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VfGH vom 12.10.1990, G146/90

VfGH vom 12.10.1990, G146/90

Sammlungsnummer

12506

Leitsatz

Verfassungswidrige Bindung des Bundesministers für Arbeit und Soziales an gemeinsame Anträge kollektivvertragsfähiger Körperschaften bei der Erlassung von Verordnungen für die Festsetzung von Kontingenten für die Beschäftigung von Ausländern; ausreichender Maßstab für die Überprüfung behördlichen Handelns bei der Erteilung zusätzlicher Beschäftigungsbewilligungen aufgrund der Befürwortung des Verwaltungsausschusses nach Überschreitung des Kontingents; Aufhebung eines Teils einer Kontingentierungsverordnung nach Wegfall ihrer gesetzlichen Grundlage

Spruch

I. § 12 Abs 1 und die Wortfolge "solange kein Antrag nach Abs 1 vorliegt und" in § 12 Abs 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 218/1975, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 231/1988, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

§ 4 Abs 6 lita Ausländerbeschäftigungsgesetz in der Fassung vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 450/1990 war nicht verfassungswidrig.

Im übrigen wird das Gesetzesprüfungsverfahren eingestellt.

II. Die Wortfolge "der Elektro-, Radio- und Fernsehtechniker" in Spalte 2 Kontingent K 9 der Anlage zur Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom , BGBl. 730, über die Festsetzung von Kontingenten für die Beschäftigung von Ausländern, war gesetzwidrig.

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1424/89 die Beschwerde einer GesmbH und Co KG anhängig, die sich mit der Planung, Montage und Wartung von Elektroanlagen beschäftigt und im Feber 1989 beim Landesarbeitsamt Niederösterreich gemäß § 11 AusländerbeschäftigungsG, BGBl. 218/1975 (AuslBG), die Ausstellung von Sicherungsbescheinigungen für sieben polnische Staatsangehörige beantragte. Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales unter Hinweis auf die Ausschöpfung des mit Verordnung vom , BGBl. 730, unter Berufung auf § 12 Abs 1 AuslBG festgesetzten Kontingentes (K 9) abgewiesen. Da im Bereich des Landesarbeitsamtes Niederösterreich an einschlägigen Arbeitskräften insgesamt dreißig inländische und eine ausländische zur Vermittlung heranstünden, die Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz bezögen, stehe das dringende öffentliche Interesse an einer solchen Vermittlung einer Beschäftigungsbewilligung entgegen (§4 Abs 1 AuslBG). Besonders wichtige Gründe für ein Überschreiten des Kontingents im Sinne des § 4 Abs 6 AuslBG lägen umso weniger vor und der Unterausschuß des Verwaltungsausschusses habe keine einhellige Zustimmung erteilt.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz und Freiheit der Erwerbsausübung.

Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der §§4 Abs 6 lita und 12 Abs 1 und 2 AuslBG und die Gesetzmäßigkeit der Wortfolge "der Elektro-, Radio- und Fernsehtechniker" in Spalte 2 Kontingent K 9 der genannten Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales beschlossen. Er ist vorläufig davon ausgegangen, daß er bei Beurteilung der Beschwerde unter anderem auch die Bestimmung des § 4 Abs 6 AuslBG über die Voraussetzungen der Überschreitung von Kontingenten, die einschlägigen Teile der maßgeblichen Kontingentierungsverordnung und den nach ihrem Eingangssatz als Grundlage dieser Verordnung in Betracht kommenden (durch BGBl. 231/1988 nur in der Terminologie geänderten) § 12 Abs 1 AuslBG anzuwenden hätte. Auch die Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung ist nämlich unter anderem an die in § 4 Abs 1 und 6 genannten Voraussetzungen geknüpft (§11 Abs 2 lita AuslBG).

Die in Prüfung gezogenen gesetzlichen Vorschriften lauten in ihrem Zusammenhang (in Prüfung gezogenen Teil des § 4 hervorgehoben):

"Beschäftigungsbewilligung

Voraussetzungen

§4. (1) Die Beschäftigungsbewilligung ist, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen:

...

(3) Die Beschäftigungsbewilligung darf weiters nur erteilt werden, wenn

1. der Arbeitgeber den Ausländern auf einem Arbeitsplatz seines Betriebes beschäftigen wird ...;

2. das ... ärztliche Zeugnis ... vorliegt;

...

4. die Gewähr gegeben erscheint, daß der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen ... einhält;

5. die rechtsverbindliche Erklärung eines Unterkunftgebers ... vorliegt, ...;

6. die Erklärung über die Verständigung des Betriebsrates ... von der beabsichtigten Einstellung des Ausländers vorliegt;

...

9. die Vereinbarung über die beabsichtigte Beschäftigung ... nicht auf Grund einer ... unerlaubten Arbeitsvermittlung zustandegekommen ist ...;

...

14. das Benützungsentgelt für die Unterkunft des Ausländers ... zum Wert der Leistung in keinem auffallenden Mißverhältnis steht.

...

(6) Über bestehende Kontingente (§12) hinaus dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs 1 und 3 vorliegen und

a) der Verwaltungsausschuß (§23) einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet oder

b) die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

1. als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer,

2. in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden,

3. als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes oder

4. im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege, erfolgen soll oder

c) öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern oder

d) die Voraussetzungen des § 18 Abs 3 in Verbindung mit Abs 4 gegeben sind."

"Kontingente

§12. (1) Der Bundesminister für Arbeit und Soziales kann, sofern es die allgemeine Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage zuläßt, in Entsprechung eines gemeinsamen Antrages der in Betracht kommenden kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer für bestimmte örtliche oder fachliche Bereiche sowie für bestimmte Zeiträume durch Verordnung Kontingente für die Beschäftigung von Ausländern festsetzen oder festgesetzte Kontingente ändern.

(2) Der Bundesminister für Arbeit und Soziales kann, solange kein Antrag nach Abs 1 vorliegt und sofern es die allgemeine Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage zuläßt, für bestimmte örtliche oder fachliche Bereiche sowie für bestimmte Zeiträume durch Verordnung Kontingente für die Beschäftigung von Ausländern festsetzen oder festgesetzte Kontingente ändern."

Die in Prüfung gezogene Verordnung bestimmt in § 1:

"Für die sich aus der Anlage ergebenden fachlichen und örtlichen Bereiche werden Kontingente für die Beschäftigung von Ausländern im Sinne des § 2 Abs 2 AuslBG festgesetzt."

Die Anlage enthält unter K 9 in Spalte 2 für den fachlichen Bereich unter anderem der Bundesinnung der Elektro-, Radio- und Fernsehtechniker Landeskontingente für Arbeiter.

Der Gerichtshof nahm vorläufig an, daß der erste und zweite Absatz des § 12 AuslBG eine untrennbare Einheit bilden, da der zweite auf den ersten ausdrücklich bezug nimmt und der Inhalt beider Bestimmungen nur aus ihrer Wechselbeziehung verständlich wird:

"§12 AuslBG ermächtigt im Abs 1 und 2 den zuständigen Bundesminister zur Festsetzung oder Änderung von Kontingenten derart, daß er nach Abs 1 in Entsprechung eines gemeinsamen Antrages von kollektivvertragsfähigen Körperschaften, nach Abs 2 hingegen ohne solche Einschränkung tätig werden kann. Die Möglichkeit der Festlegung oder Änderung von Kontingenten ohne Zusammenhang mit einem Antrag besteht nach Abs 2 jedoch nur, solange kein Antrag nach Abs 1 vorliegt. Es scheint, daß das Nebeneinander von Abs 1 und 2 nur den Sinn haben kann, den Bundesminister an gemeinsame Anträge der kollektivvertragsfähigen Körperschaften zu binden und ihm nur dann die Beurteilung selbst zu überlassen, wenn es zu keinem solchen gemeinsamen Antrag kommt. Die Wendung 'in Entsprechung eines gemeinsamen Antrages' dürfte eine vom Antrag abweichende Vorgangsweise ausschließen und den Bundesminister vor die Wahl stellen, dem Antrag entweder 'zu entsprechen' oder die Festsetzung (Änderung) eines Kontingents überhaupt zu unterlassen. Es scheint, daß er dem Sinn des Gesetzes (möglicherweise auch dem Wortlaut: arg. 'solange ...') selbst dann zuwiderhandeln würde, wenn er einen solchen gemeinsamen Antrag nur abweisen würde, um sodann eine Festsetzung (Änderung) nach eigenem Ermessen zu treffen. Würde nämlich das Gesetz solches zulassen, wäre unverständlich, warum es die Möglichkeit der bindungsfreien Festlegung (Änderung) an die Voraussetzung des Fehlens eines Antrages geknüpft hätte; die bloße Notwendigkeit, sich durch eine förmliche Abweisung der bindenden Wirkung eines Antrages zu entledigen, wäre wohl keine sachliche Voraussetzung für die Zulassung der Festsetzung (Änderung) eines Kontingentes."

Es schien dem Verfassungsgerichtshof, daß § 12 Abs 1 und 2 AuslBG die Entscheidungsfreiheit des Bundesministers als eines obersten Organes in einer dem Art 20 Abs 1 B-VG widersprechenden Weise einschränken.

Der im Beschwerdeverfahren präjudizielle Teil der Verordnung schien dem Gerichtshof mit dem Wegfall der ihm zugrundeliegenden Verordnungsermächtigung seine gesetzliche Grundlage zu verlieren.

§ 4 Abs 6 lita AuslBG schien dem Gerichtshof schließlich zu bewirken, daß die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung bei Überschreiten von Kontingenten nicht durch das Gesetz vorherbestimmt, sondern (teilweise) an die freie Willensäußerung von Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer geknüpft ist; er schien ihm daher im Widerspruch zum rechtsstaatlichen Gebot des Art 18 B-VG zu stehen.

Die Bundesregierung hat von einer Äußerung im Gesetzesprüfungsverfahren abgesehen und nur die Bestimmung einer Jahresfrist für das Außerkrafttreten begehrt, damit allenfalls erforderliche legistische Vorkehrungen getroffen werden können.

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales hat die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Grundlagen sowohl der Verordnung als auch des Bescheides verteidigt.

II. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist in bezug auf § 4 Abs 6 lita, § 12 Abs 1 und die Wortfolge "solange kein Antrag nach Abs 1 vorliegt und" in § 12 Abs 2 AuslBG zulässig. Der im Einleitungsbeschluß angenommene enge Zusammenhang zwischen Abs 1 und Abs 2 erfaßt nur die genannte Wortfolge. Nach ihrer Entfernung bleibt in § 12 Abs 2 eine vollständige und für das Verordnungsprüfungsverfahren nicht präjudizielle Regelung bestehen. In bezug auf diesen Teil ist das Gesetzesprüfungsverfahren daher unzulässig und einzustellen (vgl. VfSlg. 9936/1984 und G236/89 vom ).

Im übrigen ist nichts hervorgekommen was gegen die Zulässigkeit der Normenprüfungsverfahren sprechen würde.

III. Die Bedenken des Gerichtshofs hinsichtlich § 12 Abs 1 sowie die Wortfolge "solange kein Antrag nach Abs 1 vorliegt und" in § 12 Abs 2 AuslBG sind begründet; die Bestimmungen verstoßen gegen Art 20 Abs 1 B-VG. Hingegen wurden die Bedenken bezüglich § 4 Abs 6 lita AuslBG in der Fassung vor der Novelle BGBl. 450/1990 im Gesetzesprüfungsverfahren zerstreut.

1. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales hält den Bedenken betreffs § 12 AuslBG folgendes entgegen:

"Trotz der Formulierung 'in Entsprechung' läßt sich keine so weitgehende Bindung des Bundesministers an den Antrag der Sozialpartner ableiten, daß damit ein Widerspruch zur prinzipiellen Ungebundenheit eines obersten Organs der Vollziehung gemäß Art 19 B-VG entstehen könnte. Ein gemeinsamer Antrag der in Betracht kommenden kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedeutet nämlich nicht, daß der Bundesminister nur mehr die Möglichkeit hat entweder dem Antrag zu entsprechen oder aber gar nicht zu handeln und kein Kontingent festzusetzen. Zwar ergibt sich schon aus dieser Alternative, daß der Minister keineswegs bloßes Exekutivorgan der Sozialpartner ist (die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung wäre in diesem Fall im Normalverfahren nach § 4 AuslBG zu beurteilen), viel mehr jedoch daraus, daß er dem Antrag nur stattgeben darf, sofern es die allgemeine Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage zuläßt (§12 Abs 1 AuslBG). Dies ist in jedem Fall vom Bundesminister vor Erlassung einer spezifischen Kontingentverordnung zu prüfen und die Verordnung einem Begutachtungsverfahren zu unterwerfen. Es ist ja gerade Zweck des § 12, die im Normalverfahren nach § 4 AuslBG vorgesehene individuelle Prüfung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes durch eine generelle zu ersetzen, um eine Verfahrenserleichterung bezüglich der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung im Rahmen eines Kontingentes herbeizuführen.

Ergibt die Prüfung der allgemeinen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage die Zulässigkeit einer Kontingentfestsetzung, so spricht nichts dagegen, daß dem Antrag der Sozialpartner auch tatsächlich entsprochen wird. Fällt die Prüfung negativ aus, muß der Antrag vom Minister abgelehnt werden. In diesem Fall folgt aber, soll dem Gesetz nicht völlig sinnwidrigerweise eine unbefristete Regelungsblockade unterstellt werden, daß es einerseits den Sozialpartnern freisteht einen neuen - geänderten - Antrag nach § 12 Abs 1 AuslBG einzubringen, andererseits, solange kein neuer Antrag gestellt wurde, der Minister weiter nach § 12 Abs 2 vorgehen, also von sich aus Kontingente festsetzen kann.

Diese Auslegung des § 12 Abs 1 und Abs 2 AuslBG gewinnt noch zusätzlich an Gewicht, wenn man beachtet, daß der Bundesminister, selbst wenn er einem gemeinsamen Antrag der Sozialpartner entsprochen hat, festgesetzte Kontingente gemäß § 12 Abs 2 leg.cit. wieder ändern darf. Es kann ja nicht Sinn des Gesetzes sein, daß der Bundesminister zwar nach Abs 1 an einen Kontingentantrag der Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gebunden sein soll, die daraus ergangene Verordnung gemäß Abs 2 aber postwendend abändern könnte."

Der Verfassungsgerichtshof kann diese Auffassung nicht teilen.

§12 Abs 1 ermächtigt den Bundesminister für den Fall eines gemeinsamen Antrages nur, in Entsprechung dieses Antrages Kontingente festzusetzen oder festgesetzte Kontingente zu ändern, und Abs 2 ermächtigt ihn zur Festsetzung oder Änderung aus eigenem Antrieb nur, solange kein Antrag nach Abs 1 vorliegt. Der Bundesminister kann also einen gemeinsamen Antrag nicht bloß zum Anlaß nehmen, eine Verordnung nach § 12 Abs 2 zu erlassen. Es mag sein, daß er durch die (allenfalls wiederholte) Weigerung, einem gemeinsamen Antrag zu entsprechen, einen ihm geeignet erscheinenden Antrag der kollektivvertragsfähigen Körperschaften provozieren kann. Die kollektivvertragsfähigen Körperschaften können aber eine dem Bundesminister richtig erscheinende Maßnahme ihrerseits durch abweichende Anträge verhindern. Der Zweck des Gesetzes, auf den der Bundesminister am Ende seiner Äußerung verweist, verbietet es ihm nicht nur, eine gemäß dem Antrag vorgenommene Kontingentierung ohne Änderung der Verhältnisse "postwendend" abzuändern, sondern auch, nach Abweisung eines Antrages ohne Änderung der Verhältnisse sofort aus eigenem Antrieb ein (anderes) Kontingent festzusetzen. Eine solche Vorgangsweise würde die Einschränkung "in Entsprechung eines gemeinsamen Antrages" in Abs 1 und "solange kein Antrag nach Abs 1 vorliegt" in Abs 2 jeglicher praktischer Bedeutung entkleiden und sie zu dem schon im Einleitungsbeschluß als unsachlich bezeichneten - sinnlosen - Formalismus machen.

Es bleibt daher bei dem vom Bundesminister für Arbeit und Soziales selbst in der Einleitung zu seiner Stellungnahme zutreffend formulierten Ergebnis: Die Initiative für eine Neuordnung der Kontingentierung liegt beim Bundesminister "uneingeschränkt nur solange, als kein gemeinsamer Antrag ... vorliegt". Eben dies bewirkt aber eine Einschränkung der Entscheidungsfreiheit des zuständigen Bundesministers als eines obersten Organes, die sich vor dem Hintergrund der zuletzt im Erkenntnis G55, V19/89 vom (Müllbeseitigungsanlagen - Einzugsbereich) bekräftigten ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs als ein Verstoß gegen Art 20 Abs 1 B-VG erweist. Denn die Bedeutung einer Festsetzung (Änderung) von Kontingenten, insbesondere die daraus folgende Erschwerung des Bewilligungsverfahrens und der Möglichkeit des Abschlusses von Arbeitsverträgen, geht über den Rahmen jener Interessen hinaus, die wahrzunehmen die kollektivvertragsfähigen Körperschaften in der Weise berufen wären, daß dies eine Bindung des Bundesministers rechtfertigen würde. Hat doch der Gesetzgeber in Abs 2 selbst anerkannt, daß die Angelegenheit über diese gemeinsamen Interessen hinausgeht. Darum greift die Bindung des Ministers in dessen einschlägige Aufgabe als oberstes Organ des Bundes unzulässig ein.

2. Die Bedenken betreffs § 4 Abs 6 AuslBG ergaben sich aus der vorläufigen Annahme,

"... daß die einhellige Befürwortung oder Überschreitung eines Kontingents durch den Verwaltungsausschuß das Vorliegen von in litb genannten besonders wichtigen Gründen, des in litc genannten öffentlichen oder gesamtwirtschaftlichen Interesses oder der in litd genannten Ausnahmesituation entbehrlich macht. Es scheint, daß es dabei nicht nur um den besonderen Sachverstand der dem Ausschuß (Unterausschuß) angehörenden Mitglieder geht. Anzuhören ist der Verwaltungsausschuß nämlich ohnehin in allen Fällen des § 4 Abs 6 (§20 Abs 2 AuslBG). Wie die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1451 BlgNR, 13. GP, 16/17) bestätigen, soll die Bewilligung darüber hinaus mit einhelliger Zustimmung des Verwaltungsausschusses möglich sein, 'wenn es sich nicht um einen der in § 4 Abs 6 litb bis d ausdrücklich angeführten Fälle handelt.' Die einhellige Befürwortung des Ausschusses ersetzt also offenbar auch das Fehlen des in litb genannten - durch demonstrative Aufzählung illustrierten - wichtigen Grundes für die Beschäftigung des Ausländers. Da als Grund für die Überschreitung des Kontingents unter dem Titel der lita somit weder diese besonderen Tatbestände noch die allgemeinen Voraussetzungen in Betracht kommen (deren Vorliegen die Behörde ja jedenfalls zu prüfen hat), scheint die Befürwortung des Ausschusses bloß von seiner Einigung abzuhängen."

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales weist zunächst darauf hin, daß die Einbindung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen in die Gestaltung der Beschäftigungspolitik und deren Koordinierung mit der gesamten Wirtschafts- und Sozialpolitik ein bestimmender Grundsatz der österreichischen Arbeitsmarktpolitik sei. Auch der Unterauschuß des Verwaltungsausschusses sei (nur) zum Zweck der Anhörung eingerichtet. Die Entscheidung fälle das Landesarbeitsamt:

"Dabei ist zunächst durch das nach § 19 Abs 1 zuständige Arbeitsamt festzustellen, ob die generellen Voraussetzungen des § 4 Abs 3 AuslBG vorliegen (§4 Abs 6 erster Halbsatz iV mit § 20 Abs 1 AuslBG). Das Landesarbeitsamt prüft zusätzlich, ob eine der im § 4 Abs 6 lita-d leg.cit. genannten spezifischen Bedingungen gegeben ist. Für den Fall der Einstimmigkeit der Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer (§4 Abs 6 lita) kann das Landesarbeitsamt eine Beschäftigungsbewilligung erteilen, ohne das Vorliegen der erschwerten Qualifikationsmerkmale nach litb-d zu prüfen; mangelt es an der Einstimmigkeit, muß wenigstens eines dieser Merkmale festgestellt werden. Doch selbst bei gegebener Einhelligkeit besteht für die Behörde keine Rechtsverbindlichkeit; dies ergibt sich aus dem beratenden Charakter der Anhörungsrechtes. Folgt sie jedoch - in aller Regel - der zustimmenden Empfehlung des Ausschusses, so kann dies für den Antragsteller nur die bescheidmäßige Stattgebung seines Antrages bedeuten."

Mit dieser Auffassung verkennt der Bundesminister für Arbeit und Soziales die Bedenken des Gerichtshofs. Sie richten sich weder gegen die Beteiligung von Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen an der staatlichen Arbeitsmarktverwaltung noch gegen eine (im Einleitungsbeschluß gar nicht unterstellte) Bindung des Landesarbeitsamtes an eine einhellige Befürwortung durch den Verwaltungsausschuß, sondern dagegen, daß die Behörde im Falle der einhelligen Befürwortung die Beschäftigungsbewilligung ohne das Vorliegen besonderer Voraussetzungen erteilen darf, während sie ohne diese Befürwortung an das Vorliegen besonderer Voraussetzungen gebunden ist. Diese Bedenken stehen und fallen mit der vorläufigen Annahme, daß der Inhalt der Stellungnahme des Verwaltungsausschusses nicht durch das Gesetz vorherbestimmt ist. Träfe diese vorläufige Annahme über den Inhalt der lita des § 4 Abs 6 AuslBG zu, würde nämlich auch die Entscheidung der Behörde nicht mehr (allein) durch das Gesetz vorherbestimmt, sondern (teilweise) an die freie Willensäußerung von Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer geknüpft. Das würde die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung (Sicherungsbescheinigung) insgesamt zu einem gesetzlich nicht determinierten daher auch nicht nachprüfbaren Akt machen. Eine solche Regelung stünde im Widerspruch zum rechtsstaatlichen Gebot des Art 18 B-VG.

Der Verfassungsgerichtshof kann indessen seine vorläufige Annahme, die Befürwortung des Ausschusses hänge von dessen Gutdünken ab, nicht mehr aufrecht erhalten:

Die Festsetzung von Kontingenten durch den Bundesminister im Sinne des § 12 AuslBG hat in erster Linie den Entfall der Prüfung der Voraussetzungen nach § 4 Abs 1 zur Folge (soweit es sich nicht um die erstmalige Beschäftigungsaufnahme des Ausländers im Bundesgebiet handelt; § 4 Abs 5). Ist das Kontingent erschöpft, darf das Landesarbeitsamt die Beschäftigungsbewilligung wieder - wie bei Fehlen einer Kontingentierung - nur erteilen, wenn es das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs 1 im Einzelfall geprüft hat (§4 Abs 6 Eingangssatz). Nun ergibt sich aber aus der systematischen Stellung der lita des § 4 Abs 6 zwischen dem Hinweis des vorhergehenden Eingangssatzes auf die allgemeinen Voraussetzungen des Abs 1 und den in den nachfolgenden Bestimmungen genannten besonders wichtigen Gründen, öffentlichen oder gesamtwirtschaftlichen Interessen und dem in litd verwiesenen Ausnahmefall, daß die einhellige Befürwortung des Ausschusses bloß - aber eben doch - die Bejahung des Vorliegens dieser allgemeinen Voraussetzungen zum Inhalt hat. Es genügt also im Falle der Kontingentüberschreitung das Urteil der Behörde nicht. Nur wenn auch der Verwaltungsausschuß einhellig zum Ergebnis kommt, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung des Ausländers zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen, darf die Beschäftigungsbewilligung ohne weiters erteilt werden. Ist der Verwaltungsausschuß nicht einhellig der Meinung des Landesarbeitsamtes, darf die Behörde nur dann das festgesetzte Kontingent überziehen, wenn (über die von ihm angenommene Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen hinaus) ein besonders wichtiger Grund im Sinn der litb oder einer der in den litt. c oder d genannten Fälle vorliegt. Damit ist eine besonders strenge Handhabung der Möglichkeit der Kontingentüberschreitung gesichert. Für eine darüber hinausgehende Annahme, daß es in allen Fällen, also auch dann noch besonderer - vom Ausschuß zu prüfender - Gründe für eine Beschäftigungsbewilligung bedürfte, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung des Ausländers ohnedies offenkundig zuläßt und nicht wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen entgegenstehen, fehlt jeder Anhaltspunkt. Da nach der Konzeption des Gesetzes schon die Festsetzung von Kontingenten im engstem Einvernehmen mit den kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber geschehen soll - was verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn der Bundesminister nicht gebunden ist -, liegt es auch nahe, in § 4 Abs 6 lita nur eine folgerichtige Übertragung dieses Gedankens auf jene Situation zu sehen, in der - wegen Überschreitung der aufgrund einer generellen Einschätzung der Arbeitsmarktlage zugelassenen Zahl von ausländischen Beschäftigten - eine Prüfung des Einzelfalles Platz greifen muß.

Damit ist aber für das Verhalten des Verwaltungsausschusses durch § 4 Abs 1 AuslBG im praktischen Ergebnis ein Maßstab gesetzt, der die Überprüfung des behördlichen Handelns ermöglicht. Die Bedenken des Gerichtshofs hinsichtlich § 4 Abs 6 lita AuslBG treffen daher nicht zu.

IV. § 12 Abs 1 und der damit in Zusammenhang stehende Teil des § 12 Abs 2 AuslBG sind als verfassungswidrig aufzuheben. Ihre Aufhebung beseitigt nur die verfassungswidrige Bindung des Bundesministers für Arbeit und Soziales an gemeinsame Anträge kollektivvertragsfähiger Körperschaften. Der verbleibende Teil des § 12 Abs 2 ermöglicht die ungehinderte Festsetzung oder Änderung von Kontingenten bei Vorliegen der sachlichen Voraussetzungen. Nach Auffassung des Gerichtshofs ist daher die Setzung einer Frist im Sinne des Art 140 Abs 5 B-VG entbehrlich.

Die in Prüfung gezogene Verordnung ist allein auf § 12 Abs 1 AuslBG gestützt. Bei ihrer Erlassung war der Bundesminister an den Antrag gebunden. Mit dem Wegfall ihrer Grundlage wird daher auch die Verordnung gesetzwidrig.

§ 4 Abs 6 AuslBG ist mit Wirkung vom durch die Novelle BGBl. 450/1990 (ArtI Z 9) neu gefaßt worden. Die in Prüfung gezogene Fassung ist mit Ablauf des außer Kraft getreten. Es bleibt daher nur festzustellen, daß sie nicht verfassungswidrig war.

Das gilt auch von der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung, deren "Laufzeit" nach § 4 der Verordnung mit Ablauf des geendet hat. Es ist daher festzustellen, daß sie gesetzwidrig war.

Die Aussprüche über die Kundmachung stützen sich auf die Abss. 5 der Artt. 140 und 139 B-VG.

Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs 4 VerfGG).