VfGH vom 29.09.2011, g154/10
Sammlungsnummer
19516
Leitsatz
Unsachlichkeit des ausnahmslosen Widerrufs der Zusicherung der Staatsbürgerschaft bei Wegfall einer Verleihungsvoraussetzung; keine Differenzierung in Hinblick auf ein allfälliges Verschulden des Verleihungswerbers
Spruch
I. § 20 Abs 2 des Bundesgesetzes über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 - StbG), BGBl. Nr. 311/1985, in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2006 wird als verfassungswidrig aufgehoben.
II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.
III. Die Vorschrift ist auch auf die am beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Fälle nicht mehr anzuwenden.
IV. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
V. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl B1090/09 eine auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1.1. Die Beschwerdeführerin im Anlassverfahren, damals serbische Staatsangehörige, kam im Jahr 1995 nach Österreich und ehelichte einen österreichischen Staatsbürger. Ihre im Jahr 1997 geborene Tochter besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft. Die Ehe der Beschwerdeführerin im Anlassverfahren wurde 1999 geschieden. Die Beschwerdeführerin im Anlassverfahren hält sich seit dem rechtmäßig und ununterbrochen in Österreich auf (s. Bescheid S 2).
1.2. Mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom wurde der Beschwerdeführerin im Anlassverfahren die Verleihung der Staatsbürgerschaft zugesichert, wenn sie innerhalb von zwei Jahren ab Rechtskraft des Bescheides das Ausscheiden aus dem Verband des bisherigen Heimatstaates nachweist. Den Ausbürgerungsbescheid des Innenministeriums der Republik Serbien legte die Beschwerdeführerin im Anlassverfahren der Behörde am vor.
1.3. Die Beschwerdeführerin im Anlassverfahren war ab in einer Pizzeria als selbstständige handelsrechtliche Geschäftsführerin tätig. Die Pizzeria wurde im Zuge eines Konkursverfahrens, welches am eröffnet wurde, geschlossen. Danach war die Beschwerdeführerin im Anlassverfahren arbeitslos und bezog seit Sozialhilfe, zumal ihr auf Grund ihrer Staatenlosigkeit der Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt wurde.
1.4. Mit dem im Anlassverfahren angefochtenen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung wurde in Spruchpunkt I. der Bescheid vom über die Zusicherung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall, dass die Beschwerdeführerin im Anlassverfahren binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband des bisherigen Heimatstaates, der Republik Serbien, nachweist, gemäß § 20 Abs 2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (im Folgenden: StbG) widerrufen und in Spruchpunkt II. der Antrag der Beschwerdeführerin im Anlassverfahren vom auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs 1 Z 7 StbG abgewiesen.
Die im Anlassverfahren belangte Behörde begründete dies im Wesentlichen damit, dass die seit arbeitslose Beschwerdeführerin im Anlassverfahren seit in dauerndem Sozialhilfebezug stehe, womit sie die Voraussetzung des hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes iSd § 10 Abs 1 Z 7 StbG nicht (mehr) erfülle. Auch das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes des § 10 Abs 6 StbG sei nicht hervorgekommen.
1.5. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gemäß Art 144 Abs 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof werden insbesondere Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der angewandten Normen vorgebracht: § 10 Abs 1 Z 7 StbG in der anzuwendenden Fassung BGBl. I 37/2006 sei absolut unsachlich. Der Verleihungswerber werde durch die Staatenlosigkeit zwangsläufig seiner eigenen Unterhaltssicherung beraubt, wodurch das Erfüllen der Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 7 StbG verunmöglicht werde.
2. Bei der Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 20 Abs 2 StbG entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher mit Beschluss vom gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der genannten Bestimmung eingeleitet.
2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist im Prüfungsbeschluss vorläufig davon ausgegangen, dass die Beschwerde zulässig ist, die belangte Behörde die in Prüfung gezogene Bestimmung angewandt hat und der Verfassungsgerichtshof diese im verfassungsgerichtlichen Bescheidprüfungsverfahren anzuwenden hätte.
2.2. Die Erwägungen, die den Verfassungsgerichtshof zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens veranlasst hatten, legte er in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"2. Auf Grund der Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes durch BGBl. I 37/2006 wurde § 10 Abs 1 Z 7 StbG betreffend das Vorliegen eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes inhaltlich geändert. Die Novellierung trat am in Kraft. Nunmehr muss zwar der Lebensunterhalt wie bereits vor der Novellierung hinreichend gesichert sein, jedoch ist die Ausnahmeregelung der älteren Fassung weggefallen, wonach kein Nachweis für einen hinreichend gesicherten Lebensunterhalt notwendig ist, wenn den Antragsteller an seiner finanziellen Notlage kein Verschulden trifft. In der RV 1[1]89 BlgNR 22. GP 6 ff wurde der hinreichend gesicherte Lebensunterhalt dahingehend definiert, dass dieser durch feste und regelmäßige Einkünfte aus selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit, Vermögen oder anderen Quellen den Lebensunterhalt des Fremden hinreichend gesichert erscheinen lasse, sodass eine Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften nicht notwendig ist. Es werden keine näheren Ausführungen getroffen, warum eine unverschuldete Notlage durch die Novellierung nicht mehr zu berücksichtigen sei.
3. Gemäß § 20 Abs 2 StbG ist die Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.
§ 20 Abs 2 StbG im Zusammenhalt mit § 10 Abs 1 Z 7 StbG und Abs 5 dürfte in Fällen, in denen auf Grund des Zusicherungsbescheides der Verleihungswerber bereits aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ausgeschieden ist, zu einem unsachlichen Ergebnis führen. Dies aus folgenden Erwägungen:
3.1. Voraussetzung der Zusicherung ist zunächst, dass - abgesehen vom Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband binnen zwei Jahren - beim Fremden alle Verleihungsvoraussetzungen vorliegen. Weiters hat der Fremde alle ihm möglichen und zumutbaren Handlungen zum Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband zu setzen. Durch den Zusicherungsbescheid soll ihm das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erleichtert oder ermöglicht werden (§20 Abs 1 Z 3 StbG; 497 BlgNR 10. GP 27). Die Zusicherung begründet einen nur durch den Nachweis des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband bedingten Anspruch auf Verleihung (vgl. mwH). Allerdings ist sie gemäß § 20 Abs 2 StbG zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderliche Voraussetzung nicht mehr erfüllt.
3.2. Entfällt nach Erbringung des Nachweises über das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband auch nur eine für die Verleihung erforderliche Voraussetzung, so gibt der Gesetzgeber mit dem Widerruf der Zusicherung den Fremden der Staatenlosigkeit preis.
Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass dies nur dann gerechtfertigt werden kann, wenn schwerwiegende Gründe für den Widerruf des Zusicherungsbescheides vorliegen. Einen solchen Grund mag er vorläufig nicht darin erkennen, wenn ein mittlerweile auf Grund des Ausscheidens aus seinem bisherigen Staatsverband staatenlos gewordener Fremder ohne sein Verschulden seinen hinreichend gesicherten Lebensunterhalt iSd § 10 Abs 5 StbG verliert und dadurch in eine finanzielle Notlage gerät, die ihn zur Inanspruchnahme von Sozialhilfe zwingt.
Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig von der Unsachlichkeit des § 20 Abs 2 StbG aus, zumal dieser für den Fall der unverschuldet eingetretenen Notlage - die entgegen anderen Voraussetzungen der Verleihung nicht in der Disposition des Verleihungswerbers liegt - keine Ausnahme vom Widerruf des Zusicherungsbescheides vorsieht.
Hiezu dürfte noch kommen, dass der staatenlos Gewordene über kein gültiges Reisedokument mehr verfügt. Dies könnte der Erwirkung einer entsprechenden Niederlassungsbewilligung entgegenstehen bzw. sie erheblich erschweren und ihm in der Folge den raschen Zugang zum Arbeitsmarkt - zur Wiedererlangung eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes - verwehren."
3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in welcher sie die Zulässigkeit des Prüfungsbeschlusses bestreitet, den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes in der Sache entgegentritt und mit näherer Begründung beantragt, die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Für den Fall einer Aufhebung beantragt die Bundesregierung, der Verfassungsgerichtshof wolle für das Außer-Kraft-Treten gemäß Art 140 Abs 5 dritter Satz B-VG eine Frist von 18 Monaten setzen, um die erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.
Im Einzelnen tritt die Bundesregierung den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegen:
"I. Zu den Prozessvoraussetzungen:
1. [...]
2.1. [...]
2.2. Der Prüfungsumfang ist insbesondere so abzugrenzen, dass durch die Aufhebung der bekämpften bzw. in Prüfung gezogenen Bestimmungen die angenommene Verfassungswidrigkeit gänzlich beseitigt werden kann (z.B. VfSlg. 13.739/1994, 16.191/2001).
Nach Auffassung der Bundesregierung erscheint der Sitz der vom Verfassungsgerichtshof angenommenen Verfassungswidrigkeit nicht eindeutig klar. Der Verfassungsgerichtshof hegt das Bedenken, dass § 20 Abs 2 StbG im Zusammenhalt mit § 10 Abs 1 Z 7 und Abs 5 StbG in Fällen, in denen auf Grund des Zusicherungsbescheides der Verleihungswerber bereits aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ausgeschieden ist, zu einem unsachlichen Ergebnis führt. Die mit dem Widerruf der Zusicherung einhergehende Staatenlosigkeit des Fremden könne dann, wenn ein mittlerweile auf Grund des Ausscheidens aus seinem bisherigen Staatsverband staatenlos gewordener Fremder ohne sein Verschulden seinen hinreichend gesicherten Lebensunterhalt iSd § 10 Abs 5 StbG verliert und dadurch in eine finanzielle Notlage gerät, die ihn zur Inanspruchnahme von Sozialhilfe zwingt, nicht gerechtfertigt werden (S. 8f des Prüfungsbeschlusses). Der Verfassungsgerichtshof geht unter Einem von der Unsachlichkeit bloß des § 20 Abs 2 StbG aus, zumal dieser für den Fall der unverschuldet eingetretenen Notlage - die entgegen anderen Voraussetzungen der Verleihung nicht in der Disposition des Verleihungswerbers liegt - keine Ausnahme vom Widerruf des Zusicherungsbescheides vorsieht (S. 9 des Prüfungsbeschlusses).
Damit dürfte jedoch der Sitz der angenommenen Verfassungswidrigkeit nicht hinreichend umschrieben sein. Eine Aufhebung des § 20 Abs 2 StbG würde zwar bewirken, dass eine Zusicherungserklärung gar nicht mehr widerrufen werden kann, das Verleihungsansuchen würde aber weiterhin aufgrund des Fehlens der Voraussetzung von § 10 Abs 1 Z 7 StbG oder jeder anderen Voraussetzung des § 10 Abs 1 StbG auch nach Vorlage des Ausbürgerungsnachweises abgewiesen werden. Im Übrigen dürfte sich die Rechtsposition der Beschwerdeführerin auch nach einer allfälligen Aufhebung im Ergebnis nicht ändern.
II. Zur Rechtslage:
[...]
III. Zu den dargelegten Bedenken:
1. Vorbemerkung:
1.1. [...]
1.2. Mit der am in Kraft getretenen Novelle des StbG, BGBI. I Nr. 37/2006, wurde die Bestimmung des § 10 Abs 1 Z 7 StbG dahingehend geändert, dass die Wortfolge 'sich ohne sein Verschulden in einer finanziellen Notlage befindet' entfallen ist. Damit wurde deutlich normiert, dass unabhängig von der konkreten Situation des Verleihungswerbers jedenfalls ein gesicherter Lebensunterhalt vorzuliegen hat.
Dies kommt auch für den in § 20 StbG geregelten Widerruf der Zusicherung zum Tragen, so dass ein Widerruf nicht nur im Falle des Verschuldens des Verleihungswerbers, sondern auch dann erfolgen muss, wenn verschuldensunabhängig auch nur eine der in § 10 Abs 1 StbG taxativ genannten Voraussetzungen nicht mehr vorliegt. Diese Folge führt aus Sicht der Bundesregierung jedoch nicht zur Unsachlichkeit der Regelung.
Der Entfall der angesprochenen Wortfolge in § 10 Abs 1 Z 7 StbG ist vor dem Hintergrund der Erlassung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) im Rahmen des Fremdenrechtspakets 2005, BGBI. I Nr. 100/2005, zu sehen. Mit diesem wurde eine grundlegend neue Systematik im Österreichischen Fremdenwesen geschaffen. Im NAG wurde ein neues Aufenthaltstitel-System geschaffen, demzufolge bei Beantragung eines Aufenthaltstitels die 'allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen' von jeder Person im gleichen Maße zu erfüllen sind. Dies war und ist auch durch die Richtlinie 2003/109/EG betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen vorgegeben, die die Voraussetzungen eines Daueraufenthaltsrechtes für Drittstaatsangehörige festlegt. Art 5 Abs 1 lita der Richtlinie 2003/109/EG normiert, dass der oder die Drittstaatsangehörige den Nachweis über 'feste und regelmäßige Einkünfte, die ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistung des betreffenden Mitgliedstaats für seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen ausreichen' zu erbringen hat. Eine Ausnahme für unverschuldete finanzielle Notlagen wird hingegen nicht normiert.
Dieser Richtlinienbestimmung wird durch § 11 Abs 5 NAG idgF entsprochen, der (nunmehr) die allgemeine Erteilungsvoraussetzung normiert, dass der Aufenthalt eines Fremden in Österreich zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen darf (siehe dazu auch die Erläuterungen RV 952 BlgNR XXII. GP).
Es wäre sachlich nicht gerechtfertigt und inkonsistent, wenn die Erlangung eines Aufenthaltstitels in Österreich strengeren Voraussetzungen unterläge, als die Verleihung der Österreichischen Staatsbürgerschaft, die ein weitaus [...] stärkeres Recht darstellt als ein Aufenthaltstitel. Daher waren die Voraussetzungen im Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 entsprechend zu adaptieren: § 10 Abs 1 Z 7 und Abs 5 StbG waren so einzuschränken, dass nunmehr die Verleihung der Österreichischen Staatsbürgerschaft als Abschluss einer erfolgreichen Integration eines Fremden in Österreich hinsichtlich der Sicherung des Lebensunterhalts nicht weniger strengen Voraussetzungen unterliegt als die Erteilung eines Aufenthaltstitels.
Wie der Verfassungsgerichtshof schon in seinem Beschluss zu B1103/07 vom festhielt, liegt es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Österreichische Staatsbürgerschaft nur jenen Fremden zu verleihen, die ihren Lebensunterhalt in Österreich durch entsprechendes Einkommen oder durch gleichzusetzende Leistungen ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften hinreichend gesichert haben. Dies hat der Gesetzgeber mit der Definition der in § 10 Abs 1 Z 7 StbG vorgesehenen Verleihungsvoraussetzung des hinreichend gesicherten Lebensunterhalts in § 10 Abs 5 StbG klar und unmissverständlich festgelegt.
Dass dem Verleihungswerber am Fehlen eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts im Sinne der vorgenannten Bestimmung kein Verschulden trifft, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht von Belang ( Zl. 2007/01/1394).
2. Zur Sachlichkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmung:
2.1. Die in Prüfung gezogene Bestimmung des § 20 Abs 2 StbG unterscheidet nach ihrem Wortlaut nicht danach, ob ein Verleihungshindernis vor oder nach Erbringung des Nachweises für das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband eingetreten ist, sondern normiert, dass die Zusicherung jedenfalls zu widerrufen ist, wenn der Betroffene im Entscheidungszeitpunkt eine zwingende Verleihungsvoraussetzung nicht mehr erfüllt. Nach § 20 Abs 2 StbG ist die Zusicherung der Staatsbürgerschaftsverleihung daher auch dann zu widerrufen, wenn erst nach Erbringung des Nachweises über das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband ein Versagungsgrund eintritt.
Wenn ein nach Erbringung des Nachweises für das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband eingetretenes Verleihungshindernis nicht zu berücksichtigen wäre, dann würde dies in Zusammenschau mit § 10 StbG die unsachliche Folge haben, dass die Staatsbürgerschaftsbehörde verpflichtet wäre, die Staatsbürgerschaft trotz Vorliegens eines bekannten Hindernisses zu verleihen.
Auch der Verwaltungsgerichtshof hat bisher in seiner ständigen Judikatur zu § 20 Abs 2 StbG nur darauf abgestellt, ob nach Zusicherung der Staatsbürgerschaftsverleihung ein Hinderungsgrund eingetreten ist, ohne den Zeitpunkt der Erbringung des Nachweises über das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband zu berücksichtigen (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 96/01/0173, vom , Zl. 96/01/0773, Zl. 96/01/0968, Zl. 96/01/1207, und vom , Zl. 98/01/0220).
Der Gesetzgeber nimmt in den Fällen, in denen der Versagungsgrund erst nach Erbringung des Nachweises über das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband eintritt, die Staatenlosigkeit von Personen in Kauf. ln diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit, BGBl. Nr. 538/1974, keine Bestimmungen enthält, wonach die Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht widerrufen werden dürfte ( Zl. 98/01/0082).
Vor dem Hintergrund der erwähnten, sachlich gebotenen Anpassung des StbG an das NAG, das in Umsetzung der Richtlinie 2003/109/EG vorsieht, dass der Aufenthalt eines Fremden in Österreich zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen darf, und im Lichte des ebenfalls erwähnten, vom Verfassungsgerichtshof festgestellten rechtspolitischen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers hinsichtlich der Verleihung der Österreichischen Staatsbürgerschaft nur an jene Fremden, die ihren Lebensunterhalt in Österreich durch entsprechendes Einkommen oder durch gleichzusetzende Leistungen ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften hinreichend gesichert haben, kann nach Auffassung der Bundesregierung eine Unsachlichkeit des § 20 Abs 2 StbG, der den Widerruf der Zusicherungserklärung lediglich vom Entfall der Voraussetzungen abhängig macht, wie sie für die Verleihung der Staatsbürgerschaft normiert werden, nicht erblickt werden.
2.2. Hinzuweisen ist auch darauf, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen darf; dass dabei Härtefälle entstehen, macht ein Gesetz noch nicht gleichheitswidrig (z.B. VfSlg. 14.268/1995, 17.816/2006).
Abgesehen davon können insbesondere in einer Zusammenschau mit dem aufenthaltsrechtlichen Regime des NAG allfällige Härtefälle vermieden werden. Staatenlose sind per se aufenthaltsrechtlich nicht schlechter gestellt als Drittstaatsangehörige. Die einschlägigen Bestimmungen des NAG lassen in einem schlüssigen und ineinander greifenden System die Heilung von aufenthaltsrechtlichen Mängeln zu. So kann insbesondere im Wege des § 19 Abs 8 Z 3 NAG die Nichtvorlage nicht vorhandener Dokumente, worunter auch der Reisepass fällt, oder eine an sich unzulässige Inlandsantragsstellung nach § 21 Abs 3 NAG saniert werden. Das der fremden Person zustehende Aufenthaltsrecht in Österreich geht in einer solchen Fallkonstellation, auch bei Eintritt von Staatenlosigkeit (aus welchen Gründen auch immer), nicht verloren.
Überdies ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 11 Abs 3 NAG ein Aufenthaltstitel trotz Ermangelung einer Erteilungsvoraussetzung, etwa bei finanzieller Belastung einer Gebietskörperschaft durch den Aufenthalt des Fremden, erteilt werden kann, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist.
Allfällige Härtefälle werden auch dadurch entschärft, dass der einmalige Widerruf der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht bedeutet, dass die Österreichische Staatsbürgerschaft in weiterer Folge zu keiner Zeit mehr an die betroffene Fremde oder den betroffenen Fremden verliehen werden kann. Vielmehr kann dies jederzeit bei Vorliegen der Verleihungsvoraussetzungen erfolgen.
2.3. Neben dem nicht gesicherten Lebensunterhalt führt § 10 Abs 1 StbG auch andere Umstände auf, die zu einem Widerruf des Zusicherungsbescheides führen, unabhängig davon, ob sie der persönlichen Disposition der betroffenen Person unterliegen oder nicht. Der Gesetzgeber hat hier von seinen rechtspolitischen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des oben zitierten Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom , B1103/07, Gebrauch gemacht, ohne das Sachlichkeitsgebot zu verletzen.
ln diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass die Frage, ob eine Notlage im Einzelfall verschuldet oder unverschuldet zustande gekommen ist, schwierig zu beurteilen sein kann. Im vorliegenden Fall stellt der Konkurs der Pizzeria den Grund für das Nichtvorhandensein des erforderlichen Lebensunterhaltes dar. Da die Beschwerdeführerin als selbständige handelsrechtliche Geschäftsführerin der Pizzeria tätig war, kann die entstandene Notlage nicht als völlig unverschuldet angesehen werden. Im Ergebnis wäre daher auch die alte Rechtslage für die Beschwerdeführerin nicht vorteilhafter gewesen.
2.4. Zusammenfassend ist nach Auffassung der Bundesregierung festzuhalten, dass der Wegfall einer Verleihungsvoraussetzung im Zeitraum zwischen Zusicherungsbescheiderlassung und Verleihung der Österreichischen Staatsbürgerschaft zum Widerruf des Zusicherungsbescheides führt. Dass § 20 Abs 2 StbG nicht danach differenziert, ob dem Verleihungswerber ein Verschulden am ungesicherten Lebensunterhalt trifft oder nicht, führt nicht zur Unsachlichkeit der Regelung. Zum Einen wird damit nicht ausgeschlossen, dass die betroffene Person die Staatsbürgerschaft zu einem späteren Zeitpunkt erlangen kann. Zum Anderen hat die fremde Person auch nach Ausscheiden aus ihrem bisherigen Staatsverband in Anwendung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen die Möglichkeit, ihren rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet und ihre Existenzgrundlage zu sichern. Daher wurde der rechtspolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht überschritten."
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. 311, lauten (die in Prüfung gezogene Bestimmung ist hervorgehoben):
1.1. § 10 StbG idF BGBl. I 37/2006 lautet:
"Verleihung
(1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn
1. er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war;
2. er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zugrunde liegenden strafbaren Handlungen auch nach dem inländischen Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, entsprechendem Verfahren ergangen ist;
3. er nicht durch ein inländisches Gericht wegen eines Finanzvergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist;
4. gegen ihn nicht wegen des Verdachtes einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat oder eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig ist;
5. durch die Verleihung der Staatsbürgerschaft die internationalen Beziehungen der Republik Österreich nicht wesentlich beeinträchtigt werden;
6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art 8 Abs 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet;
7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist und
8. er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen der Republik schädigen würde.
(1a) - (2) [...]
(3) Einem Fremden, der eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt, darf die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden, wenn er
1. die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen unterläßt, obwohl ihm diese möglich und zumutbar sind oder
2. auf Grund seines Antrages oder auf andere Weise absichtlich die Beibehaltung seiner bisherigen Staatsangehörigkeit erwirkt.
(4) [...]
(5) Der Lebensunterhalt (Abs1 Z 7) ist dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt für die letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291 a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen.
(6) (Verfassungsbestimmung) Die Voraussetzungen des Abs 1 Z 1 und 7 sowie des Abs 3 entfallen, wenn die Bundesregierung bestätigt, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft wegen der vom Fremden bereits erbrachten und von ihm noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen im besonderen Interesse der Republik liegt."
1.2. § 11 StbG idF BGBl. I 37/2006 lautet:
"Bei Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz ist das Gesamtverhalten des Fremden im Hinblick auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß seiner Integration zu berücksichtigen. Zu dieser zählt insbesondere die Orientierung des Fremden am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich sowie an den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft."
1.3. § 20 StbG idF BGBl. I 124/1998 lautet:
"(1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist einem Fremden zunächst für den Fall zuzusichern, daß er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates nachweist, wenn
1. er nicht staatenlos ist;
2. weder § 10 Abs 6 noch die §§16 Abs 2 oder 17 Abs 4 Anwendungen finden und
3. ihm durch die Zusicherung das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ermöglicht wird oder erleichtert werden könnte.
(2) Die Zusicherung ist zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.
(3) Die Staatsbürgerschaft, deren Verleihung zugesichert wurde, ist zu verleihen, sobald der Fremde
1. aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ausgeschieden ist oder
2. nachweist, daß ihm die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen nicht möglich oder nicht zumutbar waren.
(4) Die Staatsbürgerschaft, deren Verleihung zugesichert wurde, kann verliehen werden, sobald der Fremde glaubhaft macht, daß er für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband Zahlungen zu entrichten gehabt hätte, die für sich allein oder im Hinblick auf den für die gesamte Familie erforderlichen Aufwand zum Anlaß außer Verhältnis gestanden wären.
(5) [...]"
2. Der Gerichtshof übersieht nicht, dass die in Prüfung gezogene Bestimmung seit der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1998, BGBl. I 124/1998, unverändert in Geltung steht. Diese Bestimmung hat aber durch die Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I 37/2006, eine maßgebliche Änderung ihres Inhalts erfahren, die die Bedenken des Gerichtshofes erst hervorgerufen hat: Durch diese Novelle entfiel die Ausnahmebestimmung, wonach das Fehlen eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts der Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht entgegenstand, wenn sich der Staatsbürgerschaftswerber ohne sein Verschulden in einer finanziellen Notlage befand.
III. Erwägungen
1. Prozessvoraussetzungen
Das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig:
1.1. Den vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes, dass das Beschwerdeverfahren, das Anlass zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens gegeben hat, zulässig ist und dass der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Beschwerde die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung anzuwenden hätte, wurde nicht entgegengetreten.
1.2. In von Amts wegen eingeleiteten Normenprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg. 7376/1974, 9374/1982, 11.506/1987, 15.599/1999, 16.195/2001).
Die Bundesregierung vertritt in ihrer Äußerung die Auffassung, dass eine Aufhebung des § 20 Abs 2 StbG zwar bewirken würde, dass eine Zusicherungserklärung nicht mehr widerrufen werden könne, das Verleihungsansuchen aber auf Grund des Fehlens der Voraussetzung des § 10 Abs 1 Z 7 StbG oder jeder anderen Voraussetzung des § 10 Abs 1 StbG auch nach Vorlage des Ausbürgerungsnachweises abzuweisen wäre. Die Rechtsposition der Beschwerdeführerin im Anlassverfahren würde sich auch nach einer allfälligen Aufhebung im Ergebnis nicht ändern.
Selbst wenn dieser Einwand zuträfe, ist der Bundesregierung entgegenzuhalten, dass es keine Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Gesetzesprüfungsverfahrens ist, dass die bereinigte Rechtslage für den Beschwerdeführer im Anlassverfahren günstiger ist als diejenige, auf Grund welcher die angefochtene Entscheidung erlassen wurde (vgl. VfSlg. 10.689/1985, 16.403/2001, 17.680/2005).
1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.
2. In der Sache
Das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, dass § 20 Abs 2 StbG im Zusammenhalt mit § 10 Abs 1 Z 7 und Abs 5 StbG in den Fällen, in denen auf Grund des Zusicherungsbescheides der Verleihungswerber bereits aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ausgeschieden ist, zu einem unsachlichen Ergebnis führt, konnte im Gesetzesprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:
2.1. Durch den Zusicherungsbescheid soll dem Fremden das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erleichtert oder ermöglicht werden. Die Zusicherung begründet einen nur durch den Nachweis des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband bedingten Anspruch auf Verleihung (vgl. mwH). Durch § 20 Abs 2 StbG wird trotz dieses bereits bestehenden bedingten Anspruches auf Verleihung der Staatsbürgerschaft ausnahmslos der Widerruf der Zusicherung vorgesehen, wenn auch nur eine der für die Verleihung erforderlichen Voraussetzungen wegfällt.
Damit wirkt der Wegfall der im StbG definierten Verleihungsvoraussetzungen, die im Zeitpunkt der Zusicherung bereits vorgelegen waren - weshalb der bedingte Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft nur mehr die Zurücklegung der bisherigen Staatsangehörigkeit erfordert - auch in diesem fortgeschrittenen Verfahrensstadium gleichermaßen "anspruchsvernichtend", etwa unabhängig davon, ob den Fremden ein Verschulden am Wegfall der Verleihungsvoraussetzung trifft.
2.2. Es kommt hinzu, dass gerade das für die Verleihung der Staatsbürgerschaft notwendige Ausscheiden aus dem fremden Staatsverband (§10 Abs 3 StbG) im Falle eines unverschuldeten Arbeitsplatzverlustes nach Zurücklegung der fremden Staatsangehörigkeit und vor Zuerkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft - wie im Anlassverfahren - dazu führen kann, dass keine legale Beschäftigung erlangt werden kann: In einem solchen Fall führt sohin die Herstellung einer Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft (Zurücklegung der fremden Staatsangehörigkeit) gleichzeitig zum Eintritt eines Versagungsgrundes (mangels Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel zu erlangen und damit den Lebensunterhalt zu sichern).
2.3. Auch die von der Bundesregierung ins Treffen geführte, ihrer Auffassung nach sachlich gebotene Anpassung des StbG an das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (im Folgenden: NAG), das in Umsetzung der RL 2003/109/EG betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen, ABl. 2004 L 16, S 44, nunmehr vorsieht, dass der Aufenthalt eines Fremden in Österreich zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen darf, vermag an der Unsachlichkeit der undifferenzierten Widerrufsmöglichkeit nichts zu ändern: Die allfällige Möglichkeit, gemäß § 11 Abs 3 NAG einen Aufenthaltstitel trotz Ermangelung der Erteilungsvoraussetzung der ausreichenden finanziellen Absicherung zu gewähren, ist entgegen der Rechtsansicht der Bundesregierung nicht ausreichend, um die Unsachlichkeit des § 20 Abs 2 StbG zu beseitigen, weil es sich dabei um eine Ermessensbestimmung handelt, der auch ein anderer Regelungsgegenstand zu Grunde liegt und im Übrigen § 20 StbG auch auf Anträge auf Verleihung der Staatsbürgerschaft anzuwenden ist, die nicht Personen betreffen, die über Aufenthaltstitel nach dem NAG verfügen.
2.4. Obwohl es grundsätzlich im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt, die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nur an Fremde vorzusehen, die ihren Lebensunterhalt in Österreich durch entsprechendes Einkommen oder durch gleichzusetzende Leistungen ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen hinreichend gesichert haben, ist es ihm aus Sachlichkeitsgründen verwehrt, bei der Beseitigung des mit dem Zusicherungsbescheid bedingt erworbenen Rechtsanspruchs auf Verleihung der Staatsbürgerschaft etwa schwerwiegende Straftaten einerseits und unverschuldete Notsituationen andererseits gleich zu behandeln. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die österreichische Staatsbürgerschaft in weiterer Folge über neuerlichen Antrag doch noch verliehen werden könnte.
2.5. Dem Einwand der Bundesregierung, dass ein Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft auch nach Aufhebung des § 20 Abs 2 StbG trotz Vorliegens eines Zusicherungsbescheides abzuweisen wäre, wenn auch nur eine der Verleihungsvoraussetzungen nicht vorliegt, ist entgegenzuhalten, dass § 20 Abs 3 StbG, wonach die Staatsbürgerschaft, deren Verleihung zugesichert wurde, zu verleihen ist, sobald der Fremde aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ausgeschieden ist oder nachweist, dass ihm die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen nicht möglich oder nicht zumutbar waren, nach der bereinigten Rechtslage nunmehr so zu lesen ist, dass der Zeitpunkt der Erlassung des Zusicherungsbescheides für die Beurteilung des Vorliegens der Verleihungsvoraussetzungen bestimmend ist.
Da es der Staatsbürgerschaftsbehörde auf Grund der bereinigten Rechtslage nach Aufhebung des § 20 Abs 2 StbG verwehrt ist, nochmals über die bereits bejahten Verleihungsvoraussetzungen abzusprechen, hat sie bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft nur noch darüber abzusprechen, ob der Staatsbürgerschaftswerber die gemäß § 20 Abs 3 StbG vorgesehenen Erfordernisse erfüllt.
2.6. Zusammenfassend ist daher § 20 Abs 2 StbG mangels Differenzierung im Hinblick auf die Gründe für den Widerruf der Zusicherung der Staatsbürgerschaft unsachlich und verstößt somit gegen ArtI Abs 1 B-VG zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973.
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. § 20 Abs 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. 311, idF BGBl. I 37/2006 ist sohin als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Da es dem Gesetzgeber freisteht, bei Vorliegen schwerwiegender Gründe einen Widerruf des Zusicherungsbescheides vorzusehen, sieht sich der Verfassungsgerichtshof veranlasst, gemäß Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B-VG eine Frist bis zum für das Außer-Kraft-Treten der aufgehobenen Gesetzesstelle zu bestimmen.
3. Beim Verwaltungsgerichtshof ist eine größere Anzahl von Beschwerden gegen Bescheide anhängig, die sich gleichfalls auf die als verfassungswidrig erkannte Bestimmung stützen. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich daher veranlasst, von der ihm durch Art 140 Abs 7 B-VG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Anlassfallwirkung auf die zum Zeitpunkt des Beginns seiner Beratung beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Fälle auszudehnen.
4. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.
5. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.