auf die bis zum Strafrechtsänderungsgesetz 1996 bestehende Regelung – der Wiedereinführung) des 'Bruttoprinzips'. Dadurch wurde insbesondere die Ermittlung der Verfallsvoraussetzungen erleichtert, weil ein zusätzlicher Ermittlungsschritt, nämlich die Feststellung der vom Täter getätigten Aufwendungen, entfällt (ErlRV 918 BlgNR XXIV. GP, 7).

[…] Die angefochtene Bestimmung dient nunmehr außerdem der Umsetzung der Richtlinie 2014/42/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherstellung und Einziehung von Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union, ABl. Nr L 127 vom , in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr L 138 vom . Diese ersetzt bestimmte Regelungen des Rahmenbeschlusses Nr 2005/212/JI (Art22 Abs 2 der Richtlinie). Nach Art 4 Abs 1 der Richtlinie muss sichergestellt werden, dass Tatwerkzeuge und Erträge oder Vermögensgegenstände, deren Wert diesen Tatwerkzeugen oder Erträgen entspricht, vorbehaltlich einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Straftat, auch durch Verfahren in Abwesenheit, ganz oder teilweise eingezogen (bzw. für verfallen erklärt) werden können. Der Begriff des 'Ertrages' aus einer Straftat umfasst gemäß Art 2 Z 1 der Richtlinie jeden wirtschaftlichen Vorteil, der direkt oder indirekt durch eine Straftat erlangt wird."

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.1. Der Antragsteller zu G154/2015 wurde mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom wegen der jeweils in verschiedenen Tatvarianten durch einen längeren Zeitraum begangenen Vergehen des Suchtgifthandels (§28a Abs 1 erster, vierter und fünfter Fall und Abs 3 SMG) sowie des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (§27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 sowie § 27 Abs 1 Z 2 SMG) schuldig erkannt; er wurde hiefür zu einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen verurteilt. Darüber hinaus wurde – gemäß § 20 Abs 1 StGB – ein beim Antragsteller sichergestellte Bargeldbetrag von € 2.000,– sowie – gemäß § 20 Abs 3 StGB – ein (Wertersatz-)Betrag von € 9.440,– für verfallen erklärt. § 20 StGB gehe – so das Urteil – vom Bruttoprinzip aus, demzufolge alle Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, dem Verfall unterlägen. Allfällige "Aufwendungen" des Antragstellers hätten außer Betracht zu bleiben.

1.2. Gegen den Verfallsausspruch führte der Antragsteller am das (unmittelbar nach Urteilsverkündung angemeldete) Rechtsmittel der Berufung wegen Nichtigkeit und Strafe aus und stellte beim Verfassungsgerichtshof am selben Tag den auf Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG gestützten Antrag auf Aufhebung des § 20 StGB (sowie auf Teile dieser Bestimmung bezogene Eventualanträge; s. im Einzelnen Pkt. I).

In seinem (Partei-)Antrag verweist er im Wesentlichen darauf, dass der Gesetzgeber den Verfall durch die am in Kraft getretene Novelle zum StGB, BGBl I 108/2010, vom Nettoprinzip auf das Bruttoprinzip umgestellt habe, weshalb beim Antragsteller der gesamte Verkaufserlös ohne Berücksichtigung des Einkaufspreises abgeschöpft worden sei. Demgegenüber habe die bis dahin in Geltung gestandene Rechtslage – dem Nettoprinzip folgend – (bloß) die unrechtmäßige Bereicherung und den beim Verurteilten tatsächlich eingetretenen Vermögensvorteil (vermindert um Aufwendungen) berücksichtigt. Der Verfall zähle zu den schweren Strafen, die nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes in einem angemessenen Verhältnis zu den Umständen des Einzelfalls stehen müssen.

Durch das nunmehrige objektbezogene Abstellen auf den Vermögenswert (und nicht auf den Vermögensvorteil) werde der Verfall auch dann zwingende Folge einer Verurteilung, wenn der Verurteilte Suchtmittel ohne Erzielung eines wirtschaftlichen Vorteils zum Einkaufspreis weitergebe. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber keine Differenzierung danach vornehme, ob durch die Tat ein Vermögensvorteil erzielt worden sei oder nicht. Obwohl die Anordnung des Verfalls keine Schuld voraussetze, werde im Ergebnis mehr abgeschöpft als dem Verurteilten zugeflossen sei, wodurch "unter dem Deckmantel der 'Maßnahme anderer Art' eine zusätzliche Verurteilung" erfolge. Damit "fällt die Verfallsstrafe […] generell unverhältnismäßig streng aus und steht der für verfallen erklärte Wert in keinem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Strafe".

Mangels Berücksichtigung der Aufwendungen komme es auch zu einer Mehrfachabschöpfung durch den Staat.

Die angefochtenen Bestimmungen würden daher gegen das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B VG) und gegen das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) verstoßen.

2.1. Der Antragsteller zu G313/2015 wurde ebenfalls mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch, diesfalls vom , teils gleicher Vergehen, nämlich jener des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 3 SMG sowie des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall sowie Abs 2 SMG schuldig erkannt. Hiefür wurde er zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten, welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, und zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen verurteilt. Darüber hinaus wurde gemäß § 20 Abs 3 StGB ein (Wertersatz-)Betrag von € 15.000,– für verfallen erklärt.

Den Wertersatz errechnete das Gericht nach dem Bruttoprinzip unter Zugrundelegung der vom Schuldspruch erfassten Weitergabe von insgesamt 2.700 Gramm Marihuana.

2.2. Mit am beim Landesgericht Feldkirch eingebrachtem Schriftsatz führte der Angeklagte das gegen den Verfallsausspruch fristgerecht angemeldete Rechtsmittel der Berufung wegen Nichtigkeit und Strafe aus.

Am selben Tag stellte auch dieser Angeklagte beim Verfassungsgerichthof den auf Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG gestützten Antrag, § 20 StGB zur Gänze bzw. eventualiter teilweise (s. Pkt. I.) aufzuheben, wobei dieselben Bedenken wie im Antrag G154/2015 vorgebracht werden.

3. Die Bundesregierung erstattete zum Antrag G154/2015 eine Äußerung, auf die sie im Verfahren G313/2915 verwies und in der sie hinsichtlich der Bestimmungen des § 20 Abs 2 und 4 StGB die Zurückweisung des Antrags mangels Präjudizialität, im Übrigen dessen Abweisung begehrt; den vorgetragenen Bedenken tritt sie mit folgenden Argumenten entgegen:

Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 9901/1983, 11.587/1987), wonach im Finanzstrafgesetz geregelte Verfallsbestimmungen unter der Prämisse, dass es sich dabei um Strafen handelte, aufgehoben wurden, weil diese das Verhältnis zwischen dem Wert der dem Verfall unterliegenden Sache einerseits und der Schuld andererseits systematisch unberücksichtigt ließen, sei auf das Institut des Verfalls nach § 20 StGB nicht übertragbar, da diesem kein Strafcharakter innewohne.

Das StGB stelle den Verfall schon nach seiner Systematik als Maßnahme eigener Art ausdrücklich neben Strafen und vorbeugende Maßnahmen. Zudem sei der Verfall an die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung – und nicht an die Begehung einer Straftat – geknüpft. Im Gegensatz zur Strafe stelle die Maßnahme nach § 20 StGB auch nicht auf schuldhaftes Handeln ab, sondern bezwecke lediglich die Abschöpfung deliktisch zustande gekommener Vermögensverschiebungen. Der Umstand, dass dabei allfällige wirtschaftliche Schlechterstellungen des Täters oder eines Dritten, bei dem sich die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangte Vermögenswerte befinden, in Kauf genommen würden, verleihe der angefochtenen Regelung nicht den Gehalt einer Strafe.

§20 StGB betreffe Vermögenswerte, die für oder durch die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung erlangt worden seien, und beziehe sich im Regelfall auf Erträge, die iZm einer mit Strafe bedrohten Handlung stünden. Im Gegensatz dazu ordne das Finanzstrafgesetz den Verfall der von der Abgabenhinterziehung betroffenen Gegenstände ausdrücklich als Strafe an, auch wenn diese Gegenstände gerade nicht für oder durch die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung erlangt worden seien.

Da die bis zum Inkrafttreten des strafrechtlichen Kompetenzpaketes in Geltung gestandenen – auf dem "Nettoprinzip" basierenden – vermögensrechtlichen Anordnungen ungeeignet gewesen seien, kriminell erwirtschaftetes Vermögen wirkungsvoll abzuschöpfen, was auf nationaler und internationaler Ebene auf (im Einzelnen wiedergegebene) Kritik gestoßen sei, habe sich der Gesetzgeber für die (Wieder-)Einführung des "Bruttoprinzips" entschieden. Dies auch vor dem Hintergrund der Richtlinie 2014/42/EU über die Sicherstellung und Einziehung von Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union, ABl. 2014 L 127, 39, idF der Berichtigung ABl. 2014 L 138, 114.

Um ungerechtfertigte Belastungen von Personen hintanzuhalten, die in keinem Zusammenhang mit der jeweiligen strafbaren Handlung stünden, werde in § 20a StGB das "Unterbleiben des Verfalls" sichergestellt, sodass die in Rede stehende Maßnahme nicht überschießend zur Anwendung gelangen könne.

Dem Vorbringen des Antragstellers zuwider führe die angefochtene Regelung auch nicht zu einer "Mehrfachabschöpfung durch den Staat". Es werde nämlich nicht ein bestimmter Vermögenswert mehrfach, sondern es würden – wie im Anlassfall – unterschiedliche, mehreren Personen für oder durch eine strafbare Handlung zukommende Vermögenswerte jeweils einmal für verfallen erklärt. Im Übrigen sollten die bekämpften Vorschriften keine Rechtsfolge für einen durch die Herstellung und Veräußerung eines Gutes erzielten wirtschaftlichen Mehrwert bewirken, sondern sämtliche Vermögenswerte abschöpfen, die für oder durch mit Strafe bedrohte Handlungen erlangt wurden.

Die in den angefochtenen Bestimmungen zum Ausdruck kommende Entscheidung des Gesetzgebers, kriminell erwirtschaftetes Vermögen nicht anzuerkennen, spiegle sich auch in anderen Bestimmungen der Rechtsordnung wieder. So werde gemäß § 26 StGB bei der Einziehung von Gegenständen, die der Täter zur Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung verwendet hat oder die durch diese Handlung hervorgebracht worden sind, kein Wertersatz geleistet; eine Anrechnung auf eine allfällige Strafe finde nicht statt. Diese gesetzgeberische Entscheidung liege auch dem Zivilrecht im Hinblick auf § 1174 ABGB zugrunde, wonach generell nicht zurückgefordert werden kann, was jemand wissentlich zur Bewirkung einer unerlaubten Handlung gegeben hat, selbst wenn diese Handlung letztlich ausbleibt.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit der Anträge

1.1. Gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG idF BGBl I 114/2013 erkennt der Verfassungsgerichtshof seit (Art151 Abs 54 Z 5 B VG) über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch

"d) auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels".

Nach § 62a Abs 1 erster VfGG idF BGBl I 92/2014 kann eine Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache rechtzeitig ein zulässiges Rechtsmittel erhebt und wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, gleichzeitig einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben.

1.2. Die vorliegenden Anträge werden jeweils aus Anlass einer gegen Strafurteile des Landesgerichtes Feldkirch (als Einzelrichter) erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit und Strafe gestellt. Mit diesen Urteilen wurden jeweils auch vermögenswertersetzende Geldbeträge gemäß § 20 Abs 3 StGB, in Ansehung des Antragstellers zu G157/2015 zudem auch ein Vermögenswert gemäß § 20 Abs 1 leg.cit. für verfallen erklärt.

Es ist nicht zweifelhaft, dass durch diese Urteile die Strafverfahren gegen die Antragsteller in erster Instanz entschieden wurden, sohin jeweils eine in erster Instanz entschiedene Rechtsache iSd Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG vorliegt.

Die Parteianträge wurden – ausweislich der Aktenlage – am selben Tag wie die Berufungen wegen Nichtigkeit und Strafe und damit jedenfalls gleichzeitig iSd § 62a Abs 1 erster Satz VfGG eingebracht.

Der Verfassungsgerichtshof geht ferner davon aus, dass die Rechtsmittel rechtzeitig und auch sonst zulässig sind.

1.3.1. Mit Blick darauf, dass sich das dem Antrag zu G154/2015 zugrunde liegende Urteil auf § 20 Abs 1 und 3 StGB stützt und das im Verfahren G313/2015 anlassgebende Urteil auf § 20 Abs 3 StGB gründet, zieht die Bundesregierung in ihrer Äußerung die Präjudizialität des § 20 Abs 2 und 4 StGB in Zweifel und ist der Auffassung, dass "§20 Abs 4 StGB [...] auch in keinem untrennbaren Zusammenhang zu § 20 Abs 1 und Abs 3 StGB [steht]".

1.3.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003) notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt erhält und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Aus dieser Grundposition folgt zunächst, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Antrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. VfSlg 16.212/2001, 18.142/2007, 19.496/2011).

Demgegenüber macht eine zu weite Fassung den Antrag nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit der Antrag nur Normen erfasst, die im Anlassverfahren präjudiziell sind oder mit solchen untrennbar zusammenhängen, führt dies, ist der Antrag in der Sache begründet, im Fall der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen zur partiellen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013, , V68/2013 ua.; , G83/2014 ua.); umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im Anlassverfahren offenkundig nicht präjudiziell sind, hat dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit offensichtlich trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen die teilweise Zurückweisung des Antrags zur Konsequenz (s. VfSlg 16.246/2001, 16.816/2003, 16.819/2003, 17.572/2005, 18.766/2009); soweit diese Voraussetzungen vorliegen, haben zu weit gefasste Anträge also nicht die Zurückweisung des gesamten Antrages zur Folge (VfSlg 19.746/2013; , V68/2013 ua.; , G83/2014 ua.).

Der Verfassungsgerichtshof kann es dahin gestellt sein lassen, ob sich das Landesgericht Feldkirch bei Festlegung des Wertersatzes allenfalls auch auf die Bestimmung des Abs 4 gestützt hat, weil Abs 2 und 4 mit den unbestrittenermaßen angewendeten Bestimmungen des § 20 Abs 1 und 3 StGB jedenfalls in Zusammenhang stehen und von diesen Bestimmungen nicht offensichtlich trennbar sind.

1.4. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die (Haupt-)Anträge als zulässig.

2. In der Sache

Die Anträge sind indes nicht begründet:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2. Im Kern kumulieren die vorgetragenen Bedenken in der Behauptung, dass es dem Gleichheitssatz und dem Schutz des Eigentums widerspreche, den Verfall und damit auch den Wertersatz nach dem sog. "Bruttoprinzip" zu bemessen. Der Verfall sei nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes als Strafe zu qualifizieren, der Gesetzgeber müsse daher die Herstellung eines angemessenen Verhältnisses zu den Umständen des Einzelfalls ermöglichen. Dies lasse § 20 StGB seit der Neuregelung durch BGBl I 108/2010 – im Unterschied zur früheren Rechtslage, die auf das sog. "Nettoprinzip" abgestellt und damit den Abzug etwaiger Aufwendungen vorgesehen habe – nicht mehr zu. Im dem Antrag zu G157/2015 zugrunde liegenden Fall habe die Anwendung des § 20 Abs 1 und 3 StGB dazu geführt, dass der Verkaufspreis des Suchtgifts ohne Berücksichtigung des Einkaufspreises abgeschöpft worden sei, obwohl dieser für das Gericht ohne Schwierigkeiten ermittelbar bzw. gemäß § 20 Abs 4 StGB nach freier Überzeugung festsetzbar gewesen wäre.

Es sei unsachlich, beim Verfallsausspruch keine Differenzierung in die Richtung vorzusehen, ob durch die strafbare Handlung tatsächlich ein (Netto-)Vermögensvorteil erzielt worden sei oder nicht; gerade im Suchtmittelbereich sei die Weitergabe zum (oft niedrigen) Einkaufspreis üblich.

Durch das generelle Abstellen auf den Verkaufspreis ohne Bedachtnahme auf die Schuld komme es überdies zu einer zusätzlichen Verurteilung bzw. zu einer Mehrfachabschöpfung, die generell in keinem gerechtfertigten Verhältnis zum gesetzgeberischen Ziel, nämlich der angemessenen Bestrafung und Abschöpfung zugeflossener Vermögensvorteile, stehe.

3.1. Der Verfall (des Wertersatzes) ist gemäß § 20 Abs 1 und 3 StGB nach Maßgabe des Bruttoprinzips anzuordnen, soweit kein Ausschlussgrund gemäß § 20a leg.cit. vorliegt.

"Bruttoprinzip" bedeutet, dass nicht bloß der Gewinn, sondern grundsätzlich alles, was für die strafbare Handlung oder aus ihr erlangt wurde, für verfallen zu erklären ist. Diese Berechnungsmethode entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der das Institut des Verfalls durch das strafrechtliche Kompetenzpaket mit Wirksamkeit geändert hat: Während der bis dahin geltende (auf das Strafrechtsänderungsgesetz 1996 zurückgehende) § 20 StGB aF ("Abschöpfung der Bereicherung") nur den "Vermögensvorteil" (Nettoprinzip) erfasste, bezieht sich der Verfall nunmehr auf das durch die strafbare Handlung Erlangte.

Die Gesetzesänderung wird mit dem Inkrafttreten internationaler Instrumente der EU und internationaler Organisationen (die Österreich zur Einführung und Vollstreckung vermögensrechtlicher Anordnungen verpflichten) sowie mit der restriktiven Handhabung vermögensrechtlicher Anordnungen auf Basis der früheren Rechtslage erklärt (Erläut. zur RV 918 BlgNR 24. GP, 6 f.). Es sollten Maßnahmen gesetzt werden, "um kriminell erwirtschaftetes Vermögen wirkungsvoll [...] einziehen zu können" (aaO, 1).

3.2. Der Verfassungsgerichtshof vermag die von den Antragstellern gegen die Umgestaltung des (strafrechtlichen) Verfallsrechts (durch Einführung des Bruttopinzips in § 20 StGB) vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht zu teilen:

"Strafe" im engeren Sinn ist die Reaktion des Staates auf tatbildliches, rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten und bringt die sozialethisch negative Bewertung der verpönten Handlung oder Unterlassung gegenüber dem Täter wie auch gegenüber der Allgemeinheit zum Ausdruck, weshalb das Strafmaß in Relation zur Schwere des verwirklichten Unrechts und der Schuld stehen muss (vgl. Schmoller , in: Leitner [Hrsg.], Finanzstrafrecht 1996 – 2002, 2006, 247 [250 f., 267]). Daneben enthält das strafrechtliche Sanktionensystem sog. vorbeugende Maßnahmen, deren primärer Zweck der Begegnung fortbestehender Gefährlichkeit eines Menschen oder einer Sache dient und die nicht am Unrechts- oder Schuldgehalt, sondern an der Gefährlichkeit anknüpfen; in Ansehung gefährlicher Tatgegenstände etwa ist die vorbeugende Maßnahme der Einziehung vorgesehen. Schließlich hat sich in den letzten Jahrzehnten das Instrument der Abschöpfung der Bereicherung als "quasi-kondiktionelle Ausgleichsmaßnahme" herausgebildet, die sich nach der Höhe des eingetretenen Vorteils richtet.

3.2.1. Der "Verfall" nach § 20 StGB ist mit dem den Erkenntnissen VfSlg 9901/1983 und 11.587/1987 zugrunde liegenden Instrument des "Verfalls " nach dem FinStrG (ungeachtet derselben Wortwahl) nicht identisch und – anders als dort – weder als Strafe noch als eine strafähnliche Maßnahme konzipiert; beim Verfall, wie er in § 20 StGB normiert ist, handelt es sich vielmehr um eine vermögensrechtliche Maßnahme eigener Art, weshalb das den Verfall in die Kategorie der Strafen einreihende Antragsvorbringen schon vom Ansatz her nicht zielführend ist (vgl. zum ebenfalls vom Bruttoprinzip beherrschten erweiterten Verfall nach deutscher Rechtslage BVerfG , 2 BvR 564/95):

Der Gesetzgeber kann weitgehend frei darüber entscheiden, ob und auf welche Weise er rechtswidrig Erlangtes entziehen will. Er kann dies selbständig vorsehen; es steht ihm aber auch offen festzulegen, dass das rechtswidrig Erlangte mittels Strafe sichergestellt wird.

3.2.2. Bei der Beurteilung des Charakters einer Rechtsfolge kommt es nicht allein darauf an, ob sie – etwa wegen der Einbuße an Vermögen – als Übel empfunden wird, sondern es sind auch andere Kriterien, wie der Rechtsgrund der Anordnung oder der mit dieser vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, heranzuziehen.

Im vorliegenden Fall hat sich der Gesetzgeber – wie sich auch aus den Materialien ergibt (RV 918 BlgNR 24. GP, 7) – dafür entschieden, mit der in Rede stehenden Maßnahme nicht auch Strafzwecke zu verfolgen.

Nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung genügt für den Verfall die Begehung einer objektiv strafbaren Handlung. Anders als die (als Nebenstrafe ausgestaltete) Konfiskation gemäß § 19a StGB setzt der Verfall keine Schuld voraus; auf Verfall kann daher auch in einem objektiven Verfahren selbständig erkannt werden (vgl. § 445 StPO). Auch stellt das StGB den Verfall als Maßnahme eigener Art ausdrücklich neben Strafen und vorbeugende Maßnahmen.

3.2.3. Der Verfall hat auch mit der Einführung des Bruttoprinzips keinen strafähnlichen Charakter angenommen.

Die Abschöpfung des über den Nettogewinn hinaus Erlangten verfolgt primär Präventionsziele: Der mit diesem Instrument angestrebte Zweck – Nutzlosigkeit der Aufwendungen – soll zur Verhinderung gewinnorientierter Straftaten – und diese wollte der Gesetzgeber insbesondere erfassen – beitragen. Müsste der Betroffene für den Fall der Entdeckung lediglich die Abschöpfung des Gewinnes befürchten, wäre die Tatbegehung unter finanziellen Gesichtspunkten weitgehend risikolos. Das Bruttoprinzip dient somit (über Praktikabilitätserwägungen hinaus) präventiv-ordnenden Zielen.

3.2.4. Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, dass dem Verfallsbetroffenen zufolge des Bruttoprinzips ein (mitunter erheblicher) wirtschaftlicher Nachteil erwachsen kann. Dies findet aber seine Rechtfertigung darin, dass nicht auf rechtsmäßig erlangtes, sondern nur auf solches Vermögen zugegriffen werden darf, das durch vorausgegangene rechtswidrige Handlungen erlangt wurde. Die in den angefochtenen Bestimmungen zum Ausdruck kommende – nicht unsachliche (vgl. auch die Ausschlussgründe des § 20a StGB hinsichtlich gutgläubiger Dritter) – Entscheidung des Gesetzgebers, rechtswidrig erwirtschaftetes Vermögen nicht anzuerkennen, findet sich auch in anderen Bestimmungen der Rechtsordnung: Dieselbe Wertung liegt auch dem Zivilrecht zugrunde, wonach bei rechtswidrigen Handlungen getätigte Aufwendungen nicht zurückgefordert werden können (vgl. § 1174 ABGB).

4. Die von den Antragstellern gegen die vermögensrechtliche Anordnung des Verfalls nach § 20 StGB geltend gemachten Bedenken treffen daher nicht zu.

V. Ergebnis

1. Die Anträge sind daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2015:G154.2015