zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VfGH vom 06.12.2003, G147/01

VfGH vom 06.12.2003, G147/01

Sammlungsnummer

17083

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit der Regelung des Streitwertes von unbeweglichen Sachen durch Anknüpfen an den Steuerschätzwert für die Gebührenbemessung für die Feststellung der gerichtlichen Zuständigkeit; keine Verletzung des Gleichheitssatzes und des Grundsatzes der Trennung von Justiz und Verwaltung

Spruch

Dem Antrag wird keine Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Beim Oberlandesgericht Innsbruck ist zu 2 R 40/01a ein Verfahren über einen Rekurs anhängig, dem folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

Die Beklagten des Zivilrechtsstreites sind gemeinsam Eigentümer einer Liegenschaft; der steuerliche Einheitswert der landwirtschaftlichen Flächen dieser Liegenschaft beträgt (bzw. betrug zum Zeitpunkt der Klagseinbringung) S 7.000,-. Der Kläger begehrte mit einer am beim Landesgericht Innsbruck eingebrachten Klage die Einwilligung in bestimmte Grundbuchsamtshandlungen, nämlich in die Abschreibung einer Teilfläche von 555 m2 von der erwähnten Liegenschaft und die Zuschreibung dieser Teilfläche zu einem Grundstück im Eigentum des Klägers. Er bewertete sein Interesse gemäß § 56 Abs 2 des Gesetzes über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen, RGBl. 111/1895 (Jurisdiktionsnorm - in der Folge: JN), mit S 300.000,-.

Das angerufene Landesgericht erhob von Amts wegen den Einheitswert der betroffenen Grundstücke und sprach beschlußmäßig aus, der Streitwert der Klage betrage gemäß § 60 Abs 2 JN S 7.000,-; gleichzeitig trat es das Verfahren wegen sachlicher Unzuständigkeit an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht R ab.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der klagenden Partei an das Oberlandesgericht Innsbruck.

1.2. Aus Anlaß dieses Rekurses stellt das Oberlandesgericht Innsbruck gemäß Art 89 Abs 2 B-VG, der Sache nach iVm Art 140 Abs 1 B-VG, den Antrag, § 60 Abs 2 JN als verfassungswidrig aufzuheben.

1.3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zulässigkeit des Antrags bestreitet, die Verfassungsmäßigkeit des § 60 Abs 2 JN verteidigt und begehrt, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihn als unbegründet abzuweisen. Für den Fall der Aufhebung stellt sie den Antrag, gemäß Art 140 Abs 5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von zwölf Monaten zu bestimmen.

2. Die angefochtene Vorschrift steht in folgendem rechtlichen Zusammenhang:

Die Jurisdiktionsnorm verteilt die Zuständigkeiten zwischen den Bezirksgerichten und den Gerichtshöfen erster Instanz teils nach der Art, teils nach dem Wert des Streitgegenstandes (§§49 bis 52 JN). Bei den Gerichtshöfen erster Instanz entscheidet ein Senat aus drei Richtern oder ein Einzelrichter; auch dabei ist eine Wertgrenze maßgeblich, jedoch bedarf es, damit der Senat entscheide, eines Parteienantrags (§7a Abs 1 und 2 JN), der in der Praxis äußerst selten gestellt wird. Die Wertgrenzen betrugen zum Zeitpunkt der Klagseinbringung, der für das vorliegende Verfahren maßgeblich ist, S 130.000,- bzw. S 650.000,-; seit betragen sie € 10.000,- bzw. € 50.000,- (Art59 Z 1 bis 4 des 1. Euro-Umstellungsgesetzes - Bund, BGBl. I 98/2001).

Die für die Bewertung sohin maßgeblichen Rechtsvorschriften, die unter der Überschrift "Wert des Streitgegenstandes" stehen, lauten (bzw. lauteten zum Zeitpunkt der Klagseinbringung) wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"§54. (1) Für die Berechnung des für die Zuständigkeit maßgebenden Wertes des Streitgegenstandes ist der Zeitpunkt der Anbringung der Klage entscheidend.

(2) ...

§56. (1) Erbietet sich der Kläger an Stelle der angesprochenen Sache eine bestimmte Geldsumme anzunehmen oder stellt er ein alternatives Begehren auf Zuerkennung einer Geldsumme, so ist die in der Klage angegebene Geldsumme für die Beurteilung der Zuständigkeit und für die Besetzung des Gerichtes (§7a) maßgebend.

(2) In allen anderen Fällen hat der Kläger den Wert eines nicht in einem Geldbetrag bestehenden vermögensrechtlichen Streitgegenstandes in der Klage anzugeben. Dies gilt insbesondere auch in Ansehung von Feststellungsklagen. Unterläßt der Kläger eine Bewertung in einer Klage, so gilt der Betrag von 52 000 S als Streitwert.

(3) Bei der Bewertung des Streitgegenstandes sind die dem Kläger etwa obliegenden Gegenleistungen nicht in Abzug zu bringen.

§ 59. Bei Klagen auf Vornahme von Arbeiten oder anderen persönlichen Leistungen, auf Duldung oder Unterlassung, auf Abgabe von Willenserklärungen ist die vom Kläger angegebene Höhe seines Interesses als Wert des Streitgegenstandes anzusehen.

§60. (1) Erscheint bei einer Klage, welche bei einem Gerichtshofe erster Instanz angebracht wurde, die vom Kläger angegebene Summe, zu deren Annahme an Stelle der angesprochenen Sache er sich erboten hat (§56, Absatz 1), oder die im Sinne des § 56 Absatz 2 erfolgte Bewertung des Streitgegenstandes übermäßig hoch gegriffen, so kann das Gericht, wenn es zugleich wahrscheinlich ist, dass bei richtigerer Bewertung des Streitgegenstandes dieser die für die Zuständigkeit des Gerichtshofes oder für die Besetzung des Gerichtes (§7a) maßgebende Wertgrenze nicht erreichen dürfte, von amtswegen die ihm zur Prüfung der Richtigkeit der Wertangabe nötig erscheinenden Erhebungen und insbesondere die Einvernehmung der Parteien, die Vornahme eines Augenscheines und, wenn es ohne erheblichen Kostenaufwand und ohne besondere Verzögerung geschehen kann, auch die Begutachtung durch Sachverständige anordnen. Dies kann erforderlichenfalls auch schon vor Anberaumung der mündlichen Verhandlung geschehen.

(2) Als Wert einer grund- oder hauszinssteuerpflichtigen unbeweglichen Sache ist jener Betrag anzusehen, welcher als Steuerschätzwert für die Gebührenbemessung in Betracht kommt.

(3) Muss infolge der Ergebnisse solcher Erhebungen und Beweisführungen die Streitsache von dem Gerichtshofe an das Bezirksgericht abgetreten werden, so hat der Kläger die durch diese Erhebungen und Beweisführungen entstandenen Kosten zu tragen oder zu ersetzen. Dasselbe gilt, wenn nach dem Ergebnisse solcher Erhebungen und Beweisführungen der mit mehr als 500 000 S angegebene Wert des Streitgegenstandes den Betrag von 500 000 S nicht übersteigt (§7a).

(4) Außer dem in Absatz 1 bezeichneten Falle ist die in der Klage enthaltene Bewertung des Streitgegenstandes in Ansehung der Zuständigkeit und der Besetzung des Gerichtes (§7a) sowohl für das Gericht als für den Gegner bindend."

In § 56 Abs 2 und in § 60 Abs 3 JN wurden inzwischen die Betragsangaben durch die Angaben "4 000 Euro" bzw. "50 000 Euro" ersetzt (Art59 Z 6 und 7 des 1. Euro-Umstellungsgesetzes - Bund).

Der angefochtene § 60 Abs 2 JN gilt noch in der Stammfassung. In Textausgaben (zB Stumvoll [Bearb.], Kodex Zivilgerichtliches Verfahren17 [2003] 24; nicht dagegen bei Bydlinski [Hg.], Österreichische Gesetze, wo die Wörter zT kursiv gesetzt sind und der Ausdruck "oder hauszins" als gegenstandslos bezeichnet wird, und nicht im RIS - Rechtsinformationssystem des Bundes [http://ris.bka.gv.at/bundesrecht]) und Kommentaren (zB Mayr in Rechberger [Hg.], ZPO. Kommentar2 [2000] 188; Gitschthaler in Fasching [Hg.], Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen I2 [2000] 959; Stohanzl [Hg.], Zivilprozessgesetze9 [2002] 63) werden üblicherweise anstelle der Ausdrücke "grund- oder hauszinssteuerpflichtigen" und "Steuerschätzwert" die Ausdrücke "grundsteuerpflichtigen" (nicht bei Gitschthaler) und "Steuerwert" gesetzt, ersteres deshalb, weil eine Hauszinssteuerpflicht nicht mehr besteht (Gitschthaler in Fasching, Rz 31 zu § 60 JN).

Auch das Rechtsmittelrecht der ZPO knüpft bei Rechtsmittelbeschränkungen zT an Wertgrenzen an (§501 Abs 1, § 502 Abs 2 bis 4, §§517, 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 2 bis 4, § 528 Abs 2 Z 1 und 1a ZPO), gemäß § 500 Abs 3 ZPO, gemäß § 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 2 bis 4 iVm § 500 Abs 3 ZPO sowie gemäß § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 3 ZPO ist bei entsprechenden Aussprüchen des Berufungs- bzw. des Rekursgerichtes ua. § 60 Abs 2 JN sinngemäß anzuwenden. Ähnliches gilt gemäß § 13 Abs 2 und 3, § 14 Abs 3 und 5 AußStrG für das Außerstreitverfahren und gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 3 ZPO für das Exekutionsverfahren.

3.1.1. Das Oberlandesgericht Innsbruck führt aus, bei der Behandlung des Rekurses habe es § 60 Abs 2 JN anzuwenden. Im Hinblick auf § 15 Abs 1 Gerichtsgebührengesetz (GGG) handle es sich bei dem "Steuerwert für die Gebührenbemessung" um den Einheitswert (Hinweis auf Gitschthaler in Fasching, Rz 31 zu § 60 JN mwN). § 60 Abs 2 JN sei für die Ermittlung des Streitwertes heranzuziehen, wenn die Liegenschaft selbst streitverfangen, also das Streitinteresse ausschließlich vom Wert der Liegenschaft bestimmt sei; eine Einschränkung auf Klagen aus einem dinglichen Recht sei nicht vorgesehen (Hinweis auf Gitschthaler in Fasching, Rz 33 zu § 60 JN). Dies treffe im Anlaßfall zu, weil der Kläger letztlich bücherliches Eigentum an einem Liegenschaftsteil anstrebe. Für die betroffene Teilfläche bestehe kein eigener Einheitswert. Nach ständiger Rechtsprechung sei in einem solchen Fall das Einzelgrundstück nicht mit dem verhältnismäßigen Bruchteil des Einheitswertes des Grundbuchskörpers zu bewerten; maßgeblich sei vielmehr der gemeine Wert des Einzelgrundstückes, der allerdings nicht höher angenommen werden könne als der Einheitswert der gesamten Liegenschaft (Hinweis auf , und auf Gitschthaler in Fasching, Rz 32 zu § 60 JN). Die vom Rekurswerber vertretene Auffassung, in einem solchen Fall sei eine gesonderte (höhere) Bewertung zulässig, sei abzulehnen, weil sie zu dem absurden Ergebnis führte, daß bei einer Klage, die sich auf die Gesamtheit der landwirtschaftlichen Grundstücke bezöge, von einem niedrigeren Streitwert (hier: von S 7.000,-) auszugehen wäre als bei einer Klage, die sich nur auf eine Teilfläche bezöge.

3.1.2. In der Sache verweist das Oberlandesgericht Innsbruck auf verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 60 Abs 2 JN, die im Schrifttum geäußert worden seien und die das antragstellende Gericht teile (Pfersmann, Bemerkenswertes aus der SZ 64, ÖJZ 1994, 73 [80]; Gitschthaler in Fasching, Rz 35 zu § 60 JN; Hofmeister, Entscheidungsbesprechung, NZ 1992, 83). Das Oberlandesgericht gibt die Stellungnahme Gitschthalers wörtlich wieder. Es fährt fort, die Kritik an § 60 Abs 2 JN entzünde sich in erster Linie an den Rechtsmittelbeschränkungen; diese Erwägungen gölten aber auch für die Auswirkungen auf die sachliche Zuständigkeit. Vergleichbare Rechtsstreitigkeiten sollten nicht auf willkürliche Weise verschiedenen Gerichtstypen mit unterschiedlichen Verfahrensbestimmungen und Rechtsschutzgarantien zugewiesen werden.

§ 60 Abs 2 JN "könnte" auch gegen Art 94 B-VG verstoßen. Die Bindung der Gerichte an Einheitswertbescheide führe ohne sachlichen Grund dazu, daß über den für einen Zivilrechtsstreit maßgeblichen Streitwert teils die Gerichte, teils die Verwaltungsbehörden (Finanzämter) zu entscheiden hätten.

Eine unsachliche, dem Gleichheitsgrundsatz widersprechende Beschneidung von Rechtsmittelmöglichkeiten "könnte" auch dem in Art 6 Abs 1 EMRK festgelegten Recht auf ein "gerechtes Verfahren" widersprechen.

3.2.1. Die Bundesregierung bestreitet die Zulässigkeit des Antrags, weil er entgegen § 15 Abs 2 VfGG keine Bezugnahme auf den entsprechenden Artikel des B-VG enthalte (Hinweis auf VfSlg. 8733/1980, 11243/1987, 11325/1987, 12442/1990, 13362/1993, 15161/1998; ) und weil § 60 Abs 2 JN nicht präjudiziell sei. Diese Bestimmung sei nämlich nur bei Streitigkeiten über selbständig bewertete Grundparzellen anzuwenden (Hinweis auf Mayr in Rechberger, Rz 2 zu § 60 JN), nicht aber, wenn es um einen Teil einer Liegenschaft gehe, für den ein gesonderter Einheitswert nicht festgelegt worden sei (Hinweis auf [dieser unter Hinweis auf OGH, JBl. 1954, 402]; SZ 64/1 = JBl. 1991, 597; ; Mayr in Rechberger, Rz 2 zu § 60 JN). In einem solchen Fall sei der Streitwert gemäß § 56 Abs 2, § 59 JN durch den Kläger zu bewerten, der dabei nicht an die Höhe des Einheitswertes der Gesamtliegenschaft gebunden sei (Hinweis auf [= SZ 70/28; der hier entscheidende Satz ist im veröffentlichten Text nicht enthalten]; ; OGH EvBl. 1998/74). Schließlich lege der Antrag entgegen § 62 Abs 1 zweiter Satz VfGG die Bedenken nicht im einzelnen dar, weil die Behauptung, § 60 Abs 2 JN verstoße gegen Art 6 Abs 1 EMRK und gegen Art 94 B-VG, nicht weiter substantiiert sei und die Verletzung des Gleichheitssatzes nur durch Verweis auf Auffassungen begründet werde, die in der Literatur vertreten würden.

3.2.2. In der Sache vertritt die Bundesregierung die Ansicht, gemäß § 60 Abs 1 JN sei als Wert einer grundsteuerpflichtigen unbeweglichen Sache jener Betrag anzusehen, der als Steuerwert für die Gebührenbemessung in Betracht komme; dies sei der für die Bemessung der Grunderwerbsteuer maßgebende Einheitswert bzw. sein entsprechendes Vielfaches (Verweis auf OGH, JBl. 1954, 402). Damit werde für grundsteuerpflichtige unbewegliche Sachen im Überprüfungsverfahren nach § 60 JN eine Bewertungsvorschrift festgelegt, wie sie für bewegliche Streitsachen fehle. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs (EvBl. 1998/74) sei § 60 Abs 2 JN nur für die Überprüfung des Streitwerts nach übermäßig hoher Bewertung von Bedeutung, während das Gericht gemäß § 60 Abs 4 JN an eine zu niedrige (unter dem Einheitswert liegende) Bewertung durch den Kläger gebunden sei. § 60 Abs 2 JN entfalte nur mittelbar (durch Verweise) Auswirkungen auf die Rechtsmittelzulässigkeit und sei dort dem Zweck entsprechend anders auszulegen. Im vorliegenden Fall seien Rechtsmittelbeschränkungen jedoch nicht präjudiziell, weil das antragstellende Gericht § 60 Abs 2 JN nur bei der Entscheidung über die Zuständigkeit des Erstgerichts anzuwenden habe.

In der Folge legt die Bundesregierung ausführlich die Überlegungen dar, aus denen sie zum Ergebnis kommt, § 60 Abs 2 JN verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz oder gegen Art 6 Abs 1 EMRK. Zu dem Bedenken, § 60 Abs 2 JN verstoße gegen Art 94 B-VG, führt sie aus, die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde entfalte hier lediglich Tatbestandswirkung bei der Überprüfung des Streitwerts, ohne daß dieser Behörde im Zivilverfahren Entscheidungskompetenz zukomme.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Bundesregierung bestreitet die Zulässigkeit des Antrags zunächst mit dem Argument, er enthalte keine Bezugnahme auf den entsprechenden Artikel des B-VG. Es ist ihr einzuräumen, daß der Antrag nicht ausdrücklich Art 140 B-VG nennt, jedoch stützt er sich auf Art 89 Abs 2 B-VG, der zwar nicht zu den in § 15 Abs 1 VfGG aufgezählten Artikeln des B-VG gehört, der aber die Verpflichtung eines Gerichts enthält, bei Bedenken gegen ein Gesetz den Verfassungsgerichtshof anzurufen, und der im Zusammenhang mit Art 140 B-VG zu lesen ist. Dies erfüllt das Erfordernis des § 15 Abs 2 VfGG.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß seiner ständigen Rechtsprechung darf daher ein Antrag iSd Art 140 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die angefochtene generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (zB VfSlg. 7999/1977, 9284/1981, 9811/1983, 10296/1984, 10311/1984, 11565/1987, 13720/1994, 13953/1994, 14322/1995).

Das anfechtende Gericht geht davon aus, daß der in § 60 Abs 2 JN erwähnte "Steuerwert für die Gebührenbemessung" der Einheitswert (iSd BewertungsG 1955) ist. Dafür beruft es sich auf Gitschthaler (in Fasching, Rz 31 zu § 60 JN mwN), der dies "[i]m Hinblick auf § 15 Abs 1 GGG" annimmt (ähnlich Mayr in Rechberger, Rz 2 zu § 60 JN). Gitschthaler bezieht also den in § 60 Abs 2 JN genannten Wert auf die Gerichtsgebühren iSd GGG. Die Bundesregierung bezieht ihn dagegen auf den für die Bemessung der Grunderwerbsteuer maßgeblichen Wert (§6 Abs 1 litb GrEStG 1987). Der Wortsinn des § 60 Abs 2 JN läßt beide Auslegungen und noch weitere (zB Anknüpfen an § 19 ErbStG oder an § 12 GrStG - so wohl SZ 64/1 und Stohanzl 63) zu und wirft die Frage auf, ob die Begriffe, an die § 60 Abs 2 JN anknüpft, nämlich der "Steuerschätzwert" bzw. "Steuerwert" und die "Gebührenbemessung", der geltenden Rechtsordnung nicht überhaupt fremd sind. (Zur Zeit der Entstehung des § 60 JN war der in Abs 2 genannte Steuerschätzwert auf die "Immobiliargebühr" iSd Gebührengesetzes 1850 RGBl. 50 zu beziehen; vgl. OGH JBl. 1954, 402, nach dem der Immobiliargebühr nunmehr die Grunderwerbsteuer entspricht.) Die Auslegung durch das anfechtende Gericht ist aber jedenfalls denkmöglich.

Gemäß § 15 Abs 1 GGG in der hier anzuwendenden (geltenden) Fassung des Art 5 Z 1 BudgetbegleitG 2001, BGBl. I 142/2000, ist als Wert einer unbeweglichen Sache der dreifache Einheitswert anzusehen; besteht ein solcher nicht, so ist der gemeine Wert der Sache maßgebend (Gitschthaler bezieht sich auf die der geltenden Fassung vorangegangene Stammfassung, welche nur vom [einfachen] Einheitswert ausging). Im Ergebnis ist die Annahme des Oberlandesgerichtes Innsbruck, § 60 Abs 2 JN sei für die Festsetzung des Streitwertes einer unbeweglichen Sache heranzuziehen, denkmöglich.

Im Anlaßverfahren geht es aber nicht um eine Liegenschaft oder einen Liegenschaftsteil, für den ein eigener Einheitswert festgesetzt worden wäre. Die Bundesregierung leitet daraus unter Berufung auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (den hiezu zitierten Entscheidungen SZ 64/1 und EvBl. 1998/74 kann das im übrigen nicht entnommen werden) und auf eine Literaturstelle (die freilich keine eigene Ansicht vorträgt, sondern sich darin erschöpft, die Rechtsprechung zu referieren) ab, daß der Kläger den Streitgegenstand gemäß § 56 Abs 2, § 59 JN zu bewerten habe und dabei nicht an die Höhe des Einheitswerts für die gesamte Liegenschaft gebunden sei (die hiezu zitierte Entscheidung , hat nicht den - hier vorliegenden - Fall im Auge, daß es für die Gesamtliegenschaft einen Einheitswert gibt; ähnlich wohl auch OGH RZ 1990/38). § 60 Abs 2 JN sei daher im Anlaßverfahren nicht präjudiziell. Das anfechtende Gericht geht hingegen - unter Berufung auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes und auf Gitschthaler - davon aus, daß zwar eine Grundparzelle, für die kein eigener Einheitswert festgesetzt sei, vom Kläger zu bewerten sei, daß der Streitwert jedoch den Einheitswert der Gesamtliegenschaft nicht überschreiten dürfe.

Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, daß diese Auslegung unvertretbar wäre, sodaß die Annahme, § 60 Abs 2 JN sei eine Voraussetzung der Entscheidung im Anlaßfall, offenkundig unrichtig wäre. Er hat daher keinen Zweifel an der Präjudizialität dieser Bestimmung im Anlaßverfahren.

1.3. Die Bundesregierung bezweifelt schließlich, daß der Antrag die Bedenken entsprechend § 62 Abs 1 zweiter Satz VfGG im einzelnen darlege. Bei einer Wertung und Würdigung des Antragsvorbringens insgesamt (vgl. oben Pkt. I.3.1.2.) kommt der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis, daß die Darlegungen des antragstellenden Gerichts ausreichen, um dem Erfordernis dieser Gesetzesstelle zu genügen.

1.4. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen erfüllt sind, ist der Antrag insgesamt zulässig.

2. Das antragstellende Gericht wirft § 60 Abs 2 JN vor, er verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, gegen Art 94 B-VG und gegen Art 6 Abs 1 EMRK.

2.1. Zunächst sei vorausgeschickt, daß sich der Verfassungsgerichtshof im Normenprüfungsverfahren auf die Erörterung der aufgeworfenen Bedenken zu beschränken hat (vgl. VfSlg. 8253/1978, 9185/1981, 9287/1981, 9911/1983, 15299/1998, 16374/2001; ).

Die JN verteilt die Zuständigkeiten zwischen Bezirksgerichten und Gerichtshöfen erster Instanz, soweit nicht Eigenzuständigkeiten vorliegen (§49 Abs 2 bis 4, § 51 Abs 2 JN), nach dem Wert des Streitgegenstandes (Streitwert; § 49 Abs 1, §§50, 51 Abs 1, § 52 Abs 1 JN). Den Wert eines nicht in einem Geldbetrag bestehenden vermögensrechtlichen Streitgegenstandes hat der Kläger in der Klage anzugeben (§56 Abs 2 erster Satz JN).

Gemäß § 60 Abs 1 JN hat der angerufene Gerichtshof erster Instanz die Streitwertangabe des Klägers in bestimmten Fällen, in denen sie zu hoch gegriffen scheint, zu überprüfen. Damit soll verhindert werden, daß der Kläger durch übermäßige Bewertung die Zuständigkeit des Gerichtshofes (oder des Senates) "erschleicht" (vgl. die EB zur RV der JN, 687 BlgAH 11. Sess. 72; ; OGH EvBl. 2003/28; Gitschthaler in Fasching, Rz 10 zu § 60 JN mwN).

Eine vergleichbare Überprüfung bei zu niedriger Bewertung ist nicht vorgesehen (vgl. OGH EvBl. 1998/74 mit ausführlicher Darstellung von Lehre und Rechtsprechung gerade iZm § 60 Abs 2 JN; Gischthaler in Fasching, Rz 12 zu § 60 JN); in diesem Zusammenhang (vgl. auch Gitschthaler in Fasching, Rz 6 zu § 60 JN) ist daran zu erinnern, daß die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes (anstatt des von Gesetzes wegen zuständigen Gerichtshofes) vereinbart werden darf (außer bei Eigenzuständigkeiten des Gerichtshofs), nicht jedoch umgekehrt (§104 Abs 2 zweiter Satz JN).

Ein Überprüfungsverfahren ist uU mit Aufwand verbunden; § 60 Abs 1 JN erwähnt ua. die Parteieneinvernahme, den Augenschein und die Begutachtung durch Sachverständige. Der Gesetzgeber der Zivilprozeßgesetze ist an sich bestrebt, Zuständigkeitsstreitigkeiten zu verkürzen oder zu unterbinden (vgl. zB die Erläut. zur RV der ZVN 1983, 669 BlgNR 15. GP 32 [zu § 45 JN], aber auch schon die EB zur RV der JN, 70 f.; Gitschthaler in Fasching, Rz 6 und 12 zu § 60 JN). Dem entspricht es, wenn er in diesem Zusammenhang für Streitgegenstände, deren Wert von einer Behörde festgesetzt worden ist, an diesen Wert anknüpft und damit das Überprüfungsverfahren verkürzt; ansonsten müßten etwa Sachverständigengutachten eingeholt werden. Das Anknüpfen an einen steuerlich maßgeblichen festgestellten Wert ist geeignet, solche Überprüfungsverfahren abzukürzen und in vielen Fällen überhaupt zu vermeiden. Der Zweck der Einheitsbewertung gemäß dem BewertungsG 1955, den Wert von Steuergegenständen für verschiedene Steuern nicht in den jeweiligen Abgabenverfahren, sondern - für einen bestimmten Zeitraum - in einem gesonderten Verfahren einheitlich festzulegen, wird damit für das zivilgerichtliche Verfahren nutzbar gemacht.

Die - unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes erhobenen - Bedenken des antragstellenden Gerichtes richten sich an sich auch nicht dagegen, daß an steuerliche Werte angeknüpft wird, sondern dagegen, daß diese Werte - wie das Gericht annimmt - (derzeit) nur einen Bruchteil der Verkehrswerte betragen (ähnlich Pfersmann, ÖJZ 1994, 80; Gitschthaler in Fasching, Rz 35 zu § 60 JN), sodaß Grundstücke (mit Einheitswert) und bewegliche Sachen mit gleichem Verkehrswert unterschiedlich behandelt werden. Das anfechtende Gericht betrachtet als den in § 60 Abs 2 JN genannten "Steuer[schätz]wert für die Gebührenbemessung" den Wert, der nach dem GGG maßgeblich ist. Nach den Vorschriften des GGG ist als Wert einer unbeweglichen Sache der dreifache Einheitswert anzusehen. Diese Rechtslage galt bereits, als die Klage im Anlaßverfahren eingebracht wurde.

Die Bedenken des antragstellenden Gerichtes fußen insgesamt auf der Annahme, daß die Einheitswerte gegenüber den Verkehrswerten unverhältnismäßig niedrig seien und so zu einer Ungleichbehandlung zwischen Grundstücken mit Einheitswert und anderen Sachen führten, die unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes nicht mehr tolerierbar wäre. Zu dieser Einschätzung gelangt das antragstellende Gericht aber von seiner Annahme her, daß Grundstücke mit dem einfachen (und nicht mit dem dreifachen) Einheitswert anzusetzen seien. Diese Prämisse ist unrichtig. Es ist dem Verfassungsgerichtshof verwehrt, Vermutungen darüber anzustellen, ob das antragstellende Gericht auch bei Maßgeblichkeit des dreifachen Einheitswerts Bedenken gegen das Gesetz hätte. Das - hypothetische - Bedenken, der dreifache Einheitswert führe gegenüber dem Verkehrswert zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung, ist nicht mehr das vom antragstellenden Gerichtshof erhobene Bedenken, an das der Verfassungsgerichtshof aber gebunden ist.

Die auf eine unrichtige Prämisse gestützten Bedenken, § 60 Abs 2 JN verstoße wegen zu geringer Höhe des Streitwerts gegen den Gleichheitssatz, treffen nicht zu.

2.2.1. Das Oberlandesgericht Innsbruck hat das weitere Bedenken, § 60 Abs 2 JN "könnte" auch gegen Art 94 B-VG verstoßen, weil die darin normierte Bindung der Gerichte an Einheitswertbescheide dazu führe, daß über den für einen Zivilrechtsstreit maßgeblichen Streitwert teils die Gerichte, teils die Verwaltungsbehörden entschieden.

2.2.2. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (zB VfSlg. 2778/1954, 2902/1955, 3236/1957, 3424/1958, 4455/1963, 5630/1967, 6537/1971, 7273/1974, 7882/1976, 9590/1982, 10300/1984, 10452/1985, 11259/1987; ; , B1872/02), ergibt sich aus dem in Art 94 B-VG verankerten Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung die Verpflichtung des Gesetzgebers, eine Angelegenheit - zur Gänze - zur Vollziehung entweder den Gerichten oder den Verwaltungsbehörden zuzuweisen. Daraus folgt, daß über ein

und dieselbe Frage nicht sowohl Gerichte als auch Verwaltungsbehörden, sei es im gemeinsamen Zusammenwirken, sei es im instanzenmäßig gegliederten Nacheinander, entscheiden dürfen; jede verfahrensrechtliche Verflechtung von Gerichten und Verwaltungsbehörden zu einer organisatorischen Einheit ist unzulässig.

Das Gesetz darf nicht vorsehen, daß ein und dieselbe Sache von Vollziehungsorganen verschiedenen Typs, also zB sowohl von einem Gericht als auch von einer Verwaltungsbehörde, - nebeneinander oder nacheinander - behandelt werden kann, ohne daß das Gesetz selbst objektiv erfaßbare Voraussetzungen dafür aufstellt, wann die Zuständigkeit des einen oder des anderen Vollziehungsorgans gegeben ist (VfSlg. 2909/1955 [S 405]; ebenso VfSlg. 3156/1957; ).

Wie der Verfassungsgerichtshof jedoch ebenfalls ausgesprochen hat, bestehen keine Bedenken dagegen, in ein und derselben Angelegenheit der Verwaltungsbehörde die bescheidmäßige Feststellung des Vorliegens eines Tatbestandselementes, dem Gericht dagegen die Feststellung des Vorliegens anderer Voraussetzungen zu übertragen (VfSlg. 6936/1972 [S 1256 f.]; ).

Nach VfSlg. 10476/1985 (vgl. auch ) verbietet zwar Art 94 B-VG, daß Gerichte - mit Ausnahme jener des öffentlichen Rechts - Entscheidungen von Verwaltungsbehörden überprüfen oder umgekehrt, dagegen ist es "unvermeidlich, daß Verwaltungsbehörden Vorfragen beurteilen, deren Lösung als Hauptfrage den Gerichten obliegt und umgekehrt, und es ist auch nicht ausgeschlossen, daß ein und dieselbe Rechtsfrage je nach ihrem Zusammenhang einmal von einem Gericht und einmal von einer Verwaltungsbehörde beantwortet wird; es wird dann aber nicht in zwei verschiedenen Verfahren über dieselbe (konkrete) Rechtssache, sondern - teilweise - unter Beantwortung gleicher (abstrakter) Rechtsfragen über unterschiedliche Sachen entschieden."

2.2.3. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung kann der Verfassungsgerichtshof das Bedenken des antragstellenden Gerichtshofes nicht teilen, und zwar allein schon deshalb nicht, weil sich die Entscheidung der Abgabenbehörde auf die Entscheidung in der Sache selbst gar nicht auswirkt: Sie hat nur Bedeutung für die Zuständigkeit des Gerichtes (oder für die Zusammensetzung der Richterbank), das Gericht hat seine Entscheidung jedoch anhand derselben materiell-rechtlichen Vorschriften zu treffen.

2.3. Schließlich hegt das anfechtende Gericht das Bedenken, eine "unsachliche, dem Gleichheitsgrundsatz widersprechende Beschneidung von Rechtsmittelmöglichkeiten könnte" auch dem Recht auf ein "gerechtes Verfahren" nach Art 6 Abs 1 EMRK widersprechen.

Auch dieses Bedenken fußt auf der - vom eigenen Ansatz des antragstellenden Gerichtshofes her - verfehlten Annahme, gemäß § 60 Abs 2 JN iVm § 15 Abs 1 GGG sei der Bewertung von Grundstücken der einfache Einheitswert zugrundezulegen.

Es genügt, dazu auf das oben (Pkt. 2.1.) Gesagte zu verweisen.

Da das antragstellende Gericht auch insoweit von einer unrichtigen Prämisse ausgegangen ist, treffen seine Bedenken, § 60 Abs 2 JN verstoße gegen Art 6 EMRK, schon deshalb nicht zu.

2.4. Da die geltend gemachten Bedenken nicht zutreffen, war dem Antrag des Oberlandesgerichtes Innsbruck nicht Folge zu geben.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 3 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung getroffen werden.