VfGH vom 01.10.2002, g143/02

VfGH vom 01.10.2002, g143/02

Sammlungsnummer

16649

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit der Festlegung einer Mindeststrafe für bestimmte Verwaltungsübertretungen im Gelegenheitsverkehrsgesetz; überschießende und unsachliche Regelung infolge Anwendbarkeit der Mindeststrafe aufgrund einer pauschalen Verweisung in der Blankettstrafnorm dieses Gesetzes auf europarechtliche Vorschriften auch beim Delikt des Nichtmitführens und Vorzeigens einer Gemeinschaftslizenz beim grenzüberschreitenden gewerbsmäßigen Busverkehr

Spruch

I. § 15 Abs 2 letzter Satz des Gelegenheitsverkehrsgesetzes 1996 idF BGBl. I Nr. 135/1999 war verfassungswidrig.

II. Der Bundeskanzler ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Bundesgesetzblatt I kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (in der Folge: UVS) sind zwei Berufungen gegen erstinstanzliche Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung anhängig. Mit den Straferkenntnissen wurden die Lenker von Omnibussen bestraft, weil sie - wie im Zuge der Abfertigung von Organen des Zollamts Weigetschlag festgestellt wurde - "[als Lenker von näher bestimmten Omnibussen] einen grenzüberschreitenden Personengelegenheitsverkehr von Deutschland nach Österreich durchgeführt haben und den Kontrollberechtigten auf Verlangen keine beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 684/1992 idF der Verordnung (EG) Nr. 11/1998 vorweisen [konnten]". Die Lenker wurden in erster Instanz gemäß § 15 Abs 1 Z 4 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 iVm. Art 3a Abs 3 der Verordnung (EWG) Nr. 684/92 idF der Verordnung (EG) Nr. 11/1998 mit Geldstrafen in Höhe von je S 20.000,- (Ersatzfreiheitsstrafe 60 bzw. 67 Stunden) bestraft.

2. Die Verordnung (EWG) Nr. 684/92 des Rates vom zur Einführung gemeinsamer Regeln für den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Kraftomnibussen (ABl. Nr. L 74 vom , S 1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 11/98 vom (ABl. Nr. L 4 vom , S 1) lautet auszugsweise:

"Artikel 1

Geltungsbereich

(1) Diese Verordnung gilt für den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Kraftomnibussen im Gebiet der Gemeinschaft, der von in einem Mitgliedstaat gemäß dessen Rechtsvorschriften niedergelassenen Unternehmen gewerblich oder im Werkverkehr mit Fahrzeugen durchgeführt wird, die in diesem Mitgliedstaat zugelassen sind und die nach ihrer Bauart und Ausstattung geeignet und dazu bestimmt sind, mehr als neun Personen - einschließlich des Fahrers - zu befördern, sowie für Leerfahrten im Zusammenhang mit diesem Verkehr.

(...)

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Verordnungen gelten nachstehende Begriffsbestimmungen:

1. Linienverkehr

(...)

3. Gelegenheitsverkehr

3.1. Gelegenheitsverkehr ist der Verkehrsdienst, der nicht der Begriffsbestimmung des Linienverkehrs, einschließlich der Sonderformen des Linienverkehrs, entspricht und für den insbesondere kennzeichnend ist, daß auf Initiative eines Auftraggebers oder des Verkehrsunternehmers selbst vorab gebildete Fahrgastgruppen befördert werden.

Die Durchführung von parallelen oder zeitlich befristeten Verkehrsdiensten, die bestehenden Liniendiensten vergleichbar und auf deren Benutzer ausgerichtet sind, unterliegt der Pflicht zur Genehmigung nach dem in Abschnitt II festgelegten Verfahren.

(...)

Artikel 3

Freier Dienstleistungsverkehr

(1) Jeder gewerbliche Verkehrsunternehmer im Sinne des Artikels 1 ist ohne Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Ortes der Niederlassung des Verkehrsunternehmens zu Verkehrsdiensten im Sinne des Artikels 2 zugelassen, wenn er


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-
im Niederlassungsstaat die Genehmigung für Personenbeförderungen mit Kraftomnibussen im Linienverkehr, einschließlich der Sonderformen des Linienverkehrs, oder im Gelegenheitsverkehr erhalten hat;


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die Voraussetzungen der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften über den Zugang zum Beruf des Personenkraftverkehrsunternehmers im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr erfüllt;


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die Rechtsvorschriften über die Sicherheit im Straßenverkehr für Fahrer und Fahrzeuge erfüllt.


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(...)

Artikel 3a

Gemeinschaftslizenz

(1) Für den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Kraftomnibussen muß jeder Verkehrsunternehmer, der den in Artikel 3 Absatz 1 festgelegten Kriterien entspricht, im Besitz einer Gemeinschaftslizenz sein, die von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats der Niederlassung nach dem im Anhang enthaltenen Muster ausgestellt wurde.

(2) Die zuständigen Behörden des Niederlassungsstaats stellen dem Inhaber der Gemeinschaftslizenz die Originallizenz aus, die beim Verkehrsunternehmer aufbewahrt wird, sowie beglaubigte Kopien in einer Anzahl, die der Zahl der für den grenzüberschreitenden Personenverkehr eingesetzten Fahrzeuge entspricht, über die der Lizenzinhaber entweder als Eigentümer oder anderweitig verfügt, insbesondere aufgrund eines Abzahlungskaufvertrags, eines Miet- oder eines Mietkaufvertrags (Leasingvertrags).

(3) Die Gemeinschaftslizenz wird auf den Namen des Verkehrsunternehmers ausgestellt. Sie kann von diesem nicht auf Dritte übertragen werden. Eine beglaubigte Kopie der Gemeinschaftslizenz ist in den Fahrzeugen mitzuführen und den Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzuzeigen.

(4) Die Gemeinschaftslizenz wird für einen Zeitraum von fünf Jahren ausgestellt und kann verlängert werden.

(5) Die Gemeinschaftslizenz ersetzt das von den zuständigen Behörden des Niederlassungsstaats ausgestellte Dokument, das die Zulassung des Verkehrsunternehmers zum grenzüberschreitenden Personenverkehr auf der Straße bescheinigt.

(6) Die zuständigen Behörden des Niederlassungsstaats prüfen bei der Einreichung eines Lizenzantrags und anschließend zumindest alle fünf Jahre, ob der Verkehrsunternehmer den Bedingungen des Artikels 3 Absatz 1 entspricht oder noch entspricht.

(7) Sind die Bedingungen des Artikels 3 Absatz 1 nicht erfüllt, so verweigern die zuständigen Behörden des Niederlassungsstaats die Ausstellung oder die Verlängerung der Gemeinschaftslizenz durch eine mit Gründen versehene Entscheidung.

(8) ...

(9) ...

(10) Die Mitgliedstaaten können beschließen, daß die Gemeinschaftslizenz auch für die Beförderung im innerstaatlichen Verkehr gilt."

3. Die Strafbestimmungen des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes 1996 lauten in der angefochtenen Fassung (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"Strafbestimmungen

§15.

(1) Abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der Gewerbeordnung 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 100 000 S zu ahnden ist, wer

1. die Zahl der Fahrzeuge ohne Genehmigung gemäß § 4 Abs 2 vermehrt;

2. § 7 zuwiderhandelt;

3. § 10 zuwiderhandelt;

4. eine Beförderung gemäß § 11 ohne die erforderliche Bewilligung durchführt oder gegen Gebote oder Verbote der Verordnung (EWG) Nr. 684/92 zur Einführung gemeinsamer Regeln für den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Kraftomnibussen, ABl. Nr. L 74 vom , S 1, in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 11/98, ABl. Nr. L 4 vom , S 1, oder der Verordnung (EG) Nr. 12/98 über die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Personenkraftverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, ABl. Nr. L 4 vom , S 10, verstößt;

5. die gemäß § 14 festgelegten Tarife nicht einhält;

6. andere als die in Z 1 bis 5 genannten Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen nicht einhält.

(2) Bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs 1 Z 1, 2 und 5 sowie bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs 1 Z 3, wenn es sich um Zuwiderhandlungen gegen § 10 Abs 2 handelt, hat die Geldstrafe mindestens 5 000 S zu betragen. Bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs 1 Z 4 hat die Geldstrafe mindestens 20 000 S zu betragen.

(3) Bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs 1 Z 5 ist das gewährte unzulässige Entgelt für verfallen zu erklären.

(4) Bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 366 Abs 1 Z 1 GewO 1994 hat die Geldstrafe mindestens 5 000 S zu betragen."

4.1. Der UVS stellt anläßlich der erwähnten Berufungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof die zu G143/02 und zu G232/02 protokollierten Anträge, in denen er begehrt,

"der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, dass § 15 Abs 2 letzter Satz des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes 1996, BGBl. Nr. 112, idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/1999, verfassungswidrig war".

4.2. Abgesehen von der Schilderung des jeweiligen Verfahrensablaufs stimmen die Begründungen der beiden Anträge wörtlich überein. Darin führt der UVS aus:

"... Gemäß Artikel 3a Abs 3 der genannten Verordnung werde die Gemeinschaftslizenz auf den Namen des Verkehrsunternehmers ausgestellt. Sie könne von diesem nicht an Dritte übertragen werden. Eine beglaubigte Kopie sei in den Fahrzeugen mitzuführen und dem Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzuweisen.

Da die mitbeteiligte Partei die Gemeinschaftslizenz nicht habe vorweisen können, habe sie gegen die oben angeführte Verordnung verstoßen.

...

II. Präjudizialität:

1. Der Oö. Verwaltungssenat hat in diesem Berufungsverfahren hinsichtlich der Höhe der über die mitbeteiligte Partei verhängten Geldstrafe § 15 Abs 2, zweiter Satz, GelVerkG anzuwenden, wonach die Geldstrafe bei einer Übertretung der Z 4 des § 15 Abs 1 leg. cit. mindestens 20.000 S zu betragen hat.

2. § 15 Abs 2 GelVerkG in der im verfahrensgegenständlichen Fall maßgeblichen Fassung gemäß BGBl. I Nr. 135/1999 lautet:

'(2) Bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs 1 Z 1, 2 und 5 sowie bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs 1 Z 3, wenn es sich um Zuwiderhandlungen gegen § 10 Abs 2 handelt, hat die Geldstrafe mindestens 5000 S zu betragen. Bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs 1 Z 4 hat die Geldstrafe mindestens 20000 S zu betragen.'

3. Im gegenständlichen Fall ist der zweite Satz des Abs 2 des § 15 GelVerkG präjudiziell.

III. Verfassungsrechtliche Bedenken:

Der Verfassungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom , VfSlg. 15.785/2000 (ergangen zum Abfallwirtschaftsgesetz 1990 idF BGBl. 434/1996) und vom , G181/01 ua (ergangen zum Güterbeförderungsgesetz 1995, idF BGBl. I Nr. 17/1998), die in diesen Gesetzen vorgesehenen Mindeststrafen von 50.000 S (§39 Abs 1 lita AWG 1990) und 20.000 S (Z8 in § 23 Abs 2 zweiter Satz GütbefG 1995 idF BGBl. I Nr. 17/1998), weil gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßend, als verfassungswidrig aufgehoben.

Begründend hat der Verfassungsgerichtshof zur zuletzt genannten Bestimmung des GütbefG, welches als verkehrsgewerbliche Norm in besonderer sachlicher Nähe zur ebenfalls verkehrsgewerblichen Norm des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes steht, im angeführten Erkenntnis vom ausgeführt, dass vor dem Hintergrund seiner Judikatur betreffend die Festsetzung gesetzlicher Mindeststrafen für die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von 20.000 S für Verwaltungsübertretungen gemäß § 23 Abs 1 Z 8 GütbefG keine sachliche Rechtfertigung zu erkennen wäre. Mit der hier gewählten Rechtsetzungstechnik werde weder auf das Gewicht und die Zielrichtung der im Einzelfall verletzten, im Gemeinschaftsrecht wurzelnden Vorschriften Bedacht genommen, noch auf die konkreten Umstände, unter denen die Verwaltungsübertretung begangen worden sei, noch schließlich auf die persönlichen Verhältnisse desjenigen, der die Verwaltungsübertretungen begangen habe. Dazu komme, dass in den in Betracht kommenden unmittelbar anwendbaren Vorschriften der Europäischen Union über das Ökopunktesystem die Verpflichtung (Gebote und Verbote) in der für Verwaltungsstraftatbestände erforderlichen ausreichend umschriebenen Weise nur für den Lenker eines Lastkraftwagens, nicht jedoch für den Transportunternehmer enthalten seien. Eine allfällige Rechtfertigung der Mindeststrafe im Hinblick auf den durch derartige Straftaten erzielbaren wirtschaftlichen Vorteil scheide daher von vorneherein aus, könne doch keinesfalls davon ausgegangen werden, dass der Lenker des LKW aus der Begehung der Verwaltungsübertretung einen unmittelbaren Nutzen ziehe. Dieser könne im Ergebnis nur dem Transportunternehmer zu Gute kommen, der jedoch nicht belangt werden könne (Anm. des Oö. Verwaltungssenates:

Dies galt für die der VfGH-Entscheidung zu Grunde liegende Rechtslage vor der GütbefG-Novelle, BGBl. I Nr. 106/2001). Die Strafdrohung richte sich somit gegen einen Personenkreis, der an der Begehung der Straftat in der Regel kein eigenes wirtschaftliches Interesse habe, vielmehr diesbezüglich nicht selten unter dem Druck eines Arbeitgebers stehen dürfte. Der Lenker als bloßer Arbeitnehmer vermöge im Hinblick auf die Komplexität der maßgebenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens meist nur in eingeschränktem Maße zu erkennen bzw die für die Einhaltung dieser Vorschriften erforderlichen Vorkehrungen (zB Ausstattung mit Ökopunkten) oft gar nicht im eigenen Verantwortungsbereich zu treffen.

Diese Bedenken fänden ihre Bestätigung durch die Novelle zum GütbefG 1995, BGBl. I Nr. 106/2001. In dieser Novelle sei einerseits die Mindeststrafe für Lenker bei Verletzung unmittelbar anwendbarer Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße zur Gänze entfallen und statt dessen eine Höchststrafe von 10.000 S getreten. Andererseits habe diese Novelle im § 9 Abs 3 leg. cit. eine Verpflichtung des Unternehmers neu eingeführt, nämlich vor Fahrtbeginn Vorsorge zu treffen, dass die Fahrt ohne Verletzung der Ökopunkte-Verordnung durchgeführt werde. Die dafür vorgesehene, neu eingeführte Strafbestimmung des § 23 Abs 1 Z 6 leg. cit. sehe nunmehr für dieses Delikt eine Mindeststrafe von 20.000 S vor. Die Novelle beseitige für den Lenker nicht nur die Mindeststrafe von 20.000 S, sondern setze an ihre Stelle eine Höchststrafe, die nur mehr die Hälfte der ursprünglich vorgesehenen Mindeststrafe betrage.

Die angefochtene Mindestgeldstrafe in der dieser oa Novelle voraus gegangenen Fassung des GütbefG erweise sich somit als überschießend und sei insofern sachlich nicht zu rechtfertigen, sodass sie mit dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot unvereinbar sei. In Bezug auf den gegenständlichen Normenprüfungsantrag wird vom Oö. Verwaltungssenat darauf hingewiesen, dass von der mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G181/01 ua., aufgehobenen Strafbestimmung des § 23 Abs 1 Z 8 iVm Abs 2 zweiter Satz GütbefG auch Verstöße gegen Artikel 5 Abs 4 der Verordnung (EWG) Nr. 881/1992 des Rates vom über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedsstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedsstaaten erfasst waren. Gemäß der zitierten Verordnungsstelle muss eine beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz im Fahrzeug mitgeführt werden und ist dem Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzuzeigen. Der Hinweis auf diesen Umstand erscheint deshalb geboten, weil der der mitbeteiligten Partei angelastete Verstoß gegen Artikel 3a Abs 3 der Verordnung (EWG) Nr. 684/1992 idF der Verordnung (EG) Nr. 11/1998 ein völlig gleichartiges Verhalten darstellt, welches durch § 15 Abs 2 GelVerkG pönalisiert wird.

Dem gegenständlichen Anlassfall liegt ein Sachverhalt dergestalt zu Grunde, dass die unter a) angeführte mitbeteiligte Partei als Lenker eines im Tatvorwurf näher umschriebenen Omnibusses bei der Einfahrt in das Bundesgebiet keine Abschrift der Gemeinschaftslizenz gemäß Artikel 3a Abs 3 der vorzitierten Gemeinschaftsverordnung vorweisen konnte. Die volle Tatbestandsmäßigkeit wird dabei von der mitbeteiligten Partei in keiner Weise bestritten sondern voll eingestanden.

Als schuldmildernd wird jedoch vorgebracht:

Der der mitbeteiligten Partei vom Gelegenheitsverkehrs-Unternehmer regelmäßig zugeteilte Omnibus war zum Tatzeitraum auf Reparatur. Die mitbeteiligte Partei hatte aber vergessen, die sich ansonsten regelmäßig in dem ihr zugeteilten Bus befindliche Abschrift der Gemeinschaftslizenz aus diesem zu entnehmen, um sie in dem ihr zum Tatzeitraum zugewiesenen Ersatzomnibus gemäß den Bestimmungen der Gemeinschaftsverordnung mitzuführen. Der Umstand kann der Aktenlage nach durchaus als den Tatsachen entsprechend erachtet werden; gleich wohl hatte die mitbeteiligte Partei aber schuldhaft und rechtswidrig gehandelt. Da ihr aber als bedienstetem Lenker des Gelegenheitsverkehrs-Unternehmers wohl kaum eigennützige und auf Erzielung eines wirtschaftlichen Vorteiles gerichtete Beweggründe unterstellt werden können, sondern eben ein bloß fahrlässiges und den Umständen nach auch nicht allzu schwer zu beurteilendes Verschulden angelastet werden kann, erachtet der Oö. Verwaltungssenat, anknüpfend an die oben im Wesentlichen wiedergegebene Begründung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , G181/01 ua die Strafbestimmung des § 15 Abs 2, zweiter Satz, GelVerkG als überschießend und mit dem Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes nicht vereinbar.

In dieser Ansicht erachtet sich der Oö. Verwaltungssenat auch bestätigt durch die Novelle zum Güterbeförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 106/2001 worin die Bestimmung des § 23 Abs 2 GütbefG folgenden neuen Wortlaut erhielt:

'(2) Wer als Lenker § 6 Abs 1, 3 oder 4 oder § 9 Abs 2 zuwider handelt oder unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, ist mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S zu bestrafen.'

Ein dem novellierten § 23 Abs 2 GütbefG angepasster Strafrahmen wird auch für gleichartige Verstöße gegen Vorschriften der Europäischen Union im Rahmen des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes durch unselbständig erwerbstätige Lenker für angemessen und sachlich geboten erachtet.

Im Hinblick darauf, dass die Änderung des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes 1996 durch Artikel 5 des Euro-Umstellungsgesetzes Verkehr, Innovation und Technologie - EUGVIT, BGBl. I Nr. 32/2002, mit dem der Schillingbetrag '20.000' in § 15 Abs 2 letzter Satz des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes 1996 auf den Eurobetrag '1.453' geändert wurde, im Anlassfall nach h. Auffassung noch nicht anzuwenden ist, wird iSd Artikel 140 Abs 4 B-VG beantragt, auszusprechen, dass § 15 Abs 2 letzter Satz des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes 1996, BGBl. Nr. 112 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/1999 verfassungswidrig war."

4.3. Die Bundesregierung erstattete in der Sache keine Äußerung und beantragte die Abweisung der Anträge. Für den Fall der Stattgabe beantragte die Bundesregierung, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art 140 Abs 5 für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr bestimmen, um die erforderlichen legistischen Maßnahmen zu ermöglichen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - in sinngemäßer Anwendung von §§187 und 404 ZPO iVm. § 35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Anträge erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Mit BGBl. I Nr. 32/2002 wurde das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz und damit auch dessen teilweise angefochtener § 15 dahin geändert, daß dieser mit Wirkung vom lautet, wie folgt:

"§15.

(1) Abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der Gewerbeordnung 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer

1. - 3. ...

4. eine Beförderung gemäß § 11 ohne die erforderliche Bewilligung durchführt oder gegen Gebote oder Verbote der Verordnung (EWG) Nr. 684/92 zur Einführung gemeinsamer Regeln für den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Kraftomnibussen, ABl. Nr. L 74 vom , S 1, in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 11/98, ABl. Nr. L 4 vom , S 1, oder der Verordnung (EG) Nr. 12/98 über die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Personenkraftverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, ABl. Nr. L 4 vom , S 10, verstößt;

5. - 6. ...

(2) Bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs 1 Z 1, 2 und 5 sowie bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs 1 Z 3, wenn es sich um Zuwiderhandlungen gegen § 10 Abs 2 handelt, hat die Geldstrafe mindestens 363 Euro zu betragen. Bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs 1 Z 4 hat die Geldstrafe mindestens 1453 Euro zu betragen.

(3) - (4) ..."

Gemäß § 1 Abs 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, daß das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre. Rechtsänderungen nach abgeschlossener Tat berühren die bereits eingetretene Strafbarkeit nicht. Sie haben gemäß § 1 Abs 2 VStG bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides erster Instanz nur hinsichtlich der Strafe zur Folge, daß ein etwaiges nunmehr für den Täter günstigeres Recht zur Anwendung zu kommen hat. Die durch BGBl. I Nr. 32/2002 bewirkte Euro-Umstellung des Gesetzes nach Fällung des Bescheides erster Instanz muß daher aufgrund des § 1 Abs 2 VStG ohne Bedeutung bleiben (vgl. ua.; VfSlg. 15763/2000).

Die genannte Novelle trat laut ihrer Inkrafttretensbestimmung mit , somit nach Erlassung der vor dem antragstellenden UVS bekämpften Bescheide, in Kraft. Es kann dem UVS daher nicht entgegengetreten werden, wenn er davon ausgeht, daß in den bei ihm anhängigen Verfahren die Schilling-Fassung zumindest noch mitanzuwenden war, wenn auch in Verbindung mit der Umrechnungsvorschrift gemäß Art 14 der Verordnung (EG) des Rates Nr. 974/98 vom über die Einführung des Euro (ABl. der EG Nr. L 139 vom , S 1).

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Anträge zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Zur maßgeblichen Rechtslage:

Die Blankettstrafnorm des § 15 Abs 1 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz erklärt die Nichteinhaltung der darin aufgezählten Rechtsvorschriften zu Verwaltungsübertretungen, die mit Geldstrafe von bis zu S 100.000,- zu bestrafen sind. Soweit Übertretungen der in Abs 1 Z 4 genannten Vorschriften betroffen sind (dabei handelt es sich um gemeinschaftsrechtliche Vorschriften zum gewerblichen Personengelegenheitsverkehr), sieht der - hier angefochtene - § 15 Abs 2 letzter Satz darüber hinaus vor, daß die Strafe mindestens S 20.000,- zu betragen hat.

Die durch die genannte Blankettstrafnorm bewirkte Verweisung führt dazu, daß eine Reihe von Verwaltungsübertretungen mit Mindeststrafe von S 20.000,- bedroht sind, so beispielsweise in jenen Fällen, in denen eine Person gewerblich im grenzüberschreitenden Personenverkehr tätig wird, obwohl sie im Staat ihrer Niederlassung über keine Genehmigung zur Personenbeförderung verfügt (Art3 Abs 1 erster Fall der Verordnung (EWG) Nr. 684/92). Die vom antragstellenden UVS zu beurteilenden Fälle betreffen hingegen ausschließlich Übertretungen des Art 3a Abs 3 der zitierten Verordnung, wonach "eine beglaubigte Kopie der Gemeinschaftslizenz in den Fahrzeugen mitzuführen und den Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzuzeigen [ist]" und somit die Verhängung der Mindeststrafe selbst bei Vorliegen der Gemeinschaftslizenz geboten ist, nur weil deren beglaubigte Kopie nicht mitgeführt wird.

2.2. Die Bedenken des antragstellenden UVS gehen dahin, daß die Regelung, zumal davon auch die "bediensteten Lenker [eines] Gelegenheitsverkehrs-Unternehmers, [denen] wohl kaum eigennützige und auf Erzielung eines wirtschaftlichen Vorteiles gerichtete Beweggründe unterstellt werden können", betroffen seien, überschießend und "mit dem Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes" nicht vereinbar sei.

Zur Untermauerung seiner verfassungsrechtlichen Bedenken verweist der UVS auf jene Gründe, die im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G181/01 ua. zur Aufhebung einer vergleichbaren Wortfolge in § 23 Güterbeförderungsgesetz geführt haben. Er verweist insbesondere auf die Begründung des Erkenntnisses, wonach mit der angefochtenen Strafdrohung "weder auf das Gewicht und die Zielrichtung der im Einzelfall verletzten, im Gemeinschaftsrecht wurzelnden Vorschriften Bedacht genommen [werde] noch auf die konkreten Umstände, unter denen die Verwaltungsübertretung begangen worden sei, noch schließlich auf die persönlichen Verhältnisse desjenigen, der die Verwaltungsübertretungen begangen habe". Ferner zitiert der UVS wörtlich die Stelle, wonach "in den in Betracht kommenden unmittelbar anwendbaren Vorschriften der Europäischen Union über das Ökopunktesystem die Verpflichtung (Gebote und Verbote) in der für Verwaltungsstraftatbestände erforderlichen ausreichend umschriebenen Weise nur für den Lenker eines Lastkraftwagens, nicht jedoch für den Transportunternehmer enthalten seien. Eine allfällige Rechtfertigung der Mindeststrafe im Hinblick auf den durch derartige Straftaten erzielbaren wirtschaftlichen Vorteil [scheide] daher von vorneherein aus, [könne] doch keinesfalls davon ausgegangen werden, dass der Lenker des LKW aus der Begehung der Verwaltungsübertretung einen unmittelbaren Nutzen ziehe. Dieser [könne] im Ergebnis nur dem Transportunternehmer zu Gute kommen, der jedoch nicht belangt werden [könne]".

3.1. Der Verfassungsgerichtshof hält an seiner im zitierten Erkenntnis zum Ausdruck gebrachten Auffassung fest.

3.2. Bei der Strafbestimmung des § 15 Abs 1 Z 4 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz handelt es sich um eine Blankettstrafnorm (in Form einer Verweisung), also um eine Norm, die dadurch gekennzeichnet ist, daß sie selbst keine Tatbilder enthält, diese sich vielmehr erst aus dem Inhalt der einzelnen verwiesenen Vorschriften ergeben (vgl. VfSlg. 5469/1967). Dieser gesetzestechnische Vorgang der äußeren Trennung von Tatbild und Strafdrohung ist verfassungsrechtlich an sich nicht bedenklich; im Einzelfall kann es freilich Zweifel darüber geben, an wen sich die einzelne Strafnorm richtet.

Gesetzlich normierte Strafsanktionen hat der Verfassungsgerichtshof mehrfach anhand des Gleichheitssatzes geprüft. Zur Vermeidung von Wiederholungen genügt es hier, auf das Erkenntnis vom , G181/01 ua., zu verweisen, in dem diese Rechtsprechung im Einzelnen dargestellt wird.

Die Normierung einer gesetzlichen Mindeststrafe kann jedoch sachlich gerechtfertigt sein; uzw. etwa dann, wenn damit - im Hinblick auf das hohe wirtschaftliche Interesse der potentiellen Täter am verbotenen Verhalten - zur Sicherung des Strafzwecks vermieden werden soll, daß diese den Strafbetrag als bloßen Preis für den wirtschaftlichen Nutzen einkalkulieren (vgl. VfSlg. 13790/1994).

3.3. In den beim antragstellenden UVS zur Entscheidung stehenden Fällen geht es nun nicht um jene Übertretungen der Verordnung (EWG) Nr. 684/92, die in der Regel nur durch die im Gelegenheitsverkehr tätigen gewerblichen Unternehmer begangen werden, sondern um solche Fälle, die der Anordnung des Art 3a dieser Verordnung unterliegen, wonach "... eine beglaubigte Kopie der Gemeinschaftslizenz in den Fahrzeugen mitzuführen und den Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzuzeigen [ist]", - um jenes Tatbild also, das schon der Sache nach auch vom jeweiligen Lenker des Fahrzeuges verwirklicht werden kann.

In diesem Teilbereich führt also die Blankettstrafnorm im Ergebnis zu einem Delikt, mit dem, wie insbesondere auch die beim antragstellenden UVS anhängigen Fälle zeigen, gerade jene Personen mit einer Mindeststrafe von S 20.000,- bedroht werden, die zum einen aus der inkriminierten Tätigkeit in aller Regel keinen eigenen wirtschaftlichen Vorteil haben dürften, zum anderen die für die Einhaltung dieser Vorschriften erforderlichen Vorkehrungen oft gar nicht im eigenen Verantwortungsbereich treffen können und zudem auch nicht selten unter dem Druck des Arbeitgebers stehen dürften.

3.4. Soweit der Gesetzgeber die Anwendbarkeit der Mindeststrafe (mittels pauschaler Verweisung) zumindest auch auf Übertretungen von Art 3a Abs 3 2. Satz ("Eine beglaubigte Kopie der Gemeinschaftslizenz ist in den Fahrzeugen mitzuführen und den Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzuzeigen") der zitierten EG-Verordnung erstreckt hat, hat er eine überschießende und damit unsachliche Regelung getroffen.

Im Hinblick darauf war auf die Frage nicht näher einzugehen, ob die Mindeststrafe allenfalls für andere Bereiche ihres Anwendungsgebietes (etwa bei gewerbsmäßigem Durchführen von grenzüberschreitendem Gelegenheitsverkehr ohne Vorliegen einer Gewerbeberechtigung im Staat der Niederlassung iSd. Art 3 der Verordnung) sachlich gerechtfertigt wäre. Es war auch nicht auf die Frage einzugehen, ob der Unwertgehalt des bloßen "Nichtmitführens" der beglaubigten Abschrift einer an sich existierenden Gemeinschaftslizenz entgegen Art 3a der zitierten Verordnung nicht schon - angesichts der Bedeutung und der Zielrichtung dieser Übertretung - per se in einem Mißverhältnis zur angedrohten Mindeststrafe von S 20.000,- steht.

4. Dem Antrag ist mit der Feststellung, daß die angefochtene Bestimmung verfassungswidrig war, Folge zu geben.

III. 1. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung im Bundesgesetzblatt I folgt aus Art 140 Abs 7 zweiter Satz

B-VG.

2. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.