VfGH vom 16.03.2001, g152/00
Sammlungsnummer
16152
Leitsatz
Aufhebung der die Ambulanzgebühr betreffenden Bestimmungen des Sozialrechts-ÄnderungsG 2000 wegen verfassungswidriger Kundmachung; Missachtung des Gebotes der vollständigen Publikation im Bundesgesetzblatt; Verfassungswidrigkeit der neuerlichen Kundmachung des zuvor mangelhaft publizierten Gesetzes zur Gänze
Spruch
I. Die Bestimmungen der Art 1 Z 13a, Art 1 Z 53 (soweit § 588 Abs 4a ASVG betroffen ist), Art 2 Z 7b, Art 3 Z 4d und Art 4 Z 2b des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I 92, werden als verfassungswidrig aufgehoben.
II. Das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 BGBl. I 101, idF BGBl. I 102, wird, mit Ausnahme der Art 1 Z 14a, Art 1 Z 14b, Art 1 Z 49f, Art 2 Z 8a, Art 3 Z 1h, Art 3 Z 1l, Art 3 Z 1n, Art 3 Z 5b, Art 4 Z 3a, Art 4 Z 3b und Art 6 Z 1, als verfassungswidrig aufgehoben.
III. Die aufgehobenen Bestimmungen sind nicht mehr anzuwenden.
IV. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
V. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
VI. Der gegen das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 BGBl. I 92 gerichtete Antrag wird,
a. soweit er sich gegen Art 1 Z 14a, Art 1 Z 14b, Art 1 Z 49f, Art 2 Z 8a, Art 3 Z 1h, Art 3 Z 1l, Art 3 Z 1n, Art 3 Z 5b, Art 4 Z 3a, Art 4 Z 3b und Art 6 Z 1 richtet, als unzulässig zurückgewiesen,
b. im Übrigen, soweit er über die gemäß Pkt. I aufgehobenen Bestimmungen hinausgeht, abgewiesen.
VII. Der gegen das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 BGBl. I 101, idF 102, gerichtete Antrag wird, soweit er sich gegen Art 1 Z 14a, Art 1 Z 14b, Art 1 Z 49f, Art 2 Z 8a, Art 3 Z 1h, Art 3 Z 1l, Art 3 Z 1n, Art 3 Z 5b, Art 4 Z 3a, Art 4 Z 3b und Art 6 Z 1 richtet, als unzulässig zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit ihrem am beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten, auf Art 140 B-VG gestützten Antrag begehren 63 Mitglieder des Nationalrates
"das Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Arbeitsmarktförderungsgesetz geändert werden (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 - SRÄG 2000) in der Fassung der Kundmachung BGBl. I Nr. 92/2000;
das Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Arbeitsmarktförderungsgesetz geändert werden (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 - SRÄG 2000) in der Fassung der Kundmachung BGBl. I Nr. 101/2000, berichtigt durch BGBl. I Nr. 102/2000
zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben;
in eventu ...
§ 135a des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 in der Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 92/2000;
§ 135a des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 in der Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 101/2000, berichtigt durch BGBl. I Nr. 102/2000;
§ 91a des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes - GSVG, BGBl. Nr. 560/1978 in der Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 92/2000;
§ 91a des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes - GSVG, BGBl. Nr. 560/1978 in der Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 101/2000, berichtigt durch BGBl. I Nr. 102/2000;
§ 85a des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes - BSVG, BGBl. Nr. 559/1978 in der Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 92/2000;
§ 85a des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes - BSVG, BGBl. Nr. 559/1978 in der Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 101/2000, berichtigt durch BGBl. I Nr. 102/2000;
§ 63a des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes BGBl. Nr. 200/1967 in der Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 92/2000;
§ 63a des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes BGBl. Nr. 200/1967 in der Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 101/2000, berichtigt durch BGBl. I Nr. 102/2000;
als verfassungswidrig aufzuheben."
2. Begründend führen die antragstellenden Mitglieder des Nationalrates dazu Folgendes aus:
"Sachverhalt
1. Am wurde im Teil I des Bundesgesetzblattes 2000 unter Nr. 92 das Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Arbeitsmarktförderungsgesetz geändert werden (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 - SRÄG 2000) erstmals kundgemacht.
Gegenüber dem Gesetzesbeschluß des Nationalrates, wie er vom Präsidenten des Nationalrates nach der Dritten Lesung am beurkundet wurde (im Folgenden Originalbeschluß, Beilage), unterscheidet sich diese Kundmachung insofern, als sie an mehreren Stellen wesentliche Satzteile nicht widergibt, die für den normativen Gehalt des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000 von Bedeutung sind. Der normative Gehalt des Wortlautes der Kundmachung vom ist nicht ident mit dem normativen Gehalt, der sich aus dem Wortlaut des Gesetzesbeschlusses des Nationalrates ergibt. Darüber hinaus weicht die Kundmachung in einigen Punkten vom Originalbeschluß des Nationalrates geringfügig ab, ohne daß dies den Sinn des Textes verändert.
2. Im einzelnen enthält die Kundmachung in BGBl. I Nr. 92/2000 folgende Abweichungen gegenüber dem Originalbeschluß:
a) In Art 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) findet sich in Z 1c folgende Überschrift des § 32a ASVG: 'Zielvereinbarung'. Hier wurde der Plural des Gesetzesbeschlusses in der Kundmachung zum Singular gemacht, denn im Gesetzesbeschluß des Nationalrates ist bei der Überschrift des § 32a von 'Zielvereinbarungen' die Rede.
b) In Art 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) fehlt in Z 13a betreffend § 135a Abs 1 Z 3 ASVG ein ganzer Halbsatz. In BGBl. I Nr. 92/2000 lautet diese Bestimmung wie folgt:
'3. in eigenen Einrichtungen der Versicherungsträger mit Ausnahme der Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation',
Im Originalbeschluß lautet demgegenüber § 135a Abs 1 Z 3 ASVG wie folgt:
'3. in eigenen Einrichtungen der Versicherungsträger (mit Ausnahme der Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation und der Ambulatorien für physikalische Medizin), soweit es sich nicht um eine Rehabilitationsmaßnahme oder Jugendlichen- oder Vorsorge- (Gesunden)untersuchung handelt,'.
Betrachtet man also den Wortlaut der Kundmachung gegenüber dem Wortlaut des Originalbeschlusses des Nationalrates, besteht der Unterschied, daß die 'eigenen Einrichtungen der Versicherungsträger', wie sie in § 135a Abs 1 Z 3 ASVG in der Fassung der ersten Kundmachung (BGBl. I Nr. 92/2000) verlautbart wurden, wesentlich weiter gefaßt sind, als vom Nationalrat beschlossen, fehlt doch die Ausnahme der Ambulatorien für physikalische Medizin sowie der Rehabilitationsmaßnahmen, der Jugendlichen- Vorsorge- sowie (Gesunden)untersuchung. (Die im Folgenden unter c, e und f geschilderten Fehler betreffen wortgleiche Bestimmungen)
c) In Art 2 (Änderung des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes) Z 7b lautet § 9la Abs 1 Z 3 GSVG wie folgt:
'3. in eigenen Einrichtungen der Versicherungsträger mit Ausnahme der Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation';
richtig hätte diese Bestimmung in der Fassung des Originalbeschlusses wie folgt lauten müssen:
'3. in eigenen Einrichtungen der Versicherungsträger (mit Ausnahme der Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation und der Ambulatorien für physikalische Medizin), soweit es sich nicht um eine Rehabilitationsmaßnahme oder Jugendlichen- oder Vorsorge- (Gesunden)untersuchung handelt,'.
d) In Art 2 (Änderung des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes) lautet der letzte Halbsatz des § 284 Abs 4 GSVG in Z 30a wie folgt:
'wobei § 133 Abs 3 in der Fassung des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2000, BGBl I Nr. 43/2000, anzuwenden ist.';
nach dem Originalbeschluss hätte dieser letzte Halbsatz lauten müssen:
'wobei § 133 Abs 3 in der Fassung des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 43 anzuwenden ist.'
e) In Art 3 (Änderung des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes) Z 4d lautet § 85a Abs 1 Z 3 BSVG:
'3. in eigenen Einrichtungen der Versicherungsträger mit Ausnahme der Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation;
richtig hätte diese Bestimmung zu lauten:
'3. in eigenen Einrichtungen der Versicherungsträger (mit Ausnahme der Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation und der Ambulatorien für Physikalische Medizin), soweit es sich nicht um eine Rehabilitationsmaßnahme oder Jugendlichen- oder Vorsorge- (Gesunden)untersuchung handelt,'.
f) In Art 4 (Änderung des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes) Z 2b lautet § 63a Abs 1 Z 3 B-KUVG:
'3. in eigenen Einrichtungen der Versicherungsträger mit Ausnahme der Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation';
richtig hätte diese Bestimmung zu lauten:
'3. in eigenen Einrichtungen der Versicherungsträger (mit Ausnahme der Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation und der Ambulatorien für physikalische Medizin), soweit es sich nicht um eine Rehabilitationsmaßnahme oder Jugendlichen- oder Vorsorge- (Gesunden)untersuchung handelt,'
g) In Art 4 (Änderung des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes) lautet in Z 5 bei den Schlußbestimmungen des B-KUVG in § 196 Abs 2 das Zitat 'Die §§52 Abs 3 litd' anstelle von 'Die §§52 Z 3 litd'.
3. Am wurde daraufhin das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 neuerlich in BGBl. I Nr. 101/2000 kundgemacht. An den Titel angefügt ist eine mit Stern bezeichnete Fußnote, die am Seitenende wiedergegeben ist. Diese Fußnote lautet:
'Diese Kundmachung ersetzt die Kundmachung BGBl. I Nr. 92/2000.'
Diese zweite Kundmachung enthält die eben angeführten Kundmachungsmängel des BGBl. I Nr. 92/2000 nicht mehr.
Allerdings enthalten die Inkrafttretensbestimmungen in den einzelnen Artikeln dieses Bundesgesetzes nicht den Verweis auf die zweite Kundmachung, sondern auf die erste Kundmachung des Bundesgesetzes in BGBl. I Nr. 92/2000. Diese Inkrafttretensbestimmungen setzen daher die einzelnen Bestimmungen des Bundesgesetzes in der Fassung der ersten Kundmachung in Kraft.
...
4. Mit Kundmachung des Bundeskanzlers betreffend die Berichtigung von Druckfehlern im Bundesgesetzblatt, BGBl. I Nr. 102/2000, ausgegeben am wurde unter anderem das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000, BGBl. I Nr. 101, berichtigt.
Mit Z 3 dieser Kundmachung wurde in sämtlichen, ... Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen das Zitat 'BGBl. I Nr. 92' durch das Zitat 'BGBl. I Nr. 101' ersetzt.
III. Bedenken
...
1. Gemäß Art 49 Abs 1 B-VG sind ... Bundesgesetze vom Bundeskanzler im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Gemäß Art 49 Abs 3 B-VG ergeht über das Bundesgesetzblatt ein besonderes Bundesgesetz, gegenwärtig das Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996 (BGBlG), BGBl. Nr. 660.
Jeder Verstoß gegen die Vorschriften des Bundesgesetzblattgesetzes bewirkt eine gesetzwidrige Kundmachung, die gleichzeitig gemäß Art 49 B-VG das kundgemachte Bundesgesetz mit Verfassungswidrigkeit belastet.
Das mit dem vorliegenden Antrag bekämpfte Bundesgesetz wurde entgegen den Vorschriften in Art 49 B-VG und des Bundesgesetzblattgesetzes zweimal kundgemacht, es verstößt deswegen gegen Art 49 B-VG.
Weiters erfolgte eine gegen die Bestimmungen des Bundesgesetzblattgesetzes verstoßende Druckfehlerberichtigung durch die Kundmachung BGBl. I Nr. 102/2000. Hinsichtlich dieser Kundmachung wird angeregt, aus Anlass des gegenständlichen Gesetzesprüfungsverfahrens von Amts wegen ein Verfahren gem. Art 139 B-VG einzuleiten.
2. Zur Kundmachung vom , BGBl. I Nr. 92/2000.
a) Vorausgeschickt sei, dass im folgenden davon ausgegangen wird, dass es auf folgende Weise zu den Auslassungen in dieser Kundmachung gekommen ist:
Die in der Kundmachung fehlenden Teile waren weder in der Regierungsvorlage, 181 d.B. XXI. GP, noch in dem im Ausschußbericht enthaltenen Gesetzesantrag, 254 d.B. XXI. GP, enthalten, sondern wurden aufgrund von Abänderungsanträgen in zweiter Lesung eingefügt. Die vom Präsidenten des Nationalrates beurkundete Fassung des Beschlusses des Nationalrates (Beilage) enthält die fehlenden Zeilen, dies war auch die Fassung des Gesetzesbeschlusses, die dem Verfahren im Bundesrat zugrunde lag (§42 Abs 1 B-VG).
Das nach Befassung des Bundesrates vom Präsidenten des Nationalrates an den Bundeskanzler zur Vorlage an den Bundespräsidenten zur Beurkundung gemäß Art 47 B-VG übersandte Exemplar enthielt ebenfalls den gesamten Text des Beschlusses, wie er im amtlichen Protokoll des Nationalrates aufscheint.
Da die Beurkundung durch den Bundespräsidenten und die Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler üblicherweise auf dem Originalbeschluß erfolgt, ist davon auszugehen, daß auch der vom Bundespräsidenten beurkundete (und vom Bundeskanzler gegengezeichnete) Text vollständig ist, also die in der ersten Kundmachung gegenüber der zweiten Kundmachung fehlenden Zeilen enthält. Der Originalbeschluß (also das vom Bundespräsidenten unterfertigte und vom Bundeskanzler gegengezeichnete Exemplar), der die authentische, kundzumachende Fassung bildet (Walter, Die ominöse Seite 2.093 des BGBl. 1991, ÖJZ 1991, 846; Thienel, aa0, Rz 75), enthält also den vollständigen Beschluß des Nationalrates.
Der Fehler unterlief daher im Zuge des Druckvorganges, wobei für die Antragsteller nicht feststellbar ist, ob sich schon der Druckauftrag des Bundeskanzleramtes auf eine fehlerhafte Ausfertigung des Originalbeschlusses bezog oder der Fehler im Zuge der Drucklegung unterlief.
Die Antragsteller beantragen daher, die gesamten Akten betreffend die Kundmachungen vorzulegen.
b) Die bei der Kundmachung unterlaufenen Fehler sind als Kundmachungsmängel zu qualifizieren und nicht als Druckfehler. Es fehlen an mehreren Stellen der Kundmachung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000 mehrere Zeilen, die selbständige normative Anordnungen treffen, nämlich Ausnahmen von einer allgemein geltenden Bestimmung.
Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg. 3719/1960 ausgesprochen, daß als Druckfehler nur solche Unterschiede zwischen dem Beschluß des normsetzenden Organes und der Wiedergabe im Kundmachungsorgan gewertet werden können, die den materiellen Gesetzesinhalt unverändert lassen. Zwar sind unter Druckfehlern nicht nur unrichtig gesetzte Buchstaben, Zahlen, Zeilen usw. zu verstehen, sondern auch Auslassungen, Anführungen, aber nur, 'sofern sie nur den materiellen Gesetzesinhalt unverändert lassen. Diese Voraussetzung ist aber jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn eine ganze in sich geschlossene Rechtsregel ausfällt. In einem solchen Fall liegt nicht mehr ein Druckfehler, sondern ein Publikationsmangel vor.' Bei dieser Rechtsprechung ist der Verfassungsgerichtshof bis in jüngste Zeit geblieben (vgl. , G241/98, VfSlg. 14.605/1996, 5.810/1968, 5.320/1966).
Bei den Auslassungen in der Kundmachung BGBl. I Nr. 92/2000 handelt es sich um derartige inhaltliche Auslassungen, durch die der materielle Gesetzesinhalt verändert wird; durch die fehlenden Zeilen fällt eine ganze geschlossene Rechtsregel, nämlich Ausnahmebestimmungen zur generellen Anordnung aus. Es liegt daher ein Kundmachungsmangel vor, der einer Druckfehlerberichtigung nicht zugänglich ist.
Maßgeblich ist im Sinne der Judikatur aber ausschließlich der kundgemachte Text, nicht der in der Originalfassung enthaltene (vgl. VfSlg. 3719/1960).
c) Die erste Kundmachung ist daher gesetzwidrig, weil sie nicht mit dem Originalbeschluß übereinstimmt. Dessen ungeachtet entfaltet sie - sieht man vorerst von Gerichten oder übrigen, von Art 89 B-VG erfaßten Behörden ab - Rechtswirkungen, wie sich aus Art 140 Abs 3 B-VG ergibt, wonach der Verfassungsgerichtshof auch ein gesetzwidrig kundgemachtes Gesetz aufzuheben hat (vgl. Thienel, Art 49 B-VG, in: Korinek/Holoubek (Hrsg.) Bundesverfassungsrecht, Rz 82 (1999); Funk, Die Berichtigung von Verlautbarungsfehlern in Gesetzblättern, in: Griller/Korinek/Potacs (Hrsg.), Festschrift Heinz Peter Rill (1995) 77 ff). ...
d) Der Verfassungsgerichtshof ist im Erkenntnis vom V98/98, G241/98, davon ausgegangen, daß von einem derartigen Kundmachungsmangel nur jene gesetzliche Bestimmung erfaßt wird, in der eine Rechtsregel ausgefallen ist, wobei sich der VfGH hiezu auf seine Vorjudikatur beruft. Die Antragsteller legen im folgenden dar, warum dies ihrer Auffassung nach nicht allgemein gelten kann, sondern lediglich unter bestimmten Voraussetzungen. Diese Frage kann allerdings dahingestellt bleiben, wenn man ... davon ausgeht, daß durch die zweite Kundmachung die erste Kundmachung normativ wirkungslos geworden ist und auch im Falle der Aufhebung der zweiten Kundmachung keine normative Wirkung mehr entfalten wird.
Aus folgenden Gründen belastet die fehlerhafte Kundmachung die gesamte Kundmachung des Gesetzes mit Gesetzwidrigkeit, sodaß das gesamte Gesetz aufzuheben ist, (soferne nicht der Fall des Art 140 Abs 3 letzter Satz B-VG gegeben ist, der allerdings bei einem Antrag eines Drittels der Mitglieder des Nationalrates nicht anwendbar ist):
aa) Grundsätzlich bezieht sich der Wille des Bundesgesetzgebers auf den gesamten von ihm beschlossenen Text, wie er im Originalbeschluß zum Ausdruck kommt. Es ist dabei unerheblich, aus welchen Gründen es gerade zu diesem Originalbeschluß und nicht zu einem anderen gekommen ist. Niemand kann davon ausgehen, daß das Gesetz insgesamt beschlossen worden wäre, wenn bestimmte Teile nicht Inhalt des Gesetzes geworden wären. Es ist von vornherein nicht auszuschließen, daß bestimmte Abgeordnete dem Gesetzestext nur deswegen zugestimmt haben, weil bestimmte Punkte in dem betreffenden Gesetz enthalten waren. Ob diese Punkte wesentlich oder unwesentlich sind, ist dabei unerheblich, maßgeblich ist lediglich das Ergebnis, ob nämlich mehr als die Hälfte der anwesenden Abgeordneten letzten Endes einem Gesetzestext insgesamt die Zustimmung erteilt haben oder nicht. Wird nun ein Gesetzestext verlautbart, der einzelne Teile - die für sich genommen eine normative Anordnung enthalten - nicht enthält, kann niemand beurteilen, ob der Gesetzestext mit diesen Auslassungen ebenfalls die Zustimmung der Mehrheit der Abgeordneten gefunden hätte, ob somit dieser Gesetzesentwurf dem Willen des Gesetzgebers, der ausschließlich für die Normqualität des Gesetzes maßgeblich ist, entspricht oder nicht.
Die Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren bringen dies klar zum Ausdruck. Ein Gesetzesvorschlag ist zunächst - nach der allenfalls durchzuführenden ersten Lesung - in einem Ausschuß des Nationalrates zu beraten, der einen Gesetzesantrag an das Plenum des Nationalrates richtet. Das Plenum des Nationalrates berät zunächst in zweiter Lesung über den Gesetzesvorschlag in der Fassung des Ausschußberichtes (§70 Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975), BGBl. Nr. 410/1975, im folgenden GOG-NR). In zweiter Lesung können gemäß § 72 GOG-NR Abänderungs- und Zusatzanträge gestellt werden, durch die der Gesetzestext verändert wird. Über jeden dieser Anträge ist gesondert abzustimmen.
Anschließend hat über den - auf diese Weise möglicherweise veränderten - Gesetzestext der Nationalrat in dritter Lesung abzustimmen. Diese ist, wie dies § 74 Abs 1 GOG-NR ausdrückt, 'die Abstimmung im ganzen', die sich also auf den gesamten Gesetzestext bezieht. Der Sinn dieser Vorschrift ist klar: Selbst wenn ein Abgeordneter einzelnen Abänderungs- oder Zusatzanträgen in zweiter Lesung zugestimmt hat, ist es möglich, daß er insgesamt den Gesetzestext ablehnt, beispielsweise, weil andere Zusatzanträge beschlossen oder nicht beschlossen wurden, die dazu führen, daß der Abgeordnete den gesamten Gesetzestext als solches ablehnt.
Dementsprechend können gemäß § 74 Abs 2 GOG-NR in der dritten Lesung nur Anträge auf die Behebung von Widersprüchen, die sich bei der Beschlußfassung in zweiter Lesung ergeben haben, gestellt werden, ferner können Schreib- und Druckfehler sowie sprachliche Mängel behoben werden. Auch in diesem Fall erfolgt in dritter Lesung die Abstimmung über den gesamten Gesetzestext erst nachdem die Abstimmung über derartige Widersprüche vorgenommen wurde.
Der Zweck all dieser Vorschriften ist eindeutig: Es soll gewährleistet sein, daß der letzten Endes beschlossene Gesetzestext vom Willen einer Mehrheit der Abgeordneten getragen ist.
bb) Wird nun nicht der gesamte Gesetzesbeschluß kundgemacht, sondern fehlen einzelne (wenn auch nur geringfügige) Teile, so wird ein Gesetzestext kundgemacht, von dem nicht bekannt ist, ob er eine Mehrheit von Abgeordneten hinter sich hat; es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Abgeordneten jenen Teilen, die kundgemacht wurden, ohne die fehlenden Teile nicht zugestimmt hätten. Würden lediglich solche Teile aufgehoben, in denen einzelne Bestimmungen fehlen, würde der Wille des Gesetzgebers noch weiter verzerrt.
Damit bliebe es der - die Kundmachung vornehmenden - Vollziehung überlassen, welche Teile eines Gesetzes sie in Kraft setzt, und zwar ohne dass der Verfassungsgerichtshof im Wege seiner Gesetzesprüfung und daran anschließenden Aufhebung hier dem Willen des Gesetzgebers Genüge verschaffen könnte:
Gemäß Art 140 Abs 6 B-VG bewirkt die Aufhebung eines Gesetzes - diese Bestimmung bezieht sich auch auf die Aufhebung einer einzelnen Gesetzesbestimmung -, daß mit dem Tag des Inkrafttretens der Aufhebung, falls das Erkenntnis nichts anderes ausspricht, die gesetzlichen Bestimmungen wieder in Wirksamkeit treten, die durch das vom Verfassungsgerichtshof (als) verfassungswidrig erkannte Gesetz aufgehoben worden waren. Für den Fall, daß der Verfassungsgerichtshof nicht ausspricht, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, bedeutet das, daß jene früheren gesetzlichen Bestimmungen wieder in Kraft treten, die lediglich die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Bestimmungen betreffen, dies muß sich aber keineswegs mit dem Willen des Gesetzgebers decken. Aber auch dann, wenn der Verfassungsgerichtshof ausspricht, daß frühere Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, kommt eine vom Willen des Gesetzgebers abweichende Gesetzeslage ab dem Zeitpunkt der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof zur Geltung.
Dem kann auch nicht vom Verfassungsgerichtshof durch die Gestaltung der Aufhebung begegnet werden: Wird für die Aufhebung eine Frist gesetzt, bleibt das gesamte kundgemachte Gesetz, aber ohne die fehlenden Teile bis zum Ablauf der Frist in Wirksamkeit. Dies würde bedeuten, daß derjenige, der die Kundmachung veranlaßt hat - also die Vollziehung - bestimmt, welche Teile eines Gesetzes in Kraft treten sollen oder nicht. Nach dem Ablauf der Frist würde - wegen der Aufhebung von Bestimmungen, in denen Teile fehlen - ein noch stärker veränderter Gesetzestext in Geltung stehen. Daß während des Fristenlaufs der Gesetzgeber eine neue Regelung treffen kann, vermag diesen Mangel nicht zu sanieren, weil sich inzwischen die Voraussetzungen geändert haben können, man denke an den einfachen Fall dessen, daß sich die Zusammensetzung des Nationalrates mittlerweile geändert hat.
Dem kann nun nicht entgegen gehalten werden, daß dies eben die Folge der Erlassung von verfassungswidrigen Bestimmungen und der dafür vom Verfassungsgesetzgeber in Art 140 B-VG vorgesehenen Fehlerfolgen sei. Der wesentliche Unterschied zu sonstigen Verfassungswidrigkeiten ist es nämlich, dass dieser Fehler nicht dem Gesetzgeber, sondern der Vollziehung zu zurechnen ist. Bei einer derartigen Interpretation hätte es also die Vollziehung im Wege der Kundmachung in der Hand, den Willen des Gesetzgebers zu verändern, und zwar endgültig, auch im Falle der Anrufung des Verfassungsgerichtshofes.
Nicht umsonst sieht daher Art 140 Abs 3 B-VG für den Fall der gesetzwidrigen Kundmachung die Aufhebung des ganzen Gesetzes vor. Diese Vorschrift gewährleistet, daß ein vom Gesetzgeber gefaßter Beschluß auch tatsächlich von der Vollziehung gesetzmäßig kundgemacht wird, und zwar so, dass stets dem vollen Willen des Gesetzgebers Geltung verschafft wird.
Im vorliegenden Zusammenhang braucht nicht untersucht zu werden, wie die Verfassungslage ist, wenn nicht einzelne Gesetzesteile fehlen, sondern in gesetzwidriger Weise mehr kundgemacht wird, als vom Gesetzgeber beschlossen wurde; in diesem Fall kann nämlich durch Aufhebung der zuviel beschlossenen Teile dem Willen des Gesetzgebers Geltung verschafft werden.
cc) Als Ergebnis folgt, daß dann, wenn ein Gesetzesbeschluß des Nationalrates nicht zur Gänze, also mit Auslassungen kundgemacht wird, dies die gesamte Kundmachung mit Gesetzwidrigkeit belastet. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß die vom Verfassungsgerichtshof bisher entschiedenen Fälle, in denen er wegen gesetzwidriger Kundmachung nur Teile eines Gesetzes aufgehoben hat, mit Ausnahme des Erkenntnisses , G241/98 nicht völlig vergleichbar sind, sondern folgenden Sachverhalt betrafen:
Im Erkenntnis VfSlg. 5320/1966 ging es darum, daß eine gesetzliche Vorschrift (§27 Abs 1 Kärntner Naturschutzgesetz) auf (ursprünglich als Verordnung erlassene) Rechtsvorschriften verwies, die nicht im Landesgesetzblatt, sondern durch bloße Auflage bei der Bezirkshauptmannschaft kundgemacht worden (waren). In diesem Fall ging es also nicht darum, daß ein Gesetzestext als solcher nicht vollständig kundgemacht wurde, sondern daß ein Gesetzestext auf andere - nicht entsprechend den für Gesetze geltenden Vorschriften kundgemachte - Vorschriften verwies. In diesem Fall ist es ausreichend, die verweisende Vorschrift aufzuheben, weil damit der Verweis auf die nicht gesetzmäßig kundgemachten Vorschriften beseitigt wurde und insofern der gesetzlichen Vorschrift überhaupt ihr Anwendungsbereich genommen wurde (andernfalls hätte der Verfassungsgerichtshof nicht bloß die verweisende Norm in Prüfung ziehen und aufheben müssen, sondern auch die verwiesenen - in einer kartographischen Darstellung bestehenden - Normen, die durch die verweisende Gesetzesstelle Gesetzesrang erhalten haben, aber nicht in der für Gesetze geltenden Weise kundgemacht wurden).
Für den Fall aber, daß im Gesetzestext selbst Teile fehlen, die der Gesetzgeber beschlossen hat, gilt nichts anderes als das, was der Verfassungsgerichtshof selbst in VfSlg. 14.605/1996 für den Fall einer mangelnden Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung ausgesprochen hat: Auch wenn die Zustimmung der Bundesregierung nur für einzelne Bestimmungen erforderlich ist, ist im Fall der Kundmachung des (Landes)gesetzes ohne die Bestimmungen, für die die Zustimmung der Bundesregierung erforderlich wäre, die gesamte Kundmachung mangelhaft, weil der Landtag den Gesetzesbeschluß mit jenen Bestimmungen gefaßt hat, die der Zustimmung bedürfen, und keine Bestimmung der Landesverfassung den Landeshauptmann ermächtigt, einen solchen Gesetzesbeschluß ohne die zustimmungspflichtigen Bestimmungen kundzumachen; dies deswegen, weil niemand unterstellen kann, dass der Landtag den Gesetzesbeschluss auch ohne jene Bestimmungen gefasst hätte, die der Zustimmung bedürfen. Obwohl nur einzelne Teile des Gesetzesbeschlusses des Landtages in der Kundmachung gefehlt haben, war gleichwohl die gesamte Kundmachung mit Gesetzwidrigkeit behaftet.
dd) In dem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß es sich bei den vorstehenden Überlegungen nicht bloß um theoretische Erwägungen handelt: Wie vorhin erwähnt, wurden die dann in der Kundmachung fehlenden Bestimmungen in den Gesetzestext aufgrund eines Antrags von Abgeordneten in zweiter Lesung eingefügt, der die Mehrheit des Nationalrates gefunden hat. Es hat sich hiebei um politisch heftig umstrittene Ergänzungen gehandelt, die von Abgeordneten der Regierungsparteien vehement gefordert wurden, um die Einführung der Ambulanzgebühren eher sozial verträglich zu gestalten. Es ist daher keineswegs eine weltfremde Annahme, daß die Einfügung dieser Ausnahmen eine Voraussetzung für die Abgeordneten war, dem Gesetz ihre Zustimmung zu erteilen, es ist gerade im konkreten Fall keineswegs von der Hand zu weisen, daß das Gesetz keine Mehrheit gefunden hätte, wenn sich die Regierungsfraktionen nicht auf diese Änderung geeinigt hätten. Diese Ausführungen ändern aber nichts daran, daß es grundsätzlich unerheblich ist, von welchem Gewicht die fehlenden Teile sind und ob sie vor dem Hintergrund der politischen Debatte vermutlich zu einer Zustimmung von Abgeordneten geführt haben oder nicht.
ee) Aber auch aus Art 89 B-VG folgt eindeutig, dass im Falle einer gesetzwidrigen Kundmachung das gesamte Bundesgesetz aufzuheben ist: Nach dieser Bestimmung steht die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Gesetze, Verordnungen und Staatsverträge den Gerichten nicht zu, soweit in diesem Artikel nichts anderes bestimmt wird.
Art 89 B-VG spricht - anders als Art 140 Abs 3 B-VG - von 'nicht gehöriger' Kundmachung. Im vorliegenden Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob 'nicht gehörig kundgemacht' den gleichen Begriffsinhalt hat wie 'nicht gesetzmäßig kundgemacht' (dazu Ringhofer, Prüfung und Anfechtung von Gesetzen und Verordnungen durch die Gerichte, in: Verfassung, Verwaltung, Gerichtsbarkeit (1977) 100; Klaushofer, Gehörig kundgemacht?, Die Prüfungsbefugnis der Gerichte, der unabhängigen Verwaltungssenate und des unabhängigen Bundesasylsenates bei der Kundmachung von Gesetzen, Verordnungen und Staatsverträgen, ÖJZ 2000, 161) ... Es ist nämlich unbestrittermassen davon auszugehen, dass jede 'nicht gehörige' Kundmachung auch gesetzwidrig ist.
Für eine solche gesetzwidrige Kundmachung sieht nun Art 89 B-VG - insoweit von der Literatur unbestritten - vor, dass die Gerichte und die diesen gleichgestellten unabhängigen Behörden das Bundesgesetz nicht anzuwenden, es als absolut nichtig zu behandeln haben. Eine solche Vorgangsweise ist aber dann ausgeschlossen, wenn eine Kundmachung deswegen gesetzwidrig ist, weil sie einzelne Bestandteile des Gesetzesbeschlusses nicht enthält: Die nicht publizierten Gesetzesteile kann das Gericht schon deswegen nicht anwenden, weil sie nicht publiziert wurden - maßgeblich ist stets nur der kundgemachte Text, nicht der nur beschlossene (VfSlg. 3719/1960). Die Gesetzwidrigkeit der Kundmachung führt aber dazu, dass das gesamte Gesetz vom Gericht unbeachtet zu bleiben hat, jede andere Auslegung nähme Art 89 B-VG im vorliegenden Zusammenhang jeglichen Sinn. Art 89 B-VG kann nur die Wirkung haben, dass ein Gericht ein Gesetz, das nicht alle beschlossenen Teile enthält, gar nicht anzuwenden hat.
ff) Im übrigen sei darauf hingewiesen, dass auch der Bundeskanzler selbst davon ausgeht, daß die gesamte Kundmachung fehlerhaft ist, wenn einzelne Teile fehlen. Nur so ist es erklärbar, daß er die gesamte Kundmachung wiederholte und nicht bloß jene Passagen, in denen einzelne Teile fehlen (dies unabhängig davon, welche rechtliche Bedeutung der zweiten Kundmachung zugebilligt wird und wie die erste Kundmachung zu qualifizieren ist) ...
e) Zusammengefaßt ergibt sich daher, dass wegen der geschilderten Auslassungen die gesamte ersten Kundmachung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000 im BGBl. I Nr. 92/2000 gesetzeswidrig ist. Welche Rechtsfolgen diese Rechtswidrigkeit nach sich zieht, wird im folgenden unter 3. erörtert, nachdem die Rechtswirkungen der zweiten Kundmachung in BGBl. I Nr. 101/2000 untersucht wurden.
3. Zur Kundmachung vom , BGBl. I Nr. 101/2000:
a) Die folgenden Ausführungen gehen zunächst davon aus, daß die neuerliche Kundmachung vom zuständigen Beamten des Bundeskanzleramtes veranlaßt wurde und daher dem Bundeskanzler zuzurechnen ist. Weiters wird davon ausgegangen, daß der Druckauftrag des Bundeskanzleramtes dahingehend ging, daß die bisherige Kundmachung ergänzt um die fehlenden Teile und die dem Titel beigesetzte Fußnote 'Diese Kundmachung ersetzt die Kundmachung BGBl. I Nr. 92/2000' zu erfolgen habe und insofern die Staatsdruckerei - auch hinsichtlich der Inkrafttretensbestimmungen - nicht eigenmächtig vorgegangen ist.
Die Antragsteller beantragen, auch die gesamten Akten betreffend diese Kundmachung vorzulegen.
b) Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß es sich bei dieser zweiten Kundmachung um keine Druckfehlerberichtigung im Sinne des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 1996 ... handelt, und zwar weder dem subjektiven Anspruch dieser Kundmachung nach noch objektiv:
Druckfehlerberichtigungen sind gemäß § 2 Abs 7 BGBlG vom Bundeskanzler durch Kundmachung vorzunehmen, sie werden auch im Bundesgesetzblatt selbst entsprechend bezeichnet. Die gegenständliche Kundmachung entspricht aber der äußeren Form der Kundmachung eines Bundesgesetzes und enthält dementsprechend auch die Wiedergabe der Unterschriften des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers. Aber auch objektiv handelt es sich um keine Druckfehlerberichtigung: Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 10.739/1985 ausgesprochen hat, daß sich eine Berichtigung von Druckfehlern inhaltlich auf die Fehlerberichtigung zu beschränken hat (sodaß die Wiedergabe des gesamten Gesetzestextes ausgeschlossen ist) und im übrigen einer 'speziellen Kundmachung' bedarf.
c) Es liegt somit eine eigene, gesetzlich nicht vorgesehene Form der Kundmachung, eine, wie es die Literatur ausdrückt, 'Ersetzung' vor. Für eine derartige 'Ersetzung' gibt es keine Rechtsgrundlage (vgl. Walter, Die ominöse Seite 2093 des BGBl. 1991, ÖJZ 1991, 846).
Ohne eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage ist aber eine derartige Ersetzung gesetzeswidrig, auch wenn sie das Ziel verfolgt, den gesamten Text eines vom Gesetzgeber beschlossenen Bundesgesetzes wiederzugeben.
Das Bundesgesetzblattgesetz sieht nur eine einzige Form einer Berichtigung einer einmal erfolgten Kundmachung vor, nämlich die Druckfehlerberichtigung. § 2 Abs 7 BGBlG lautet:
'(7) Druckfehler in Verlautbarungen des Bundesgesetzblattes, ferner Verstöße gegen die innere Einrichtung dieses Blattes (Numerierung der einzelnen Verlautbarungen, Seitenangabe, Angabe des Ausgabe- und Versendungstages u. dgl.) werden durch Kundmachung des Bundeskanzlers in dem Teil des Bundesgesetzblattes, in dem diese Fehler unterlaufen sind, berichtigt.'
Eine derartige Ermächtigung wäre völlig überflüssig, wenn Art 49 B-VG unmittelbar es erlauben würde, solche - offenkundige, und wie aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes folgt, keine normative Wirkungen nach sich ziehende - Fehler zu beheben. Wenn der Gesetzgeber diese Fehlerbehebungsmöglichkeit ausdrücklich vorsieht, ist daraus zu schließen, daß jede andere zusätzliche oder neuerliche Kundmachung ausgeschlossen ist. Erfolgt dessen ungeachtet eine neuerliche Kundmachung, hat dies die Gesetzwidrigkeit der neuerlichen Kundmachung zur Folge.
Aber auch aus Art 49a B-VG betreffend die Wiederverlautbarung ergibt sich, daß die Verfassung selbst eine neuerliche Kundmachung eines Bundesgesetzes ausschließt. Art 49a eröffnet dem Bundeskanzler die Möglichkeit, den Text von geltenden Bundesgesetzen neuerlich kundzumachen, wobei er die in Art 49a Abs 2 genannten Richtigstellungen vornehmen kann. Alle diese Richtigstellungen bewirken keine normativen Änderungen des Textes, sondern erleichtern bloß dem Normunterworfenen die Feststellung des geltenden Gesetzestextes. Es handelt sich damit bloß um eine schlichte neuerliche Kundmachung von bereits kundgemachten Gesetzen.
Der Umstand, daß das Bundes-Verfassungsgesetz selbst eine ausdrücklich Ermächtigung für derartige neuerliche Verlautbarungen vorsieht, läßt nur den zwingenden Schluß zu, daß ohne eine derartige verfassungsrechtliche Ermächtigung eine zwei- oder mehrmalige Kundmachung von Bundesgesetzen nicht zulässig ist. Nur am Rande sei bemerkt, daß die zweite Kundmachung auch nicht als Wiederverlautbarung im Sinne des Art 49a B-VG qualifiziert werden kann, und zwar weder dem subjektiven Anspruch nach noch vom objektiven Gehalt her: Weder ist sie als Wiederverlautbarung bezeichnet, noch geht sie nach der Fertigungsklausel von dem für Wiederverlautbarungen gemäß Art 49a zuständigen Organ - Bundeskanzler gemeinsam mit dem zuständigen Bundesminister - aus. Es ist daher müßig darauf hinzuweisen, daß eine derartige Wiederverlautbarung auch gesetzwidrig wäre, weil im Wege einer derartigen Wiederverlautbarung nur bereits geltende - also kundgemachte Gesetze wiederverlautbart werden können, der Nachtrag von in der ursprünglichen Kundmachung fehlenden Teilen daher ausgeschlossen ist.
d) Möglicherweise ist der Bundeskanzler davon ausgegangen, eine neuerliche Kundmachung sei aus dem Grund zulässig gewesen, weil die erste Kundmachung deswegen, weil darin Teile des beschlossenen Gesetzestextes fehlen, absolut nichtig sei. Diesfalls würde es sich bei der zweiten Kundmachung um die 'erste' Kundmachung des vollständigen Gesetzestextes handeln.
Zunächst sei darauf hingewiesen, daß, wie oben bereits erwähnt, dies voraussetzt, daß die ganze erste Kundmachung gesetzwidrig und daher absolut nichtig ist. Darüber hinaus steht dieser Auffassung der Wortlaut der zweiten Kundmachung entgegen: Nach der dem Titel beigefügten Fußnote 'ersetzt' diese Kundmachung die Kundmachung BGBl. I Nr. 92/2000. Dies ist schon nach dem Wortlaut der Kundmachung dahingehend zu verstehen, daß damit angeordnet wird, daß ab dem Zeitpunkt der neuerlichen Kundmachung diese Kundmachung an die Stelle der ersten Kundmachung tritt, somit auch die erste Kundmachung Geltung hat. Andernfalls wäre diese Fußnote überflüssig, diente sie bloß der Sichtlichmachung des Umstandes, daß hier das Gesetz - wegen Wirkungslosigkeit der ersten Kundmachung - 'erstmalig' kundgemacht wird, müßte sie anders lauten (etwa: 'Die Kundmachung in BGBl. I Nr. 92/2000 ist wegen Unvollständigkeit absolut nichtig' oder 'Die Kundmachung in BGBl. I Nr. 92/2000 ist mangels vollständiger Kundmachung des Gesetzesbeschlusses nicht gültig' oder ähnliches).
Entscheidend ist aber vor allem, daß die Bundesverfassung selbst für diesen Fall die Wirksamkeit eines gesetzwidrig kundgemachten Gesetzes anordnet:
Gemäß Art 140 Abs 3 zweiter Satz B-VG hat der Verfassungsgerichtshof, wenn er zu der Auffassung gelangt, 'daß das ganze Gesetz von einem nach der Kompetenzverteilung nicht berufenen Gesetzgebungsorgan erlassen oder in verfassungswidriger Weise kundgemacht wurde', das ganze Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben.
Dies zeigt ganz eindeutig, daß nach dem Willen der Verfassung auch ein fehlerhaft kundgemachtes Gesetz verbindlich ist, sonst müßte es auch der Verfassungsgerichtshof unbeachtet lassen und könnte es nicht als verfassungswidrig aufheben.
Auch Art 89 B-VG spricht für diese Deutung, auch wenn zu dieser Bestimmung eine Fülle von Unklarheiten besteht (vgl. Funk, aaO, 77; jüngst Thienel, aaO, Rz 82; Klaushofer, Gehörig kundgemacht? Die Prüfungsbefugnis der Gerichte, der Unabhängigen Verwaltungssenate und des Unabhängigen Bundesasylsenates bei der Kundmachung von Gesetzen, Verordnungen und Staatsverträgen, ÖJZ 2000, 161, jeweils mit Hinweisen auf die bestehende Literatur). In einem Punkt ist sich die Literatur aber einig: Art 89 B-VG bewirkt zwar, daß unter bestimmten Voraussetzungen (je nachdem, was man unter 'gehöriger Kundmachung' versteht) Gerichte und unabhängige Behörden, für die Art 89 ebenfalls gilt (Unabhängige Verwaltungssenate und Unabhängiger Bundesasylsenat) die fehlerhaft kundgemachte Norm nicht anzuwenden haben, sehr wohl aber der Verfassungsgerichtshof selbst (so auch VfSlg. 7177/1973); umstritten ist allerdings, inwieweit dies auch für Verwaltungsbehörden gilt (vgl. hiezu die Nachweise bei Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht8, Rz 603).
Zusammengefasst folgt daraus, dass bereits die erste Kundmachung Rechtswirkungen entfaltete und daher wirksam war, auch wenn sie von Gerichten und den anderen unabhängigen Behörden, für die Art 89 B-VG gilt, nicht anzuwenden gewesen sein mag. Als absolut nichtig bzw. nicht erfolgt kann diese erste Kundmachung daher nicht gelten, sodass eine zweite Kundmachung unzulässig war.
Dieses Ergebnis ist nicht nur vom Wortlaut her zwingend, sondern auch vom System der Bundesverfassung: Jede andere Auslegung hätte zur Folge, dass ein fehlerhaft kundgemachtes Gesetz (aber auch jede fehlerhaft kundgemachte generelle Norm) keinerlei Rechtswirkungen entfaltete, daher für alle Rechtsunterworfenen (nicht nur für Gerichte und diesen gleichgestellte unabhängige Behörden) keinerlei Rechtswirkungen entfaltet. Dies würde dazu führen, dass - ohne dass dies für den Normunterworfenen ersichtlich wäre - jede derartige Kundmachung im Bundesgesetzblatt ohne verbindliche Wirkung sein könnte, etwa deswegen, weil einzelne Zeilen fehlen. In diesem Fall wäre dann das gesamte Gesetz zur Gänze nicht anwendbar, und zwar nicht nur ab Entdeckung des Mangels, sondern ex tunc, sodass auch sämtliche auf das Gesetz aufbauenden Rechtshandlungen ex tunc nichtig sind.
Dies ist mit dem in Österreich verankerten System der verfassungsgerichtlichen Kontrolle unvereinbar, das von dem Grundsatz ausgeht, dass verfassungswidrige Gesetze grundsätzlich verbindlich sind, bis sie der Verfassungsgerichtshof aufhebt. Zwar ist es erforderlich, schon aus logischen Gründen eine Untergrenze anzunehmen, bei deren Unterschreitung überhaupt kein normativer Akt zustande kommt, doch kann im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt bleiben, wo diese Untergrenze liegt: Jedenfalls liegt ein zwar fehlerhafter, normativ aber wirksamer Akt dann vor, wenn er von einem an sich zur Normsetzung befugten Organ erlassen und im amtlichen Publikationsorgan, wie hier dem Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde. Jede andere Auslegung würde dazu führen, dass der Rechtsunterworfene jeden im Bundesgesetzblatt kundgemachten Gesetzestext daraufhin hinterfragen müsste, ob ihm eine entsprechend unterfertigte Originalurkunde über den Originalbeschluss zugrundeliegt. Dies wäre mit dem in Österreich herrschenden Rechtsschutzsystem unvereinbar.
e) Da somit der Gesetzesbeschluss zum Zeitpunkt der zweiten Kundmachung bereits einmal kundgemacht war und damit das Gesetzgebungsverfahren seinen Abschluss gefunden hatte, ist die zweite Kundmachung vom ebenfalls rechtswidrig. Zu klären ist, welche Rechtsfolgen diese Rechtswidrigkeit nach sich zieht:
aa) Denkbar wäre es, die zweite Kundmachung als absolut nichtig zu qualifizieren. Diese Variante trifft nach Auffassung der Antragsteller nicht zu, sie wird hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Gegen diese Interpretation spricht das vorhin erwähnte Rechtsschutzsystem des Bundes-Verfassungsgesetzes, das davon ausgeht, dass grundsätzlich in amtlichen Publikationsorganen aufscheinende Kundmachungen verbindlich sind, solange sie nicht vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden. Tatsächlich wurde diese Kundmachung im Bundesgesetzblatt verlautbart, sie stammt auch von einem Organ, das an sich zu Verlautbarungen im Bundesgesetzblatt befugt ist, nämlich vom Bundeskanzler; dass die Fertigungsklausel damit nicht übereinstimmt, ist nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, VfSlg. 10.739/1985 betreffend die falsche Fertigungsklausel eines Landesamtsdirektors, unbeachtlich. Allerdings muss eingeräumt werden, dass für die Annahme der absoluten Nichtigkeit der zweiten Kundmachung zumindest ebenso gute Gründe sprechen, wie für die Annahme der absoluten Nichtigkeit der ersten Kundmachung, wovon möglicherweise der Bundeskanzler ausgeht: Die Fehlerhaftigkeit der zweiten Kundmachung ist aus dem Kundmachungstext selbst ersichtlich, indem sie sich auf ein nicht in der Rechtsordnung vorhandenes Instrument, nämlich die 'Ersetzung' beruft.
Bei dieser Interpretation wäre der vorliegende Antrag hinsichtlich der zweiten Kundmachung unzulässig, es verbliebe aber die Gesetzwidrigkeit der ersten Kundmachung aus den unter 2. genannten Gründen.
bb) Die zweite Möglichkeit ist es, die zweite Kundmachung ungeachtet der Wirksamkeit der ersten Kundmachung wiederum als Kundmachung eines Bundesgesetzes zu qualifizieren, nämlich als Kundmachung des vom Nationalrat am in Dritter Lesung angenommenen Bundesgesetzes. In diesem Fall ist auch die zweite Kundmachung als Bundesgesetz im Sinne des Art 140 B-VG zu qualifizieren, dessen Verfassungswidrigkeit von einem Drittel der Mitglieder des Nationalrates vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemacht wird.
In diesem Sinne beantragen die einschreitenden Abgeordneten die Aufhebung dieses Bundesgesetzes in der Fassung der Kundmachung vom , BGBl. I Nr. 101/2000.
Die Gründe für diese Verfassungswidrigkeit liegen in der Gesetzwidrigkeit einer zweimaligen Kundmachung, wie es vorhin unter Punkt c ausgeführt wurde. Dies entspricht auch der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes: In VfSlg. 10.739/1985 hob er eine Wiederverlautbarung, die wegen eines Druckfehlers in der ersten Wiederverlautbarung ein zweites Mal kundgemacht wurde, wegen Unzulässigkeit der Wiederholung der Kundmachung als verfassungswidrig auf. Dem Unterschied, dass es sich in diesem Erkenntnis um eine Wiederverlautbarung gehandelt hat, im vorliegenden Fall aber um ein Gesetz, kommt keine Bedeutung zu.
Nach Auffassung der einschreitenden Abgeordneten ist die zweite Kundmachung daher aufgrund ihres Antrages als verfassungswidrig aufzuheben. Da somit die erste Kundmachung - obwohl ebenfalls verfassungswidrig - wieder aufleben würde, ist für diesen Fall - ebenso wie im Falle einer gleichzeitigen Prüfung einer Verordnung und des dieser Verordnung zugrundeliegenden Gesetzes - die erste Kundmachung unter einem aufzuheben.
Die einschreitenden Abgeordneten beantragen daher auch für den Fall der Aufhebung der zweiten Kundmachung die gleichzeitige Aufhebung der ersten Kundmachung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000.
cc) Tatsächlich hat der Gesetzgebungsvorgang aber bereits mit der ersten - wenn auch fehlerhaften Kundmachung - seinen Abschluss gefunden (siehe Thienel, aa0, Rz 86). Als dritte Variante ist die neuerliche Kundmachung durch den Bundeskanzler daher auch so deutbar, dass ein selbständiger normativer Akt des Bundeskanzler vorliegt.
In diesem Fall ist die Kundmachung als Verordnung zu qualifizieren: Zweifellos enthält der Text der Kundmachung generelle Anordnungen, die dann, wenn sie von einem Verwaltungsorgan erlassen werden, als Verordnung zu qualifizieren wären. Der Bundeskanzler ist nun ein Verwaltungsorgan (vgl. Art 19 B-VG), sodass seine generellen Anordnungen daher Verordnungen sind. Auch der Verfassungsgerichtshof ist im Falle von Druckfehlerberichtigungen davon ausgegangen, dass es sich hiebei um Verordnungen handelt, vgl. , G241/98.
In diesem Fall wäre die Kundmachung des Bundeskanzlers gem. Art 139 B-VG vom Verfassungsgerichtshof in Prüfung zu ziehen. Allerdings kommt den einschreitenden Abgeordneten nicht die Befugnis zu, eine Prüfung von Verordnungen gem. Art 139 zu beantragen. Sie regen daher an, dass der Verfassungsgerichtshof gem. Art 139 B-VG aufgrund des vorliegenden Verfahrens gem. Art 140 B-VG von Amts wegen die Gesetzmäßigkeit der Kundmachung des Bundeskanzlers in BGBl. I Nr. 101/2000 prüft und sie gegebenenfalls als gesetzwidrig aufhebt.
4. Nach diesen Ausführungen zur zweiten Kundmachung können die Auswirkungen der zweiten Kundmachung auf die erste Kundmachung dargestellt werden:
a) Geht man davon aus, dass die zweite Kundmachung absolut nichtig ist, entfaltet die erste Kundmachung volle Rechtswirkungen, ist allerdings wegen unvollständiger Wiedergabe des Gesetzesbeschlusses des Nationalrates verfassungswidrig. Für diesen Fall wird die Aufhebung des Bundesgesetzes in Form der Kundmachung vom , BGBl. I Nr. 92/2000 beantragt.
b) Für den Fall, dass der zweiten Kundmachung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000 Rechtswirkungen beigemessen werden, bestehen diese darin, dass sie die Geltung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000 in der Fassung der ersten Kundmachung vom , BGBl. I Nr. 92/2000, beendet hat.
c) Sollte der Verfassungsgerichtshof die zweite Kundmachung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000 als Verordnung qualifizieren (siehe oben 2.c), und diese Verordnung aus Anlass des aufgrund des vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahrens eingeleiteten Verordnungsprüfungsverfahrens als gesetzwidrig aufheben, ist im fortgesetzten Gesetzesprüfungsverfahren die bereinigte Rechtslage anzuwenden, dies bedeutet, dass die erste Kundmachung so zu beurteilen ist, als wäre die zweite Kundmachung nicht erfolgt. Für diesen Fall beantragen die einschreitenden Abgeordneten wiederum die Aufhebung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000 in der Fassung der Kundmachung vom , BGBl. I Nr. 92/2000, weil die Kundmachung in Folge Unvollständigkeit verfassungswidrig ist.
5. Zur Druckfehlerberichtigung BGBl. I Nr. 102/2000:
a) Mit dieser Druckfehlerberichtigung wurden in sämtlichen Inkrafttretensbestimmungen des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000 in der Fassung der (zweiten) Kundmachung BGBl. I Nr. 101/2000 die Zitate insofern berichtigt, dass in diesen nicht die erste Kundmachung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes, sondern die zweite zitiert wird.
Diese Kundmachung erweist sich aus folgenden Gründen als gesetzwidrig:
Zunächst gehen die Antragsteller davon aus, dass die Praxis des Gesetzgebers, in den Inkrafttretensbestimmungen eines Gesetzes Platzhalter zu setzen und es dem zur Kundmachung verpflichteten Organ zu überlassen, anstelle dieser Platzhalter dann die der inneren Einrichtung des Gesetzblattes entsprechende fortlaufende Nummer des Bundesgesetzes einzusetzen, mit der Bundesverfassung und dem Bundesgesetzblattgesetz vereinbar ist (dazu Thienel, aaO, Rz 15). Nach Auffassung der Antragsteller handelt es sich hiebei um Fragen der inneren Einrichtung des Bundesgesetzblattes, die Art 49 Abs 3 B-VG und das Bundesgesetzblattgesetz dem Bundeskanzler überlassen. Sollte der Verfassungsgerichtshof anderer Auffassung sein, wird angeregt, bereits aus diesen Gründen aus Anlass des vorliegenden Verfahrens ein Verfahren gem. Art 139 B-VG einzuleiten, weil diesfalls die Druckfehlerberichtigung keinesfalls in dieser Form erfolgen dürfte, sondern dann die im Originalbeschluss des Nationalrates enthaltenen Platzhalter wiedergeben müsste.
b) Die Antragsteller hegen gegen die Druckfehlerberichtigung das Bedenken, dass sie gesetzwidrig erfolgt ist:
Aus der vorhin (Punkt 2.b) wiedergegebenen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind unter Druckfehlern nur Unterschiede zwischen Originalbeschluss und Kundmachung zu verstehen, und hier wiederum nur solche, die den materiellen Gesetzesinhalt unverändert lassen.
Diese Voraussetzungen sind bei dieser Druckfehlerberichtigung nicht gegeben:
Zunächst handelt es sich bei den berichtigten Fehlern schon deswegen um keine Druckfehler, weil der Druckauftrag des Bundeskanzlers (bzw. des für den Bundeskanzler zeichnungsberechtigten Beamten) dahingehend lautete, den Text der ersten Kundmachung ergänzt um die in der ersten Kundmachung fehlenden Zeilen neuerlich kundzumachen. Insofern durfte die Druckerei gar nichts anderes kundmachen als den Text der ersten Kundmachung einschließlich der in der ersten Kundmachung enthaltenen Zitate in den Inkrafttretensbestimmungen. Schon deswegen handelt es sich um keinen Druckfehler, sondern um die fehlerfreie Kundmachung eines fehlerhaften normativen Aktes, der dem Bundeskanzler zuzurechnen ist.
Im übrigen wird nicht ein Unterschied zwischen dem Originalbeschluss und der Kundmachung berichtigt, sondern zwischen der ersten und der zweiten Kundmachung. Hiezu ermächtigt § 2 Abs 7 BGBlG nicht, der Druckfehlerberichtigung fehlt daher jegliche gesetzliche Grundlage und sie ist daher gesetzeswidrig.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Druckfehlerberichtigung sei erforderlich, weil in der zweiten Kundmachung ein Fehler gegenüber der ersten Kundmachung unterlaufen sei, indem die zweite Kundmachung weiterhin in den Inkrafttretensbestimmungen die erste Kundmachung zitiert. Dies ist nämlich eine Folge dessen, dass überhaupt in gesetzwidriger Weise zweimal kundgemacht wurde, sodass insofern die Gesetzwidrigkeit der ersten Kundmachung auf die Druckfehlerberichtigung durchschlägt. Selbst wenn der Verfassungsgerichtshof zur Auffassung gelangen sollte, die zweite Kundmachung sei als solche gesetzesmäßig, wäre daher die Druckfehlerberichtigung gesetzwidrig.
Dazu kommt aber noch, dass die Druckfehlerberichtigung als solches nicht bloß die Berichtigung von für jedermann ersichtlichen unrichtig gesetzten Buchstaben, Zahlen, Zeilen usw. ohne Veränderung des normativen Inhalts enthält, wie dies der Verfassungsgerichtshof für Druckfehler fordert. In der Fassung der zweiten Kundmachung verweist das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 vielmehr hinsichtlich des Inkrafttretens auf die Bestimmungen der ersten Kundmachung, insofern wird eindeutig und in sich schlüssig angeordnet, dass im Bundesgesetzblatt enthaltene Bestimmungen zu einem bestimmten Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden sollen. Damit entfaltet diese zweite Kundmachung aufgrund der Fehler die normative Wirkung, dass materielle Bestimmungen der ersten Kundmachung in Kraft gesetzt werden, und zwar - da sowohl die zweite Kundmachung als auch die Druckfehlerberichtigung zu einem Zeitpunkt erfolgte, nachdem einzelne Bestimmungen bereits in Kraft traten - mit der Wirkung, dass der Text der ersten Kundmachung nicht der der zweiten Kundmachung galt.
Es handelt sich bei den mit der Druckfehlerberichtigung berichtigten Fehlern um keine solchen, die im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes einer Druckfehlerberichtigung zugänglich sind. Die Druckfehlerberichtigung ist daher gesetzwidrig.
c) Bei einer Druckfehlerberichtigung handelt es sich nach der Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes (siehe , G241/98) um eine Verordnung. Die Antragsteller regen daher an, aus Anlass des vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahrens von Amts wegen ein Verfahren gem. Art 139 B-VG zur Prüfung der Druckfehlerberichtigung einzuleiten und sie in diesem Verfahren als gesetzwidrig aufzuheben."
3. Die Bundesregierung hat unter Vorlage der die Kundmachung des angefochtenen Bundesgesetzes betreffenden Akten eine Äußerung erstattet, in der sie u.a. Folgendes ausführt:
"...
VI.1. Vorauszuschicken ist, dass das vom Präsidenten des Nationalrates ausgefertigte, vom Bundespräsidenten beurkundete und vom Bundeskanzler gegengezeichnete Original des Beschlusses des Nationalrates vom den Gesetzestext vollständig wiedergibt.
Die Urkunde, die den Originalbeschluss enthält, ist von der Parlamentsdirektion hergestellt worden. Dabei ging man in der Weise vor, dass der Text der in zweiter Lesung beschlossenen Abänderungsanträge in den Text des Gesetzentwurfes (in der Fassung des Ausschussberichtes 254 d.B.) 'hineinkopiert' wurde, sodass anhand des äußeren Erscheinungsbildes der Urkunde mit freiem Auge nicht bzw. nur schwer erkennbar war, an welchen Stellen des Gesetzentwurfes sich in zweiter Lesung gegenüber dem Ausschussbericht Änderungen ergeben haben.
Zur Herstellung des Bürstenabzuges wurde der Staatsdruckerei vom Bundeskanzleramt der Text des Ausschussberichtes übermittelt. Die im Originalbeschluss mit freiem Auge erkennbaren Änderungen gegenüber dem Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschussberichtes waren in diesem Text berücksichtigt; die Änderungen in Art 1 Z 13a (§135a Abs 1 Z 3 ASVG), Art 2 Z 7b (§91a Abs 1 Z 3 GSVG), Art 3 Z 4d (§85a Abs 1 Z 3 BSVG) und Art 4 Z 2b (§63a Abs 1 Z 3 B-KUVG) waren jedoch übersehen worden. In Art 2 Z 30a (§284 Abs 4 GSVG) war vom Bundeskanzleramt für den Ausdruck 'yy' außer der Nummer des Bundesgesetzblattes versehentlich auch die Jahreszahl des Bundesgesetzblattes eingesetzt worden.
Zum Zeitpunkt des Korrekturlesens der Bürstenabzüge stand dem Bundeskanzleramt der Originalbeschluss nicht zur Verfügung, da er sich in der Präsidentschaftskanzlei zur Beurkundung befand. Beim Korrekturlesen wurde die Änderung in Art 1 Z 1c (Überschrift zu § 32a ASVG) übersehen, die offenbar von der Staatsdruckerei vorgenommen worden ist.
Der Druckauftrag des Bundeskanzleramtes bezog sich auf den korrigierten Bürstenabzug, also auf den Text des Ausschussberichtes einschließlich der im Originalbeschluss mit freiem Auge erkennbaren Änderungen, jedoch mit Ausnahme der oben erwähnten Änderungen.
Die Änderung in Art 4 Z 5 (§196 Abs 2 B-KUVG) ist in der Kundmachung BGBl. I Nr. 92/2000 noch nicht enthalten, sondern erst in der Kundmachung BGBl. I Nr. 101/2000. Die Änderung wurde offenbar von der Staatsdruckerei vorgenommen.
VI.2. Im Erkenntnis VfSlg. 3719/1960 hat der Verfassungsgerichtshof zum Begriff des 'Druckfehlers' ausgeführt:
'Aus den vorgelegten Akten konnte festgestellt werden, daß dem Beschluß der Landesregierung der vollständige Text vorgelegen, dieser beschlossen und danach an die Druckerei abgegangen ist. Der Fehler kann also erst dort geschehen sein. Dennoch fällt ein derartiger Fehler (Auslassen eines ganzen Absatzes) nicht unter den Begriff eines 'Druckfehlers'. Denn entscheidend ist nicht die Stelle, wo der Fehler unterlaufen ist, sondern wie er äußerlich in Erscheinung tritt, weil für den Rechtsunterworfenen nicht der beschlossene Text, sondern ausschließlich der kundgemachte Text maßgebend ist. Es ist daher nur zu untersuchen, ob er nach Art und Umfang als Druckfehler zu werten ist, der berichtigt werden kann. Unter Druckfehlern in einem Gesetzestext sind nicht nur unrichtig gesetzte Buchstaben, Zahlen, Zeilen usw., sondern auch Auslassungen zu verstehen, sofern sie nur den materiellen Gesetzesinhalt unverändert lassen. Diese Voraussetzung ist aber jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn eine ganze, in sich geschlossene Rechtsregel ausfällt. In einem solchen Fall liegt nicht mehr ein Druckfehler, sondern ein Publikationsmangel vor.'
An dieser grundlegenden Unterscheidung zwischen 'Druckfehler' und 'Publikationsmangel' hat der Verfassungsgerichtshof auch in den folgenden Erkenntnissen festgehalten (siehe zuletzt VfSlg. 14.851/1997, , G241/98).
VI.3. Die in den Kundmachungen BGBl. I Nr. 92/2000 und BGBl. I Nr. 101/2000 enthaltenen Abweichungen vom Original des Gesetzesbeschlusses lassen sich in zwei Kategorien einteilen:
Die Abweichungen in Art 1 Z 1c (Überschrift zu § 32a ASVG), Art 2 Z 30a (§284 Abs 4 GSVG) und Art 4 Z 5 (§196 Abs 2 B-KUVG) sind nicht-normativ, lassen also den materiellen Gesetzesinhalt unverändert. Davon gehen offenbar auch die Antragsteller aus, wenn auf Seite 3 des Antrages ausgeführt wird, die Kundmachung weiche in einigen Punkten vom Originalbeschluss des Nationalrates geringfügig ab, ohne dass dies den Sinn des Textes verändere. Im Hinblick darauf erscheint von vornherein ausgeschlossen, dass diese Abweichungen das Gesetz mit Verfassungswidrigkeit belasten können.
Anderes gilt für die Abweichungen in Art 1 Z 13a (§135a Abs 1 Z 3 ASVG), Art 2 Z 7b (§91a Abs 1 Z 3 GSVG), Art 3 Z 4d (§85a Abs 1 Z 3 BSVG) und Art 4 Z 2b (§63a Abs 2 Z 3 B-KUVG). Da mit diesen Abweichungen eine Änderung des materiellen Gesetzesinhalts verbunden ist, handelt es sich bei ihnen nicht um 'Druckfehler' im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes.
VI.4. Wie vorzugehen ist, wenn der Kundmachung ein - im Wege der Druckfehlerberichtigung nicht behebbarer - 'Publikationsmangel' anhaftet, ist umstritten. Während ein Teil der Lehre eine nachträgliche Berichtigung solcher Mängel für unzulässig hält (vgl. Walter, Die ominöse Seite 2093 des BGBl 1991, ÖJZ 1991, 846; Thienel, Art 48, 49, in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht (1999), Rz. 86), wird etwa von Funk (Die Berichtigung von Verlautbarungsfehlern in Gesetzblättern, Rill-FS (1995), 77 (91)) eine Behebung des Mangels durch die Nachholung der 'gehörigen Kundmachung' erwogen. Bei Verordnungen hat der Verfassungsgerichtshof eine solche Behebung von Kundmachungsmängeln jedenfalls für zulässig angesehen (vgl. insb. VfSlg. 6346/1970, 8167/1977, 9535/1982 sowie Aichlreiter, Österreichisches Verordnungsrecht I (1988), 843 f).
Für die Notwendigkeit und Zulässigkeit der Sanierung einer mit einem 'Publikationsmangel' behafteten Kundmachung eines Bundesgesetzes durch eine zweite, fehlerfreie Kundmachung spricht, dass gemäß Art 49 Abs 1 B-VG 'die Bundesgesetze' im Bundesgesetzblatt kundzumachen sind. Daraus ist abzuleiten, dass der Bundeskanzler als Kundmachungsorgan zu einer originalgetreuen Wiedergabe der Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates in der Kundmachung verpflichtet ist. Diese Verpflichtung muss eine fortdauernde sein, soll dem dem Art 49 Abs 1 B-VG innewohnenden Prinzip zum Durchbruch verholfen werden, dass nämlich der Wille des Nationalrats, wie er auch durch den Bundespräsidenten beurkundet wurde, in der Kundmachung zum Ausdruck kommt. Dieser Grundsatz ergibt sich implizit aus dem Erkenntnis VfSlg. 5320/1966 iVm. dem Erkenntnis , G241/98; für Verordnungen wird seine Geltung in den Erkenntnissen VfSlg. 13.910/1994, 14.501/1996 ausdrücklich hervorgehoben.
VI.5. Wenn und weil sich die Notwendigkeit und Zulässigkeit der Sanierung einer mit einem 'Publikationsmangel' behafteten Kundmachung eines Bundesgesetzes durch eine zweite, fehlerfreie Kundmachung unmittelbar aus Art 49 Abs 1 B-VG ergibt, kann aber auch nicht argumentiert werden, eine nachträgliche Berichtigung sei nur in dem Rahmen zulässig, den das Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt eröffnet (so aber Walter, aaO; Thienel, aaO); auch aus Art 49a B-VG kann diesfalls nicht die Unzulässigkeit einer solchen Vorgangsweise abgeleitet werden.
VI.6. Sollte der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gelangen, dass die 'Publikationsmängel' nicht durch neuerliche Kundmachung des ganzen Gesetzesbeschlusses hätten berichtigt werden dürfen, geht die Bundesregierung davon aus, dass die Kundmachung BGBl. I Nr. 101/2000 im Sinne des Erkenntnisses , G241/98 als gesetzwidrige Verordnung zu qualifizieren ist und demgemäß aus Anlass dieses Antrages von Amts wegen ein Verfahren gemäß Art 139 B-VG zur Prüfung ihrer Gesetzmäßigkeit einzuleiten sein wäre. Da Verordnungen Gesetze nur zu verdrängen, ihnen aber nicht endgültig zu derogieren vermögen, wäre nach einer allfälligen Aufhebung dieser Verordnung das Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich des - unter der Nummer BGBl. I Nr. 92/2000 kundgemachten - Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000 fortzusetzen. Für diesen Fall wird jedoch schon jetzt darauf hingewiesen, dass ein Anwendungsfall des zur Aufhebung des ganzen Gesetzes führenden Art 140 Abs 3 B-VG nicht vorliegt, weil die 'Publikationsmängel' nur die einzelnen Gesetzesstellen, nicht aber das gesamte Gesetz betreffen. Da der Verfassungsgerichtshof dies im Erkenntnis , G241/98 zu einem völlig vergleichbaren Fall ausdrücklich ausgesprochen hat, erübrigen sich weiter gehende Ausführungen zu dieser Frage. Die im Antrag angestellten, spekulativen Überlegungen über ein hypothetisches Stimmverhalten der Mitglieder des Nationalrates stellen jedenfalls keine taugliche dogmatische Begründung für die Notwendigkeit einer Aufhebung des gesamten Gesetzes dar.
VII.
Die Bundesregierung stellt somit den
...
A n t r a g ,
der Verfassungsgerichtshof wolle die - in de(m) zu ... G152/00
protokollierten Verfahren erhobenen - Anträge, deren Haupt- oder
Eventualbegehren sich auf die Aufhebung der dort genannten
Bestimmungen des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 92
bzw. 101, ... richtet, abweisen."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Frage der Zulässigkeit des Antrages Folgendes erwogen:
1.1. Gemäß Art 140 Abs 1 zweiter Satz B-VG ist ein Drittel der Mitglieder des Nationalrates berechtigt, die Verfassungswidrigkeit bundesgesetzlicher Bestimmungen beim Verfassungsgerichtshof geltend zu machen. Die antragstellenden 63 Abgeordneten zum Nationalrat verkörpern mehr als ein Drittel der Mitglieder des Nationalrates. Daher ist die in Art 140 Abs 1 zweiter Satz B-VG normierte Antragsvoraussetzung gegeben.
1.2. Wie sich aber aus Art 140 Abs 4 B-VG ergibt, ist ein Antrag eines Drittels der Mitglieder des Nationalrates als Fall einer abstrakten Normenkontrolle nur gegen geltende, nicht aber gegen schon außer Kraft getretene Rechtsvorschriften zulässig (VfSlg. 14.802/1997 (S 397), 14.895/1997 (1036 f.)).
Dazu ist im vorliegenden Fall auf Folgendes hinzuweisen:
1.2.1. Gegenstand des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000 (SRÄG 2000), BGBl. I 92 und 101 idF 102, ist die Änderung der folgenden Bundesgesetze:
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- | des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG (Art1 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000), | |||||||||
- | des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes - GSVG (Art2), | |||||||||
- | des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes - BSVG (Art3) | |||||||||
- | des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes - B-KUVG (Art4), | |||||||||
- | des Arbeitslosen-Versicherungsgesetzes 1977 - AlVG (Art5), | |||||||||
- | des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes (Art6) und | |||||||||
- | des Arbeitsmarktförderungsgesetzes - AMFG (Art7). |
1.2.2.1. Nach Antragstellung wurden mit dem Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I 2000/142, die folgenden, einen Gegenstand des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000 bildenden Bundesgesetze hinsichtlich der nachstehend genannten, antragsrelevanten Bestimmungen geändert:
* das BSVG hinsichtlich des
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- | §23 Abs 10 lita (vgl. Art 3 Z 1h des SRÄG 2000 und Art 68 Z 1j des Budgetbegleitgesetzes 2001), | |||||||||
- | §24 Abs 2 (vgl. Art 3 Z 1l des SRÄG 2000 und Art 68 Z 1k des Budgetbegleitgesetzes 2001) sowie | |||||||||
- | §26 Abs 2 (vgl. Art 3 Z 1n des SRÄG 2000 und Art 68 Z 4 des Budgetbegleitgesetzes 2001); |
* das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz
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hinsichtlich des | ||||||||||
- § 1 Abs 1 Z 9 und Z 10 (vgl. Art 6 Z 1 des SRÄG 2000 und Art 37 Z 1 des Budgetbegleitgesetzes 2001). |
1.2.2.2. Ferner wurden mit dem Bundesgesetz BGBl. I 2001/5 die folgenden, einen Gegenstand des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000 bildenden Bundesgesetze hinsichtlich der nachstehend genannten, antragsrelevanten Bestimmungen geändert:
* das ASVG hinsichtlich des
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- | §148 Z 5 (vgl. Art 1 Z 14a des SRÄG 2000 und Art 3 Z 18 des Bundesgesetzes BGBl. I 2001/5), | |||||||||
- | §149 Abs 3 (vgl. Art 1 Z 14b des SRÄG 2000 und Art 3 Z 18 des Bundesgesetzes BGBl. I 2001/5), | |||||||||
- | §447a Abs 2 Z 2 (vgl. Art 1 Z 49f des SRÄG | |||||||||
2000 und Art 3 Z 15 des Bundesgesetzes BGBl. I 2001/5); |
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* das GSVG hinsichtlich des | ||||||||||
- § 98 Abs 3 (vgl. Art 2 Z 8a des SRÄG 2000 und Art 4 Z 4 des Bundesgesetzes BGBl. I 2001/5); |
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* das BSVG hinsichtlich des | ||||||||||
- § 92 Abs 3 (vgl. Art 3 Z 5b des SRÄG 2000 und Art 5 Z 4 des Bundesgesetzes BGBl. I 2001/5); |
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* das B-KUVG hinsichtlich des | ||||||||||
- | §68 Abs 1 (vgl. Art 4 Z 3a des SRÄG 2000 und Art 6 Z 4 des Bundesgesetzes BGBl. I 2001/5), | |||||||||
- | §68 Abs 2 letzter Satz (vgl. Art 4 Z 3b des SRÄG 2000 und Art 6 Z 4 des Bundesgesetzes BGBl. I 2001/5). |
1.2.3. Die in den Pkten. 1.2.2.1. und 1.2.2.2. genannten Bestimmungen des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I 92 und 101, idF 102, stehen also nicht mehr in der angefochtenen Fassung in Geltung und können somit auch nicht (mehr) Gegenstand eines Antrages eines Drittels der Mitglieder des Nationalrates sein.
Der Antrag war daher insoweit als unzulässig zurückzuweisen. Im Übrigen ist der Antrag - da es sich bei den angefochtenen Bestimmungen, wie unter Pkt. 4.4. dargetan wird, nicht um absolut nichtige Akte handelt - zulässig.
III. In der Sache hat der Verfassungsgerichtshof Folgendes erwogen:
1. Die antragstellenden Abgeordneten bringen - auf das Wesentliche zusammengefasst - Folgendes vor:
1.1. Die bei der Kundmachung BGBl. I 2000/92 unterlaufenen Fehler seien Kundmachungsmängel und nicht bloße Druckfehler. Es fehlten an mehreren Stellen der Kundmachung mehrere Zeilen, die selbständige normative Anordnungen träfen, nämlich Ausnahmen von einer allgemein geltenden Bestimmung.
Der Verfassungsgerichtshof habe in VfSlg. 3719/1960 ausgesprochen, dass als Druckfehler nur solche Unterschiede zwischen dem Beschluss des normsetzenden Organes und der Wiedergabe im Kundmachungsorgan gewertet werden könnten, die den materiellen Gesetzesinhalt unverändert ließen. Zwar seien unter Druckfehlern auch "Auslassungen" zu verstehen, dies aber nur, sofern sie den materiellen Gesetzesinhalt unverändert ließen. Diese Voraussetzung sei aber jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn eine ganze in sich geschlossene Rechtsregel ausfällt. In einem solchen Fall liege nicht mehr ein Druckfehler, sondern ein Publikationsmangel vor. Bei dieser Rechtsprechung sei der Verfassungsgerichtshof bis in jüngste Zeit geblieben (hiezu wird insbesondere auf das Erkenntnis , G241/98 hingewiesen).
Bei den Auslassungen in der Kundmachung BGBl. I 2000/92 handle es sich aber um Auslassungen, durch die der materielle Gesetzesinhalt verändert werde. Es liege daher ein Kundmachungsmangel vor, der einer Druckfehlerberichtigung nicht zugänglich sei. Die genannte Kundmachung stimme nicht mit dem Originalbeschluss überein und sei daher gesetzwidrig.
Dieser Fehler belaste die gesamte Kundmachung mit Verfassungswidrigkeit, sodass das gesamte Gesetz aufzuheben sei. Grundsätzlich beziehe sich nämlich der Wille des Bundesgesetzgebers auf den gesamten von ihm beschlossenen Text, wie er im Originalbeschluss zum Ausdruck komme. Werde nun nicht der gesamte Gesetzesbeschluss kundgemacht, sondern fehlten einzelne Teile, so werde ein Gesetzestext publiziert, von dem nicht bekannt sei, ob er eine Mehrheit der Abgeordneten hinter sich habe.
Für den vorliegenden Fall gelte nichts anderes als das, was der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 14.605/1996 für den Fall einer mangelnden Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung ausgesprochen habe: Auch wenn die Zustimmung der Bundesregierung nur für einzelne Bestimmungen erforderlich sei, sei im Falle der Kundmachung des Landesgesetzes ohne die Bestimmungen, für die die Zustimmung der Bundesregierung erforderlich wäre, die gesamte Kundmachung mangelhaft, weil der Landeshauptmann nicht ermächtigt sei, einen solchen Gesetzesbeschluss ohne die zustimmungspflichtigen Bestimmungen kundzumachen. Es könne nämlich niemand unterstellen, dass der Landtag den Gesetzesbeschluss auch ohne diese Bestimmungen gefasst hätte.
1.2. Was die Kundmachung BGBl. I 2000/101 anlange, so handle es sich dabei um keine Druckfehlerberichtigung iSd Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 1996, und zwar weder dem subjektiven Anspruch dieser Kundmachung nach, noch objektiv. Es liege vielmehr eine eigene, gesetzlich nicht vorgesehene Form, die "Ersetzung" einer Kundmachung durch eine zweite, vor.
Ohne eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage sei aber eine derartige Ersetzung gesetzwidrig, auch wenn sie das Ziel verfolge, den gesamten Text eines vom Gesetzgeber beschlossenen Bundesgesetzes wiederzugeben. Das Bundesgesetzblattgesetz sehe nur eine einzige Form einer Berichtigung einer einmal erfolgten Kundmachung vor, nämlich die Druckfehlerberichtigung. Eine derartige Ermächtigung wäre völlig überflüssig, wenn Art 49 B-VG unmittelbar erlaubte, solche - offenkundige und keine normative Wirkung nach sich ziehende - Fehler zu beheben. Wenn der Gesetzgeber diese Fehlerbehebungsmöglichkeit ausdrücklich vorsehe, so sei daraus zu schließen, dass jede andere, neuerliche Kundmachung ausgeschlossen sei. Erfolge sie dennoch, so habe dies die Gesetzwidrigkeit der neuerlichen Kundmachung zur Folge.
Auch aus Art 49a B-VG betreffend die Wiederverlautbarung ergebe sich, dass die Verfassung selbst eine neuerliche Kundmachung eines Bundesgesetzes ausschließe. Die Bestimmung eröffne dem Bundeskanzler die Möglichkeit, den Text von geltenden Bundesgesetzen neuerlich kundzumachen, wobei er bestimmte Richtigstellungen vornehmen könne. Alle diese Richtigstellungen bewirkten aber keine normativen Änderungen des Textes, sondern erleichterten bloß dem Normunterworfenen die Feststellung des geltenden Gesetzestextes. Es handle sich damit bloß um eine schlichte neuerliche Kundmachung von bereits kundgemachten Gesetzen.
Der Umstand, dass das B-VG selbst eine ausdrückliche Ermächtigung für eine derartige neuerliche Verlautbarung vorsehe, zwinge zu dem Schluss, dass ohne eine derartige verfassungsrechtliche Ermächtigung eine zweimalige Kundmachung von Bundesgesetzen unzulässig sei.
Möglicherweise sei der Bundeskanzler im vorliegenden Fall davon ausgegangen, die neuerliche Kundmachung sei deshalb zulässig, weil die erste Kundmachung wegen des Fehlens von Teilen des beschlossenen Gesetzestextes absolut nichtig gewesen sei. Dem stehe aber der Wortlaut der zweiten Kundmachung entgegen, dem zu Folge sie die erste bloß "ersetzt". Damit werde nämlich angeordnet, dass ab dem Zeitpunkt der neuerlichen Kundmachung diese zweite Kundmachung an die Stelle der ersten trete und somit auch die erste Kundmachung Geltung habe. Entscheidend sei aber, dass aus dem B-VG selbst, nämlich aus Art 140 Abs 3 zweiter Satz B-VG abzuleiten sei, dass auch ein fehlerhaft kundgemachtes Gesetz verbindlich sei. Andernfalls müsste es nämlich auch der Verfassungsgerichtshof unbeachtet lassen und könnte es nicht als verfassungswidrig aufheben.
Die erste Kundmachung habe Rechtswirkung entfaltet und sei daher wirksam gewesen. Sie könne nicht als absolut nichtig gelten. Im Hinblick darauf sei die zweite Kundmachung unzulässig gewesen. Dieses Ergebnis sei auch vom System der Bundesverfassung her zwingend: Jede andere Auslegung hätte zur Folge, dass ein fehlerhaft kundgemachtes Gesetz keinerlei Rechtswirkungen entfalten würde. Dies führte dazu, dass - ohne dass dies für den Normunterworfenen ersichtlich wäre - jede derartige Kundmachung im Bundesgesetzblatt ohne verbindliche Wirkung sein könnte. Dies sei mit dem in Österreich verankerten System der verfassungsgerichtlichen Kontrolle unvereinbar, das von dem Grundsatz ausgehe, dass verfassungswidrige Gesetze grundsätzlich verbindlich seien, bis sie der Verfassungsgerichtshof aufhebe. Zwar sei es erforderlich, schon aus logischen Gründen eine Untergrenze anzunehmen, bei deren Unterschreitung überhaupt kein normativer Akt zustande gekommen sei, doch könne im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt bleiben, wo diese Untergrenze liege.
Da somit der Gesetzesbeschluss zum Zeitpunkt der zweiten Kundmachung bereits einmal kundgemacht gewesen sei und damit das Gesetzgebungsverfahren seinen Abschluss gefunden hatte, sei die zweite Kundmachung jedenfalls rechtswidrig.
Zu klären sei, welche Rechtsfolgen sich daraus ergäben. Denkbar wäre es, die zweite Kundmachung als absolut nichtig zu qualifizieren. Diese Variante treffe jedoch nach Auffassung der Antragsteller nicht zu und werde bloß der Vollständigkeit halber erwähnt.
Die zweite Möglichkeit sei es, die zweite Kundmachung ungeachtet der Wirksamkeit der ersten wiederum als Kundmachung eines Bundesgesetzes, nämlich des vom Nationalrat am in dritter Lesung angenommenen, zu qualifizieren. In diesem Sinne wäre auch die zweite Kundmachung als Bundesgesetz iSd des Art 140 B-VG zu qualifizieren. Der Grund für dessen Verfassungswidrigkeit liege in der Gesetzwidrigkeit der zweimaligen Kundmachung. Diese Auffassung entspreche auch der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes: Im Erkenntnis VfSlg. 10.739/1985 habe der Verfassungsgerichtshof eine Wiederverlautbarung, die wegen eines Druckfehlers in der ersten Wiederverlautbarung ein zweites Mal kundgemacht worden sei, wegen Unzulässigkeit der Wiederholung der Kundmachung als verfassungswidrig aufgehoben. Dem Umstand, dass es sich dabei um eine Wiederverlautbarung gehandelt habe, im vorliegenden Fall aber um ein Gesetz, komme keine Bedeutung zu.
Nach Auffassung der einschreitenden Abgeordneten sei die zweite Kundmachung daher auf Grund ihres Antrages als verfassungswidrig aufzuheben. Da somit die erste Kundmachung - obwohl ebenfalls verfassungswidrig - wieder aufleben würde, sei für diesen Fall - ebenso wie im Falle einer gleichzeitigen Prüfung einer Verordnung und des dieser Verordnung zu Grunde liegenden Gesetzes - die erste Kundmachung unter einem aufzuheben. Es werde daher auch für den Fall der Aufhebung der zweiten Kundmachung die gleichzeitige Aufhebung der ersten Kundmachung beantragt.
Als dritte Variante sei die neuerliche Kundmachung auch als ein selbstständiger normativer Akt des Bundeskanzlers deutbar. In diesem Fall wäre die Kundmachung als Verordnung zu qualifizieren: Der Text der Kundmachung enthalte nämlich zweifellos eine generelle Anordnung. Der Bundeskanzler sei ein Verwaltungsorgan, sodass seine generellen Anordnungen daher Verordnungen seien. In diesem Fall wäre die Kundmachung gemäß Art 139 B-VG vom Verfassungsgerichtshof in Prüfung zu ziehen. Allerdings komme den einschreitenden Abgeordneten nicht die Befugnis zu, eine solche Prüfung zu beantragen. Sie regten daher für diesen Fall an, dass der Verfassungsgerichtshof auf Grund des vorliegenden Verfahrens gemäß Art 140 B-VG von Amts wegen die Gesetzmäßigkeit der Kundmachung des Bundeskanzlers BGBl. 2000/101 prüfe und sie gegebenenfalls als gesetzwidrig aufhebe.
1.3. Schließlich vertreten die antragstellenden Abgeordneten auch die Auffassung, dass die Druckfehlerberichtigung BGBl. I 2000/102 gesetzwidrig sei.
Zwar sei die Praxis des Gesetzgebers, in den Inkrafttretensbestimmungen eines Gesetzes "Platzhalter" zu setzen und es dem zur Kundmachung verpflichteten Organ zu überlassen, an deren Stelle die der inneren Einrichtung des Gesetzblattes entsprechende fortlaufende Nummer des Bundesgesetzblattes einzusetzen, mit der Bundesverfassung und mit dem Bundesgesetzblattgesetz vereinbar, weil es sich dabei um Fragen der inneren Einrichtung des Bundesgesetzblattes handle, die gemäß Art 49 Abs 3 B-VG und nach dem Bundesgesetzblattgesetz dem Bundeskanzler überlassen seien.
Aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ergebe sich aber, dass unter Druckfehlern nur Unterschiede zwischen dem Originalbeschluss und der Kundmachung zu verstehen seien, und hier wiederum nur solche, die den materiellen Gesetzesinhalt unverändert ließen. Diese Voraussetzungen seien aber bei der hier vorliegenden Druckfehlerberichtigung nicht gegeben. Insbesondere werde nicht ein Unterschied zwischen dem Originalbeschluss und der Kundmachung berichtigt, sondern zwischen der ersten und der zweiten Kundmachung. Hiezu ermächtige § 2 Abs 7 BGBlG aber nicht. Die Druckfehlerberichtigung sei daher gesetzwidrig. Dem könne nicht entgegengehalten werden, die Druckfehlerberichtigung sei erforderlich, weil in der zweiten Kundmachung ein Fehler gegenüber der ersten Kundmachung unterlaufen sei. Dies sei nämlich eine Folge dessen, dass überhaupt in gesetzwidriger Weise zweimal kundgemacht worden sei, sodass insoferne die Gesetzwidrigkeit der ersten Kundmachung auch auf die Druckfehlerberichtigung durchschlage.
Bei einer Druckfehlerberichtigung handle es sich nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (hiezu wird erneut auf das Erkenntnis , G241/98 hingewiesen) um eine Verordnung. Die antragstellenden Abgeordneten regten daher an, aus Anlass des vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahrens von Amts wegen ein Verfahren gemäß Art 139 B-VG zur Prüfung der Druckfehlerberichtigung einzuleiten und sie in diesem Verfahren als gesetzwidrig aufzuheben.
2. Die Bundesregierung hält dem - auf das Wesentlichste zusammengefasst - Folgendes entgegen:
2.1. Soweit mit den Abweichungen der Kundmachung BGBl. 2000/92 vom Original des Gesetzesbeschlusses Änderungen des materiellen Gesetzesinhaltes verbunden seien, handle es sich dabei nicht um "Druckfehler" iSd Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, sondern um "Publikationsmängel".
2.2. Wie vorzugehen sei, wenn der Kundmachung - im Wege der Druckfehlerberichtigung ein nicht behebbarer - Publikationsmangel anhafte, sei umstritten. Bei Verordnungen habe der Verfassungsgerichtshof eine Behebung von Kundmachungsmängeln jedenfalls für zulässig angesehen (hiezu wird auf die Erkenntnisse VfSlg. 6346/1970, 8167/1977, 9535/1982 verwiesen).
2.3. Für die Notwendigkeit und Zulässigkeit der Sanierung einer mit einem Publikationsmangel behafteten Kundmachung eines Bundesgesetzes durch eine zweite, fehlerfreie Kundmachung spreche, dass gemäß Art 49 Abs 1 B-VG "die Bundesgesetze" im Bundesgesetzblatt kundzumachen seien. Daraus sei abzuleiten, dass der Bundeskanzler als Kundmachungsorgan zu einer originalgetreuen Wiedergabe der Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates in der Kundmachung verpflichtet sei. Diese Verpflichtung müsse eine fortdauernde sein, wenn dem dem Art 49 Abs 1 B-VG innewohnenden Prinzip zum Durchbruch verholfen werden solle, dass nämlich der Wille des Nationalrates, wie er auch durch den Bundespräsidenten beurkundet werde, in der Kundmachung zum Ausdruck komme. Dieser Grundsatz ergebe sich implizit aus dem Erkenntnis VfSlg. 5320/1966 und aus dem Erkenntnis , G241/98; für Verordnungen wäre seine Geltung in den Erkenntnissen VfSlg. 13.910/1994, 14.501/1996 ausdrücklich hervorgehoben.
Wenn und weil sich die Notwendigkeit und Zulässigkeit der Sanierung einer mit einem Publikationsmangel behafteten Kundmachung eines Bundesgesetzes durch eine zweite, fehlerfreie Kundmachung unmittelbar aus Art 49 Abs 1 B-VG ergebe, könne aber auch nicht argumentiert werden, eine nachträgliche Berichtigung sei nur in dem Rahmen zulässig, den das Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt eröffne; auch aus Art 49a B-VG könne diesfalls nicht die Unzulässigkeit einer solchen Vorgangsweise abgeleitet werden.
2.4. Sollte der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gelangen, dass die Publikationsmängel nicht durch neuerliche Kundmachung des ganzen Gesetzesbeschlusses hätten berichtigt werden dürfen, dann geht die Bundesregierung davon aus, dass die Kundmachung BGBl. I 2000/101 als gesetzwidrige Verordnung zu qualifizieren sei und demgemäß aus Anlass dieses Antrages von Amts wegen ein Verfahren gemäß Art 139 B-VG zur Prüfung ihrer Gesetzmäßigkeit einzuleiten wäre. Da Verordnungen Gesetze nur verdrängten, ihnen aber nicht endgültig derogierten, wäre nach einer allfälligen Aufhebung dieser Verordnung das Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich des - unter BGBl. I 2000/92 kundgemachten - SRÄG 2000 fortzusetzen. Für diesen Fall werde darauf hingewiesen, dass ein Anwendungsfall des zur Aufhebung des ganzen Gesetzes führenden Art 140 Abs 3 B-VG nicht vorliege, weil die Publikationsmängel nur einzelne Gesetzesstellen, nicht aber das gesamte Gesetz beträfen.
Da der Verfassungsgerichtshof dies im Erkenntnis , G241/98 zu einem völlig vergleichbaren Fall ausdrücklich ausgesprochen habe, erübrigten sich weitergehende Ausführungen zu dieser Frage. Die im Antrag angestellten, spekulativen Überlegungen über ein hypothetisches Stimmverhalten der Mitglieder des Nationalrates stellten jedenfalls keine taugliche dogmatische Begründung für die Notwendigkeit einer Aufhebung des gesamten Gesetzes dar.
3. Auf Grund des Vorbringens der antragstellenden Abgeordneten, der Äußerung der Bundesregierung, des Stenographischen Protokolles über die 32. Sitzung des Nationalrates in der 21. Gesetzgebungsperiode am 5. und sowie auf Grund der dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Akten des Bundeskanzleramtes betreffend die Kundmachung des SRÄG 2000 ist von Folgendem auszugehen:
3.1. Einen der Verhandlungsgegenstände in der 32. Sitzung des Nationalrates am bildete als 1. Punkt der Tagesordnung der Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, 254 und Zu 254 BlgNR 21. GP, über die Regierungsvorlage betreffend das SRÄG 2000 (181 BlgNR 21. GP). Dabei wurde in der zweiten Lesung ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Haupt, Dr. Feurstein und Genossen, der sich auf die Art 1 Z 13a, Art 2 Z 7b, Art 3 Z 4d und 27j sowie Art 4 Z 2b bezieht, mit Mehrheit angenommen. In der Folge wurden auch die übrigen Teile des Gesetzesentwurfes in zweiter Lesung und der Gesetzesentwurf insgesamt in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.
Dieser Gesetzesbeschluss des Nationalrates wurde sodann gemäß § 83 Geschäftsordnungsgesetz 1975 vom Präsidenten des Nationalrates ausgefertigt. Nachdem der Bundesrat in seiner Sitzung am beschlossen hatte, gegen diesen Gesetzesbeschluss keinen Einspruch zu erheben, wurde der Gesetzesbeschluss gemäß Art 47 Abs 1 B-VG vom Bundespräsidenten beurkundet. (Aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Akten des Bundeskanzlers ergibt sich, dass das Original des Gesetzesbeschlusses am in der Präsidentschaftskanzlei eingelangt war und nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten am dem Bundeskanzleramt rückübermittelt wurde.)
Nach Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler wurde seitens der zuständigen Abteilung des Bundeskanzleramtes - unter Berufung auf die diesbezügliche Anordnung des Bundeskanzlers -, datiert mit , die Verlautbarung des Gesetzesbeschlusses unter Nr. 92 im Teil I des Bundesgesetzblattes am veranlasst. Der Aktenlage nach bezog sich dabei sowohl die Anordnung des Bundeskanzlers als auch die Veranlassung der zuständigen Abteilung des Bundeskanzleramtes auf den im betreffenden Geschäftsstück einliegenden (Original-)gesetzesbeschluss des Nationalrates vom und erfassten somit auch die auf den eingangs erwähnten Abänderungsantrag zurückgehenden Bestimmungen.
3.2. Es weicht jedoch der mit BGBl. I 2000/92 kundgemachte Text des SRÄG 2000 von jenem des diesen Verhandlungsgegenstand betreffenden Gesetzesbeschlusses des Nationalrates, so wie ihn dieser (u.a. auf Grund des oben erwähnten Abänderungsantrages) in seiner Sitzung am gefasst hatte und so wie er in der Folge vom Präsidenten des Nationalrates ausgefertigt, vom Bundespräsidenten beurkundet und vom Bundeskanzler gegengezeichnet wurde, in folgender Hinsicht ab (die Abweichungen sind hervorgehoben):
a) In Z 1c des Art 1 (betreffend die Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) lautet die Überschrift zu § 32a ASVG:
"Zielvereinbarung", im Gesetzesbeschluss des Nationalrates dagegen:
"Zielvereinbarungen".
b) In Z 13a des Art 1 lautet § 135a Abs 1 Z 3 ASVG wie folgt:
"3. in eigenen Einrichtungen der Versicherungsträger mit Ausnahme der Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation".
Im Gesetzesbeschluss lautet diese Bestimmung demgegenüber wie folgt:
"3. in eigenen Einrichtungen der Versicherungsträger (mit Ausnahme der Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation und der Ambulatorien für physikalische Medizin), soweit es sich nicht um eine Rehabilitationsmaßnahme oder Jugendlichen- oder Vorsorge- (Gesunden)untersuchung handelt,".
c) In Z 7b des Art 2 (betreffend die Änderung des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes) lautet § 9la Abs 1 Z 3 GSVG wie folgt:
"3. in eigenen Einrichtungen der Versicherungsträger mit Ausnahme der Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation".
Im Gesetzesbeschluss lautet diese Bestimmung demgegenüber wie folgt:
"3. in eigenen Einrichtungen der Versicherungsträger (mit Ausnahme der Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation und der Ambulatorien für physikalische Medizin), soweit es sich nicht um eine Rehabilitationsmaßnahme oder Jugendlichen- oder Vorsorge- (Gesunden)untersuchung handelt,".
d) In Z 30a des Art 2 lautet der letzte Halbsatz des § 284 Abs 4 GSVG wie folgt:
"wobei § 133 Abs 3 in der Fassung des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 43/2000, anzuwenden ist."
Im Gesetzesbeschluss lautet diese Bestimmung wie folgt:
"wobei § 133 Abs 3 in der Fassung des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. yy, anzuwenden ist."
e) In Z 4d des Art 3 (betreffend die Änderung des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes) lautet § 85a Abs 1 Z 3 BSVG wie folgt:
"3. in eigenen Einrichtungen der Versicherungsträger mit Ausnahme der Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation".
Im Gesetzesbeschluss lautet diese Bestimmung wie folgt:
"3. in eigenen Einrichtungen der Versicherungsträger (mit Ausnahme der Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation und der Ambulatorien für Physikalische Medizin), soweit es sich nicht um eine Rehabilitationsmaßnahme oder Jugendlichen- oder Vorsorge- (Gesunden)untersuchung handelt,".
f) In Z 2b des Art 4 (betreffend die Änderung des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes) lautet § 63a Abs 1 Z 3 B-KUVG wie folgt:
"3. in eigenen Einrichtungen der Versicherungsträger mit Ausnahme der Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation".
Im Gesetzesbeschluss lautet dieses Bestimmung dagegen wie folgt:
"3. in eigenen Einrichtungen der Versicherungsträger (mit Ausnahme der Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation und der Ambulatorien für physikalische Medizin), soweit es sich nicht um eine Rehabilitationsmaßnahme oder Jugendlichen- oder Vorsorge- (Gesunden)untersuchung handelt,".
3.3.1.1. In der Folge wurde dann in der am ausgegebenen Nr. 101 des Teiles I des Jahrganges 2000 das SRÄG 2000 - neuerlich - kundgemacht. Dabei wurde dem Titel eine mit "*)" bezeichnete Fußnote angefügt, die wie folgt lautet:
"Diese Kundmachung ersetzt die Kundmachung BGBl. I Nr. 92/2000."
Der solcherart kundgemachte Text des SRÄG 2000 entspricht vollständig, also auch in den oben unter II.3.2. bezeichneten Punkten, jenem des diesen Verhandlungsgegenstand betreffenden Gesetzesbeschlusses des Nationalrates vom .
3.3.1.2. Zu den dieser - neuerlichen - Kundmachung zu Grunde liegenden Erwägungen und Veranlassungen des Bundeskanzleramtes wird im diesbezüglichen Akt des Bundeskanzleramtes, der dem Verfassungsgerichtshof vorliegt, Folgendes ausgeführt:
"Der Nationalrat hat in seiner Sitzung am das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 beschlossen.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am beschlossen, gegen diesen Gesetzesbeschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Dieser Gesetzesbeschluss wurde daher der Beurkundung und der Gegenzeichnung sowie der Kundmachung im BGBl. zugeführt.
Am wurde vom Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen (MR Dr. W.) festgestellt, dass ein Publikationsmangel vorliegt (Teile der Änderungen in 2. Lesung in dem Gesetz fehlen).
Zu dem Fehler war es gekommen, da diese Korrekturen bei der Herstellung des Exemplares für die Staatsdruckerei im Beschluss des Nationalrates nicht erkennbar waren (siehe Kopie des Beschlusses) und der Beschluss zum Zeitpunkt des Korrekturlesens in der Präsidentschaftskanzlei zur Beurkundung durch den Herrn Bundespräsidenten war.
Da es sich bei diesen Fehlern - laut Erkenntnis des VfGH Slg. 3719/1960 - nicht um berichtigungsfähige Druckfehler handelt, wurde im Auftrag von Sektionschef Dr. O. eine nochmalige Ausgabe mit dem richtigen Text des Gesetzesbeschlusses unter BGBl. I Nr. 101/2000 zum frühestmöglichen Zeitpunkt () verfügt.
Der Text der Fußnote im BGBl. I Nr. 101/2000 entspricht dem Text der Fußnote im BGBl. I Nr. 38/1999."
3.3.1.3. In einer nachfolgenden "Information für den Herrn Bundeskanzler" wurde seitens der zuständigen Sektion des Bundeskanzleramtes dazu u.a. Folgendes ausgeführt:
"... Gegen die erwähnte Praxis einer neuerlichen Kundmachung könnte eingewendet werden, dass es hiefür keine ausdrückliche Grundlage im BGBl.-Gesetz gibt. Die Praxis des Bundeskanzleramtes fußt auf der Prämisse, dass der vom Nationalrat beschlossene (und dem weiteren Gesetzgebungsverfahren zu Grunde liegende) Text kundzumachen sei und der im B-VG und im BGBl.G enthaltene Kundmachungsauftrag erst erfüllt sei, wenn der richtige Text kundgemacht sei. Die Alternative einer neuerlichen Beschlussfassung durch den Nationalrat erschien aus praktischen Gründen, die Vornahme einer Druckfehlerberichtigung auf Grund einer Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, derzufolge Auslassungen einzelner Passagen nicht im Wege einer Druckfehlerberichtigung berichtigt werden dürfen, unvertretbar. Die neuerliche Kundmachung des gesamten Gesetzesbeschlusses stellt daher die einzige vertretbare Alternative dar. Der Verfassungsgerichtshof hat im Fall des Mineralrohstoffgesetzes, in dem auf Grund eines drucktechnischen Versagens Passagen des Gesetzes nicht kundgemacht worden waren, nicht festgestellt, dass die Vorgangsweise des BKA unzulässig gewesen sei, er ist jedoch in diesem Fall davon ausgegangen, dass schon im Hinblick auf das Nichtabdrucken der Unterschriften unter dem Gesetz eine rechtswirksame Kundmachung nicht stattgefunden habe.
Die sich aus der Neukundmachung ergebende Rechtslage ist für die Versicherten günstiger als die gemäß der unrichtigen Kundmachung, da Ausnahmen von der Beitragspflicht für die Behandlung in Kassenambulatorien normiert werden. Es ist daher unwahrscheinlich, dass die Kundmachungspraxis des Bundeskanzleramtes seitens der Beitragspflichtigen angegriffen wird. Sollte der Verfassungsgerichtshof dennoch in die Lage kommen, die Verfassungsmäßigkeit der beiden Kundmachungen zu prüfen, wäre allenfalls mit einer Aufhebung der zweiten Kundmachung und der unrichtig wiedergegebenen Bestimmungen der ersten Kundmachung, somit einem (gänzlichen oder partiellen) Wegfall der Ambulanzbehandlungsbeitragspflicht zu rechnen. Die somit eng begrenzte Problematik könnte im Zuge der nächsten Sozialversicherungsrechtsnovelle jedenfalls saniert werden."
3.4.1. Soweit in der mit BGBl. I 2000/101 vorgenommenen - neuerlichen - Kundmachung in einzelnen Bestimmungen des SRÄG 2000 dieses selbst zitiert wird, wird dafür das Zitat "BGBl. I Nr. 92" verwendet; im Gesetzesbeschluss des Nationalrates ist an diesen Stellen das Zitat offen geblieben ("in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2000").
3.4.2. In der am ausgegebenen Nr. 102 des Teiles I des Jahrganges 2000 des Bundesgesetzblattes wurde schließlich eine Kundmachung des Bundeskanzlers betreffend die Berichtigung von Druckfehlern im Bundesgesetzblatt verlautbart, derzufolge "(d)as SRÄG 2000, BGBl. I Nr. 101 (dahingehend) berichtigt" wird, dass es in den dafür jeweils in Betracht kommenden, im Einzelnen bezeichneten Bestimmungen "statt 'BGBl. I Nr. 92/2000' richtig 'BGBl. I Nr. 101/2000'" zu lauten hat.
4. Die antragstellenden Abgeordneten sind, soweit ihr Antrag zulässig ist, teilweise im Recht:
4.1. Gemäß Art 49 Abs 1 B-VG sind "die Bundesgesetze", also - was sich aus dem systematischen Zusammenhang dieser Bestimmung mit den vorhergehenden Art 41 bis 48 B-VG ergibt - die "Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates", vom Bundeskanzler im Bundesgesetzblatt kundzumachen und wird ihre "verbindende Kraft" (sie "beginnt" grundsätzlich nach Ablauf des Tages, an dem die Nummer des Bundesgesetzblattes, das die Kundmachung enthält, herausgegeben und versendet wird) von dieser Kundmachung bestimmt.
Zu Folge Art 49 Abs 3 B-VG ergeht über das Bundesgesetzblatt ein eigenes Bundesgesetz.
Gemäß § 2 Abs 1 Z 1 des - derzeit geltenden - Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 1996 ist der Teil I des Bundesgesetzblattes zur Verlautbarung u.a. "der Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates" bestimmt. § 2 Abs 7 BGBlG sieht vor, dass Druckfehler in Verlautbarungen des Bundesgesetzblattes, ferner Verstöße gegen die innere Einrichtung dieses Blattes durch Kundmachung des Bundeskanzlers in dem Teil des Bundesgesetzblattes berichtigt werden, in dem diese Fehler unterlaufen sind.
Art 49a Abs 1 B-VG ermächtigt den Bundeskanzler gemeinsam mit den zuständigen Bundesministern, Bundesgesetze mit verbindlicher Wirkung in der geltenden Fassung im Bundesgesetzblatt wieder zu verlautbaren. Diesfalls sind - zu Folge Art 49a Abs 3 B-VG - von dem der Herausgabe der Wiederverlautbarung (die gemäß § 2 Abs 1 Z 2 BGBlG gleichfalls im Teil I des Bundesgesetzblattes kundzumachen ist) folgenden Tag an alle Gerichte und Verwaltungsbehörden für die danach verwirklichten Tatbestände an den wiederverlautbarten Text gebunden.
4.2. Wie sich aus der detaillierten Darstellung in Pkt. III.3. im Einzelnen ergibt, ist nun der Gesetzesbeschluss des Nationalrates betreffend das SRÄG 2000 vom Bundeskanzler zwei Mal im Bundesgesetzblatt kundgemacht worden: zum ersten Mal in der am ausgegebenen Nr. 92 des Teiles I des Jahrganges 2000 des Bundesgesetzblattes, wobei der solcher Art kundgemachte Text des SRÄG 2000, wie oben unter Pkt. III.3.2. dargetan wurde, in einer Reihe von Punkten vom Text des diesen Verhandlungsgegenstand betreffenden Gesetzesbeschlusses des Nationalrates abweicht, und zum zweiten Mal in der am 24. August ausgegebenen Nr. 101 des Teiles I des Jahrganges 2000 des Bundesgesetzblattes, wobei bei dieser mit dem genannten Gesetzesbeschluss im Übrigen übereinstimmenden Kundmachung dem Titel eine mit "*)" bezeichnete Fußnote angefügt wurde, der zur Folge diese (zweite) Kundmachung die (erste) Kundmachung in BGBl. I 2000/92 "ersetzt". Zudem wurde mit der am ausgegebenen Kundmachung (Druckfehlerberichtigung) BGBl. I 102 das SRÄG BGBl. I 2000/101 dahingehend berichtigt, dass es in den jeweils dafür in Betracht kommenden Inkrafttretensbestimmungen "statt 'BGBl. I Nr. 92/2000' richtig 'BGBl. I Nr. 101/2000'" zu lauten hat.
Dazu wird allgemein Folgendes vorausgeschickt:
Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass diese beiden Kundmachungen auf ein- und denselben Gesetzesbeschluss des Nationalrates zurückgehen. Dieser tritt somit in zwei - textlich unterschiedlichen und zeitlich in der oben dargestellten Weise aufeinanderfolgenden - Kundmachungen in Erscheinung, die als solche einen Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung gemäß Art 140 B-VG in Bezug auf das SRÄG 2000 bilden.
4.3.1. Wie oben unter Pkt. III.3.2. dargetan wurde, weicht der in BGBl. I 2000/92 kundgemachte Text des SRÄG 2000 in einer Reihe von Punkten vom Text des diesen Verhandlungsgegenstand betreffenden Gesetzesbeschlusses des Nationalrates ab.
4.3.2. Dabei handelt es sich bei der oben unter Pkt. III.3.2.a) bezeichneten Abweichung um einen bloßen Druckfehler, worunter nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Abweichungen des für die Rechtsverbindlichkeit allein maßgebenden, kundgemachten Textes vom beschlossenen Text verstanden werden, die den materiellen Gesetzesinhalt unverändert lassen (vgl. insbesondere VfSlg. 3719/1960, S 176, sowie zuletzt , G241/98). Was die unter Pkt. III.3.2.d) bezeichnete Abweichung betrifft, so genügt es darauf hinzuweisen, dass die anfechtenden Abgeordneten diesbezüglich das Vorliegen einer Rechtswidrigkeit nicht behaupten (vgl. Pkt. 5.a) dritter Absatz der Anfechtungsschrift).
4.3.3. Dagegen stellen die oben unter den Pkten. III.3.2.b), c), e) und f) bezeichneten Abweichungen über derartige Druckfehler hinausgehende Publikationsmängel dar: Im kundgemachten Text fehlt nämlich jeweils ein im beschlossenen Text enthaltener, den materiellen Gesetzesinhalt mitbestimmender (u. zw. die grundsätzliche Verpflichtung zur Zahlung eines Behandlungsbeitrages für einen Ambulanzbesuch in bestimmten (Ausnahme)Fällen einschränkender) Satzteil.
Im Hinblick darauf sind aber die im Spruch unter Pkt. I. genannten Bestimmungen des SRÄG 2000 BGBl. I 92 mit Verfassungswidrigkeit belastet: Orientiert an der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. vor allem VfSlg. 5320/1966 und , G241/98), liegt darin nämlich wegen der Missachtung des Gebotes der vollständigen Publikation im Gesetzblatt ein Verstoß gegen Art 49 B-VG, sodass die in Rede stehenden - jeweils den nicht kundgemachten Satzteil gleichsam negativ umfassenden - gesetzlichen Bestimmungen zur Gänze wegen dieser Verfassungswidrigkeit aufzuheben sind.
Im Einzelnen sind davon die den "Behandlungsbeitrag-Ambulanz" betreffenden Bestimmungen der Art 1 Z 13a (§135a ASVG), Art 1 Z 53 (soweit § 588 Abs 4a ASVG betroffen ist), Art 2 Z 7b (§91a GSVG), Art 3 Z 4d (§85a BSVG) und Art 4 Z 2b (§63 B-KUVG) des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I 92, erfasst; die Aufhebung der denselben Gegenstand betreffenden Bestimmungen der Art 1 Z 14a (§148 Z 5 ASVG, in der am geltenden Fassung), Art 1 Z 14b (§149 Abs 3 ASVG), Art 1 Z 49f (§447a Abs 2 Z 2 ASVG), Art 2 Z 8a (§98 Abs 3 GSVG), Art 3 Z 5b (§92 Abs 3 BSVG), Art 4 Z 3a (§68 Abs 1 Z 4a B-KUVG, in der am geltenden Fassung) und Art 4 Z 3b (§68 Abs 2 letzter Satz B-KUVG, in der am geltenden Fassung) kommt wegen der insoweit bestehenden Unzulässigkeit des vorliegenden Gesetzesprüfungsantrages nicht in Betracht (vgl. oben Pkte. II.1.2.2.1. und II.1.2.2.2. sowie II.1.2.3.).
Anders als die antragstellenden Abgeordneten meinen, kommt eine Aufhebung des gesamten SRÄG 2000 BGBl. 92 aus diesem Grund nicht in Betracht, da - so wie in dem mit dem Erkenntnis , G241/98, entschiedenen Fall und anders als in dem, der dem Erkenntnis VfSlg. 14.605/1996 zu Grunde lag (eine dem Art 38 Abs 7 Tiroler Landesordnung 1989 vergleichbare verfassungsrechtliche Vorschrift besteht im vorliegenden Zusammenhang nicht) - die festgestellten Publikationsmängel nur die oben umschriebenen gesetzlichen Bestimmungen, nicht aber das gesamte Gesetz betreffen. Auch - notwendiger Weise - spekulative Überlegungen über ein hypothetisches Stimmverhalten der Abgeordneten des Nationalrates für den Fall, dass der Gesetzesbeschluss in der - fehlerhaft - kundgemachten Fassung den Gegenstand der Beschlussfassung im Nationalrat gebildet hätte, vermögen daran nichts zu ändern.
Im Übrigen war daher der das SRÄG 2000 BGBl. I 92 betreffende Antrag - im zulässigen Umfang - abzuweisen.
4.4. Des weiteren erweist sich aber auch die mit BGBl. I 2000/101 erfolgte neuerliche Kundmachung des zuvor bereits mit BGBl. I 2000/92 publizierten SRÄG 2000, und zwar zur Gänze, als verfassungswidrig. Bei geltender Rechtslage besteht nämlich für den Bundeskanzler keine Ermächtigung, einen Publikationsmangel, wie er - was sich aus dem soeben Ausgeführten ergibt - bei der Kundmachung des Gesetzesbeschlusses des Nationalrates betreffend das SRÄG 2000 mit BGBl. I 2000/92 unterlaufen ist, durch die neuerliche Kundmachung ein- und desselben Gesetzesbeschlusses zu beheben (vgl. dazu schon, wenngleich die neuerliche Kundmachung einer fehlerhaft publizierten Verordnung betreffend, VfSlg. 10.739/1985).
Dabei geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass - wie oben unter Pkt. IV.4.3.3. näher dargelegt wurde - die mit BGBl. I 2000/92 erfolgte erstmalige Verlautbarung des in Rede stehenden Gesetzesbeschlusses zwar an Publikationsmängeln leidet, ungeachtet dessen aber (anders etwa als die mit BGBl. I 1999/36 erfolgte Kundmachung des Mineralrohstoffgesetzes, die schon wegen der fehlenden Wiedergabe der Namen der den Gesetzesbeschluss beurkundenden bzw. gegenzeichnenden Organe als absolut nichtig zu qualifizieren ist (vgl. den )) eine rechtsverbindliche Kundmachung dieses Gesetzesbeschlusses darstellt. Der Verfassungsgerichtshof ist aber auch nicht der Auffassung, dass die mit BGBl. 2000/101 erfolgte (neuerliche) Kundmachung des SRÄG 2000 absolut nichtig wäre. Der ihr anhaftende Mangel ist nicht geeignet, mehr als ihre Verfassungswidrigkeit zu bewirken (vgl. VfSlg. 5996/1969): Der äußeren Erscheinung nach handelt es sich um ein Bundesgesetz. Von außen her ist kein Mangel erkennbar, der dem publizierten Text den Charakter als Bundesgesetz nehmen würde; daran ändert auch der Umstand nichts, dass aus der dem Titel angefügten Fußnote erkennbar wird, dass damit die Kundmachung BGBl. I 2000/92 "ersetzt" werden sollte.
Im Hinblick darauf erweist sich das SRÄG 2000 BGBl. I 101 - im Umfang des zulässigen Antrages - zur Gänze als verfassungswidrig. Davon ist auch die Kundmachung (Druckfehlerberichtigung) BGBl. I 2000/102 erfasst, ohne dass es diesbezüglich eines gesonderten, auf Art 139 B-VG gestützten Verfahrens zu deren Prüfung bedürfte.
4.5. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich veranlasst, im vorliegenden Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass er schon im Bericht über seine Tätigkeit im Jahre 1999 auf die Probleme, die sich bei der (derzeit) geltenden Rechtslage bei der Behebung von über Druckfehler hinausgehenden Publikationsmängeln in der Kundmachung von Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates ergeben können, aufmerksam gemacht und dazu Folgendes ausgeführt hat:
"Kundmachung von Rechtsvorschriften im Bundesgesetzblatt:
Das Mineralrohstoffgesetz ist zunächst mit BGBl. I Nr. 36/1999 unvollständig kundgemacht worden. Die Verlautbarung gibt den Text des Gesetzesbeschlusses nicht vollständig wieder und enthält insbesondere nicht die die Beurkundung bzw. Gegenzeichnung betreffenden Namenswiedergaben des Bundespräsidenten bzw. des Bundeskanzlers. In der Folge wurde das Bundesgesetz mit BGBl. I Nr. 38/1999 erneut kundgemacht, wobei das Zeichen *) im Titel auf eine Fußnote verweist, die wie folgt lautet: 'Diese Kundmachung ersetzt die Kundmachung BGBl. I Nr. 36/1999.'
Der Verfassungsgerichtshof hat anläßlich der Beratung des Falles B851/99 u.a. die aus dieser Praxis resultierenden Rechtsprobleme diskutiert, jedoch von der Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens aus Anlaß des Kundmachungsmangels Abstand genommen und im Beschluß vom zum Ausdruck gebracht, daß er die erste 'Kundmachung' mangels Wiedergabe der die Beurkundung und Gegenzeichnung betreffenden Unterschriften für absolut nichtig erachtet.
Da - wie erhoben werden konnte - die erste unvollständige 'Kundmachung' auf einen drucktechnischen Fehler zurückzuführen ist, regt der Verfassungsgerichtshof dringend an, Kundmachungen vor Herausgabe und Versendung einer nochmaligen Kontrolle auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit zu unterziehen."
IV. 1. Die weiteren Entscheidungen beruhen auf Art 140 Abs 5 bis 7
Der Ausspruch, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind, soll auch sicherstellen, dass mit dem Wirksamwerden des vorliegenden Erkenntnisses - abgesehen von den Bestimmungen, die wegen der partiellen Unzulässigkeit des vorliegenden Antrages der verfassungsgerichtlichen Prüfung entzogen waren, sowie den gemäß Pkt. I des Spruches aufgehobenen Bestimmungen - das SRÄG 2000 allein in der Fassung der Kundmachung BGBl. I 2000/92 in Geltung steht.
2. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.