VfGH vom 22.06.2005, G152/04

VfGH vom 22.06.2005, G152/04

Sammlungsnummer

17593

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit der in der Oö Bauordnung 1994 normierten Einschränkung der Parteistellung von Nachbarn im Baubewilligungsverfahren für Wohngebäude auf Eigentümer unmittelbar angrenzender Grundstücke (Anrainer)

Spruch

I. § 31 Abs 1 Z 1 sowie die Worte "anderen" und "zusätzlich" in § 31 Abs 1 Z 2 der Oö. Bauordnung 1994, LGBl. für Oberösterreich Nr. 66, idF LGBl. Nr. 70/1998 werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Landeshauptmann von Oberösterreich ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

II. Die Anträge des Verwaltungsgerichtshofes werden im Übrigen zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. § 31 der Oö. Bauordnung 1994, LGBl. 66, idF LGBl. 70/1998 (im Folgenden: Oö. BauO 1994), dessen Aufhebung vom Verwaltungsgerichtshof zur Gänze begehrt wird (s. Pkt. I.1.) und den der Verfassungsgerichtshof hinsichtlich der hervorgehobenen Gesetzesstellen von Amts wegen in Prüfung gezogen hat (s. Pkt. I.2.), lautet:

"§31

Einwendungen der Nachbarn

(1) Nachbarn sind

1. bei Wohngebäuden einschließlich der zugehörigen Stellplätze für Kraftfahrzeuge sowie der allenfalls vorgeschriebenen Neben- und Gemeinschaftsanlagen: die Eigentümer und Miteigentümer der Grundstücke, die an das zu bebauende Grundstück unmittelbar angrenzen (Anrainer);

2. bei allen anderen Bauvorhaben sowie für die Nachbarrechte im Sinn des Abs 5: zusätzlich jene Eigentümer und Miteigentümer der Grundstücke, die vom zu bebauenden Grundstück höchstens 50 Meter entfernt sind, jedoch nur unter der Voraussetzung, daß diese Eigentümer und Miteigentümer durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können.

Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind Grundeigentümern gleichgestellt.

(2) Sind die Miteigentümer der Grundstücke, auf denen das Bauvorhaben ausgeführt werden soll, Wohnungseigentümer nach dem Wohnungseigentumsgesetz 1975 und ist ihre Zustimmung nach § 28 Abs 2 Z. 2 nicht erforderlich, gelten auch diese Miteigentümer als Nachbarn, wenn ihre Wohnung (Räumlichkeit oder damit verbundener Teil der Liegenschaft) unmittelbar an jene Räumlichkeit oder jenen Teil der Liegenschaft angrenzt, in der oder auf dem das beantragte Bauvorhaben durchgeführt werden soll.

(3) Nachbarn können gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind.

(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen. Ein Schutz gegen Immissionen besteht jedoch insoweit nicht, als die Nachbargrundstücke oder die darauf allenfalls errichteten Bauten nicht für einen längeren Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind und die Errichtung solcher Bauten auf Grund faktischer oder rechtlicher Umstände auch in Hinkunft nicht zu erwarten ist. Als längerer Aufenthalt gilt dabei jedenfalls nicht ein wenn auch mehrmaliger oder öfterer, jeweils aber nur kurzzeitiger vorübergehender Aufenthalt von Menschen. Überdies kann der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen nicht dazu führen, daß die Baubewilligung für ein Bauvorhaben, das nach der für das Baugrundstück geltenden Flächenwidmung zulässig ist, grundsätzlich versagt wird.

(5) Beim Neubau von Wohngebäuden auf bisher unbebauten Grundstücken (heranrückende Bebauung) sind auch Einwendungen zu berücksichtigen, mit denen Immissionen geltend gemacht werden, die von einer bestehenden benachbarten Betriebsanlage ausgehen und auf das geplante Bauvorhaben einwirken. Dies gilt jedoch nur für Immissionen, die auf Grund rechtskräftiger Bescheide zulässig sind. In diesem Fall hat der Nachbar die entsprechenden Nachweise beizubringen.

(6) Bei baulichen Anlagen, die auch einer gewerbebehördlichen Genehmigung bedürfen, sind Einwendungen der Nachbarn, mit denen der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen geltend gemacht wird, nur zu berücksichtigen, soweit sie die Frage der Zulässigkeit der Betriebstype in der gegebenen Widmungskategorie betreffen."

1. Der Verwaltungsgerichtshof stellt aus Anlass dreier bei ihm anhängiger Beschwerden die hg. zu G152/04 und G174/04 protokollierten Anträge, § 31 Oö. BauO 1994 idF LGBl. 70/1998 zur Gänze, in eventu aber nur dessen Abs 1 als verfassungswidrig aufzuheben.

1.1. Diesen Beschwerden liegen - zusammengefasst - folgende Sachverhalte zugrunde:

Die beim Verwaltungsgerichtshof beschwerdeführenden Liegenschaftseigentümer haben gegen drei für die Errichtung von Reihenhäuser erteilte Baubewilligungen Berufung erhoben, welche mangels Nachbareigenschaft und damit Parteistellung jeweils als unzulässig zurückgewiesen wurde. Den dagegen erhobenen Vorstellungen gab die Oberösterreichische Landesregierung mit den nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden keine Folge: Die jeweilige Berufung sei zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden, weil den Beschwerdeführern, da deren Grundstück von den bewilligungserheblichen Baugrundstücken jedenfalls durch eine Straße, zum Teil auch durch ein weiteres Grundstück getrennt sei, gemäß § 31 Abs 1 Oö. BauO 1994 idF LGBl. 70/1998 keine Parteistellung als Nachbarn zukomme.

1.2. Der Verwaltungsgerichtshof führt im zu G152/04 protokollierten Antrag zur Frage der Präjudizialität (und zum Anfechtungsumfang) aus, dass die Behörde angesichts der Bauansuchen vom und vom , die sich von bisherigen (bewilligten) Ansuchen unterschieden haben, unter Bedachtnahme auf die Übergangsbestimmung des ArtII Abs 3 der Oö. BauO-Novelle 1998, LGBl. 70, zu Recht auf die Bestimmung des § 31 Abs 1 Z 1 der Oö. BauO 1994 idF LGBl. 70/1998 berufen habe, wonach bei Wohngebäuden nur die unmittelbaren Anrainer Nachbarn sind:

"Die Projekte betreffen Wohngebäude mit Stellplätzen, sodass sie dieser Bestimmung zuzuordnen sind. Nur Nachbarn im Sinne dieser Bestimmung können gemäß § 31 Abs 3 Einwendungen erheben, nur deren Einwendungen sind nach § 31 Abs 4 BO zu beurteilen. Personen, die nach der Gesetzesdefinition keine Nachbarn sind, können sich daher auch nicht, wie die Beschwerdeführer meinen, losgelöst von ihrer Legitimation auf § 31 Abs 4 BO stützen, weil auch diese Bestimmung ausdrücklich auf die Einwendungen der Nachbarn Bezug nimmt. Wenn § 32 Abs 1 BO 'Nachbarn' als Parteien des Bauverfahrens bezeichnet, dann handelt es sich um jenen Personenkreis, der in § 31 Abs 1 BO definiert ist. Auch aus der in § 32 Abs 1 BO enthaltenen Präklusionsregelung ergibt sich, dass nur die Personen des § 31 Abs 1 BO Nachbarn sind, weil ansonsten für Eigentümer von nichtanrainenden Grundstücken, wie die Beschwerdeführer, die Präklusionsregelung nicht gelten würde."

Die Frage, ob eine Person als Nachbar Parteistellung im Baubewilligungsverfahren habe, sei somit anhand des § 31 Abs 1 Oö. BauO 1994 zu prüfen.

Hinsichtlich des Anfechtungsumfanges weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass er sich

"[a]us den vom Verfassungsgerichtshof im ... Erkenntnis vom [VfSlg. 16.981] angestellten Erwägungen ... veranlasst [sieht], § 31 B[au]O insgesamt anzufechten. Dass der Abs 1 des § 21 Burgenländisches Baugesetz aufzählt, wer Partei des Bauverfahrens ist, während § 31 Abs 1 der hier anzuwendenden B[au]O den in weiterer Folge stets verwendeten Nachbarbegriff definiert, macht keinen wesentlichen Unterschied. Entscheidend ist die Bezugnahme in den Folgeabsätzen auf die Definition im Abs 1. Auch hier dürfte somit ein untrennbarer Zusammenhang vorliegen".

Sollte der Verfassungsgerichtshof diese Auffassung nicht teilen, wird eventualiter der Antrag gestellt, nur den Abs 1 des § 31 Oö. BauO 1994 aufzuheben; eine Beschränkung auf die Z 1 des § 31 Abs 1 leg.cit. kommt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht in Betracht, weil diesfalls ein dem Gesetzgeber nicht zusinnbarer Inhalt verbliebe.

1.3. Der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen die angefochtene Regelung das Bedenken, dass der damit angeordnete Ausschluss der Parteistellung trotz seiner Beschränkung auf die Wohnbebauung sachlich nicht gerechtfertigt sei:

"Der Verfassungsgerichtshof hat zuletzt in seinem Erkenntnis vom , G222/01, betreffend die Beschränkung der Parteistellung der Nachbarn auf die Eigentümer unmittelbar anrainender Grundstücke in § 21 Abs 1 Z. 2 des Burgenländischen Baugesetzes auf seine Vorjudikatur hingewiesen, wonach die Prüfung erforderlich ist,

'ob die Differenzierung der Parteirechte in Bezug auf die Regelung wesentlich und andererseits im Hinblick auf die im jeweiligen Verwaltungsverfahren zu berücksichtigenden Interessen durch Unterschiede im Tatsächlichen begründet ist. Er hat die Beschränkung der Parteistellung auf Grundeigentümer, deren Grundstücke in einer bestimmten Entfernung vom Grundstück des Bauwerbers gelegen sind, dann für sachlich angesehen, wenn diese Grundeigentümer nach einer Durchschnittsbetrachtung der typischerweise vom Bauwerk selbst ausgehenden Gefahren durch eine Bauführung in ihren durch das Gesetz geschützten Interessen betroffen werden.'

Diese Betroffenheitsdichte wird zweifelsohne dadurch gemildert, dass der Oberösterreichische Landesgesetzgeber die Beschränkung des Ausschlusses nur für die Wohnbebauung fixiert hat, weil in solchen Fällen mit einer besonderen Immissionsbelastung typischerweise nicht gerechnet werden muss. Betrachtet man allerdings die zu Wohngebäuden üblicherweise gehörenden Nebenanlagen, wie beispielsweise Stellplätze (über das Pflichtausmaß), ist der vorgenommene Ausschluss bei noch so schmalen Zwischengrundstücke nicht erklärbar.

Aber auch bezüglich der übrigen 'klassischen' Nachbarrechte, wie etwa auf Einhaltung der Gebäudehöhe und des Seitenabstandes, ist die vorgenommene Differenzierung zwischen Wohngebäuden und anderen Bauvorhaben nicht gerechtfertigt. Durch das Vorhandensein einer schmalen Wegparzelle (denkbar ist auch der Stangenteil eines Fahnengrundstückes) ist eine Beeinträchtigung der Belichtungsverhältnisse auf Nachbargrundstücke nicht auszuschließen. Ein solcher Nachbar kann sich zwar gegen eine schattenwerfende Einfriedung, aber nicht gegen ein schattenwerfendes Wohngebäude zur Wehr setzen. Auch in Anbetracht anderer in § 31 Abs 4 BO demonstrativ aufgezählter Nachbarrechte ist die Sachlichkeit der zwischen § 31 Abs 1 Z. 1 und Z. 2 BO vorgenommenen Differenzierung nicht ausnehmbar: So kann sich etwa bei offener Bauweise der (geringfügig entfernte) Nachbar gegen ein an der Grundgrenze errichtetes Gebäude nur dann zur Wehr setzen, wenn dieses Gebäude nicht Wohnzwecken dient. Die Überschreitung der Bebauungsdichte kann er nur dann geltend machen, wenn diese Überschreitung nicht durch Wohngebäude erfolgt.

Jedenfalls wurde eine derartige Differenzierung den Anforderungen, die der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss zu § 25 Abs 2 Tiroler Bauordnung 1998 (wiedergegeben unter Punkt 4. des Erkenntnisses VfSlg. 16.040) genannt hat, nicht gerecht:

'Beschränkt der Gesetzgeber das Mitspracherecht im Baubewilligungsverfahren auf die Möglichkeit, nur bestimmte Interessenlagen geltend zu machen, so muss ein sachlicher Grund dafür gegeben sein, dass der Nachbar nur diese bestimmten Interessenlagen im Bauverfahren rechtswirksam durchsetzen kann.'

Zusammenfassend erachtet der Verwaltungsgerichtshof somit den hier gegebenen Ausschluss der Parteistellung trotz seiner Beschränkung auf die Wohnbebauung als sachlich nicht gerechtfertigt (vgl auch Neuhofer, Oö. Baurecht 2000, 189)."

2. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1839/02 eine Beschwerde gemäß Art 144 B-VG gegen einen (Vorstellungs-)Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

2.1. Die nunmehrigen Beschwerdeführer beantragten die Zustellung eines Baubewilligungsbescheides für den Neubau eines Hauses für betreubares Wohnen mit dreizehn Wohnungen samt Geschäft und Büro im Erdgeschoß mit Teilunterkellerung. Dieser Antrag wurde im innergemeindlichen Instanzenzug zurückgewiesen, weil es sich bei dem vorliegenden Bauvorhaben um ein Wohngebäude handle und den Einschreitern gemäß § 31 Abs 1 Z 1 Oö. BauO 1994 als Eigentümer eines nicht unmittelbar angrenzenden Grundstückes, das vom Baugrundstück durch eine schmale Straße getrennt ist, keine Nachbarparteistellung zukomme. Der dagegen erhobenen Vorstellung blieb der Erfolg versagt.

2.2. Aus Anlass der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 31 Abs 1 Z 1 sowie der Worte "anderen" und "zusätzlich" in § 31 Abs 1 Z 2 Oö. BauO 1994 idF LGBl. 70/1998 ein. Dieses ist zu G165/04 protokolliert.

2.2.1. Er ging in diesem Beschluss vorläufig davon aus, dass die Beschwerde zulässig ist, dass die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides § 31 Abs 1 Z 1 Oö. BauO 1994 angewendet hat und daher auch der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Beschwerde diese Bestimmung anzuwenden hätte und schließlich dass die zur Abgrenzung zur Z 1 normierten Worte "anderen" sowie "zusätzlich" in der Z 2 dieser Bestimmung damit in einem untrennbaren Zusammenhang stünden.

2.2.2. Der Verfassungsgerichtshof hegte - unter Bezugnahme auf seine Vorjudikatur (VfSlg. 10.844/1986, 15.581/1999, 16.981/2003; ) - gegen die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen das Bedenken, dass durch diese Vorschrift in sachlich nicht gerechtfertigter Weise die Nachbar- und damit die Parteistellung in Baubewilligungsverfahren für Wohngebäude jenen Grundstückseigentümern vorbehalten werde, deren Grundstücke "an das zu bebauende Grundstück unmittelbar angrenzen (Anrainer)". Diese Regelung dürfte nicht hinreichend berücksichtigen, dass

"sich - ausgehend von einer Durchschnittsbetrachtung - die Betroffenheit benachbarter Grundeigentümer durch baulich bedingte Immissionen einer bestimmten vom Gesetzgeber als Kriterium stillschweigend angenommenen Intensität nicht auf jene Fälle beschränkt, in denen das Grundstück eines Grundeigentümers an das zu bebauende Grundstück angrenzt.

Die bloße Anrainereigenschaft als Voraussetzung der nachbarrechtlichen Parteistellung im Baubewilligungsverfahren für Wohngebäude dürfte schon deswegen der sachlichen Rechtfertigung entbehren, weil die gemeinsame Grundgrenze keinen zureichenden Indikator für die von einem Bauwerk ausgehenden Emissionen bildet, mag es sich auch - nur - um Wohngebäude handeln. Einerseits kann ein Wohngebäude auf einem großen Grundstück so errichtet werden, dass trotz der gemeinsamen Grundgrenze auf dem anrainenden Grundstück schon auf Grund seiner Entfernung vom Bauwerk keine Immissionen zu erwarten sind. Andererseits geht durch die Abtrennung einer geringfügigen Liegenschaftsfläche, etwa für Verkehrszwecke, vom Baugrundstück die Anrainereigenschaft eines benachbarten Grundstücks - trotz gleich bleibender Immissionsbelastung - und damit die nachbarrechtliche Parteistellung des benachbarten Grundstückseigentümers verloren."

Der Verfassungsgerichtshof hegte sohin das Bedenken, dass das Anknüpfen an die Anrainereigenschaft für die nachbarrechtliche Parteistellung im Baubewilligungsverfahren für Wohngebäude gemäß § 31 Abs 1 Z 1 Oö. BauO 1994 gemeinsam mit den Worten "anderen" und "zusätzlich" in der Z 2 des § 31 Abs 1 Oö. BauO 1994 dem Gleichheitssatz widerspricht. Durch diese Worte werde nämlich bewirkt, dass die (- an sich sachlich gerechtfertigte, vgl. /0263, -) 50 m-Grenze als Kriterium für die Parteistellung von Nachbarn bei Wohnbauten in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise keine Anwendung findet.

3. Die Oberösterreichische Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie zunächst die Unzulässigkeit der Anträge des Verwaltungsgerichtshofes einwendet und deren Zurückweisung begehrt.

3.1.1. Der vom Verwaltungsgerichtshof für die Präjudizialität des gesamten § 31 Oö. BauO 1994 ins Treffen geführte untrennbare Zusammenhang liege bereits deshalb nicht vor, weil der Oö. Baurechtsgesetzgeber - im Gegensatz zu § 21 des Bgld. BauG - in den Abs 2 bis 6 des § 31 Oö. BauO 1994 nicht den Begriff des "Anrainers" verwende, sondern jeweils vom umfassenden Begriff des "Nachbarn" ausgehe.

Selbst wenn man der Argumentation des Verwaltungsgerichtshofes folgen würde, dass "die Bezugnahme in den Folgeabsätzen auf die Definition im Abs 1" entscheidend sei und somit ein untrennbarer Zusammenhang vorliege, würde dies jedoch bereits deswegen eine unzulässige Abgrenzung des Anfechtungsgegenstandes bewirken, weil sich Bezugnahmen auf die im § 31 Abs 1 Oö. BauO 1994 normierte Definition des Nachbarn im Bauverfahren auch noch in zahlreichen weiteren Bestimmungen der Oö. BauO 1994 fänden (es folgen Beispiele). Folgerichtig müsste dann jedoch auch hinsichtlich all dieser weiteren Bestimmungen der Oö. BauO 1994 jeweils ein untrennbarer Zusammenhang gegeben sein, sodass - selbst wenn man dem Verwaltungsgerichtshof bezüglich seines Vorbringens zum untrennbaren Zusammenhang folgen würde - bereits aus diesem Grund der Hauptantrag wegen des jedenfalls unrichtig abgegrenzten Anfechtungsumfangs als unzulässig zurückzuweisen wäre.

3.1.2. Der Hauptantrag des Verwaltungsgerichtshofes erweise sich jedoch - kraft Größenschlusses - auch deshalb als überschießend und somit unzulässig, weil sich auch bereits der Eventualantrag aus folgenden Gründen als überschießend und somit unzulässig erweise:

"Eine Aufhebung des § 31 Abs 1 oder des gesamten § 31 Oö. Bauordnung 1994 - wie vom Verwaltungsgerichtshof beantragt - hätte nämlich zur Folge, dass der - in der Oö. Bauordnung 1994 dann vollkommen ungeregelte - Begriff des 'Nachbarn' (etwa in den Bestimmungen der §§32 und 33 Oö. Bauordnung 1994) sowie die sich daraus ergebenden Rechte anhand der die Parteistellung im Verwaltungsverfahren allgemein regelnden Norm des § 8 AVG determiniert werden müssten. Gerade dies würde jedoch den in Rede stehenden gesetzlichen Bestimmungen zum Begriff des Nachbarn - entgegen der aufgezeigten ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs - in der Tat wohl einen völlig veränderten Inhalt geben, jedenfalls aber in einem weitaus stärkeren Ausmaß als bei bloßer Aufhebung des § 31 Abs 1 Z. 1 Oö. Bauordnung 1994, der nur zum Entfall des (engeren) Nachbarbegriffs im Fall von Wohngebäuden führen würde. Die vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Rechtsansicht, dass bei einer 'Beschränkung bloß auf die Z. 1 des § 31 Abs 1 BO ein dem Gesetzgeber nicht zusinnbarer Inhalt verbliebe', spricht daher gerade gegen eine Aufhebung des gesamten § 31 sowie auch des gesamten § 31 Abs 1 Oö. Bauordnung 1994."

Dass ein entsprechender mit der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes im Einklang stehender - Umfang des Antrages möglich gewesen wäre, zeige der seitens des Verfassungsgerichtshofes in seinem Beschluss B1839/02-7 vom gewählte Prüfungsumfang (s. Pkt. I.2.2.)

Da auch der Verwaltungsgerichtshof keine anderen Bedenken als die, die die Parteistellung bei Wohngebäuden (und damit § 31 Abs 1 Z 1 Oö. BauO 1994) zum Gegenstand haben, vortrage, fehle es in Ansehung der anderen mitangefochtenen Bestimmungen an der Darlegung von Bedenken im Einzelnen.

3.2. In der Sache selbst vertritt die Oberösterreichische Landesregierung die Auffassung, dass die Bestimmung des § 31 Abs 1 Z 1 Oö. BauO 1994, welche die Parteistellung bei Wohngebäuden auf jene Eigentümer und Miteigentümer der Grundstücke einschränkt, die an das zu bebauende Grundstück unmittelbar angrenzen (Anrainer), mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar und somit verfassungskonform sei. Dies deshalb, weil aus der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes folge, dass eine Beschränkung von Parteirechten dann als sachlich gerechtfertigt angesehen werden könne, wenn Grundeigentümer, denen nach der betreffenden Bestimmung keine Parteistellung zukommt, unter Zugrundelegung einer Durchschnittsbetrachtung von den typischerweise vom Bauwerk ausgehenden Gefahren in ihren Interessen nicht betroffen werden. Gerade diese Voraussetzung treffe jedoch im Hinblick auf die Regelung des § 31 Abs 1 Z 1 Oö. BauO 1994 auf die mit einem Wohngebäude typischerweise verbundenen Gefahren aus folgenden Überlegungen zu:

"Gemäß § 5 Z. 1 Oö. Bautechnikgesetz ist bei Neu- und Zubauten zu den seitlichen und zur inneren (hinteren) Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze(n) in der Regel ein Mindestabstand von 3 m einzuhalten. Gemäß § 5 Z. 2 Oö. Bautechnikgesetz muss dieser Abstand im übrigen bei Gebäudeteilen, die höher als 9 m sind, wenigstens ein Drittel ihrer Höhe betragen. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich somit, dass nach den Abstandsregelungen des oberösterreichischen Baurechts grundsätzlich zu den Nachbargrundgrenzen ein Abstand von mindestens 3 m einzuhalten ist (Bauwich).

Es ist nunmehr davon auszugehen, dass die Parteistellung der Anrainer bei Wohngebäuden gemäß § 31 Abs 1 Z. 1 Oö. Bauordnung 1994 primär der Information der Anrainer dient, welches Bauvorhaben auf dem benachbarten Baugrundstück jeweils in Planung ist bzw. ausgeführt werden soll. In diese Systematik passen sich z.B. auch - auf Grund der daraus resultierenden Vereinfachung - die Bestimmungen betreffend die Baufreistellung gemäß § 25 Abs 1 Z. 1 Oö. Bauordnung 1994 ein, wonach etwa der Neu-, Zu- und Umbau von Kleinhausbauten und von sonstigen Wohngebäuden, ausgenommen Hochhäuser, einschließlich der zugehörigen Stellplätze für Kraftfahrzeuge sowie der allenfalls vorgeschriebenen Neben- und Gemeinschaftsanlagen unter anderem dann nur mehr einer bloßen Anzeige bei der Baubehörde vor Beginn der Bauausführung bedarf, wenn die Nachbarn durch ihre Unterschrift auf dem Bauplan erklärt haben, gegen das Bauvorhaben keine Einwendungen zu erheben.

Vom Standpunkt der Immissionen können bei den von § 31 Abs 1 Z. 1 Oö. Bauordnung 1994 umfassten Bauvorhaben - ausgehend von einer Durchschnittsbetrachtung - in aller Regel allenfalls statische Erwägungen (etwa hinsichtlich der Baugrube, von Hangrutschungen oder dergleichen) schlagend werden; gerade auch zur Eindämmung dieser vom Nachbargrundstück ausgehenden Gefahren gibt es aber grundsätzlich den Bauwich und somit einen gesetzlich vorgesehenen Mindestabstand zur Nachbargrundgrenze von 3 m, wobei der oberösterreichische Baugesetzgeber - in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise wiederum ausgehend von einer Durchschnittsbetrachtung - davon ausging, dass gerade für diese bei Wohngebäuden typischerweise möglichen Immissionsgefahren der Abstand des Bauwich von mindestens 3 m als ausreichend dafür betrachtet werden kann, gerade diesen Gefahren vorzubeugen."

Dem vom Verfassungsgerichtshof in seinem Einleitungsbeschluss weiters gehegten Bedenken, dass

"[d]ie bloße Anrainereigenschaft als Voraussetzung der nachbarrechtlichen Parteistellung im Baubewilligungsverfahren für Wohngebäude ... schon deswegen der sachlichen Rechtfertigung entbehren [dürfte], weil die gemeinsame Grundgrenze keinen zureichenden Indikator für die von einem Bauwerk ausgehenden Emissionen bildet, mag es sich auch - nur - um Wohngebäude handeln",

hält die oberösterreichische Landesregierung entgegen, dass

"das Anknüpfen an die Grundgrenze - abgesehen von der sich dadurch ergebenden, auch der Verfahrensökonomie dienenden, eindeutigen Feststellbarkeit der an einem Bauverfahren jeweils zu beteiligenden Nachbarn und der daraus in weiterer Folge resultierenden Rechtssicherheit sowohl für die Behörde als auch für den Bauwerber und für die Nachbarn - offensichtlich auch weder seitens des Verwaltungsgerichtshofs noch seitens des Verfassungsgerichtshofs auf generelle gleichheitsrechtliche Bedenken stößt, gehen doch beide Gerichtshöfe in den bereits zitierten Erkenntnissen und Beschlüssen davon aus, dass gegen die - ebenfalls auf die Grundgrenze rekurrierende - Bestimmung des § 31 Abs 1 Z. 2 Oö. Bauordnung 1994 keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen".

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO (§35 Abs 1 VfGG) zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Verfahren erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

1.1. Es ist nichts hervorgekommen, was daran zweifeln ließe, dass die den Anlass zu dieser Gesetzesprüfung bildenden Beschwerden zulässig sind und die beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts § 31 Abs 1 Z 1 Oö. BauO 1994 idF LGBl. 70/1998 bei Beurteilung der jeweiligen Beschwerde anzuwenden haben.

1.2.1. In von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg. 7376/1974, 9374/1982, 11.506/1987, 16.195/2001).

Die Grenzen der Aufhebung müssen auch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (VfSlg. 6674/1972, 8155/1977, 9374/1982, 11.455/1987, 13.965/1994 mwN, 16.542/2002).

1.2.2. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner im Einleitungsbeschluss vorläufig geäußerten Auffassung, dass angesichts der von ihm geäußerten Bedenken Sitz der allfälligen Verfassungswidrigkeit § 31 Abs 1 Z 1 der Oö. BauO 1994 ist und die zur Abgrenzung zur Z 1 dienenden Worte "anderen" und "zusätzlich" in der Z 2 dieser Bestimmung damit eine untrennbare Einheit bilden. Dieser Auffassung ist auch die Oberösterreichische Landesregierung nicht entgegengetreten.

1.2.3. Eine weitergehende Aufhebung ist - anders als im Fall des § 21 Bgld. BauG (s. VfSlg. 16.981/2003), dessen Abs 1 neben dem Bauwerber lediglich den Anrainern Parteistellung einräumte und dessen Abs 2 bis 4 "Anrainern" bestimmte Rechte gewährte - zur Beseitigung einer allfälligen Verfassungswidrigkeit der eingeschränkten Parteistellung nicht erforderlich.

Damit erweisen sich aber die vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Anträge, denen dieselben Bedenken zugrunde liegen wie dem Gesetzesprüfungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes, auf Aufhebung des § 31 Oö. BauO 1994 bzw. dessen Abs 1 als zu weit. Sie sind daher, soweit sie über die Z 1 und die Worte "anderen" und "zusätzlich" in der Z 2 des § 31 Abs 1 Oö. BauO 1994 hinausgehen, also in ihrem überschießenden Teil, zurückzuweisen.

1.3. Da darüber hinausgehende Prozesshindernisse weder behauptet noch sonst hervorgekommen sind, erweisen sich sowohl das von Amts wegen eingeleitete als auch die vom Verwaltungsgerichtshof initiierten Gesetzesprüfungsverfahren in Bezug auf § 31 Abs 1 Z 1 BauO 1994 idF LGBl. 70/1998 und die Worte "anderen" und "zusätzlich" in der Z 2 dieser Bestimmung als zulässig.

2. In der Sache treffen die vom Verwaltungsgerichtshof in seinen Anträgen ebenso wie vom Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss dargestellten Bedenken entgegen der Auffassung der Oberösterreichischen Landesregierung zu:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Judikatur stets (vgl. VfSlg. 6664/1972 und 6808/1972 sowie für den Bereich des Baurechts VfSlg. 8279/1978) die Auffassung vertreten, dass abgesehen von Einzelfällen (wie gemäß Art 119a Abs 9 B-VG) keine Verfassungsnorm besteht, "die Parteirechte in einem Verfahren überhaupt oder in einen bestimmten Umfang garantiert. Den Umfang der Parteirechte in einem Verwaltungsverfahren bestimmt der einfache Gesetzgeber". Das die Parteirechte bestimmende Gesetz kann allerdings aus einem anderen Grund, etwa wegen mangelnder Determinierung (Art18 B-VG) oder wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot (Art7 B-VG, Art 2 StGG) verfassungswidrig sein.

In Anknüpfung an diese Rechtsprechung konkretisierte der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 10.844/1986 (zum Salzburger Baurecht) die gleichheitsrechtlichen Anforderungen an gesetzliche Regelungen über die Parteistellung für Nachbarn im Baubewilligungsverfahren.

Zusammenfassend hat der Verfassungsgerichtshof dazu in VfSlg. 15.581/1999, S 126, ausgesprochen:

"Der VfGH hat also in seiner Vorjudikatur stets im Einzelfall geprüft, ob die Differenzierung der Parteirechte einerseits in bezug auf die Regelung wesentlich und andererseits im Hinblick auf die im jeweiligen Verwaltungsverfahren zu berücksichtigenden Interessen durch Unterschiede im Tatsächlichen begründet ist."

In seinem Erkenntnis VfSlg. 16.981/2003 hat der Gerichtshof in Fortführung dieses Gedankens ausgeführt, dass "die Beschränkung der Parteistellung auf Grundeigentümer, deren Grundstücke in einer bestimmten Entfernung vom Grundstück des Bauwerbers gelegen sind, dann für sachlich angesehen [wird], wenn diese Grundeigentümer nach einer Durchschnittsbetrachtung der typischerweise vom Bauwerk selbst ausgehenden Gefahren durch eine Bauführung in ihren durch das Gesetz geschützten Interessen betroffen werden". Er hat in diesem Erkenntnis eine baurechtliche Regelung (des burgenländischen Landesgesetzgebers) für gleichheits- und daher verfassungswidrig erachtet, der zufolge "nur der Eigentümer eines an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückes als Anrainer Parteistellung" besitzt. Insbesondere hat - den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes zufolge - der Gesetzgeber nicht ausreichend bedacht, "dass sich - selbst ausgehend von einer Durchschnittsbetrachtung - die Betroffenheit eines Grundeigentümers durch Emissionen einer bestimmten vom Gesetzgeber geregelten Intensität, und damit die Betroffenheit in subjektiven öffentlichen Nachbarrechten nicht auf jene Fälle beschränkt, in denen das Grundstück des betroffenen Grundeigentümers an das zu bebauende Grundstück angrenzt".

Der Gerichtshof vermisste ferner eine sachliche Rechtfertigung dafür, dass nur der unmittelbar angrenzende Grundstückseigentümer die Möglichkeit haben soll, die Überprüfung des Flächenwidmungsplans an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts heranzutragen, während der nur geringfügig vom Baugrundstück entfernte, aber durch Emissionen gleichermaßen betroffene Grundstückseigentümer die im Sinne des rechtsstaatlichen Prinzips gebotene Beseitigung einer gesetzwidrigen Flächenwidmung aus der Rechtsordnung nicht erreichen kann.

Der Gerichtshof erachtete somit insgesamt die nachbarrechtliche (vom burgenländischen Baurechtsgesetzgeber vorgenommene) Differenzierung zwischen Eigentümern, deren Grundstück an das Baugrundstück angrenzt, und solchen, die zB nur durch einen Grundstücksstreifen vom Baugrundstück getrennt sind, einer sachlichen Rechtfertigung entbehrend.

Der Verfassungsgerichtshof bestätigte schließlich seine gleichheitsrechtlichen Überlegungen zur Abgrenzung nachbarrechtlicher Positionen im Baurecht in seinem Erkenntnis vom , G226/03, im Zusammenhang mit der (Kärntner) baurechtlichen Regelung der Parteistellung von Anlageninhabern, insbesondere von gewerblichen Betriebsanlagen, im Falle einer heranrückenden Wohnbebauung: Die als gleichheits- und sohin als verfassungswidrig aufgehobene Bestimmung der Kärntner BauO beschränkte die nachbarrechtliche Parteistellung von Anlageninhabern auf jene, deren Grundstück (auf dem sich die Anlage befindet) "an das Baugrundstück angrenz[t]e oder von diesem nur durch eine Verkehrsfläche getrennt" war. Der Gerichtshof bezeichnete es als gleichheitswidrig,

"dass der Betriebsinhaber die Gesetzwidrigkeit einer Flächenwidmung nicht geltend machen kann, die - im Widerspruch zu den raumordnungsrechtlichen Vorschriften - Wohnbauten in geringer Entfernung zu Betriebsanlagen mit erheblichen Emissionen zulässt; und zwar auch in jenen Fällen, in denen die Betriebsanlage in einem solchen räumlichen Naheverhältnis zu einem geplanten Wohnbau liegt, dass der Betriebsinhaber im Falle der Errichtung des Wohngebäudes mit - die Emissionen des Betriebes beschränkenden - Auflagen durch die Gewerbebehörde zu rechnen hätte".

2.2. Im Hinblick auf die geschilderte Vorjudikatur verstößt § 31 Abs 1 Z 1 Oö. BauO 1994 gegen den Gleichheitssatz, weil durch diese Vorschrift in sachlich nicht gerechtfertigter Weise die Nachbar- und damit Parteistellung in Baubewilligungsverfahren für Wohngebäude jenen Grundstückseigentümern vorbehalten wird, deren Grundstücke "an das zu bebauende Grundstück unmittelbar angrenzen (Anrainer)". Die Regelung berücksichtigt nicht, dass sich - ausgehend von einer Durchschnittsbetrachtung - die Betroffenheit benachbarter Grundeigentümer durch baulich bedingte Immissionen einer bestimmten vom Gesetzgeber als Kriterium stillschweigend angenommenen Intensität nicht auf jene Fälle beschränkt, in denen das Grundstück eines Grundeigentümers an das zu bebauende Grundstück angrenzt.

Die bloße Anrainereigenschaft als Voraussetzung der nachbarrechtlichen Parteistellung im Baubewilligungsverfahren für Wohngebäude entbehrt schon deswegen der sachlichen Rechtfertigung, weil die gemeinsame Grundgrenze kein zureichendes Kriterium für die von einem Bauwerk ausgehenden Emissionen bildet; zumal als derartige Bauwerke nicht nur Wohngebäude, sondern auch dazugehörige Nebenanlagen u.Ä. gelten. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Prüfungsbeschluss ausführte, kann ein Wohngebäude auf einem großen Grundstück so errichtet werden, dass trotz der gemeinsamen Grundgrenze auf dem anrainenden Grundstück schon auf Grund seiner Entfernung vom Bauwerk keine Immissionen zu erwarten sind. Andererseits geht durch die (- womöglich zu diesem Zweck vorgenommene -) Abtrennung einer geringfügigen Liegenschaftsfläche, etwa für Verkehrszwecke, vom Baugrundstück die Anrainereigenschaft eines benachbarten Grundstücks - trotz gleich bleibender Immissionsbelastung - und damit die nachbarrechtliche Parteistellung des benachbarten Grundstückseigentümers verloren.

Gleichheitswidrig ist die Z 1 des § 31 Abs 1 Oö. BauO 1994 aber auch deswegen, weil dadurch der nicht anrainende Nachbar eines Bauvorhabens, das der Flächenwidmung oder dem Bebauungsplan widerspricht, um die rechtliche Möglichkeit gebracht wird, die "nicht nur den öffentlichen Interessen, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen[den]" Festlegungen des Flächenwidmungs- oder Bebauungsplans in Gestalt von Einwendungen im Baubewilligungsverfahren geltend zu machen; diesem nicht anrainenden Nachbarn ist aber auch verwehrt, - nach Erschöpfung des Instanzenzuges - die Gesetzwidrigkeit der ein benachbartes (wenn auch nicht anrainendes) Bauvorhaben betreffenden Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Der Verfassungsgerichtshof vermag der Oberösterreichischen Landesregierung nicht zu folgen, wenn diese die Parteistellung der Anrainer bei Wohngebäuden gemäß § 31 Abs 1 Z 1 Oö. BauO 1994 primär mit dem Informationsbedürfnis der Anrainer begründet. Ausgehend von einer verfehlten Durchschnittsbetrachtung sieht die Oberösterreichische Landesregierung als mögliche Immissionen bei Wohnbauten allenfalls statische Erwägungen (etwa hinsichtlich Baugrube oder Hangrutschungen) als maßgebend an. "Gerade auch zur Eindämmung dieser vom Nachbargrundstück ausgehenden Gefahren" soll der Oberösterreichischen Landesregierung zufolge die Parteistellung auf die Eigentümer anrainender Grundstücke beschränkt sein, zumal der Mindest(bau)abstand von der Grundgrenze wegen der Abstands-(Bauwich-)vorschrift des § 5 Z 1 und Z 2 Oö. Bautechnikgesetz ohnedies 3 m betrage.

Wie jedoch § 31 Abs 4 Oö. BauO 1994 zeigt, sind im Baubewilligungsverfahren öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn zu berücksichtigen, wenn sie sich auf Bestimmungen des Baurechts, des Flächenwidmungsplans oder des Bebauungsplans stützen, die "auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen". Dazu zählen kraft Gesetzes insbesondere die Bestimmungen "über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung ...". Dass der Gesetzgeber die derart bezeichneten Interessen der Nachbarn gerade im Sinne einer Durchschnittsbetrachtung möglicher Immissionen über die Anrainer hinaus gewährleisten will, ergibt sich schon aus dem über die Anrainer deutlich hinausgreifenden Schutzzweck des § 31 Abs 4 Oö. BauO 1994. Es fehlt an einer sachlichen Rechtfertigung dafür, dass der Gesetzgeber zwar die dem Interesse der Nachbarschaft dienenden Vorschriften des Bau- und Raumordnungsrechts zum Gegenstand öffentlich-rechtlicher Einwendungen erklärt, gleichzeitig aber den Kreis der einwendungsberechtigten Personen mit Hilfe eines im Hinblick auf die Betroffenheit ungenügenden Kriteriums, nämlich der gemeinsamen Grundgrenze von Bauwerber und Nachbar, entscheidend beschneidet.

Nicht berechtigt ist auch der Einwand der Oberösterreichischen Landesregierung, dass das Bedenken deshalb nicht zutrifft, weil "das Anknüpfen an die Grundgrenze zwar als unzulässig für die Abgrenzung der Nachbarparteien bei Wohnhausbauten nach § 31 Abs 1 Z 1 Oö. BauO 1994, nicht aber bei sonstigen Bauten nach der Z 2 leg. cit. anzusehen" sei. Denn der letztgenannten Vorschrift zufolge sind die die Nachbarparteieigenschaft im Bauverfahren vermittelnden Grundstücke nicht starr mit Hilfe einer Linie (nämlich der gemeinsamen Grenze wie gemäß § 31 Abs 1 Z 1 Oö. BauO 1994), sondern flexibel durch eine Zone von 50 m vom zu bebauenden Grundstück umschrieben, sodass die (faktische) Immissionssituation Berücksichtigung findet. Ferner ist die Qualifikation als nachbarrechtsbegründendes Grundstück gemäß § 31 Abs 1 Z 2 Oö. BauO 1994 zusätzlich davon abhängig, dass die Eigentümer dieses innerhalb der 50 m-Zone liegenden (Nachbar-)Grundstückes "durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können". Die Grundgrenze bildet sohin bei Bauvorhaben gemäß der Z 2 des § 31 Abs 1 Oö. BauO 1994 anders als bei der Abgrenzung der Nachbarparteien von Wohngebäuden kein absolutes und starres Kriterium.

Die im Spruch angeführten Bestimmungen des § 31 Oö. BauO 1994 waren daher als gleichheits- und somit verfassungswidrig aufzuheben.

3.1. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz

B-VG.

3.2. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Oberösterreich zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und des damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Ausspruches erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.