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VfGH vom 30.11.1996, G1381/95

VfGH vom 30.11.1996, G1381/95

Sammlungsnummer

14683

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit der Regelung der Haftung für Sozialversicherungsbeiträge bei Betriebsübergang; keine sachliche Rechtfertigung der Privilegierung nur des Sozialversicherungsträgers als Gläubiger des Betriebsvorgängers bei einer Veräußerung des Betriebes allein im Ausgleichsverfahren nicht aber im Konkursverfahren

Spruch

§ 67 Abs 5 ASVG idF BGBl. Nr. 111/1986 war verfassungswidrig.

Der Bundeskanzler hat diesen Ausspruch unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Die Abs 4 und 5 des § 67 ASVG idF der 41. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 111/1986, - der angefochtene Abs 5 ist hervorgehoben - hatten folgenden Wortlaut:

"(4) Wird ein Betrieb übereignet, so haftet der Erwerber für Beiträge, die sein Vorgänger zu zahlen gehabt hätte, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Vorgängers sowie der Haftung des Betriebsnachfolgers nach § 1409 ABGB unter Bedachtnahme auf § 1409 a ABGB und der Haftung des Erwerbers nach § 25 des Handelsgesetzbuches für die Zeit von höchstens zwölf Monaten vom Tag des Erwerbes zurückgerechnet. Im Fall einer Anfrage beim Versicherungsträger haftet er jedoch nur mit dem Betrag, der ihm als Rückstand ausgewiesen worden ist.

(5) Abs 4 gilt nicht bei einem Erwerb aus einer Konkursmasse oder im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens."

1.2. Mit dem die 53. Novelle zum ASVG beinhaltenden Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 411/1996, wurde § 67 Abs 5 ASVG neugefaßt. Er hat nunmehr folgenden Wortlaut:

"(5) Abs 4 gilt nicht bei einem Erwerb im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens, bei einem Erwerb aus einer Konkursmasse, im Wege des Ausgleichsverfahrens (auch des fortgesetzten Verfahrens) oder der Überwachung des Schuldners durch Sachwalter der Gläubiger."

1.3. Die §§1409 und 1409 a ABGB, beide idF BGBl. Nr. 370/1982, haben folgenden Wortlaut:

"§1409. (1) Übernimmt jemand ein Vermögen oder ein Unternehmen, so ist er unbeschadet der fortdauernden Haftung des Veräußeres den Gläubigern aus den zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden, die er bei der Übergabe kannte oder kennen mußte, unmittelbar verpflichtet. Er wird aber von der Haftung insoweit frei, als er an solchen Schulden schon so viel berichtigt hat, wie der Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens beträgt.

(2) Ist jedoch ein naher Angehöriger des Veräußerers (§32 KO) der Übernehmer, so trifft ihn diese Verpflichtung, soweit er nicht beweist, daß ihm die Schulden bei der Übergabe weder bekannt waren noch bekannt sein mußten.

(3) ...

§ 1409 a. Wer ein Vermögen oder ein Unternehmen im Weg der Zwangsvollstreckung, des Konkurses, des Ausgleichsverfahrens (auch des fortgesetzten Verfahrens) oder der Überwachung des Schuldners durch Sachwalter der Gläubiger erwirbt, haftet nicht nach § 1409 Abs 1 und 2."

1.4. § 25 HGB idF BGBl. Nr. 370/1982 lautet wie folgt:

"§25. (1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. ...

(2) ...

...

(4) Wer ein Handelsgeschäft im Weg der Zwangsvollstreckung, des Konkurses, des Ausgleichsverfahrens (auch des fortgesetzten Verfahrens) oder der Überwachung des Schuldners durch Sachwalter der Gläubiger erwirbt, haftet nicht nach Abs 1.

(5) Durch diese Bestimmungen wird eine durch andere Vorschriften begründete Haftung für die zu einem übernommenen Vermögen oder Unternehmen gehörenden Schulden nicht berührt."

1.5. § 14 BAO idF BGBl. Nr. 448/1992 lautet wie folgt:

"§14. (1) Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet der Erwerber

a) für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen;

b) für Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres abzuführen waren.

Dies gilt nur insoweit, als der Erwerber im Zeitpunkt der Übereignung die in Betracht kommenden Schulden kannte oder kennen mußte und insoweit, als er an solchen Abgabenschuldigkeiten nicht schon so viel entrichtet hat, wie der Wert der übertragenen Gegenstände und Rechte (Besitzposten) ohne Abzug übernommener Schulden beträgt.

(2) Die Bestimmungen des Abs 1 gelten nicht bei einem Erwerb im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens, bei einem Erwerb aus einer Konkursmasse, im Weg des Ausgleichsverfahrens (auch des fortgesetzten Verfahrens) oder der Überwachung des Schuldners durch Sachwalter der Gläubiger."

2.1. Beim Verwaltungsgerichtshof ist zu Z 94/08/0060 eine Beschwerde der Salzburger Gebietskrankenkasse gegen einen Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg idF eines Berichtigungsbescheides betreffend Betriebsnachfolgehaftung gemäß § 67 Abs 4 ASVG anhängig. Diesem Beschwerdeverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Bescheid vom stellte die Salzburger Gebietskrankenkasse fest, daß eine GmbH, die mit Kaufvertrag vom Teile des Anlagevermögens eines in Ausgleich befindlichen Unternehmens erworben hatte, gemäß § 67 Abs 4 ASVG dem Grunde nach für die Beiträge hafte, die das in Ausgleich befindliche Unternehmen für die Zeit vom bis zu zahlen gehabt hätte. Der Bescheid wurde damit begründet, daß der Erwerb näher bezeichneter Teile des Anlagevermögens des in Ausgleich befindlichen Unternehmens der GmbH die Fortsetzung "des Teilbetriebes" ermögliche.

Mit dem bekämpften Bescheid gab der Landeshauptmann von Salzburg der Berufung der zur Haftung herangezogenen GmbH Folge und behob den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse als rechtswidrig. Dies wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Berufungswerberin durch den Erwerb bestimmter Teile des Anlagevermögens des in Ausgleich gegangenen Unternehmens nicht in der Lage gewesen sei, den Betrieb der Betriebsvorgängerin auch nur teilweise fortzusetzen.

In der gegen diesen Bescheid von der Salzburger Gebietskrankenkasse erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erachtet sich diese in ihrem Recht verletzt, die GmbH als Betriebsnachfolgerin des in Ausgleich gegangenen Unternehmens zur Haftung für die in ihrem Bescheid genannten Beiträge heranzuziehen.

Aus Anlaß dieser Beschwerde stellt der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom , Z A176/95 (94/08/0060), den zu G1381/95 protokollierten Antrag, § 67 Abs 5 ASVG, in eventu § 67 Abs 4 und 5 ASVG, jeweils in der Fassung der 41. Novelle, BGBl. Nr. 111/1986, als verfassungswidrig aufzuheben.

Zur Präjudizialität der bekämpften Bestimmungen bringt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Antrag vor, er habe bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides daraufhin, ob die belangte Behörde zu Recht eine Haftung der GmbH gemäß § 67 Abs 4 ASVG verneint habe, jedenfalls diese Vorschrift, aber auch den Abs 5 des § 67 ASVG anzuwenden; die letztere Bestimmung deshalb, weil im Beschwerdefall zu prüfen sei, ob § 67 Abs 4 ASVG auch bei einem Erwerb eines Betriebes (Teilbetriebes) im Wege des Ausgleichsverfahrens trotz der Nichtnennung eines solchen Erwerbes in § 67 Abs 5 leg.cit. nicht gelte.

In der Begründung seines Antrages legt der Verwaltungsgerichtshof zunächst die Entwicklung der Rechtslage dar. Er führt aus, daß § 67 ASVG vor der Änderung durch die 41. ASVG-Novelle keine dem nunmehrigen Abs 5 entsprechende Bestimmung enthalten habe. In seinem Erkenntnis VwSlg. 11273 A/1983, das zur Rechtslage vor der 41. ASVG-Novelle ergangen ist, sei er zum Ausschluß einer Erwerberhaftung iSd § 67 Abs 4 ASVG für die Fälle des Erwerbes eines Betriebes (Teilbetriebes) aus der Konkursmasse oder im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens gekommen. Dabei habe er insbesondere auf § 65 Abs 1 ASVG, andere Regelungen der Betriebsnachfolgehaftung im Zivilrecht (§1409 ABGB, § 25 HGB) und im öffentlichen Recht (§14 Abs 2 BAO) Bedacht genommen. Aus diesen Bestimmungen sei die Ableitung des allgemeinen Grundsatzes möglich gewesen, daß nach der österreichischen Rechtsordnung beim Erwerb aus der Konkursmasse oder im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens der Übernehmer nicht für Schulden des Vorgängers haften solle.

Durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982 sei dem ABGB ein § 1409 a ein- und dem § 25 HGB ein vierter und fünfter Absatz angefügt worden, die eine Haftung einerseits nach § 1409 Abs 1 und 2 ABGB, andererseits nach § 25 Abs 1 HGB unter anderem für den Fall des Erwerbes eines Vermögens oder Unternehmens bzw. eines Handelsgeschäftes im Wege des Ausgleichsverfahrens (auch des fortgesetzten Verfahrens) ausschließen.

In weiterer Folge seien durch die 41. ASVG-Novelle die Abs 4 und 5 des § 67 ASVG in der bekämpften Fassung erlassen worden.

In der durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 12764/1991 notwendig gewordenen Neufassung des § 14 BAO habe der Abs 2 dieser Bestimmung eine dem § 1409 a ABGB nachgebildete Fassung erhalten, sodaß nunmehr § 14 Abs 1 BAO auch bei einem Erwerb eines Unternehmens oder eines im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführten Betriebes im Wege des Ausgleichsverfahrens (auch des fortgesetzten Verfahrens) nicht gelte.

Seine Bedenken gegen die bekämpften Bestimmungen legt der Verwaltungsgerichtshof im einzelnen wie folgt dar:

"... § 67 Abs 5 ASVG wurde bisher nicht im Sinne des neugefaßten § 14 Abs 2 BAO erweitert. Wortlaut und Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung (nämlich einerseits der Umstand, daß sie zu einem Zeitpunkt in das ASVG eingefügt wurde, als § 1409 a ABGB und § 25 Abs 4 HGB schon gegolten haben, und andererseits die ausdrücklich erklärte Absicht des Gesetzgebers der 41. ASVG-Novelle, 'eine dem § 14 Abs 2 BAO (in der damaligen Fassung) gleichartige Regelung' vorzusehen) stehen einer Interpretation dieser Bestimmung (aus den Gründen des obzitierten Erkenntnisses vom , VwSlg. Nr. 11.273/A) im Sinne einer bloß demonstrativen Aufzählung der Ausnahmegründe von § 67 Abs 4 ASVG entgegen; eine solche Deutung ermöglicht auch nicht der Hinweis im § 67 Abs 4 ASVG auf die Haftung des Betriebsnachfolgers bzw. des Erwerbers nach § 1409 a ABGB bzw. § 25 HGB, weil dadurch nur die von der öffentlich-rechtlichen Haftung des § 67 Abs 4 ASVG unabhängige Haftung nach den genannten zivilrechtlichen Bestimmungen betont, nicht aber die öffentlich-rechtliche eingeschränkt wurde. Andererseits gestatten die genannten Umstände auch nicht eine analoge Heranziehung des § 14 Abs 2 BAO; dies auch nicht angesichts der Absicht des Gesetzgebers der 41. ASVG-Novelle, weil dadurch nur eine Angleichung an § 14 Abs 2 BAO in der damaligen Fassung beabsichtigt und durchgeführt wurde. § 67 Abs 4 ASVG gilt daher nach wie vor auch bei einem Erwerb eines Betriebes (Teilbetriebes) im Wege eines Ausgleichsverfahrens.

... Diese (von den genannten Haftungsregelungen im Zivilrecht und im Steuerrecht abweichende) sozialversicherungsrechtliche Haftungsregelung verstößt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes gegen das auch den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgebot des Art 7 B-VG und ist daher (vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum späteren Eintritt der Gleichheitswidrigkeit einer ursprünglich gleichheitsgemäßen Norm, so etwa nach VfSlg. Nr. 11048/1986, jedenfalls seit der Neufassung des § 14 Abs 2 BAO) verfassungswidrig:

Mit der im Zivil- und Steuerrecht vorgenommenen Beseitigung des vom Gesetzgeber als nicht mehr angebracht angesehenen Ungleichgewichts zwischen dem Konkurs- und Ausgleichsverfahren durch den Ausschluß auch der Haftung einer Person, die ein Unternehmen (einen Betrieb oder Teilbetrieb) im Wege eines Ausgleichsverfahrens erwirbt, und die dadurch herbeigeführte Gleichstellung der bisher privilegierten Gläubiger des Unternehmens(Betriebs)vorgängers gegenüber seinen übrigen Gläubigern gab der Gesetzgeber zur Erleichterung der Verwirklichung eines Sanierungsprogrammes, d.h. zur (sozial- und wirtschaftspolitisch erwünschten) Fortführung des Unternehmens (Betriebs bzw. Teilbetriebes) unter Vermeidung eines Konkurses, der Gleichstellung aller Gläubiger des in Ausgleich geratenen Unternehmens(Betriebs)vorgängers, in deren Interesse ja die Unternehmens(Betriebs)veräußerung erfolgt, den Vorzug vor der Beibehaltung der genannten Privilegierung.

Mit dieser Lösung des sich ganz allgemein im Insolvenzverfahren stellenden Ordnungsproblems steht die Regelung des § 67 Abs 4 ASVG nicht nur im theoretischen Widerspruch; ihre Aufrechterhaltung ist auch durchaus geeignet, nicht nur in Ausnahmsfällen die Verwirklichung des mit den genannten Reformen angepeilten Zieles zu verhindern. Für die Beibehaltung dieser systemwidrigen Regelung bestehen aber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes keine (vor dem Hintergrund des gewählten Ordnungssystems) sachlichen Gründe. Denn zweifellos besteht zwar am Funktionieren eines leistungsfähigen Sozialversicherungssystems und damit an der Sicherung der dieses System hauptsächlich finanzierenden Beiträge ein hohes öffentliches Interesse. Dieses Interesse unterscheidet sich aber - im hier maßgeblichen Sachzusammenhang - nicht entscheidend von jenem des öffentlich-rechtlichen Gläubigers von Steuerschulden, was im übrigen der Gesetzgeber selbst durch die vielfache Anlehnung der Haftungsregelung des § 67 Abs 4 ASVG an jene des § 14 BAO, insbesondere, wie die obzitierten Materialien der 41. ASVG-Novelle erweisen, auch in bezug auf die Ausnahme von dieser Haftungsregelung, zum Ausdruck gebracht hat. In beiden Rechtsgebieten handelt es sich um öffentlich-rechtliche, vom Willen der Pflichtigen unabhängige Schulden; der Dienstgeber wird (ungeachtet der unterschiedlichen rechtlichen Konstruktion hinsichtlich des Schuldners) sowohl im Lohnsteuerrecht als auch im sozialversicherungsrechtlichen Beitragsrecht zum Zahlungs(Abfuhr)pflichtigen auch für materiell-öffentlich-rechtliche Dienstnehmerschuldigkeiten; auch ist klar, daß der öffentlich-rechtliche Gläubiger der Steuerschuld unabhängig von der Einbringlichkeit der einzelnen Schuldigkeiten seinen gesetzlichen Leistungsverpflichtungen nachkommen muß. Schließlich sind auch keine sachlichen Gesichtspunkte dafür erkennbar, die - anders als bei einer Veräußerung des Betriebes (Teilbetriebes) im Konkursverfahren - eine Privilegierung nur des Sozialversicherungsträgers als Gläubiger des Betriebsvorgängers bei einer Veräußerung des Betriebes im Ausgleichsverfahren erforderlich machten. Die (eine Haftung des Erwerbers eines Betriebes bzw. Teilbetriebes auch bei Betriebsveräußerung im Ausgleich zulassende) sozialversicherungsrechtliche Regelung erscheint daher dem Verwaltungsgerichtshof - sowohl im Verhältnis zu den anderen genannten Haftungsregelungen im Zivil- und Steuerrecht als auch im System des ASVG selbst - unsachlich (geworden) zu sein.

... Der Verwaltungsgerichtshof stellt daher an den Verfassungsgerichtshof den im Spruch formulierten Antrag. Der Primärantrag gründet sich darauf, daß die Bezugnahme des § 67 Abs 4 ASVG auf § 1409 a ABGB und auf § 25 HGB für den Fall der Aufhebung des § 67 Abs 5 ASVG ein gleichheitskonformes Auslegungsergebnis in dem Sinn ermöglicht, daß auch bei Erwerb eines Betriebes im Ausgleich eine Haftung nach § 67 Abs 4 ASVG nicht eintritt (vgl. etwa die Argumentation im schon zitierten Erkenntnis vom , VwSlg. Nr. 11.273/A). Sollte der Verfassungsgerichtshof allerdings der Auffassung sein, daß mit der Aufhebung des § 67 Abs 5 ASVG die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit (noch) nicht beseitigt wäre, so stellt der Verwaltungsgerichtshof eventualiter den Antrag, § 67 Abs 4 und 5 ASVG in der genannten Fassung aufzuheben."

2.2. Zu Z 94/08/0061 ist beim Verwaltungsgerichtshof eine weitere Beschwerde der Salzburger Gebietskrankenkasse gegen einen Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg idF eines Berichtigungsbescheides betreffend Betriebsnachfolgehaftung gemäß § 67 Abs 4 ASVG anhängig.

Auch in dem dieser Beschwerde zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren hatte die Salzburger Gebietskrankenkasse mit Bescheid vom festgestellt, daß eine GmbH als Erwerberin eines Teilbetriebes aus dem Anlagevermögen einer im Ausgleich befindlichen AG gemäß § 67 Abs 4 ASVG dem Grunde nach für die Beiträge hafte, welche die AG für die Zeit vom bis zum zu zahlen gehabt hätte. Die bescheiderlassende Behörde ging davon aus, daß der Erwerb näher angeführter Teile des Anlagevermögens der AG der GmbH die Fortsetzung des Teilbetriebes ermögliche.

Mit dem bekämpften Bescheid gab der Landeshauptmann von Salzburg dem Einspruch der GmbH Folge und behob den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse. Dies geschah im wesentlichen deshalb, weil nach Auffassung des Landeshauptmannes die GmbH durch den Erwerb der angeführten Teile des Anlagevermögens der AG nicht in der Lage gewesen sei, den Betrieb der Betriebsvorgängerin auch nur teilweise (als Teilbetrieb) fortzusetzen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich die Salzburger Gebietskrankenkasse in ihrem Recht verletzt, die GmbH als Betriebsnachfolgerin der AG zur Haftung für die in ihrem Bescheid genannten Beiträge heranzuziehen.

Aus Anlaß dieser Beschwerde stellt der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom , Z A175/95 (94/08/0061), den zu G1382/95 protokollierten Antrag, § 67 Abs 5 ASVG, in eventu § 67 Abs 4 und 5 ASVG, jeweils in der Fassung der 41. Novelle, BGBl. Nr. 111/1986, als verfassungswidrig aufzuheben.

Hinsichtlich der Präjudizialität der bekämpften Bestimmungen und der Begründung seines Antrages verweist der Verwaltungsgerichtshof auf die Ausführungen in dem seinem Antrag beigeschlossenen, zu G1381/95 protokollierten Antrag.

3.1. Die Bundesregierung hat in ihrer Sitzung vom beschlossen, aufgrund des Erkenntnisses VfSlg. 12764/1991 und im Hinblick auf die geplante Änderung der angefochtenen Vorschriften im Rahmen der 53. ASVG-Novelle von der Erstattung einer meritorischen Äußerung in den beiden Gesetzesprüfungsverfahren Abstand zu nehmen.

3.2. Die beteiligte Salzburger Gebietskrankenkasse hat in beiden Verfahren eine - gleichlautende - Äußerung abgegeben, in der sie den Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes entgegentritt und begehrt, die angefochtenen Vorschriften nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

Die Gebietskrankenkasse bringt zunächst gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes, spätestens seit der Neufassung des § 14 Abs 2 BAO sei die Verfassungswidrigkeit der bekämpften Vorschriften gegeben, das Argument vor, daß es nicht unzulässig sei, von einem einmal geschaffenen Ordnungssystem wieder abzugehen und einzelne Tatbestände auf eine nicht systemgerechte Art zu regeln. Das Abgehen von einem Ordnungssystem sei für sich allein noch nicht gleichheitswidrig. Es müsse nur die Regelung in sich selbst dem Gleichheitsgrundsatz entsprechen. Das aber sei hinsichtlich des § 67 Abs 4 ASVG der Fall.

Im übrigen wird in der Äußerung ausgeführt:

"Richtig ist zwar, daß der Sozialversicherungsträger im gegebenen Fall gegenüber anderen Gläubigern in gewisser Weise bevorzugt würde.

Hinsichtlich der Bevorzugung gegenüber Personen des Privatrechtes kann aber angeführt werden, daß bei Sozialversicherungsbeiträgen nach wie vor das Prinzip der 'ipsoiure-Versicherung' gilt und die Versicherung unabhängig vom Willen der Beteiligten und einer Beitragszahlung eintreten muß. Dadurch ist jedenfalls eine weitere Fassung, als es § 1409 ABGB bzw. 25 HGB voraussetzt, gerechtfertigt. Dazu kommt auch noch, daß bei der Veräußerung die offenen Beiträge höchstens für die Zeit von 12 Monaten, vom Tage des Erwerbes zurückgerechnet, anfallen, sodaß diese beim Erwerb Berücksichtigung finden können.

Bezüglich der Unterscheidung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern ist anzuführen, daß auch hier eine unterschiedliche Regelung durchaus gerechtfertigt erscheint.

Die Sozialversicherung wird über ein Umlageverfahren finanziert und ist sie bei der Erhaltung der Liquidität weitaus weniger flexibel als dies der Staat (Gesetzgeber) sein kann. Der Staat kann im Steuerrecht zwischen Budgetposten umschichten (Budgetüberschreitungsgesetz); derartige ähnliche Umschichtungen wurden für die Sozialversicherung, auch wenn sie nur innerhalb der Sozialversicherung stattfanden, als nicht zulässig erklärt (VfSlg. 10451 und 10779).

Sozialversicherungsbeiträge (Beitragsforderungen) sind über die Bemessungsgrundlagen nach § 125 ASVG, §§178 ff. und 283 ff. ASVG gleichzeitig konkreten Leistungen zuzuordnen, weil die Beitragsgrundlagen den Betroffenen in Form von Anwartschaften, Leistungsansprüchen und Versicherungsschutz für die Leistungsbemessung erhalten bleiben. Steuerforderungen sind dagegen den Ansprüchen des Steuerzahlers (Staatsbürgers) nicht derart konkret zuordbar.

Auch wenn sowohl Steuern als auch Sozialversicherungsbeiträge öffentliche Abgaben darstellen, so ist doch die Sozialversicherungsschuld und Steuerschuld unterschiedlich zu betrachten. Es gibt zwischen der Gläubigerschaft der Sozialversicherung und jener des Staates, wenn von den gesetzlichen Leistungsverpflichtungen gesprochen wird, wieder einen wesentlichen Unterschied. Wie bereits angeführt, kann der Staat seine Leistungsverpflichtungen selbst ändern, in dem Umfang, wie er das Steuerrecht ändern kann. Es ist sohin ein größerer Spielraum gegeben und ist die Finanzierung selbst bestimmt. Die Sozialversicherung kann dies im Gegensatz dazu nicht, sie ist auf die staatlich vorgegebenen Finanzierungsregeln eingeschränkt. Ihre Finanzierung ist nicht selbstbestimmt, sondern fremdbestimmt, da die Versicherungsträger weder ihre Beiträge noch ihre Leistungen in nennenswerter Weise verändern können."

4. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

4.1. Zur Zulässigkeit:

Die Anträge sind, da sämtliche Prozeßvoraussetzungen vorliegen, zulässig.

4.2. In der Sache:

4.2.1. Das zentrale Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes geht dahin, daß der Gesetzgeber im Zivil- und Steuerrecht das bisher vorhanden gewesene Ungleichgewicht zwischen dem Konkurs- und dem Ausgleichsverfahren durch den Ausschluß auch der Haftung einer Person, die ein Unternehmen bzw. einen Betrieb oder einen Teilbetrieb im Wege eines Ausgleichsverfahrens erwirbt, beseitigt hat, wohingegen dies im Bereich der Sozialversicherung nicht geschehen sei. Durch diese Änderung des Ordnungssystems sei der bekämpfte § 67 Abs 5 ASVG unsachlich geworden.

4.2.2. Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, daß der Gesetzgeber durch die mit dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982, BGBl. Nr. 370/1982, vorgenommene Novellierung des ABGB und des HGB sowie durch die Neufassung des § 14 BAO mit BGBl. Nr. 448/1992 das ursprünglich vorhanden gewesene Ordnungssystem betreffend die Haftung von Personen für Schulden beim Erwerb eines Betriebes oder Teilbetriebes im Wege eines Ausgleichsverfahrens grundlegend geändert hat: Durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982 ist im ABGB und HGB die zivilrechtliche Haftung für Schulden u.a. im Falle des Erwerbes eines Vermögens oder Unternehmens bzw. eines Handelsgeschäftes im Wege des Ausgleichsverfahrens ausgeschlossen worden. Dieser Haftungsausschluß ging über den in § 14 Abs 2 BAO, BGBl. Nr. 194/1961, angeordneten, sich nur auf die Fälle des Erwerbes aus der Konkursmasse oder im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens beziehenden hinaus. Mit der 41. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 111/1986, wurde der hier angefochtene § 67 Abs 5 ASVG in ausdrücklicher Orientierung an § 14 Abs 2 BAO geschaffen. § 14 BAO wurde in weiterer Folge mit dem BGBl. Nr. 448/1992 in der Form neu erlassen, daß er in seinem Abs 2 nunmehr auch einen Haftungsausschluß für Fälle des Erwerbes eines Unternehmens im Wege des Ausgleichsverfahrens enthält. Damit aber ist insgesamt ein neues Ordnungssystem entstanden. Durch die solcherart erfolgte Änderung des Umfeldes des hier bekämpften § 67 Abs 5 ASVG ist diese Bestimmung systemwidrig und damit unsachlich geworden.

Die beteiligte Salzburger Gebietskrankenkasse hat zwar vorgebracht, daß die Bevorzugung der Sozialversicherung gegenüber Personen des Privatrechts dadurch gerechtfertigt sei, daß die Sozialversicherung unabhängig vom Willen der Beteiligten eintreten müsse, und daß andererseits die Ungleichbehandlung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen darin ihre Rechtfertigung erfahre, daß der Staat im Gegensatz zur Sozialversicherung Budgetposten umschichten könne und darüber hinaus die Möglichkeit habe, seine Leistungsverpflichtungen selbst zu ändern.

Diese Argumente vermögen aber an der geschilderten Umgestaltung dieses Systems nichts zu ändern; vor deren Hintergrund sind keine sachlichen Gesichtspunkte für die Privilegierung nur des Sozialversicherungsträgers als Gläubiger des Betriebsvorgängers bei einer Veräußerung des Betriebes allein im Ausgleichsverfahren, nicht aber auch im Konkursverfahren, ersichtlich. Insbesondere ist unter dem Gesichtspunkt der Sanierung von Unternehmen zu beachten, daß einem geringeren Eingang von Sozialversicherungsbeiträgen bei Entfallen der Haftung für solche Beiträge künftige Einnahmen an Sozialversicherungsbeiträgen gegenüberstehen, wenn eine Sanierung und Fortführung des Unternehmens durch den Wegfall der Haftung ermöglicht wird.

Es war daher - die bekämpfte Vorschrift steht nicht mehr in Kraft - auszusprechen, daß § 67 Abs 5 ASVG idF BGBl. Nr. 111/1986 verfassungswidrig war.

5. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt erfließt aus Art 140 Abs 5 B-VG.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.