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VfGH vom 12.12.2002, g151/02

VfGH vom 12.12.2002, g151/02

Sammlungsnummer

16772

Leitsatz

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Bestimmungen des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes (ARHG) über die sowohl dem Oberlandesgericht als auch dem Bundesminister für Justiz zukommenden Zuständigkeiten bei Entscheidung über eine Auslieferung; Entscheidung des OLG hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung unter dem Gesichtspunkt der dem Betroffenen zustehenden subjektiven Rechte; Beurteilung des Justizministers unter dem Blickwinkel des Völkerrechtes; kein Verstoß gegen den Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung; Unzulässigkeit des Individualantrags eines US-amerikanischen und israelischen Staatsbürgers auf Aufhebung von Bestimmungen des ARHG sowie des Auslieferungsvertrages Österreich-USA mangels aktueller Betroffenheit; Zulässigkeit des Antrags hinsichtlich der einen Rechtsmittelausschluß gegen die Entscheidung des OLG über die Zulässigkeit der Auslieferung normierenden Vorschrift des ARHG; aktuelle Betroffenheit angesichts unmittelbar bevorstehender Entscheidung gegeben; kein zumutbarer Umweg; Verstoß der Vorschrift gegen das Rechtsstaatsprinzip

Spruch

I. In § 33 Abs 5 des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes, BGBl. Nr. 529/1979, wird der zweite Satz ("Gegen den Beschluß, der zu begründen ist, ist kein Rechtsmittel zulässig.") als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Die aufgehobene Bestimmung ist in dem beim Oberlandesgericht Wien zu 22 Ns 8/02 geführten Verfahren nicht mehr anzuwenden.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II. Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

III. Der Bund (Bundesminister für Justiz) ist schuldig, dem Antragsteller zu Handen seines Rechtsvertreters die mit € 670,50 bestimmten Kosten des Verfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die maßgebende Rechtslage stellt sich dar wie folgt:

Nach dem Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG), BGBl. Nr. 529/1979 idgF, ist die Frage, ob dem Ersuchen eines ausländischen Staates um Auslieferung einer Person entsprochen wird, zum Teil vom örtlich zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz (Oberlandesgericht), zum Teil jedoch vom Bundesminister für Justiz (künftig: Bundesminister) zu beurteilen:

1. Nach § 30 ARHG obliegt es dem Bundesminister, einlangende Auslieferungsersuchen vorweg summarisch zu prüfen. Ergibt sich dabei, daß dem Ersuchen nicht entsprochen werden kann, ohne die öffentliche Ordnung oder "andere wesentliche Interessen der Republik Österreich" zu verletzen (vgl. § 2 ARHG), oder daß keine Gegenseitigkeit gegeben ist (vgl. § 3 Abs 1 ARHG), so ist das Ersuchen ohne weiteres abzulehnen; ebenso, wenn das Ersuchen "zur gesetzmäßigen Behandlung ungeeignet" ist.

2. Die "Zulässigkeit" der Auslieferung ist gem. § 33 ARHG vom Gerichtshof zweiter Instanz (Oberlandesgericht) zu beurteilen. Die seinem Beschluß zugrunde liegenden Erhebungen werden vom Gerichtshof erster Instanz (Untersuchungsrichter) gepflogen, der auch eine "begründete Äußerung" darüber abzugeben hat, ob die Auslieferung zulässig ist (vgl. § 31 Abs 2 ARHG).

Das Verfahren vor dem Oberlandesgericht ist in § 33 ARHG wie folgt geregelt (der angefochtene Teil ist hervorgehoben):

"Beschlußfassung über die Zulässigkeit

§33. (1) Über die Zulässigkeit der Auslieferung entscheidet der Gerichtshof zweiter Instanz in nichtöffentlicher Sitzung, wenn weder der Oberstaatsanwalt noch die auszuliefernde Person eine öffentliche Verhandlung beantragt haben und eine solche Verhandlung zur Beurteilung der Zulässigkeit der Auslieferung auch nicht notwendig erscheint. Ungeachtet eines Antrages auf Anberaumung einer öffentlichen Verhandlung kann der Gerichtshof zweiter Instanz stets die Auslieferung in nichtöffentlicher Sitzung für unzulässig erklären. Vor einer Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung muß dem Oberstaatsanwalt sowie der auszuliefernden Person und ihrem Verteidiger Gelegenheit geboten worden sein, zum Auslieferungsersuchen Stellung zu nehmen.

(2) In anderen Fällen ist eine öffentliche Verhandlung anzuberaumen, zu der der Oberstaatsanwalt, die auszuliefernde Person und der Verteidiger zu laden sind. Die auszuliefernde Person muß bei der Verhandlung durch einen Verteidiger vertreten sein (§41 der Strafprozeßordnung 1975). Ist die auszuliefernde Person verhaftet, so ist ihre Vorführung zu veranlassen. Die Vorladung der auszuliefernden Person und ihres Verteidigers sowie die Verständigung der verhafteten auszuliefernden Person sind so vorzunehmen, daß den Beteiligten eine Vorbereitungsfrist von wenigstens acht Tagen zur Verfügung steht.

(3) Die Öffentlichkeit der Verhandlung kann außer den in der Strafprozeßordnung 1975 angeführten Fällen ausgeschlossen werden, wenn es die auszuliefernde Person verlangt oder wenn zwischenstaatliche Beziehungen beeinträchtigt werden könnten.

(4) In der Verhandlung trägt ein Mitglied des Gerichtshofes als Berichterstatter eine Darstellung des bisherigen Ganges des Verfahrens vor, ohne eine Ansicht über die zu fällende Entscheidung zu äußern. Hierauf erhält der Oberstaatsanwalt das Wort. Danach ist der auszuliefernden Person und ihrem Verteidiger Gelegenheit zu geben, zum Auslieferungsersuchen und zu den Ausführungen des Oberstaatsanwaltes Stellung zu nehmen. Der auszuliefernden Person und ihrem Verteidiger gebührt jedenfalls das Recht der letzten Äußerung. Nach diesen Vorträgen zieht sich der Gerichtshof zur Beratung zurück.

(5) Der Gerichtshof entscheidet durch Beschluß, der vom Vorsitzenden mündlich zu verkünden ist. Gegen den Beschluß, der zu begründen ist, ist kein Rechtsmittel zulässig. Vor der Beschlußfassung kann der Gerichtshof zweiter Instanz ergänzende Erhebungen durch den Untersuchungsrichter veranlassen.

(6) Der Gerichtshof zweiter Instanz hat seinen Beschluß unter Anschluß der Akten dem Bundesministerium für Justiz zu übermitteln."

Welche Gründe es nun sind, die eine Auslieferung "unzulässig" machen, ist im Ersten Abschnitt des II. Hauptstücks ("Auslieferung aus Österreich") des ARHG in verschiedenen Bestimmungen geregelt (s. im einzelnen §§10 ff ARHG; so auch EB 4 BlgNR XV. GP, 33 [zu § 33 ARHG]). So ist zB eine Auslieferung zur Verfolgung wegen einer nach dem Recht des ersuchenden Staates mit der Todesstrafe bedrohten strafbaren Handlung nur zulässig, wenn gewährleistet ist, daß die Todesstrafe nicht ausgesprochen werden wird (§20 Abs 1 ARHG); eine Auslieferung zur Vollstreckung der Todesstrafe ist dagegen jedenfalls unzulässig (§20 Abs 2 ARHG).

Der mit "Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze" überschriebene § 19 ARHG enthält ebenfalls eine Reihe von Gründen, deren Vorliegen die Auslieferung unzulässig macht; die erwähnte Bestimmung lautet auszugsweise wie folgt (der angefochtene Ausdruck ist hervorgehoben):

"§19. Eine Auslieferung ist unzulässig, wenn zu besorgen ist, daß

1. das Strafverfahren im ersuchenden Staat den Grundsätzen der Art 3 und 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, nicht entsprechen werde oder nicht entsprochen habe,

2. die im ersuchenden Staat verhängte oder zu erwartende Strafe oder vorbeugende Maßnahme in einer den Erfordernissen des Art 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, nicht entsprechenden Weise vollstreckt werden würde, oder

3. die auszuliefernde Person im ersuchenden Staat wegen ihrer Abstammung, Rasse, Religion, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volks- oder Gesellschaftsgruppe, ihrer Staatsangehörigkeit oder wegen ihrer politischen Anschauungen einer Verfolgung ausgesetzt wäre oder aus einem dieser Gründe andere schwerwiegende Nachteile zu erwarten hätte (Auslieferungsasyl)."

Darüber hinaus ist eine Auslieferung bei Bestehen eines "Härtefalles" jedenfalls unzulässig:

"Härtefälle

§ 22. Eine Auslieferung ist unzulässig, wenn sie die auszuliefernde Person unter Berücksichtigung der Schwere der ihr zur Last gelegten strafbaren Handlung, wegen ihres jugendlichen Alters (§1 Z 2 des Jugendgerichtsgesetzes 1988), wegen ihres seit langem bestehenden inländischen Wohnsitzes oder aus anderen schwerwiegenden, in ihren persönlichen Verhältnissen gelegenen Gründen offenbar unverhältnismäßig hart träfe."

3. Hat das Oberlandesgericht über die Zulässigkeit der Auslieferung Beschluß gefaßt, so ist das Auslieferungsersuchen nach § 34 ARHG abschließend neuerlich vom Bundesminister zu prüfen. § 34 ARHG trifft dazu im einzelnen folgende Regelung (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"Bewilligung und Ablehnung der Auslieferung

§34. (1) Über das Auslieferungsersuchen befindet der Bundesminister für Justiz nach Maßgabe zwischenstaatlicher Vereinbarungen und der Grundsätze des zwischenstaatlichen Rechtsverkehrs. Er nimmt dabei auf die Interessen der Republik Österreich, auf völkerrechtliche Verpflichtungen, insbesondere auf dem Gebiet des Asylrechtes, und auf den Schutz der Menschenwürde Bedacht. Er hat die Auslieferung abzulehnen, soweit sie der Gerichtshof zweiter Instanz für unzulässig erklärt hat.

(2) Ist die Auslieferung im Verhältnis zu mehreren Staaten zulässig, so hat der Bundesminister für Justiz auch darüber zu entscheiden, welchem Auslieferungsersuchen der Vorrang zukommt.

(3) Liegen die Voraussetzungen des § 32 vor und hat die auszuliefernde Person ihre Einwilligung nicht widerrufen, so hat der Bundesminister für Justiz unter Bedachtnahme auf § 37 Z. 1 und 3 die Übergabe der auszuliefernden Person anzuordnen. Bestehen jedoch aus einem der im ersten Abschnitt des II. Hauptstückes angeführten Gründe Bedenken gegen die Zulässigkeit der Auslieferung, so ist das Verfahren nach den §§31, 33 und 34 Abs 1, 2 und 4 durchzuführen.

(4) Der Bundesminister für Justiz hat seine Entscheidung dem ersuchenden Staat und, abgesehen vom Fall der vereinfachten Auslieferung, auch dem Gerichtshof zweiter Instanz mitzuteilen, der im Weg des Gerichtshofes erster Instanz die Benachrichtigung der auszuliefernden Person und ihres Verteidigers veranlaßt."

4. Der vom Oberlandesgericht gefaßte Beschluß entfaltet somit nach dem letzten Satz des § 34 Abs 1 ARHG für den Bundesminister insoweit bindende Wirkung, als dieser die Auslieferung nicht bewilligen darf (arg.: abzulehnen hat), soweit sie vom Oberlandesgericht für unzulässig erklärt worden ist. Hat dieses Gericht die Auslieferung hingegen für zulässig erklärt, bleibt es dem Bundesminister nach dem Gesetz weiterhin unbenommen, die Auslieferung aus den in § 34 Abs 1 ARHG allgemein umschriebenen Gründen abzulehnen.

II. 1.1. Der Antragsteller, ein US-amerikanischer und israelischer Staatsangehöriger, wurde in den USA wegen mehrerer Vermögensdelikte zu einer Haftstrafe in der Dauer von 845 Jahren verurteilt. Noch vor Verkündung des Urteils floh der Antragsteller nach Österreich, wo er am verhaftet wurde; am wurde über ihn die Auslieferungshaft verhängt.

Mit Note der Botschaft der USA vom wurde die Auslieferung des Antragstellers zur Vollstreckung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe beantragt.

1.2. Mit Beschluß des Oberlandesgerichts Wien vom , Z 22 Ns 2/01, wurde die Auslieferung des Antragstellers für unzulässig erklärt.

Begründend wurde dazu im wesentlichen ausgeführt, die Auslieferung des Antragstellers ohne Zusicherung, daß seine Verurteilung von einem übergeordneten Gericht überprüft wird, würde Art 2 7. ZP-EMRK verletzen. Da eine solche Zusicherung nicht abgegeben worden sei, sei die Auslieferung unzulässig.

1.3. Nachdem der Generalprokurator gegen diesen Beschluß mit Schriftsatz vom Nichtigkeitsbeschwerde (§33 StPO) erhoben hatte, sprach der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom , Z 14 Os 8/02 (= JBl 2002, 670 [Anm. Burgstaller]), aus, daß der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom das Gesetz in den Bestimmungen des § 33 Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG), BGBl. Nr. 529/1979, und des Art 9 Auslieferungsvertrag Österreich-USA verletzt habe, er aus diesem Grund aufgehoben und dem Oberlandesgericht aufgetragen werde, nach dem Gesetz über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden.

"Nach dem gewaltentrennenden Organisationsprinzip des Art 94 B-VG müssen alle Aufgaben der Vollziehung vom Gesetzgeber nach objektiven Kriterien entweder der Gerichtsbarkeit oder der Verwaltung übertragen werden (vgl H. Mayer B-VG2 Art 94 Anm I). Da der primär anzuwendende - generell transformierte und damit eine unmittelbare Grundlage für innerstaatliche Vollzugsakte bildende (H. Mayer B-VG2 Art 50 Anm II.2.) - Auslieferungsvertrag über die innerstaatliche Kompetenzaufteilung bei der Auslieferung aus Österreich nichts anderes bestimmt, sind dazu die Vorschriften des ARHG heranzuziehen (§1 ARHG), welche zwischen dem nach § 33 ARHG vom Gerichtshof zweiter Instanz zu fassenden Beschluss über die Zulässigkeit und der dem Bundesminister für Justiz zugewiesenen Entscheidung über Bewilligung oder Ablehnung nach § 34 ARHG unterscheiden.

Darnach befindet der Bundesminister für Justiz als Organ der Verwaltung nach Maßgabe zwischenstaatlicher Vereinbarungen und der Grundsätze des zwischenstaatlichen Rechtsverkehrs und hat dabei auf die Interessen der Republik Österreich (vgl §§2 und 3 Abs 1 ARHG), auf völkerrechtliche Verpflichtungen und den Schutz der Menschenwürde Bedacht zu nehmen (§34 Abs 1 erster und zweiter Satz ARHG). Nur in jenen Fragen, welche das ARHG im Ersten Abschnitt des II. Hauptstückes als solche der Zulässigkeit der Auslieferung bezeichnet, soll er gemäß § 34 Abs 1 dritter Satz ARHG an eine verneinende Antwort des Gerichtshofes zweiter Instanz gebunden sein.

Das Oberlandesgericht Wien hatte - auf Grund der Gesetze (Art18 Abs 1 B-VG) - folgerichtig nur über die Zulässigkeit der Auslieferung zu befinden, mithin ausschließlich über jene notwendigen Bedingungen für deren Bewilligung, die das Gesetz in Abgrenzung von der nach § 34 ARHG zu treffenden Entscheidung des Bundesministers für Justiz (auch) den Strafgerichten zuweist (Art10 Abs 1 Z 3 B-VG).

Wendet man die Kompetenzregelung des ARHG auf den in Rede stehenden Vertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika an, zählen solcherart jedenfalls Fragen der Auslieferungsfähigkeit von Straftaten (Art2, 4, 24; vgl §§11, 14 f ARHG), der österreichischen Staatsangehörigkeit (Art3; vgl § 12 ARHG), der österreichischen Gerichtsbarkeit (Art5; vgl § 16 ARHG), des ne bis in idem-Grundsatzes (Art6; vgl § 16 Abs 3 erster Satz ARHG), der Verjährung (Art7; vgl § 18 ARHG), der Todesstrafe (Art8; vgl § 20 ARHG), des Spezialitätsgrundsatzes (Art19; vgl § 23 ARHG) und der Fairness des Verfahrens im Fall eines Abwesenheitsurteils (Art9; vgl § 19 Z 1 ARHG) zur Zulässigkeit der Auslieferung.

Zur Frage einer Rechtsmittelgarantie in Strafsachen (Art2 des in Österreich im Verfassungsrang stehenden 7. ZPEMRK) enthält der auf einfachgesetzlicher Stufe transformierte Auslieferungsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika keine den Art 1 dieses Vertrages einschränkende Bestimmung (vgl JBl 2001, 331). Fiele sie in die Gerichtskompetenz, hätte das Oberlandesgericht, das über die Zulässigkeit der Auslieferung (funktional) nicht in zweiter Instanz entscheidet, keine Befugnis zu einem Normprüfungsantrag beim VfGH (Art89 Abs 2 und 4 B-VG). Indem jedoch der Erste Abschnitt des II. Hauptstückes des ARHG statt eines pauschalen Verweises auf den Katalog der von der EMRK und ihren Zusatzprotokollen garantierten Grundrechte nur jene der Art 3 und 6 EMRK ausdrücklich nennt und andere ohne einen solchen Verweis auf einfachgesetzlicher Stufe konkretisiert (vgl §§19 Z 1 und 2 sowie 20 und 22 ARHG), das Grundrecht auf ein Rechtsmittel in Strafsachen jedoch nicht berücksichtigt, zeigt ein Umkehrschluss, dass sie nicht zur Entscheidung über die Zulässigkeit, vielmehr zu jener über Bewilligung und Ablehnung der Auslieferung gehört und solcherart (allein) von der Verwaltung zu lösen ist (zur Problematik instruktiv die Anmerkung von Dedeyne-Amann zu JBl 2001, 331). Eine durch das

7. ZPEMRK entstandene nachträgliche Lücke der zur Zulässigkeit der Auslieferung gehörenden Hindernisse ist schon deshalb zu verneinen, weil das StRÄG 1996 just in diesem Bereich (§§11, 22 ARHG) punktuell Änderungen vorgenommen, Art 2 des zuvor durch BGBl 1988/628 transformierten 7. ZPEMRK gleichwohl nicht eingefügt hat.

Zählen demnach im ersuchenden Staat gewährte Rechtsmittel in Strafsachen nicht zur Zulässigkeit der Auslieferung, hätte das Oberlandesgericht Wien selbst bei Geltung eines derartigen Auslieferungshindernisses darüber nicht zu entscheiden gehabt.

Dessen vager Hinweis auf die fragliche - und damit offen gelassene (vgl § 34 Abs 1 letzter Satz ARHG) - Bedeutung des in Art 9 des Auslieferungsvertrages genannten Hindernisses hinwiederum ist unter dem Aspekt eines mit der Nichtigkeitsbeschwerde angefochtenen 'Vorganges' (§292 fünfter Satz [zweiter Fall] StPO) als rechtsirrig zu beurteilen.

Indem Art 9 des Auslieferungsvertrages dem ersuchten Staat das Recht einräumt ('kann'), die Auslieferung nach Maßgabe weiterer Voraussetzungen abzulehnen, 'wenn die auszuliefernde Person in ihrer Abwesenheit schuldig erkannt wurde', fällt diese Bestimmung, welche keine innerstaatliche Kompetenzabgrenzung vornimmt, wie aus deren Bezugnahme auf die Wahrung der Verteidigungsrechte zwanglos erhellt, insoweit in den Kompetenzbereich des über die Zulässigkeit der Auslieferung entscheidenden Strafgerichtes, als solcherart ein Aspekt der von Art 6 EMRK garantierten Fairness des zum Schuldspruch führenden Verfahrens in Rede steht (vgl § 19 Z 1 ARHG). Ob S W trotz zeitweiliger Abwesenheit in einem nach den Kriterien des Art 6 EMRK fairen Verfahren schuldig erkannt wurde, die inhaltliche Antwort auf die in den Kompetenzbereich des Strafgerichtes fallende Frage also, hat insofern am - grundrechtskonform interpretierten - österreichischen Strafverfahrensrecht anzuknüpfen, als stets (nicht unbedingt nur) dann, wenn bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhaltes ein in Österreich ergangener Schuldspruch nicht zu beanstanden wäre, dies auch im Verhältnis zum ersuchenden Staat zu gelten hat.

Nun aber ist nach der österreichischen Strafprozessordnung ein Urteil - ungeachtet seiner Bezeichnung als 'Abwesenheitsurteil' - nur dann in Abwesenheit des Angeklagten erlassen worden (vgl §§427, 478 StPO), wenn dieser zwischen Aufruf der Sache (§239 erster Satz StPO, im bezirksgerichtlichen Verfahren: Vortrag der Anklage, § 457 erster Satz StPO) und Schluss der - dem Urteil vorangehenden, nicht wiederholten (§276a zweiter Satz StPO) - Verhandlung (sei es auch nur zeitweilig und mit seinem Einverständnis; SSt 54/75) nicht persönlich anwesend war, das Gericht also in seiner Abwesenheit verhandelt hatte (Mayerhofer StPO4 § 427 E 23). Auch wenn der Angeklagte erschienen ist, sich aber vor Schluss der Verhandlung wieder entfernt hat, wurde ein solches Urteil erlassen (SSt 54/75; ÖJZ-LSK 1984/36). Dass er durch einen Verteidiger oder einen Machthaber (§455 Abs 2 StPO; SSt 2128) vertreten war, ändert ebenso wenig wie seine allfällige Anwesenheit bei der Urteilsverkündung. Umgekehrt findet die Urteilsverkündung nach Schluss der Verhandlung, die Urteilsberatung außerhalb derselben statt. Findet sich der Beschuldigte zur Urteilsverkündung nicht ein, liegt deshalb allein noch kein Abwesenheitsurteil vor (§269 [§447 zweiter Satz] StPO; Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung [in Druck] § 281 Rz 243, § 478 Rz 1 mwN). Die Abwesenheit des Angeklagten während Urteilsberatung und -verkündung trägt demnach für eine Behauptung, dass er in Abwesenheit 'schuldig erkannt' wurde (vgl § 260 Abs 1 Z 1 und 2 StPO), nach Maßgabe der österreichischen Strafprozessordnung nichts aus.

Ob Art 9 des Auslieferungsvertrages gezielt nur den Schuldspruch in Abwesenheit meint, kann angesichts der Tatsache dahin stehen, dass ungeachtet der Abwesenheit des Angeklagten bei der anschließenden Verhandlung über das Strafmaß der zur Straffestsetzung berufene Spruchkörper des erkennenden Gerichtes während der dem Schuldspruch vorangegangenen Verhandlung sich ein hinreichendes Bild vom - nunmehr fluchtbedingt abwesenden - Angeklagten verschaffen konnte und Art 6 EMRK demnach auch insoweit nicht verletzt wurde. Einen dem Einspruchsgrund des § 427 Abs 3 dritter Satz StPO subsumierbaren Sachverhalt hatte S W nicht behauptet.

Die in der Nichtigkeitsbeschwerde und der Äußerung des S W unter dem Gesichtspunkt des Art 3 EMRK (§§19 Z 1 und 2, 20 Abs 3 ARHG) angestellten Überlegungen zum Strafmaß (welches im Ergebnis einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne begründete Hoffnung auf vorzeitige Entlassung gleichkommt) schließlich entziehen sich einer inhaltlichen Erledigung, weil der angefochtene Beschluss weder die Auslieferung aus diesem Grund für unzulässig erklärt hat, noch Erwägungen dazu enthält. Die Argumentation richtet sich solcherart nicht gegen einen Beschluss oder sonstigen Vorgang eines Strafgerichtes (§33 Abs 2 StPO). Rechtsgutachten aber können mit Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nicht begehrt werden (Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung [in Druck] § 292 Rz 1 bis 3, § 293 Rz 10). Hat der Oberste Gerichtshof insoweit den Auslieferungsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika nicht 'anzuwenden', scheiden Bedenken im Sinn des Art 89 Abs 2 und 4 B-VG von vornherein aus.

Ein nach § 33 ARHG gefasster Beschluss des Gerichtshofes II. Instanz erklärt die Auslieferung nur insoweit für unzulässig, als dies in Hinsicht auf konkret zu bezeichnende (vgl § 260 Abs 1 Z 1 StPO), dem Ersuchen zugrundeliegende Handlungen des Auszuliefernden aus (jeweils) einem oder mehreren, gleichermaßen bestimmt zu nennenden Gründen geschieht, vergleichbar einem Schuldspruch, bei dem jene als erwiesen angenommenen Tatsachen, deren der Angeklagte schuldig befunden worden ist, einzelnen als strafbare Handlungen bezeichneten rechtlichen Kategorien zugeordnet werden, ohne welchen Ausspruch (§260 Abs 1 Z 2 StPO) kein Schuldspruch ergeht (vgl Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung [in Druck] § 281 Rz 266, 270, 503, 536 f). Soweit daher der Gerichtshof II. Instanz Handlungen oder Auslieferungshindernisse in seinem nach § 33 Abs 1 ARHG gefassten Beschluss nicht bedenkt, hat er die Auslieferung folgerichtig nicht für unzulässig erklärt (vgl auch Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung [in Druck] § 281 Rz 526 sowie § 39 ARHG iVm § 9 Abs 1 ARHG [§358 erster Satz StPO]).

Angesichts des vorstehend erwähnten gewaltentrennenden Organisationsprinzips des Art 94 B-VG kann die Entscheidung des Gerichtshofes II. Instanz nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes eine Bindungswirkung für den Bundesminister für Justiz nach § 34 Abs 1 dritter Satz ARHG zudem nur insoweit entfalten, als diese die dem Gericht zukommende Entscheidungskompetenz nicht überschritten, mithin (wenngleich uU rechtsirrig) einen gesetzlichen Grund für Unzulässigkeit in Anschlag gebracht hat (vgl Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 721, H. Mayer B-VG2 Anm zu § 42 VfGG). Der im Ergebnis erfolgreich angefochtene Beschluss war daher nur zur Klarstellung zu beseitigen (vgl Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung [in Druck] § 292 Rz 12, 43, 45 f).

Weil aber vorliegend schon angesichts der bloß beiläufig angestellten Erwägungen des Oberlandesgerichtes Wien in Richtung einer offen gelassenen Bedeutung des Art 9 des Vertrages als Auslieferungshindernis nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Gerichtshof II. Instanz von einer Prüfung des Ersuchens auf geltende Zulässigkeitskriterien nur infolge rechtsirriger Überschreitung der Gerichtskompetenz Abstand genommen hat, war diesem erneute Beschlussfassung aufzutragen, um den Auszuliefernden aus der - im Ergebnis - unterlassenen Prüfung des Ersuchens keinen Nachteilen auszusetzen.

Das in der Äußerung des S W zur Nichtigkeitsbeschwerde neu erstattete Vorbringen, wonach er während eines - im Verhältnis zur Gesamtdauer der zum Schuldspruch führenden Verhandlung - geringfügigen Zeitraums dieser nicht beigewohnt hatte, wird es dabei nach Maßgabe seiner Deckung durch die Unterlagen (vgl § 35 Abs 1 erster Satz ARHG) unter dem Aspekt des Art 9 des Vertrages zu bewerten haben."

2. Der vorliegende, auf Art 140 Abs 1 letzter Satz B-VG gestützte Individualantrag - beim Verfassungsgerichtshof am eingelangt - enthält das Begehren, der Verfassungsgerichtshof möge in § 19 Z 1 ARHG den Ausdruck "der Art 3 und 6", im zweiten Satz des § 34 Abs 1 ARHG die Wortfolge "und auf den Schutz der Menschenwürde" sowie in § 33 Abs 5 ARHG den zweiten Satz ("Gegen den Beschluß, der zu begründen ist, ist kein Rechtsmittel zulässig.") als verfassungswidrig aufheben und aussprechen, daß die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind. Darüber hinaus wird gem. Art 140a Abs 1 (iVm Art 140 Abs 1) B-VG beantragt, es möge festgestellt werden, daß Art 9 Auslieferungsvertrag Österreich-USA verfassungswidrig und daher unanwendbar ist.

Die Zulässigkeit des Antrags wird wie folgt begründet:

Die vom Antragsteller angefochtenen Regelungen legten die Voraussetzungen fest, nach denen über seine Auslieferung zu entscheiden sei. Das Oberlandesgericht Wien habe sowohl Art 9 Auslieferungsvertrag Österreich-USA als auch § 19 Z 1 ARHG anzuwenden. Der Bundesminister für Justiz werde bei seiner Entscheidung auch auf § 34 Abs 1 zweiter Satz ARHG Bedacht zu nehmen haben. Beide Regelungen seien somit entscheidend dafür, ob der Antragsteller gegen seinen Willen aus dem Hoheitsgebiet Österreichs in die USA und damit aus dem Anwendungsbereich der EMRK verbracht werden dürfe. Durch die (bei Einbringung des vorliegenden Antrags noch) bevorstehenden Entscheidungen des Oberlandesgerichts Wien sowie des Bundesministers für Justiz werde der Antragsteller somit nicht bloß zum Verlassen des Landes gezwungen, sondern er verliere auch sämtliche ihm durch die EMRK gewährten Rechte.

Der absehbare Eingriff sei auch durch das Gesetz eindeutig bestimmt und keiner weiteren Konkretisierung bedürftig. Falls die Auslieferung vom Oberlandesgericht für zulässig erklärt und vom Bundesminister bewilligt werde, sei der Antragsteller auszuliefern.

Es handle sich überdies um einen aktuellen Eingriff. Da im ARHG eine absolute Haftfrist von einem Jahr normiert (vgl. § 29 Abs 6 ARHG) und der Antragsteller demnach jedenfalls am zu enthaften sei, sei nämlich anzunehmen, daß das Oberlandesgericht Wien bis dahin über die Zulässigkeit der Auslieferung entscheiden werde. In diesem Fall sei mit der unverzüglichen Übergabe des Antragstellers an die zuständigen Behörden der USA zu rechnen.

Es sei dem Antragsteller schließlich auch nicht möglich, den drohenden Eingriff anders als im Wege eines Gesetzesprüfungsantrags zu bekämpfen: Da das Oberlandesgericht Wien nach § 33 Abs 3 ARHG über die Zulässigkeit der Auslieferung nämlich in erster und letzter Instanz entscheide, könne es keinen Gesetzesprüfungsantrag gem. Art 140 Abs 1 erster Satz iVm Art 89 Abs 2 B-VG stellen. Dem Bundesminister für Justiz wieder sei ein derartiges Antragsrecht von vornherein nicht zuerkannt. Die von ihm vorgenommene Anordnung der Übergabe (§34 Abs 3 ARHG) werde - zumindest im Schrifttum - nicht als vom Betroffenen bekämpfbarer Bescheid qualifiziert. Nach Ansicht des Antragstellers habe der Bundesminister zwar über das Auslieferungsersuchen mit Bescheid zu entscheiden, auf Grund langjähriger Praxis werde jedoch kein Bescheid erlassen, weshalb dem Betroffenen der Weg versperrt sei, eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu richten.

Abschließend heißt es wörtlich:

"Im Hinblick auf die einhellige - unzutreffende - Lehre und die langjährige und damit etablierte Praxis hat der Antragsteller keine Chance[,] einer Übergabe an die US-Behörden zu entgehen, bevor der Verfassungsgerichtshof die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Regelungen feststellt und diese aufhebt. Dieser Individualantrag ist daher der einzige effektive Rechtsschutz des Antragstellers."

3. Im zweiten Rechtsgang erklärte das Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom , Z 22 Ns 8/02, die Auslieferung des Antragstellers hinsichtlich des Anklagepunktes 93 (Meineid) für unzulässig, im übrigen dagegen für zulässig.

Begründend wird dazu im wesentlichen folgendes ausgeführt:

"Eine Auslieferung zur Vollstreckung in Abwesenheit ergangener Schuldsprüche und verhängter Strafen kann abgelehnt werden, wenn das Abwesenheitsverfahren nicht grundrechtlichen Mindestanforderungen entsprochen hat oder kein Rechtsbehelf zur Verfügung steht, mit dem die Neudurchführung des Verfahrens ohne weitere Gründe bewirkt werden kann. Diese Mindestanforderungen orientieren sich an den Grundsätzen des fairen Verfahrens nach Art 6 EMRK. Konnte daher die auszuliefernde Person ihre Verteidigungsrechte auch in Abwesenheit ausreichend wahren, so ist auch die Auslieferung zur Vollstreckung dieses Urteils möglich (ErläutRV 1083 BlgNR 20. GP 19).

Hinsichtlich des Schuldspruches in Abwesenheit bestehen keine Bedenken an der Einhaltung des fair trial-Gebotes, weil der Auszuliefernde nach den Auslieferungsunterlagen (..., zu AZ 22 Ns 2/01 des Oberlandesgerichtes Wien ergangene Note des US Department of Justice vom ) während der gesamten, sich über einen Zeitraum von rund acht Monaten erstreckenden Verhandlung anwesend war, zahlreiche Zeugen namhaft machte, umfangreiches Urkundenmaterial vorlegte, mehrere Wochen hindurch persönlich aussagte, die (etwa eine Woche in Anspruch nehmenden) Schlussplädoyers verfolgte und erst vor der Urteilsverkündung flüchtete. Bei dieser Sachlage sieht auch die österreichische Rechtsordnung (§269 StPO) eine Verkündung des Urteils in Abwesenheit des Angeklagten vor, ohne von einem Abwesenheitsurteil iSd § 427 StPO auszugehen, zumal die Urteilsverkündung nach Schluss der Verhandlung, die Urteilsberatung außerhalb derselben stattfindet (vgl ).

Die Behauptung des Auszuliefernden, zwischen dem Schluss der Verhandlung sowie der Urteilsverkündung seien (in seiner Abwesenheit) inhaltliche Erörterungen vorgenommen worden, widerspricht - unsubstantiiert - den (ergänzenden) Auslieferungsunterlagen (S 4 f der zu AZ 22 Ns 2/01 des Oberlandesgerichtes Wien ergangenen Note des US-Department of Justice vom ) und ist daher unbeachtlich (§35 Abs 1 ARHG).

Ein Verfahrensabschnitt, in dem nach vollständiger Durchführung des Beweisverfahrens und abschließender Beurteilung der Schuldfrage (erstinstanzlich) über das Strafausmaß verhandelt wird, ist dem österreichischen Rechtssystem fremd (§256 StPO sieht lediglich die Trennung der Schlussvorträge über die Schuldfrage von denen über die Strafbestimmungen, über die privatrechtlichen Ansprüche und über die Prozesskosten vor). Die EMRK-Konformität des Strafmaßfestsetzungsverfahrens in Abwesenheit des Auszuliefernden kann daher nur anhand der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (im Folgenden EGMR genannt) untersucht werden. Hienach bedingt Art 6 Abs 1 MRK im Rechtsmittelverfahren - welches als der (die Durchführung des Beweisverfahrens sowie die Klärung der Schuldfrage beinhaltenden) Hauptverhandlung nachgelagerter Verfahrensabschnitt mit dem hier zu prüfenden Prozessteil durchaus vergleichbar ist - nicht immer ein Recht auf persönliche Anwesenheit, sondern ist bei Beurteilung dieser Frage ua auf die Besonderheiten des betroffenen Verfahrens Bedacht zu nehmen. Entscheidend ist hiebei die Frage, ob es zur ordnungsgemäßen Prüfung der Strafsache erforderlich ist, einen persönlichen Eindruck vom Angeklagten zu gewinnen (vgl EGMR , ÖJZ 2000/15). Dies war bei der gegenständlichen Strafmaßfestsetzung nicht (neuerlich) nötig, weil die Vorsitzende des Verfahrens vor der Jury (...), welche im Rahmen eines rund achtmonatigen Prozesses, insbesonders auch während der mehrwöchigen persönlichen Aussage des Auszuliefernden (...), einen hinreichenden persönlichen Eindruck von diesem erhielt, auch selbst das Strafmaß festsetzte (...).

Der Einwand, der Verteidiger habe im Strafmaßfestsetzungsverfahren mangels Kontaktaufnahme mit dem Auszuliefernden dessen Rechte nicht uneingeschränkt wahrnehmen können, vermag nicht zu überzeugen, zumal der Auszuliefernde bereits während des gesamten Verfahrens vor der Jury durch den selben (gewählten) Verteidiger vertreten war, also hinreichend Gelegenheit hatte, diesem alle für die Wahrung seiner Recht bedeutsamen Umstände zur Kenntnis zu bringen. Es sei an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber angemerkt, dass die Annahme, dies wäre tatsächlich nicht geschehen, (insbesonders im Hinblick auf Umfang und Gewicht der Strafsache) wenig lebensnah erscheint.

Auch der Hinweis auf den Fall Poitrimol v France ist verfehlt, weil der EGMR bei dieser Entscheidung die Verletzung der Verteidigungsrechte - hier interessierend - darin erblickte, dass die französischen Gerichte die Rechtsansicht vertraten, eine verurteilte Person, die sich einem Haftbefehl entzogen habe, sei nicht berechtigt, einen Verteidiger zu beauftragen, sie zu vertreten (EGMR ÖJZ 1994/29). Die Durchführung des Verfahrens - wie hier - in Abwesenheit des Angeklagten, jedoch in Anwesenheit seines (zu Sachvorbringen berechtigten) Verteidigers wäre also nach diesem Judikat gerade die EMRK-konforme Vorgangsweise gewesen. Dies entspricht im Übrigen auch der ratio des § 269 StPO, die persönliche Anwesenheit des Angeklagten in einem Verfahrensstadium, in dem diese aus inhaltlichen Gründen nicht (mehr) erforderlich ist, für entbehrlich zu erklären.

Dadurch, dass der Angeklagte im Verfahren vor der Jury persönlich und im Strafmaßfestsetzungsverfahren (selbst gewählten) Verteidiger vertreten war, hatte er somit eine angemessene Möglichkeit, seine Verteidigungsrechte zu wahren, weshalb sich das Eingehen darauf, ob dem Auszuliefernden nach seiner Übergabe angemessene Rechtsmittel oder zusätzliche Verfahren iSd Art 9 des Auslieferungsvertrages offen stehen, erübrigt.

Wenngleich der EGMR vereinzelt - und mit massiven Contravoten (vgl EGMR ÖJZ 1994/29) - ausgesprochen hat, dass die Verweigerung der inhaltlichen Behandlung eines Rechtsmittels bei bestimmten Fallkonstellationen das fair-trial-Gebot zu verletzen geeignet ist, gewährt das in Art 6 Abs 1 EMRK normierte Recht auf Zugang zu den Gerichten kein generelles Recht auf einen Instanzenzug oder - wo ein solcher besteht - auf Gerichtsbarkeit in allen Instanzen (Mayerhofer Nebenstrafrecht 14, E 10a, 12a zu [Art] 6 EMRK) . Der Umstand, dass die US-amerikanische Rechtsordnung gewisse Rechtsmittelbeschränkungen vorsieht, kann somit nicht grundsätzlich als Verstoß gegen Art 6 Abs 1 EMRK gewertet werden. Eine detaillierte(re) Prüfung des Rechtssystems des ersuchenden Staates ist im Rahmen des Auslieferungsverfahrens als eines auf internationalen Verträgen (oder dem Grundsatz der Gegenseitigkeit) beruhenden Formalverfahrens nicht zulässig.

Die spekulativen Erwägungen des Auszuliefernden über mögliche Auswirkungen seiner Flucht auf den Schuldspruch der Geschworenen sowie das Strafausmaß sind der Überprüfung im Verfahren nach § 33 ARHG nicht zugänglich.

Das Vorbringen zur angeblichen Widersprüchlichkeit des Jury-Urteils (...) übersieht, dass die den Anklagepunkt 1 unterteilenden Racketeering-Handlungen 1 bis 75B (...) nicht ident sind mit den Anklagepunkten 3 bis 93 (...) und erweist sich deshalb als aktenwidrig.

Entsprechendes gilt für die Behauptung, aus der eidesstattlichen Erklärung zur Glaubhaftmachung des Auslieferung (...) sei nicht ersichtlich, ob die vorsitzende Richterin den Auszuliefernden - dem Ausspruch der Jury folgend - aller Anklagepunkte für schuldig erkannte (...).

Ob sich der Schuldspruch der Vorsitzenden 'bei den Akten' findet (bzw ob dieser nach US-amerikanischem Recht überhaupt auszufertigen ist), kann dahingestellt bleiben, zumal nach Art 10 Abs 4 lita des Auslieferungsvertrages eine - hier vorliegende (...) - Bestätigung einer Justizbehörde, dass der Auszuliefernde schuldig gesprochen worden ist, die Urteilsausfertigung substituiert.

Art 8 Abs 1 des Auslieferungsvertrages ermöglicht dem ersuchten Staat - bezogen auf die Höhe der Sanktion - nur im Fall der Androhung bzw Vollstreckung der Todesstrafe, die Auslieferung abzulehnen; der Ausspruch (sogar) einer lebenslangen Freiheitsstrafe stellt daher nach dem Auslieferungsvertrag - wie im Übrigen auch nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen oder vergleichbaren bilateralen Verträgen - kein Auslieferungshindernis dar, was - arg a maiori ad minus - auch für jede zeitliche Freiheitsstrafe zu gelten hat. Mit dem Einwand, die über ihn verhängte Sanktion stünde außer Verhältnis zu den nach österreichischem Recht geltenden Strafdrohungen für vergleichbare Delikte[,] übersieht der Auszuliefernde, dass die Strafrechtsordnung der USA - im Gegensatz zu dem in Österreich vorherrschenden (§28 Abs 1 StGB) Absorptionsprinzip - vom Grundsatz der Strafenkumulation ausgeht, weshalb - der Argumentationslinie des Auszuliefernden folgend - eine Auslieferung in die Vereinigten Staaten von Amerika in allen Fällen der Faktenvielzahl wegen Unverhältnismäßigkeit der ausgesprochenen (bzw zu verhängenden) Sanktion für unzulässig zu erklären wäre, welche Intention dem Auslieferungsvertrag nicht ernsthaft unterstellt werden kann.

Ein - losgelöst vom Einzelfall - grundsätzliches Verbot der Verhängung bzw des Vollzuges einer lebenslangen (oder einer dieser de facto entsprechenden zeitlichen) Freiheitsstrafe kann der EMRK nicht entnommen werden; Art 2 Abs 1 EMRK erachtet vielmehr sogar die Vollstreckung eines Todesurteiles als zulässig. Freiheitsstrafen können nur dann in ein Spannungsverhältnis zu Art 3 EMRK treten, wenn sie in keiner Relation zur Schuld des Täters und zum Unrechtsgehalt der Tat stehen (vgl Rosenmayr in Ermacora-Nowak-Tretter, Die Europäische Menschenrechtskonvention 171 f), was aber hier in Anbetracht der umfangreichen, über einen äußerst langen Zeitraum im Rahmen einer professionell organisierten Tätergruppe gesetzten Tathandlungen mit Rücksicht auf die Besonderheiten des US-amerikanischen Rechtssystems nicht der Fall ist.

In seiner Stellungnahme vom bezieht sich der Auszuliefernde auf mehrere Fälle (Sawoniuk v Großbritannien, Nivette v Frankreich und Einhorn v Frankreich), in denen der EGMR die Ansicht vertreten hat, lebenslange Haft ohne Aussicht auf Freilassung könne 'zu Fragen nach Art 3 EMRK führen', räumt aber gleichzeitig ein, dass der EGMR niemals ausgesprochen hat, dass lebenslange Haft ohne Aussicht auf Freilassung tatsächlich eine Verletzung des Art 3 EMRK darstellt. Den vom Auszuliefernden angeführten Fällen ist gemein, dass der EGMR die Verletzung des Art 3 EMRK durch den Strafausspruch bzw die Strafdrohung mit der wesentlichen Begründung nicht eingehender prüfte, der tatsächliche Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe sei nicht gewiss. Korrespondierendes gilt für die gegenständliche Auslieferungssache. Nach der zu AZ 22 Ns 2/01 des Oberlandesgerichtes Wien ergangenen Note des US Department of Justice vom (S 9f) hat der Auszuliefernde die Möglichkeiten, das Urteil gemäß Titel 28, United States Code, Paragraph 2255 wegen bestimmter Gesetzesverletzungen (nachträglich) anzufechten, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu begehren, einen Antrag auf Rechtsschutz bei der vorsitzenden Richterin zu stellen oder - mit der Begründung, er sei bei der Verurteilung nicht anwesend gewesen - einen Antrag auf Neuverurteilung einzubringen. Darüber hinaus gewährt auch die US-amerikanische Rechtsordnung für den Fall, dass (hier auch tatsächlich erhobene) Rechtsmittel von Mitangeklagten zum Erfolg führen, das Rechtsinstitut des beneficium cohaesionis (vgl § 290 Abs 1 StPO). Dem Auszuliefernden stehen somit nach wie vor mehrere Möglichkeiten offen, das (an sich rechtskräftige) Urteil anzufechten, weshalb der tatsächliche Vollzug der Freiheitsstrafe bis zum Lebensende des Auszuliefernden nicht gewiss ist und sich iSd oa Judikatur des EGMR eine weitere Prüfung der ausgesprochenen Sanktion im Hinblick auf Art 3 EMRK erübrigt. In diesem Zusammenhang sei der Vollständigkeit halber darauf verwiesen, dass nach der zu AZ 22 Ns 2/01 des Oberlandesgerichtes Wien ergangenen Note des US Department of Justice vom (S 3) die US-amerikanischen Behörden zu Gunsten des Auszuliefernden einen Antrag auf Wiedereinstellung der Berufung einbrachten, dem jedoch deshalb nicht Folge gegeben werden konnte, weil sich der Verteidiger inhaltlich gegen den Antrag aussprach (s Beilage der zu AZ 22 Ns 2/01 des Oberlandesgerichtes Wien ergangenen Note des US Department of Justice vom ).

Wegen des zu erwartenden Vollzuges einer Freiheitsstrafe steht die Auslieferung nur dann in Widerspruch zu Art 3 EMRK, wenn ernste Gründe für die Annahme vorliegen, der Auszuliefernde werde im ersuchenden Staat einer Behandlung ausgesetzt, welche die genannte Konventionsbestimmung verbietet (vgl Linke-Epp-Dokoupil-Felsenstein, Internationales Strafrecht S 19 ARHG Erläut 6). Hiebei ist auch maßgeblich, ob im ersuchenden Staat bislang gehäufte Verstöße gegen Art 3 EMRK bekannt geworden sind (vgl JBl 1995, 315), was durch die vom Angeklagten vorgelegten Zeitungsartikel aus dem Jahr 1989 bzw 1995 über angebliche vereinzelte Übergriffe in US-Gefängnissen keinesfalls dokumentiert wird. Da somit weder davon ausgegangen werden kann, dass im US-amerikanischen Strafvollzug eine ständige Praxis grober Menschenrechtsverletzungen herrscht, noch der Auszuliefernde Anhaltspunkte für die Annahme vorbrachte, ihm (konkret) würde ein Art 3 EMRK widersprechender Strafvollzug drohen, liegt auch das Auslieferungshindernis des § 19 Z 2 ARHG nicht vor."

4. Die Bundesregierung hat im verfassungsgerichtlichen Verfahren eine schriftliche Äußerung zum Gegenstand erstattet, worin beantragt wird, der Verfassungsgerichtshof möge den Antrag als unzulässig zurück-, in eventu als unbegründet abweisen.

5. Auf Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes hat auch der Oberste Gerichtshof eine Äußerung zum Gegenstand erstattet:

"[...] Zur Kompetenzabgrenzung zwischen Strafgericht und Bundesminister für Justiz ließ sich der Oberste Gerichtshof von der Überlegung leiten, dass das Bestehen eines Auslieferungsvertrages ein erhöhtes Vertrauen gegenüber dem ersuchenden Staat signalisiert, womit zwangsläufig das nur subsidiär anwendbare ARHG den umfassendsten Katalog von Auslieferungshindernissen beinhaltet. Innerhalb der Menge aller Auslieferungshindernisse aber werden nur jene zu der dem Gericht zur Beurteilung zukommenden 'Zulässigkeit der Auslieferung' gerechnet, welche der Erste Abschnitt des II. Hauptstücks dieses Gesetzes nennt (vgl die Abschnittsüberschrift).

[...] Nach § 34 Abs 1 dritter Satz ARHG ist der Bundesminister für Justiz an den Beschluss des Oberlandesgerichtes über die Zulässigkeit der Auslieferung nur gebunden, soweit sie der Gerichtshof II. Instanz für unzulässig erklärt. Erklärt er sie für 'unzulässig', ohne auch nur einen einzigen gesetzlichen Unzulässigkeitsgrund (eine im erwähnten Abschnitt des ARHG genannte rechtliche Unzulässigkeitskategorie) auf den dem Auslieferungsbegehren zugrunde liegenden Sachverhalt zur Anwendung zu bringen, hat er die Auslieferung nicht für unzulässig erklärt und damit innerhalb der Gerichtskompetenz keine Entscheidung getroffen (vgl EvBl 1997/89).

So hätte ein Strafgericht, das einen Angeklagten 'schuldig' spricht, einen anderen willentlich getötet zu haben (vgl § 75 StGB), ohne zugleich eine strafbare Handlung (eine in die Gerichtskompetenz fallende rechtliche Kategorie) 'durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen, deren der Angeklagte schuldig befunden worden ist', als 'begründet' anzusehen (vgl § 260 Abs 1 Z 2 StPO; etwa, indem es die Tat dem ArtIX EGVG subsumiert), keinen Schuldspruch gefällt, vielmehr die Anklage nicht erledigt. Erwüchse das Urteil in Rechtskraft, käme ihm die Wirkung eines Freispruchs zu (SSt 24/1, RZ 1987/28).

Während aber ein derartiger Freispruch anlässlich einer erfolgreichen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nicht beseitigt werden könnte, weil die Beseitigung zum Nachteil des Angeklagten ausschlüge, wurde S W durch den kein den Gerichten zur Beurteilung zustehendes Auslieferungshindernis zur Anwendung bringenden Beschluss des Oberlandesgerichtes benachteiligt, weil der Bundesminister solcherart nicht nach § 34 Abs 1 dritter Satz ARHG gebunden wurde, über die Auslieferung demnach autonom hätte entscheiden können.

Gesetzt den Fall, ein Gericht würde einen Antrag auf Enteignung nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz verfehlt nicht wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückweisen, sondern meritorisch abweisen, so bedürf[t]e es keiner Entscheidung nach § 42 JN, um über denselben Enteignungsanspruch im Verwaltungsweg abzusprechen.

[...] Dadurch, dass der Oberste Gerichtshof den - wie gesagt, den Bundesminister für Justiz bei seiner Entscheidung nicht bindenden, in dieser Richtung also unwirksamen - Beschluss des Oberlandesgerichtes 'zur Klarstellung' beseitigte, hat er nur die prozessuale Voraussetzung dafür geschaffen, dass das Oberlandesgericht nicht durch die für den Bundesminister wirkungslose Entscheidung gehindert war, nun erstmals in Wahrung seiner Zuständigkeit über die Zulässigkeitsfrage Beschluss zu fassen. War nämlich der Beschluss des Oberlandesgerichtes für den Bundesminister deshalb wirkungslos, weil es sich dessen Kompetenz anmaßte, stand einer die Gerichtskompetenz wahrnehmenden neuerlichen Entscheidung des Oberlandesgerichtes die Sperrwirkung des angefochtenen Beschlusses (der selbstverständlich nicht 'absolut nichtig' war) entgegen. Erst durch dessen Beseitigung wurde S W die Chance auf Prüfung wirklicher Zulässigkeitskriterien eröffnet. So gesehen geschah die Beseitigung des - für den Bundesminister ohnehin (auch ohne Beseitigung) wirkungslosen - Beschlusses zum Vorteil des Auszuliefernden. Die klarstellende Beseitigung wirkungsloser Beschlüsse aufgrund von zur Wahrung des Gesetzes ergriffene Nichtigkeitsbeschwerden wurde in der Vergangenheit wiederholt vorgenommen, ohne im Schrifttum auf Widerspruch zu stoßen (vgl zB JBl 1989, 400 = EvBl 1989/64; zuletzt etwa 13 Os 27/00; eingehend:

Jerabek in WK2 § 53 Rz 28).

[...] Zusammenfassend musste die aus Sicht des Obersten Gerichtshofes fehlende Bindungswirkung gegenüber dem Verwaltungsorgan nur 'klargestellt' werden, ohne einer Beseitigung zu bedürfen. Diese war jedoch erforderlich, um die vom angefochtenen Beschluss ausgehende Sperrwirkung wegzubringen, welche einer erneuten - nur zugunsten des S W möglichen (§34 Abs 1 dritter Satz ARHG e contr) - Prüfung durch das Gericht entgegenstand. Ohne Bejahung eines als Unzulässigkeitsgrund (iS des Ersten Abschnitts des II. Hauptstücks des ARHG) den Gerichten zur Beurteilung zustehenden Auslieferungshindernisses ist nämlich die angefochtene Entscheidung des Oberlandesgerichtes - blickt man genau hin - nicht zu Gunsten des S W ergangen.

Nach Maßgabe des ergangenen Erkenntnisses wird der Auszuliefernde demnach durch den Rechtsmittelausschluss des § 33 Abs 5 ARHG gegenüber staatsanwaltlichen Behörden nicht benachteiligt (zur Rechtsnatur der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes s Pallin, Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes, Hundert Jahre österreichische Strafprozeßordnung 1873-1973 [1973]).

Durch eine die Auslieferung für zulässig erklärende Entscheidung wird der Bundesminister nicht gebunden (§34 Abs 1 dritter Satz ARHG e contr; vgl den Klammerhinweis ['auch'] in der zweitletzten Zeile der Seite 14 des Erkenntnisses, aber auch § 34 Abs 3 zweiter Satz ARHG); eine Anfechtung wäre daher ohnehin unnötig.

Die im Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes noch als in Druck befindlichen bezeichneten Literaturstellen sind in der Zwischenzeit übrigens erschienen."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Antrag erwogen:

A. Zur Zulässigkeit:

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist gemäß Art 140 Abs 1 letzter Satz B-VG (bzw. gemäß Art 140a Abs 1 zweiter Satz iVm Art 140 Abs 1 letzter Satz B-VG) einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist sohin, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betreffenden Person eingreift und diese - im Fall einer Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß der Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar durch das Gesetz selbst tatsächlich erfolgt. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die - rechtlich geschützten - Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behauptetermaßen - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (zB VfSlg. 9084/1981, 10.511/1985).

Die Antragslegitimation bestimmt sich insbesondere danach, ob das angefochtene Gesetz für den Antragsteller die im Antrag ins Treffen geführten (nachteiligen) Wirkungen hat und ob diese Wirkungen den Anforderungen des Art 140 Abs 1 letzter Satz B-VG genügen. Nicht zu untersuchen ist hingegen, ob die in Anfechtung gezogenen Gesetzesstellen für den Antragsteller sonstige (unmittelbare) Wirkungen entfalten. Es kommt im vorliegenden Zusammenhang ausschließlich auf die Behauptungen des Antragstellers an, in welcher Hinsicht das bekämpfte Gesetz seine Rechtssphäre berührt und im Fall der Verfassungswidrigkeit

verletzt (vgl. zB VfSlg. 10.353/1985, 11.610/1988).

2. Zur Klärung der Frage, ob die bekämpften Bestimmungen in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreifen oder diese nur im Wege eines Verfahrens nach § 33 oder § 34 ARHG gestalten, ist vorweg zu untersuchen, wie die Zuständigkeiten durch die genannten Bestimmungen verteilt werden, insbesondere ob der Bundesminister in förmlicher Weise über die Bewilligung der Auslieferung abzusprechen hat. Im Zuge der solcherart gebotenen Anwendung der genannten Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof bei Prüfung der Zulässigkeit des vorliegenden Antrags ist aber auch von Amts wegen zu klären, ob das in den §§33 und 34 ARHG vorgesehene Zusammenspiel von Gericht und Verwaltungsbehörde aus verfassungsrechtlicher Sicht zulässig ist.

2.1. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (s. zB VfSlg. 2778/1954, 2902/1955, 3236/1957, 3424/1958, 4455/1963, 5630/1967, 6537/1971, 7273/1974, 7882/1976, 9590/1982, 10.300/1984, 10.452/1985, 11.259/1987), ergibt sich aus dem in Art 94 B-VG niedergelegten Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung die Verpflichtung des Gesetzgebers, eine Angelegenheit - zur Gänze - zur Vollziehung entweder den Gerichten oder den Verwaltungsbehörden zuzuweisen. Daraus folgt, daß über ein und dieselbe Frage nicht sowohl Gerichte als auch Verwaltungsbehörden, sei es im gemeinsamen Zusammenwirken, sei es im instanzenmäßig gegliederten Nacheinander entscheiden dürfen; jede verfahrensrechtliche Verflechtung von Gerichten und Verwaltungsbehörden zu einer organisatorischen Einheit ist als unzulässig anzusehen.

Das Gesetz darf nicht vorsehen, daß ein und dieselbe Sache von Vollziehungsorganen verschiedenen Typs, also zB sowohl von einem Gericht wie auch von einer Verwaltungsbehörde, - nebeneinander oder nacheinander - behandelt werden kann, ohne daß das Gesetz selbst objektiv erfaßbare Voraussetzungen dafür aufstellt, wann die Zuständigkeit des einen und des anderen Vollziehungsorgans gegeben ist (VfSlg. 2909/1955 [S 405]; ebenso VfSlg. 3156/1957).

Wie der Verfassungsgerichtshof jedoch ebenfalls ausgesprochen hat, bestehen keine Bedenken dagegen, in ein und derselben Angelegenheit der Verwaltungsbehörde die bescheidmäßige Feststellung des Vorliegens eines Tatbestandselementes, dem Gericht dagegen die Feststellung des Vorliegens anderer Voraussetzungen zu übertragen (VfSlg. 6936/1972 [S 1256 f]).

In VfSlg. 10.476/1985 wurde ausgesprochen, daß es nach Art 94 B-VG zwar ausgeschlossen sei, daß Gerichte - mit Ausnahme jener des öffentlichen Rechts - Entscheidungen von Verwaltungsbehörden überprüfen oder umgekehrt, es dagegen "unvermeidlich [sei], daß Verwaltungsbehörden Vorfragen beurteilen, deren Lösung als Hauptfrage den Gerichten obliegt und umgekehrt", und es sei auch nicht ausgeschlossen, "daß ein und dieselbe Rechtsfrage je nach ihrem Zusammenhang einmal von einem Gericht und einmal von einer Verwaltungsbehörde beantwortet wird; es wird dann aber nicht in zwei verschiedenen Verfahren über dieselbe (konkrete) Rechtssache, sondern - teilweise - unter Beantwortung gleicher (abstrakter) Rechtsfragen über unterschiedliche Sachen entschieden."

2.2.1. Ein - nach der eingangs wiedergegebenen Judikatur - verfassungswidriges Zusammenwirken von Verwaltungsbehörde und Gericht wäre hier dann gegeben, wenn sowohl das Oberlandesgericht als auch der Bundesminister berufen wären, die Zulässigkeit der Auslieferung bezüglich der Rechtssphäre des Auszuliefernden zu prüfen, wie dies dem Obersten Gerichtshof in seinem Urteil vom vorzuschweben scheint, wonach sich das Oberlandesgericht in Ansehung der EMRK gem. § 19 Z 1 ARHG auf die Prüfung der Einhaltung der Grundsätze der Art 3 und 6 EMRK zu beschränken, der Bundesminister hingegen die Zulässigkeit nach Art 2 7. ZP-EMRK zu prüfen hätte.

2.2.2. Der Verfassungsgerichtshof vermag zunächst die soeben wiedergegebene Ansicht des Obersten Gerichtshofes nicht zu teilen, wonach die Zuständigkeit in der Frage der Zulässigkeit der Auslieferung zwischen Oberlandesgericht und Bundesminister in der Weise "geteilt" wäre, daß das Oberlandesgericht (in dem nach § 33 ARHG durchzuführenden Verfahren) und der Bundesminister (im Rahmen der nach § 34 ARHG vorzunehmenden Prüfung des Auslieferungsersuchens) über dieselbe Sache zu befinden hätten (wie hier ausdrücklich auch Walter/Zeleny, Über einige verfassungsrechtliche Probleme im Entwurf eines Strafprozessreformgesetzes, ÖJZ 2001, 876 [878 FN 18]; nicht ganz eindeutig in diesem Punkt Schwaighofer, Auslieferung und Internationales Strafrecht [1988] 131, bei FN 475 einerseits und in FN 476 andererseits):

a) Das ARHG ist nämlich gerade vor dem durch Art 94 B-VG bestimmten verfassungsrechtlichen Hintergrund so auszulegen, daß dem Oberlandesgericht die ausschließliche Kompetenz zukommt, über die "Zulässigkeit der Auslieferung" hinsichtlich aller oder einiger Delikte bzw. Verurteilungen, aus deren Grund die Auslieferung zur Strafverfolgung oder -vollstreckung begehrt wird, unter dem Gesichtspunkt der dem Betroffenen in diesem Zusammenhang nach Gesetz und Bundesverfassung zukommenden subjektiven Rechte (einschließlich der Frage des Vorliegens eines Härtefalles iS des § 22 ARHG, in dessen Rahmen auch Umstände des Familienlebens des Auszuliefernden zu berücksichtigen sind) zu entscheiden. Die Frage, ob das Oberlandesgericht alle diese Aspekte umfassend geprüft hat, sowie ob bei der Auslieferung der Umstand eine Rolle spielt, daß das in dem um die Auslieferung ersuchenden Staat stattfindende Strafverfahren dem Art 2 7. ZP-EMRK nicht entsprochen hat bzw. nicht entsprechen wird, ist keine Frage der Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes, sondern eine solche der inhaltlichen Rechtmäßigkeit des von diesem über die Zulässigkeit der Auslieferung gefaßten Beschlusses (idS wohl auch Burgstaller, JBl 2002, 676).

b) Der Bundesminister hat das Auslieferungsersuchen nur dann der in § 34 ARHG angeordneten abschließenden Prüfung zu unterziehen, wenn die Auslieferung zuvor vom Oberlandesgericht für zulässig erklärt worden ist; er hat es in erster Linie aus dem Blickwinkel des Völkerrechts zu beurteilen und letztlich die (mitunter allenfalls auch von politischen Fragen abhängende) Entscheidung zu treffen, ob einem (vom Oberlandesgericht zuvor für zulässig erklärten) Auslieferungsersuchen auch tatsächlich entsprochen wird (vgl. Linke, Grundriß des Auslieferungsrechts [1983] 73, sowie - zum insoweit vergleichbaren deutschen Recht - Vogler, Rechtsschutz im Auslieferungsverfahren, EuGRZ 1981, 417 [418 ff]; s. auch 4 BlgNR

XV. GP, 33, wo ausgeführt wird, daß der Bundesminister "im wesentlichen" andere Aspekte zu prüfen habe als jene, die vom Oberlandesgericht wahrzunehmen seien). Dessen ungeachtet kann jedoch nicht von vornherein gesagt werden, daß die Entscheidung des Bundesministers über die Bewilligung der Auslieferung und deren in seiner Verantwortung liegende Durchführung die Rechtssphäre des Auszuliefernden überhaupt nicht tangieren würde. Es ist nämlich zu bedenken, daß selbst insoweit, als dem Bundesminister bei seiner Entscheidung unter Bedachtnahme auf die in § 34 Abs 1 ARHG genannten Gesichtspunkte die Übung von Ermessen zukommt, ein subjektives Recht des von der Auslieferung Betroffenen auf fehlerfreien Gebrauch dieses Ermessens besteht.

c) Das ARHG erkennt dem Betroffenen also einerseits ein Recht darauf zu, daß das Oberlandesgericht sich im Rahmen seiner Entscheidung nach § 33 ARHG ua. davon überzeugt, daß grundlegende Verfahrensgarantien in jenem Staat gewährleistet sind, in den der Betroffene ausgeliefert werden soll. Das Gesetz will zum anderen aber auch sicherstellen, daß auch während des gesamten Auslieferungsvorgangs sein Anspruch auf Achtung der Menschenwürde gewahrt wird und der Bundesminister nach Vorliegen eines die Zulässigkeit der Auslieferung bejahenden Gerichtsbeschlusses von seinem Ermessen - soweit es ihm zukommt - nur im Sinne des Gesetzes (vgl. Art 130 Abs 2 B-VG), also insbesondere ohne Willkür - Gebrauch macht.

d) Das sich aus dem Vorgesagten ergebende (potentielle) Rechtsschutzbedürfnis des Auszuliefernden auch im Verfahren vor dem Bundesminister für Justiz nach § 34 Abs 1 ARHG hat aber zur Konsequenz, daß der Bundesminister über die Bewilligung der Auslieferung einen Bescheid zu erlassen hat, gegen den der Betroffene im Beschwerdeweg den Verwaltungs- sowie den Verfassungsgerichtshof anrufen kann.

Die Zuständigkeit des Bundesministers ist dabei auf die in § 34 Abs 1 ARHG umschriebenen Tatbestandselemente der Auslieferung beschränkt, wogegen sich das Oberlandesgericht mit jenen Kriterien zu beschäftigen hat, die das Gesetz ausdrücklich oder der Sache nach als für die "Zulässigkeit" der Auslieferung maßgeblich bezeichnet.

e) Das Erfordernis eines Tätigwerdens beider Organe ergibt sich letztlich daraus, daß bei jedem Auslieferungsverfahren zwar regelmäßig auch von völkerrechtlichen Gesichtspunkten beeinflußte Staatsinteressen in Rede stehen, neben diesen Interessen aber auch rechtlich geschützte Individualinteressen in mehrfacher Hinsicht betroffen sind. Das Rechtsstaatsprinzip gebietet es, daß nicht nur das Oberlandesgericht, sondern auch der Bundesminister die Entscheidung über das Auslieferungsersuchen in eine Form zu kleiden hat, die der Rechtskraft fähig sowie einer nachprüfenden Kontrolle zugänglich ist.

2.2.3. Soweit danach der Bundesminister das Vorliegen weiterer Tatbestandselemente zu untersuchen und über die Bewilligung der Auslieferung einen Bescheid zu erlassen hat, bestehen aber keine Bedenken aus der Sicht des Art 94 B-VG:

a) Zunächst begegnet die in § 34 Abs 1 letzter Satz ARHG normierte Bindung des Bundesministers an die Entscheidung des Oberlandesgerichts, soweit dieses die Auslieferung für unzulässig erklärt hat, aus verfassungsrechtlicher Sicht keinen Bedenken (vgl. allgemein auch Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts9 [2000] Rz 559).

b) Wird die Auslieferung vom Oberlandesgericht für zulässig erklärt, so erlaubt es der Wortlaut des § 34 Abs 1 ARHG, diese Bestimmung dahin auszulegen, daß der Bundesminister bei Erlassung des Bescheides, mit dem die Auslieferung bewilligt wird, nicht auch jene Gesichtspunkte (erstmals oder von neuem) wahrzunehmen hat, mit denen sich nach § 33 ARHG bereits das Oberlandesgericht zu befassen hatte (nämlich mit der Frage, ob die begehrte Auslieferung den Zulässigkeitsvoraussetzungen der §§10 ff ARHG sowie den Bestimmungen des in Betracht kommenden Auslieferungsübereinkommens - soweit diese die Rechtssphäre des Auszuliefernden gestalten - und auch sonst den Grundrechten entspricht).

c) Während also dem Oberlandesgericht der Sache nach die Feststellung jenes Tatbestandselementes für die Auslieferung obliegt, das der Gesetzgeber mit dem Begriff der "Zulässigkeit" kennzeichnet, kommt dem Bundesminister die Feststellung des Vorliegens weiterer, davon zu unterscheidender, ihrer Natur nach jedoch andersgearteter Voraussetzungen zu. Gegen einen solchen Inhalt des § 34 Abs 1 bestehen keine Bedenken aus dem Blickwinkel des Art 94 B-VG oder einer anderen Verfassungsvorschrift, wie etwa des Art 83 Abs 2 B-VG (vgl. zu einer seinerzeit ähnlichen Konstellation auf dem Gebiet des Mietenrechtes das bereits erwähnte Erkenntnis VfSlg. 6936/1972 [S 1256 f]).

3. Bei dieser - verfassungsrechtlich unbedenklichen - Gesetzeslage, die sowohl dem Oberlandesgericht als auch dem Bundesminister Entscheidungszuständigkeiten zuweist, erweist sich der vorliegende Antrag bloß zum Teil als zulässig:

3.1. Zu § 34 Abs 1 erster Satz ARHG:

Die in § 34 Abs 1 ARHG enthaltene Regelung greift nicht unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers ein; sie wird erst im Wege der dem Bundesminister aufgegebenen bescheidmäßigen Erledigung konkretisiert. Damit mangelt es schon deshalb an einer Voraussetzung für die Zulässigkeit eines auf Art 140 Abs 1 letzter Satz B-VG gestützten Antrags, soweit dieser (auch) gegen einen Teil des § 34 Abs 1 erster Satz ARHG gerichtet ist.

3.2. Zu § 19 Z 1 ARHG:

Die Bestimmung des § 19 Z 1 ARHG bezeichnet Umstände, die das Oberlandesgericht bei seinem Beschluß über die Zulässigkeit der Auslieferung zu berücksichtigen hat. Daraus ergibt sich jedoch, daß auch diese Norm für den Antragsteller in keinem Fall unmittelbar wirksam werden kann, sondern sich erst im Wege der Konkretisierung durch eine gerichtliche Entscheidung auf seine Rechtssphäre auswirkt.

Art 140 Abs 1 letzter Satz B-VG bestimmt ua., daß ein einzelner eine Norm nur dann unmittelbar anzufechten legitimiert ist, wenn die Norm "ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung" für ihn wirksam geworden ist. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nach dem soeben Dargelegten ganz offenkundig nicht gegeben.

3.3. Zu Art 9 Auslieferungsvertrag Österreich-USA, BGBl. III Nr. 216/1999:

Diese Bestimmung lautet samt Überschrift wie folgt:

"Abwesenheitsurteil

Wenn die auszuliefernde Person in ihrer Abwesenheit schuldig erkannt wurde, kann die zur Behandlung zuständige Behörde des ersuchten Staates die Auslieferung ablehnen, sofern der ersuchende Staat nicht solche Informationen oder Zusicherungen abgibt, die der ersuchte Staat als ausreichend erachtet, um klarzustellen, daß die Person eine angemessene Möglichkeit hatte, ihre Verteidigungsrechte zu wahren, oder daß ihr nach ihrer Übergabe angemessene Rechtsmittel oder zusätzliche Verfahren offenstehen."

Die zugehörige Regierungsvorlage (EB 1083 BlgNR XX. GP) kommentiert diese Bestimmung wie folgt:

"Eine Auslieferung zur Vollstreckung in Abwesenheit ergangener Schuldsprüche und verhängter Strafen kann abgelehnt werden, wenn das Abwesenheitsverfahren nicht grundrechtlichen Mindestanforderungen entsprochen hat oder kein Rechtsbehelf zur Verfügung steht, mit dem die Neudurchführung des Verfahrens ohne weitere Gründe bewirkt werden kann. Diese Mindestanforderungen orientieren sich an den Grundsätzen des fairen Verfahrens nach Artikel 6 MRK. Konnte daher die auszuliefernde Person ihre Verteidigungsrechte auch in Abwesenheit ausreichend wahren, so ist auch die Auslieferung zur Vollstreckung dieses Urteils möglich."

Auch dabei handelt es sich um eine - gesetzesrangige - Regelung über die Zulässigkeit der Auslieferung, die jenen Kriterien gleichzuachten ist, über die das Oberlandesgericht in dem ihm nach § 33 ARHG obliegenden Beschluß zu befinden hat. Diese Bestimmung entfaltet somit ebensowenig wie jene des § 19 Z 1 ARHG unmittelbare Rechtswirkungen hinsichtlich der Rechtssphäre des Antragstellers.

3.4. Zu § 33 Abs 5 zweiter Satz ARHG:

3.4.1. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung dargetan hat, muß die Legitimation des Antragstellers prinzipiell bereits bei Einbringung des Normenprüfungsantrags gegeben sein und im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes weiterhin bestehen (zB VfSlg. 9868/1983, 12.975/1992; mwN).

a) Mit dem hg. Beschluß VfSlg. 10.606/1985 (ergangen am ) wurde ein Gesetzesprüfungsantrag iS des Art 140 Abs 1 letzter Satz B-VG als unzulässig zurückgewiesen, der sich gegen eine mit Legisvakanz erlassene (dh. zwar im Bundesgesetzblatt kundgemachte, jedoch bei Einbringung des Antrags noch nicht in Kraft stehende) Regelung gerichtet hatte. In diesem Beschluß wurde ua. folgendes ausgesprochen:

"Der VfGH stimmt dem Antragsteller zu, daß ein Gesetz schon von seiner Kundmachung an dem Bestand der Rechtsordnung angehört (vgl. VfSlg. 4049/1961). Es ist von diesem Zeitpunkt an ein Bundesgesetz iS des Art 140 Abs 1 B-VG. Daß die Geltung eines Gesetzes nicht von seinem zeitlichen Anwendungsbereich abhängig ist, ergibt sich unmittelbar aus Art 49 Abs 1 zweiter Satz B-VG, der die Bundesgesetze ermächtigt, den Beginn ihrer verbindlichen Kraft zu bestimmen (VfSlg. 6460/1971). Dem Antragsteller ist jedoch nicht zu folgen, wenn er daraus ableitet, daß ihm schon deshalb im Zeitpunkte der Antragstellung () die Legitimation zustand, das angefochtene Gesetz zu bekämpfen, obwohl dieses - seinem eigenen Vorbringen nach - ihm gegenüber erst mit Wirkungen entfaltete. Bis zu diesem Zeitpunkt kann nämlich nicht davon gesprochen werden, daß der Antragsteller durch die von ihm bekämpfte Regelung aktuell betroffen war. Es braucht demnach der Frage nicht weiter nachgegangen zu werden, ob vor dem ein Feststellungsbescheid erwirkt werden konnte."

In diesem Beschluß wurde jedoch auch bekräftigt, daß der Antragsteller in jenem Verfahren ab dem von dem von ihm bekämpften Gesetz nicht bloß potentiell, sondern aktuell betroffen und seine Legitimation ab diesem Tag insofern jedenfalls gegeben sei. Es sei dem Antragsteller unter diesem Gesichtspunkt auch darin zuzustimmen, daß nicht von ihm verlangt werden könne, mit der Einbringung des Gesetzesprüfungsantrags bis zum zuzuwarten. (Im Ergebnis wurde jener Antrag aber deshalb als unzulässig zurückgewiesen, weil es dem Antragsteller - in ihm auch zumutbarer Weise - möglich war, seine Bedenken gegen das Gesetz anders als im Wege eines Antrags gem. Art 140 Abs 1 letzter Satz B-VG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.)

b) Dieser Standpunkt wurde in den hg. Erkenntnissen VfSlg. 12.227/1989 (zum Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz) und 12.331/1990 (zum Fleischuntersuchungsgesetz) bestätigt.

c) In dem - zum Strafverfahrensrecht ergangenen - Erkenntnis VfSlg. 15.786/2000 (S 473) wurde ausgeführt, daß die Antragsteller von der Bestimmung des § 285 Abs 1 erster Satz StPO aF (betreffend jene - vierwöchige - Frist, innerhalb derer eine angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde auszuführen ist) bereits bei Einbringung des Antrags - zu einem Zeitpunkt, in dem diese Frist mangels Urteilsausfertigung noch nicht zu laufen begonnen hatte - unmittelbar und aktuell betroffen seien, weil das erstinstanzliche Strafurteil mündlich verkündet und die Nichtigkeitsbeschwerden bereits angemeldet worden seien, sodaß die Frist letztlich allein durch die - "in nächster Zeit" absehbare - Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Strafurteils in Gang gesetzt werde.

3.4.2. Der vorliegende Antrag ist am beim Verfassungsgerichtshof eingelangt. Zu diesem Zeitpunkt war bereits das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , Z 14 Os 8/02, ergangen, mit dem dieser den zugunsten des Antragstellers gefaßten Beschluß des Oberlandesgerichts Wien vom , Z 22 Ns 2/01, aufgehoben und dem Oberlandesgericht aufgetragen hatte, nach dem Gesetz neuerlich über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden.

Bei Einlangen des Gesetzesprüfungsantrags war das Auslieferungsverfahren somit (wieder) beim Oberlandesgericht Wien anhängig.

a) Die Bundesregierung hat in ihrer - am beschlossenen - Äußerung die Auffassung vertreten, der Antrag sei beim Verfassungsgerichtshof zu einem Zeitpunkt eingebracht worden, in dem der Antragsteller von der Vorschrift des § 33 Abs 5 zweiter Satz ARHG noch nicht unmittelbar betroffen sein konnte, weshalb der Antrag insoweit als unzulässig zurückzuweisen sei.

b) Hiezu ist zu bemerken, daß bei Einbringung des Antrags beim Verfassungsgerichtshof das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit der Auslieferung (nach dem Vorgesagten: ein Verfahren, in welchem es um die Rechtssphäre des Antragstellers geht) beim Oberlandesgericht Wien im zweiten Rechtsgang anhängig war, im Hinblick auf die schon zurückgelegte Dauer des Auslieferungsverfahrens die Entscheidung des Oberlandesgerichts unmittelbar bevorstand und mit Rücksicht auf den Stand des Verfahrens auch mit einer für den Antragsteller nunmehr ungünstigen Entscheidung ernstlich zu rechnen war. Das Oberlandesgericht Wien hat auch mit Beschluß vom , Z 22 Ns 8/02, nunmehr im zweiten Rechtsgang in der Auslieferungssache des Antragstellers entschieden und die Auslieferung prinzipiell für zulässig erklärt.

c) Die aktuelle Betroffenheit des Antragstellers durch die - jedes Rechtsmittel gegen diesen Beschluß ausschließende - Vorschrift des § 33 Abs 5 zweiter Satz ARHG war daher nicht erst mit der Zustellung des Beschlusses des Oberlandesgerichtes vom , der dem angefochtenen Rechtsmittelausschluß unterliegt, gegeben, sondern - auf Grund einer im Sinne der zitierten Vorjudikatur anzunehmenden "Vorwirkung" - auch schon seit dem Urteil des Obersten Gerichtshofes vom (di. seit jenem Tag, an dem dieses Urteil verkündet wurde).

3.4.3. Der in § 33 Abs 5 ARHG normierte Rechtsmittelausschluß wirkt sich auf die Rechtssphäre des Antragstellers offenkundig in unmittelbarer Weise aus: Dem Antragsteller ist unmittelbar auf Grund des Gesetzes - ohne weitere Prüfung durch eine gerichtliche Entscheidung - die Möglichkeit eines Rechtsmittels genommen.

3.4.4. Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen hat, ist ein Antrag iS des Art 140 Abs 1 letzter Satz B-VG in jenen Fällen allgemein unzulässig, in denen der Antragsteller - mag er durch das Gesetz auch aktuell betroffen sein - das von ihm erhobene Bedenken gegen das Gesetz anders als im Wege eines unmittelbaren Antrags an den Verfassungsgerichtshof herantragen kann, vorausgesetzt, dieser andere Weg ist ihm zumutbar.

a) Ein solcher zumutbarer Weg ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ua. dann gegeben, wenn bereits ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren läuft, das dem Betroffenen Gelegenheit bietet, eine amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen (vgl. zB VfSlg. 12.810/1991, 13.344/1993). Dieser Grundsatz gilt auch für den Fall, daß ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren anhängig war, in dem es dem Antragsteller möglich gewesen wäre, die Einbringung eines Gesetzesprüfungsantrags beim Verfassungsgerichtshof anzuregen.

b) Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen ließe sich nur bei Vorliegen besonderer, außergewöhnlicher Umstände erwägen (VfSlg. 8312/1978, 8552/1979, 10.251/1984, 11.823/1988, 13.659/1993, 14.672/1996).

c) Solche Umstände liegen hier vor: Die Wirkung eines (behauptetermaßen verfassungswidrigen) ausdrücklichen gesetzlichen Rechtsmittelausschlusses kann nämlich im hier maßgebenden Zusammenhang nicht anders beurteilt werden als jene einer (verfassungswidrigerweise) zu kurzen Rechtsmittelfrist (vgl. dazu VfSlg. 15.786/2000): Der theoretisch mögliche Weg, ein - von vornherein unzulässiges - Rechtsmittel zu erheben, ist dem Antragsteller schon deshalb nicht zumutbar, weil ein derartiges Rechtsmittel den zwischenzeitigen Vollzug der keinem weiteren Rechtszug mehr unterliegenden bekämpften Entscheidung (hier also die alsbaldige Durchführung der Auslieferung zum Zwecke der Strafvollstreckung) nicht zu hindern vermöchte. Würde der Antragsteller auf ein solches unzulässiges Rechtsmittel verwiesen, so wäre dies daher im hier vorliegenden Fall geeignet, die Gefahr des endgültigen Verlustes seines Rechtsschutzes herbeiführen, jedenfalls aber zu vergrößern.

Bemerkt sei, daß ein Beschluß des Oberlandesgerichts, mit dem über die Zulässigkeit der Auslieferung entschieden wird, auch nicht im Wege einer Grundrechtsbeschwerde (s. hiezu das Grundrechtsbeschwerdegesetz, BGBl. Nr. 864/1992 idgF) vom Obersten Gerichtshof überprüft werden kann, wie dieser in seinem Beschluß vom , Z 15 Os 195,196/98 (veröffentlicht auch in: JBl 2002, 63; ebenso Z 13 Os 3/02) ausgesprochen hat:

"Die Frage der Zulässigkeit einer Auslieferung zur Strafverfolgung ist nämlich im vorliegenden Verfahrensstadium eigenständig und losgelöst von einer allenfalls bestehenden Auslieferungshaft, die auch in einem Auslieferungsverfahren keinesfalls stets zwingend zu verhängen ist (vgl § 29 Abs 1 und 2 ARHG iVm § 180 Abs 1 und 5 StPO), ausschließlich nach den im ARHG normierten Vorschriften zu beantworten. Wurde daher - wie in dem hier zu beurteilenden Fall - die Auslieferung einer Person zur Strafverfolgung durch den gem § 33 Abs 1 ARHG hierzu berufenen Gerichtshof zweiter Instanz unanfechtbar (Abs5 leg cit) aus formellen und materiellen Gründen für zulässig erklärt, ist eine Überprüfung dieser Entscheidung - zum Unterschied vom Beschluss über Verhängung oder Fortsetzung der Auslieferungshaft selbst (vgl Mayerhofer - E Steininger, GRBG 1992 E 18 zu § 1) - mangels funktioneller Grundrechtsrelevanz im Grundrechtsbeschwerdeverfahren ausgeschlossen.

Die dagegen gerichtete Grundrechtsbeschwerde war demnach insoweit als unzulässig zurückzuweisen.

Anders verhielte es sich nur, wenn das OLG über die Zulässigkeit der Auslieferung noch nicht abschließend entschieden, sondern vorweg deren Voraussetzungen anlässlich einer Beschwerde gegen den Beschluss über die Verhängung oder Fortsetzung der Auslieferungshaft bejaht hätte. Diesfalls müsste der OGH im Grundrechtsbeschwerdeverfahren auch zu den formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Auslieferung als entscheidende Prämisse für die Haft Stellung beziehen (so geschehen in 11 Os 11/98; 14 Os 161, 162/98)."

Die Vorschriften des ARHG wären somit in einem Grundrechtsbeschwerdeverfahren vor dem Obersten Gerichtshof - mit Ausnahme des von diesem Gerichtshof zuletzt genannten Falles - gar nicht präjudiziell.

d) Die Erhebung eines unzulässigen Rechtsmittels ist daher kein dem Beschwerdeführer zumutbarer Weg. Sollte sich wegen des mittlerweile erfolgten Fortschreitens des Auslieferungs-geschehens die faktische Nutzlosigkeit (auch) des vorliegenden Antrags herausstellen, vermöchte dies hingegen an dessen Zulässigkeit nichts zu ändern, weil es nach den in Art 140 Abs 1 letzter Satz B-VG normierten Voraussetzungen in jedem Verfahrensstadium nur auf die unmittelbare Betroffenheit des Antragstellers, nicht aber darauf ankommt, ob der Antragsteller durch einen solchen Antrag das von ihm angestrebte Verfahrensziel überhaupt erreichen kann, noch, wie sich ein stattgebendes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes auf die Rechtssphäre des Antragstellers auswirken würde (vgl. VfSlg. 15.786/2000, S 475).

3.5. Der Antrag erweist sich daher (bloß) insoweit als zulässig, als er gegen § 33 Abs 5 zweiter Satz ARHG gerichtet ist.

Im übrigen war der Antrag mangels Legitimation des Antragstellers als unzulässig zurückzuweisen.

B. In der Sache:

Der Antrag ist - soweit zulässig - auch begründet.

1. Festgehalten sei, daß der Verfassungsgerichtshof in auf Antrag eingeleiteten Normenprüfungsverfahren darauf beschränkt ist, lediglich die vom Antragsteller gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Norm ins Treffen geführten Bedenken wahrzunehmen (s. zu einem sog. Individualantrag iS des Art 140 Abs 1 letzter Satz B-VG zB VfSlg. 11.580/1987; zum Antrag eines Gerichtes zB mwN).

2. Der Antragsteller hat seine Bedenken gegen den in § 33 Abs 5 zweiter Satz ARHG normierten Rechtsmittelausschluß wie folgt dargelegt:

"§33 (5) zweiter Satz ARHG bestimmt, daß gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien, mit dem über die Zulässigkeit einer Auslieferung entschieden wird, kein Rechtsmittel zulässig ist. Das Oberlandesgericht Wien entscheidet sohin in erster und letzter Instanz.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner jüngeren Judikatur wiederholt die Auffassung vertreten, daß das rechtsstaatliche Prinzip des Bundesverfassungsrechtes Rechtsschutzeinrichtungen, die 'ein bestimmtes Mindestmaß an faktischer Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen', gebiete (vgl VfSlg 13.182 und die dort zit, mit VfSlg 11.196 beginnende, Vorjudikatur). Der Verfassungsgerichtshof hat damit gemeint, daß 'faktische Effizienz für den Rechtsschutzwerber' bedeute, daß der Betreffende sowohl die Möglichkeit haben muß, eine 'Entscheidung rechtsrichtigen Inhalts' zu erlangen wie auch deren 'Umsetzung ... in den Tatsachenbereich' zu bewirken. Einschränkungen seien - so der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 13.182 - nur aus sachlich gebotenen, triftigen Gründen zulässig. Der Verfassungsgerichtshof weiter:

'Gesetzliche Regelungen, die sachlicherweise dazu führen, dass ein behördliches Fehlverhalten vorläufig hingenommen werden muss, dürfen daher - wenn dies irgendwie vermeidbar ist - nicht so ausgestaltet werden, dass daraus endgültige Belastungen entstehen.'

Konfrontiert man den Ausschluß eines Rechtsmittels durch § 33 (5) zweiter Satz ARHG mit dieser Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofes[,] so zeigt sich, daß diese Bestimmung verfassungswidrig ist. Ein mögliches Fehlverhalten des Oberlandesgerichtes Wien kann vom Betroffenen mit keinem Rechtsmittel bekämpft werden, hat für ihn aber möglicherweise tiefgreifende Auswirkungen. Nach bestehenden Staatspraxis kann der Betroffene auch über eine Bekämpfung der Verfügung des Bundesministers für Justiz (§34 (1) ARHG) keinen Rechtsschutz erlangen, weil diese Verfügung nicht als bekämpfbarer Akt ergeht. Jede wie immer geartete Rechtswidrigkeit des Beschlusses des Oberlandesgerichtes Wien bewirkt sohin eine möglicherweise gravierende, jedenfalls aber eine unabwendbare Rechtsverletzung. Die angefochtene Bestimmung ist daher wegen Verletzung des rechtsstaatlichen Prinzips verfassungswidrig."

3. Die Bundesregierung erachtet dieses Bedenken als unbegründet. Dem Bedenken des Antragstellers tritt sie im wesentlichen wie folgt entgegen:

"Die Prüfung der Auslieferungsvoraussetzungen durch den ersuchten Staat erfolgt in einem formalen Verfahren auf Grund der Auslieferungsunterlagen. Dabei übernimmt der ersuchte Staat nicht ohne weiteres die Vollstreckung einer im ersuchenden Staat erlassenen Haftanordnung oder eines dort ergangenen Urteils, sondern prüft an Hand der vorgelegten Unterlagen das Vorliegen der formalen Voraussetzungen der Auslieferung auf Grund der bestehenden völkerrechtlichen Verträge oder der Gegenseitigkeit nach § 3 ARHG. Da diese Prüfung auf formalisierte Punkte beschränkt ist und nicht die materielle Schuldfrage betrifft, erscheint es rechtsstaatlich vertretbar, keinen Instanzenzug zur Entscheidung über das Vorliegen der formalen Voraussetzungen vorzusehen, zumal das gerichtliche Auslieferungsverfahren nach dem ARHG ... Besonderheiten aufweist, die im übrigen auch vor dem Hintergrund des allgemeinen Sachlichkeitsgebotes gerechtfertigt erscheinen.

Schließlich darf daran erinnert werden, dass der Verfassungsgerichtshof bei einschlägigen Beschwerden bisher keinen Anlass gesehen hat, ein amtswegiges Gesetz[es]prüfungsverfahren nach Art 140 Abs 1 B-VG hinsichtlich der Bestimmung des § 33 Abs 5 zweiter Satz ARHG einzuleiten bzw. verfassungsrechtliche Bedenken anzudeuten (vgl. VfSlg. 12.222/1989, 14.624/1996; vgl. weiters )."

4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum rechtsstaatlichen Prinzip (s. insbesondere VfSlg. 11.196/1986, 12.409/1990; überdies etwa VfSlg. 8279/1978 mit Bezugnahme auf VfSlg. 2929/1955; s. auch VfSlg. 2455/1952 sowie - aus jüngerer Zeit - etwa VfSlg. 14.702/1996, 15.581/1999, 15.816/2000; zuletzt VfSlg 16.245/2001) gipfelt dessen Sinn darin, daß alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen und ein System von Rechtsschutzeinrichtungen Gewähr dafür bietet, daß nur solche Akte in ihrer rechtlichen Existenz als dauernd gesichert erscheinen, die in Übereinstimmung mit den sie bedingenden Akten höherer Stufe erlassen wurden.

4.1. Ein dem rechtsstaatlichen Prinzip innewohnender Gesichtspunkt besteht insbesondere auch darin, daß die unabdingbar geforderten Rechtsschutzeinrichtungen ihrer Zweckbestimmung nach ein bestimmtes Maß an Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen müssen (vgl. VfSlg. 11.196/1986, S 909 f).

4.1.1. Das Oberlandesgericht hat im Verfahren nach § 33 ARHG die Zulässigkeit einer Auslieferung anhand der gesetzlich geregelten Zulässigkeitsschranken zu beurteilen. Diese sind in erster Linie einfachgesetzlicher Natur, auch wenn sie, wie sich aus § 19 Z 1 ARHG ergibt, ua. die Grundsätze der Art 3 und 6 EMRK einschließen.

Auch die EMRK und ihre Zusatzprotokolle räumen dem einzelnen im allgemeinen kein subjektives Recht ein, nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen an einen anderen (nicht der EMRK beigetretenen) Staat ausgeliefert zu werden. Die Auslieferung wird lediglich in Art 5 Abs 1 litf EMRK ausdrücklich erwähnt: Es wird darin für zulässig erklärt, eine Person festzunehmen oder in Haft zu halten, "weil [sie] von einem gegen [sie] schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist".

4.1.2. Wohl aber haben die Rechtsschutzorgane der EMRK entschieden, daß bei Vorliegen besonderer Umstände ("in exceptional circumstances"; s. zB EKMR , Nr. 16.832/90 [Kozlov/Finnland], mwN) ein dem ausliefernden Staat anzulastender Verstoß gegen die EMRK anzunehmen ist, wenn das ernsthafte Risiko besteht, daß dem Betroffenen im Empfangsstaat besonders schwerwiegende Grundrechtseingriffe drohen, insbesondere in Zusammenhang mit Art 3 EMRK (s. dazu grundlegend EGMR , Nr. 14.038/88 [Soering/Vereinigtes Königreich], series A Nr. 161) sowie Art 1 6. ZP-EMRK (s. dazu zB EGMR , Nr. 58.128/2000 [Ismaili/Deutschland], mwN). Wird etwa dadurch, daß eine Person ausgeliefert wird, eine Familie getrennt, so ist auch ein Verstoß gegen Art 8 EMRK nicht auszuschließen (zB EKMR , Nr. 25.342/94 [Raidl/Österreich]; , Nr. 27.279/95 [Launder/Vereinigtes Königreich]).

Hat das im ersuchenden Staat durchgeführte Verfahren jenen Anforderungen nicht entsprochen, die an ein Strafverfahren nach Art 6 EMRK gestellt sind, oder ist anzunehmen, daß diesen Anforderungen nicht entsprochen werden wird, so kann sich auch daraus ein Auslieferungshindernis ergeben; der um die Auslieferung ersuchte Staat braucht jedoch bloß offenkundige Verstöße gegen Art 6 EMRK ("flagrant denial of justice") wahrzunehmen (s. zB EGMR , Nr. 71.555/01 [Einhorn/Frankreich], mwN).

4.2. Da somit die Entscheidung des Oberlandesgerichtes insofern auch verfassungsgesetzlich gewährleistete subjektive Rechte unmittelbar zu berühren vermag, die sich aus der EMRK im Sinne der dazu ergangenen Rechtsprechung des EGMR ergeben (vgl. in diesem Zusammenhang auch Art 46 Abs 1 EMRK), muß dem solcherart (potentiell) Verletzten nicht nur gem. Art 13 EMRK eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz eingeräumt sein: Auch aus dem Blickwinkel des Rechtsstaatsprinzips geht es in einer solchen Konstellation nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nicht an, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit den Folgen einer potentiell rechtswidrigen gerichtlichen Entscheidung zu belasten (s. zuletzt insbesondere VfSlg 16.245/2001 mwN; vgl. auch ).

Der zweite Satz des § 33 Abs 5 ARHG erklärt indes ein Rechtsmittel gegen einen Beschluß des Oberlandesgerichtes, mit dem die Auslieferung für zulässig erklärt wird, in jedem Fall für unzulässig. Diese Bestimmung steht somit in Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip; sie war aus diesem Grund als verfassungswidrig aufzuheben.

5. Gemäß Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG war auszusprechen, daß die aufgehobene Bestimmung in dem vor dem Oberlandesgericht Wien geführten Verfahren, in dem die Auslieferung des Antragstellers an die USA für zulässig erkannt wurde, nicht mehr anzuwenden ist, um zu bewirken, daß der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom mit Beschwerde an den Obersten Gerichtshof bekämpft werden kann. Der Verfassungsgerichtshof kann im übrigen die Klärung der Frage dem Obersten Gerichtshof überlassen, ob die für die Erhebung der Beschwerde gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes sinngemäß anzuwendende vierwöchige Frist des § 285 Abs 1 StPO erst mit der Zustellung dieses Erkenntnis zu laufen beginnen kann (und daher noch offen ist) oder ob dem Antragsteller zu diesem Zweck die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§364 StPO; diese Regelung ist im Auslieferungsverfahren sinngemäß anzuwenden) bewilligt werden muß (s. zu einem ähnlich gelagerten Fall VfSlg. 2779/1954, S 436). Jedenfalls kann die Frist zur Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrags erst mit Zustellung dieses Erkenntnisses zu laufen beginnen.

6. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, stützt sich auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG, jener über die dem Bundeskanzler auferlegte Kundmachungspflicht auf Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG iVm § 64 Abs 2 VfGG.

7. Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf § 65a VfGG. Da der Antragsteller nur mit einem (von insgesamt vier) Begehren obsiegt hat, war ihm bloß ein Viertel des Pauschalsatzes zuzusprechen (vgl. , V99/99). In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 81,75 enthalten, überdies der Ersatz der entrichteten gesetzlichen Eingabengebühr (§17a VfGG) in Höhe von € 180,--.

8. Dies konnte ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs 3 Z 2 lite bzw. § 19 Abs 4 erster Satz VfGG).