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VfGH vom 07.03.2018, G136/2017 ua (G136/2017-19 ua)

VfGH vom 07.03.2018, G136/2017 ua (G136/2017-19 ua)

Leitsatz

Aufhebung von Bestimmungen des Nö MindestsicherungsG betreffend die von der Dauer des Aufenthalts abhängige Differenzierung des Anspruchs auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung sowie die starre Deckelung der Bezugshöhe bei Haushalten mit mehreren Personen; teilweise Zurückweisung der Gerichtsanträge wegen unzulässigen Anfechtungsumfangs bzw mangels Präjudizialität

Spruch

I.1. § 10 Abs 4, § 11a und § 11b NÖ Mindestsicherungsgesetz, LGBl für Niederösterreich 9205-0 idF LGBl für Niederösterreich Nr 103/2016, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

3. Die aufgehobenen Bestimmungen sind nicht mehr anzuwenden.

4. Die Landeshauptfrau von Niederösterreich ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt für Niederösterreich verpflichtet.

II.Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.Anträge

Mit den zu G136/2017, G138/2017, G149/2017, G150/2017, G152/2017, G155/2017, G173/2017, G243/2017 und G244/2017 protokollierten, auf Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG gestützten Anträgen begehrt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, § 11b NÖ Mindestsicherungsgesetz (im Folgenden: NÖ MSG), LGBl 9205-0 idF LGBl 103/2016, als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit den zu G137/2017, G140/2017, G142/2017, G146/2017, G147/2017, G153/2017, G159/2017, G164/2017, G170-172/2017 und G174/2017-G 176/2017 protokollierten, auf Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG gestützten Anträgen begehrt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, "-Integration" im ersten Satz des § 7d Abs 5 sowie § 10 Abs 4, § 11a und § 11b NÖ MSG, LGBl 9205-0 idF LGBl 103/2016, als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit den zu G139/2017, G141/2017, G143/2017-G 145/2017, G148/2017, G151/2017, G154/2017, G157/2017, G158/2017, G160-163/2017 und G169/2017 protokollierten, auf Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG gestützten Anträgen begehrt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, "-Integration" im ersten Satz des § 7d Abs 5 sowie § 10 Abs 4, § 11a NÖ MSG, LGBl 9205-0 idF LGBl 103/2016, als verfassungswidrig aufzuheben.

II.Rechtslage

Das NÖ Mindestsicherungsgesetz (NÖ MSG), LGBl 9205-0 idF LGBl 103/2016, lautet auszugsweise wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"§5

Anspruchsberechtigte Personen

(1) Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung haben nach Maßgabe dieses Abschnittes Personen, die

1. hilfsbedürftig sind,

2. ihren Hauptwohnsitz oder mangels eines solchen ihren Aufenthalt in Niederösterreich haben und

3. zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind.

(2) Zum Personenkreis nach Abs 1 Z 3 gehören jedenfalls:

1. österreichische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen sowie deren Familienangehörige, die über einen Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger' gemäß § 47 Abs 2 NAG verfügen;

2. Staatsangehörige eines anderen Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz sowie deren Familienangehörige im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG, jeweils soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden oder die Einreise nicht zum Zweck des Bezuges von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung erfolgt ist;

3. Asylberechtigte gemäß § 3 AsylG 2005;

4. Drittstaatsangehörige mit einem Aufenthaltstitel

a) 'Daueraufenthalt-EU' gemäß § 45 NAG oder

b) 'Daueraufenthalt-EU' eines anderen Mitgliedstaates und einem Aufenthaltstitel gemäß § 49 NAG.

(3) Keinen Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung des Landes haben insbesondere:

1. Personen nach Abs 2 Z 2 während der ersten drei Monate ihres Aufenthaltes im Inland, außer es handelt sich um Arbeitnehmer oder Selbständige und deren Familienangehörige;

2. Personen während ihres sichtvermerksfreien oder sichtvermerkspflichtigen Aufenthaltes im Inland, soweit nicht Z 1 anwendbar ist;

3. Asylwerber gemäß § 13 AsylG 2005;

4. Subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 8 AsylG 2005.

(4) Bedarfsorientierte Mindestsicherung kann auf Grundlage des Privatrechts auch an andere als die in Abs 2 genannte Personen, die sich für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten rechtmäßig in Niederösterreich aufhalten, geleistet werden, wenn dies auf Grund der persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse zur Vermeidung einer sozialen Härte geboten ist und eine vergleichbare Leistung nicht auf Grund einer anderen Rechtsgrundlage geltend gemacht werden kann.

[…]

§7b

Maßnahmen zur Integration

(1) Volljährige Hilfe suchende Personen, die sich innerhalb der letzten sechs Jahre weniger als fünf Jahre in Österreich aufgehalten haben, haben mögliche und zumutbare Maßnahmen zur besseren Integration zu ergreifen, welche mittels Auflage vorzuschreiben sind.

(2) Maßnahmen zur besseren Integration im Sinne des Abs 1 sind:

1. der erfolgreiche Besuch eines zumindest achtstündigen Werte- und Orientierungskurses,

2. der Erwerb von Kenntnissen der Deutschen Sprache bis inklusive der Niveaustufe A2 nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen.

(3) Die Behörde kann Hilfe suchenden Personen, die Österreich nachweislich zu

Ausbildungszwecken oder aus beruflichen Gründen verlassen haben, die Verpflichtung nach Abs 1 erlassen.

[…]

§7d

Erfüllung der Integrationsvereinbarung

[…]

(5) Kommt die Hilfe suchende Person den angeordneten Verpflichtungen nach § 7b nicht innerhalb der von der Behörde gesetzten Frist nach, sind die Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung - Integration um 30% zu kürzen und hat die Behörde eine Nachfrist für die Erfüllung dieser Verpflichtungen zu setzen. Mit dem auf den Nachweis der Erfüllung der Auflage folgenden Monat ist die Kürzung aufzuheben. Eine weitergehende Kürzung oder gänzliche Einstellung von Leistungen ist bei wiederholter Pflichtverletzung zulässig.

[…]

§10

Leistungen zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes

Leistungen zur Deckung des Wohnbedarfes

(1) Leistungen zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes umfassen den Aufwand für die regelmäßig gegebenen Bedürfnisse zur Führung eines menschenwürdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Energie sowie andere persönliche Bedürfnisse wie die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe.

(2) Zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes können auf Grundlage des Privatrechts auch jene Kosten übernommen werden, die zur Begründung eines Anspruches auf eine angemessene Alterssicherung erforderlich sind.

(3) Leistungen zur Deckung des Wohnbedarfes umfassen den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, allgemeine Betriebskosten und wohnbezogene Abgaben.

(4) Für

1. Personen, die Österreich nachweislich zu Ausbildungszwecken oder aus beruflichen Gründen verlassen haben oder

2. in Österreich geborene Kinder, bei denen einer der Obsorgeberechtigten nicht zum Personenkreis nach § 11a Abs. 1 zählt,

gelten die Mindeststandards gemäß § 11.

§11

Mindeststandards

(1) Die Landesregierung hat ausgehend vom Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 293 Abs 1 lit.a bb) ASVG abzüglich des Beitrages zur gesetzlichen Krankenversicherung durch Verordnung die Höhe der Mindeststandards zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes insbesondere für folgende hilfsbedürftige Personen entsprechend den folgenden Prozentsätzen festzulegen:

1. für alleinstehende und alleinerziehende Personen ………..……………..………. 100%,

2. für volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen in Haushalts- oder

Wohngemeinschaft leben …………………………….……………………………………….……. 75%,

3. für leistungsberechtigte volljährige Personen ab der drittältesten Person, wenn diese einer anderen Person im gemeinsamen Haushalt gegenüber unterhaltsberechtigt ist ……………………………………………………………………………….…...... 50%,

4. für minderjährige Personen, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht und die mit zumindest einer ihnen gegenüber unterhaltspflichtigen oder volljährigen Person im gemeinsamen Haushalt leben ………………………………..……..... 23%.

(2) In der Verordnung ist ein Betrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse hilfsbedürftiger Personen, die Bedarfsorientierte Mindestsicherung oder Sozialhilfe in stationären Einrichtungen erhalten, festzusetzen.

(3) Mindeststandards zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes nach Abs 1 beinhalten grundsätzlich einen Geldbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes im Ausmaß von 25% bzw. bei hilfsbedürftigen Personen, die eine Eigentumswohnung oder ein Eigenheim bewohnen, einen Geldbetrag im Ausmaß von 12,5%. Besteht kein oder ein geringerer Aufwand zur Deckung des Wohnbedarfes oder erhält die hilfebedürftige Person bedarfsdeckende Leistungen (z. B. eine Wohnbeihilfe oder einen Wohnzuschuss), sind die jeweiligen Mindeststandards um diese Anteile entsprechend zu reduzieren, höchstens jedoch um 25% bzw. 12,5%.

(4) Die Mindeststandards nach Abs 1 sind zwölf Mal pro Jahr zu gewähren.

(5) Der Mindeststandard nach Abs 1 Z 1 ist zu Beginn eines jeden Kalenderjahres mit dem gleichen Prozentsatz wie der Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 293 Abs 1 lita bb) ASVG neu zu bemessen. Daran anknüpfend werden die übrigen Mindeststandards nach Abs 1 Z 2 bis Z 4 ebenfalls jährlich neu bemessen.

§11a

Mindeststandards - Integration

(1) Für Hilfe suchende Personen, die sich innerhalb der letzten sechs Jahre weniger als fünf Jahre in

Österreich aufgehalten haben, gelten abweichend von § 11 die Mindeststandards nach Abs 2 und 3.

(2) Die Mindeststandards - Integration zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes betragen für

1. alleinerziehende Personen, pro Person ……………………….………….……... € 522,50;

2. volljährige Personen, die alleine oder mit anderen volljährigen Personen in Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben,

pro Person ………………………………..………………………………………….…………..…. € 422,50;

3. minderjährige Personen

a. pro Person …………………………………………………………………………….…..…….. € 129,17;

b. die ersten drei minderjährigen Personen, die mit einer Person nach Z 1 leben, pro Person …………………...…………………………………………..…………….………..…. € 179,17.

(3) Die Mindeststandards - Integration zur Deckung des Wohnbedarfes betragen für

1. alleinerziehende Personen, pro Person …………………………….………...……... € 300,-;

2. für volljährige Personen, pro Person …………………………………..………………. € 150,-.

(4) Besteht kein oder ein geringerer Aufwand zur Deckung des Wohnbedarfes oder erhält die hilfebedürftige Person bedarfsdeckende Leistungen (z. B. eine Wohnbeihilfe oder einen Wohnzuschuss), sind die jeweiligen Mindeststandards - Integration zur Deckung des Wohnbedarfs um diese Anteile entsprechend zu reduzieren.

(5) Die Mindeststandards - Integration nach Abs 2 und 3 sind zwölf Mal pro Jahr zu gewähren.

(6) Die Mindeststandards zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes enthalten für alleinerziehende und volljährige Personen einen Integrationsbonus.

(7) Der Mindeststandard nach Abs 3 Z 2 steht nur zwei Personen pro Haushalts- oder Wohngemeinschaft zu, wobei Personen, für die ein Mindeststandard nach § 11 Abs 1 anzuwenden ist, zu berücksichtigten sind.

(8) Die Landesregierung kann durch Verordnung die Höhe der Mindeststandards zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes - Integration unter Bedachtnahme auf die Änderung der Lebenshaltungskosten anpassen.

§11b

Deckelung der Mindeststandards

(1) Die Summe der Mindeststandards (§§11 und 11a) aller Personen, die gemeinsam in einer Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben, ist mit dem Betrag von € 1.500,- begrenzt.

(2) Im Falle einer Überschreitung des Betrages nach Abs 1 sind die Mindeststandards der einzelnen Personen gleichmäßig prozentuell zu kürzen, sodass ihre Summe genau € 1.500,- beträgt.

(3) Für die Berechnung der Summe der Mindeststandards nach Abs 1 sind auch die Mindeststandards von Personen zu berücksichtigen, die nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 5 Abs 2 gehören.

(4) Die Mindeststandards von Personen, die Pflegegeld oder erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder die dauernd arbeitsunfähig sind, sind bei der Berechnung der Summe der Mindeststandards nach Abs 1 zu berücksichtigen, jedoch sind deren Mindeststandards nicht nach Abs 2 zu kürzen."

Die NÖ Mindeststandardverordnung (NÖ MSV), LGBl 9205/1-0 idF LGBl 104/2016, lautet auszugsweise wie folgt:

"§1

Geldleistungen zur Deckung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfes

(1) Der Mindeststandard an monatlichen Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes beträgt für:

1. Alleinstehende oder Alleinerziehende:

………………………………………………………………………….……………………………. 633,35 Euro;

2. volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen im gemeinsamen Haushalt leben:

a) je Person ........................................................................................ 475,01 Euro;

b) ab der dritten leistungsberechtigten volljährigen Person, wenn diese gegenüber einer anderen Person im gemeinsamen Haushalt unterhaltsberechtigt ist: ............................................................................................................. 316,67 Euro;

3. minderjährige Personen, die mit zumindest einer ihnen gegenüber unterhaltspflichtigen oder volljährigen Person im gemeinsamen Haushalt leben und für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht: ........................................ 145,67 Euro;

(2) Der Mindeststandard an monatlichen Geldleistungen zur Deckung des Wohnbedarfes beträgt für Personen, mit Ausnahme solcher, die eine Eigentumswohnung oder ein Eigenheim bewohnen:

1. Alleinstehende oder Alleinerziehende:

……………………………………………………………………..……....……………… bis zu 211,11 Euro;

2. volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen im gemeinsamen Haushalt leben:

a) je Person .............................................................................. bis zu 158,34 Euro;

b) ab der dritten leistungsberechtigten volljährigen Person, wenn diese gegenüber einer anderen Person im gemeinsamen Haushalt unterhaltsberechtigt ist: ……………………………………………………………………………………………... bis zu 105,56 Euro;

3. minderjährige Personen, die mit zumindest einer ihnen gegenüber unterhaltspflichtigen oder volljährigen Person im gemeinsamen Haushalt leben und für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht: ............................... bis zu 48,56 Euro;

[…]"

Mit Verordnung LGBl 104/2017 wurden per die Mindeststandards nach §§11 und 11a NÖ MSG und § 1 NÖ MSV erhöht.

III.Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.Den Anträgen liegen folgende Sachverhalte zugrunde:

2.Die zu G136/2017, G138/2017, G149/2017, G150/2017, G152/2017, G155/2017, G173/2017, G243/2017 und G244/2017 protokollierten Anträge betreffen Beschwerden österreichischer Staatsbürger und ausländischer Staatsangehöriger, deren gemäß § 11 NÖ MSG gewährte Mindeststandards auf Grund der in § 11b NÖ MSG geregelten "Deckelung" festgesetzt wurden.

3.Die zu G137/2017, G142/2017, G146/2017, G153/2017, G159/2017, G164/2017, G170/2017, G175/2017 und G176/2017 protokollierten Anträge betreffen Beschwerden ausländischer Staatsangehöriger und Staatenloser, deren gemäß § 11a NÖ MSG gewährte Mindeststandards - Integration auf Grund der in § 11b NÖ MSG geregelten "Deckelung" festgesetzt wurden.

4.Die zu G140/2017, G147/2017, G171/2017, G172/2017 und G174/2017 protokollierten Anträge betreffen Beschwerden ausländischer Staatsangehöriger und Staatenloser, denen Mindeststandards - Integration gemäß § 11a NÖ MSG gewährt wurden. Unter Anwendung der Mindeststandards gemäß § 11 NÖ MSG wären die Mindeststandards auf Grund der in § 11b NÖ MSG geregelten "Deckelung" festzusetzen.

5.Die zu G139/2017, G141/2017, G143-145/2017, G148/2017, G151/2017, G154/2017, G157/2017, G158/2017, G160-163/2017 und G169/2017 protokollierten Anträge betreffen Beschwerden österreichischer Staatsbürger und ausländischer Staatsangehöriger, denen Mindeststandards - Integration gemäß § 11a NÖ MSG gewährt wurden.

6.Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich legt seine Bedenken in 38 im Wesentlichen ident formulierten Schriftsätzen wie folgt dar:

6.1. § 11a NÖ MSG verstoße gegen Art 14 EMRK iVm Art 1 1. ZPEMRK:

Die Mindeststandards gemäß § 11a NÖ MSG fielen unter die Eigentumsgarantie gemäß Art 1 1. ZPEMRK und seien öffentlich-rechtliche Ansprüche, die nicht durch zuvor geleistete Beiträge der Empfänger erworben worden seien. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe in seiner Entscheidung vom , Fall Stec ua., Appl. 65.731/01 und 65.900/01, klargestellt, dass ein einmal eingerichtetes Sozialsystem den Anforderungen von Art 14 EMRK zu entsprechen habe. Das Landesverwaltungsgericht verweist auf EGMR , Fall Si Amer, Appl. 29.137/06 und führt aus, dass dieser Rechtsprechung zufolge eine Ungleichbehandlung auf Grund der Staatsangehörigkeit nur durch besonders gewichtige Gründe gerechtfertigt werden könne. Hingegen gehe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Efe (, Appl. 9134/06) davon aus, dass den Vertragsstaaten ein sehr weiter Spielraum zustehe, wenn er unterschiedliche Rechtsfolgen an das Kriterium des Wohnsitzes im Inland knüpfe: Da der Wohnsitz frei gewählt werden könne, hätten die betroffenen Personen ein geringeres Schutzbedürfnis. Das NÖ MSG differenziere nach Aufenthaltsdauer im Staatsgebiet. Diese Unterscheidung betreffe vorwiegend ausländische Staatsangehörige. Dazu zitiert das Landesverwaltungsgericht Berichte der Statistik Austria aus dem Jahr 2016, aus denen hervorgehe, dass 15.564 österreichische Staatsbürger und 158.746 ausländische Staatsangehörige aus dem Ausland nach Österreich gezogen seien. Die Regelung des § 11a NÖ MSG diskriminiere folglich mittelbar auf Grund der Staatsangehörigkeit und bedürfe daher besonders gewichtiger Rechtfertigungsgründe.

Unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien (Ltg.-1146/A-1/79-2016) erläutert das Landesverwaltungsgericht, dass das Ziel der Regelung zum einen die "dauerhafte und nachhaltige finanzielle Absicherung des Systems der Bedarfsorientierten Mindestsicherung und schlussendlich des gesamten Sozialsystems" sei und zum anderen "von Beginn der Bezugsdauer weg der Anreiz zur Integration, aber auch zur Arbeitsaufnahme verstärkt" werden solle. Das Landesverwaltungsgericht beurteilt nicht, ob dies legitime Ziele darstellen, merkt jedoch an, dass der Gesetzgeber nicht erläutert habe, inwiefern der Anstieg der Ausgaben für die Bedarfsorientierte Mindestsicherung von 2013 (47 Mio. €) bis 2015 (61 Mio. €) von Personen verursacht worden sei, die sich weniger als fünf Jahre in Österreich aufhielten. Außerdem stellt das Landesverwaltungsgericht die Erforderlichkeit der Regelung zur Zielerreichung in Frage und geht davon aus, dass gelindere Mittel zur Verfügung stünden: Im Jahr 2015 hätten die Ausgaben für die Bedarfsorientierte Mindestsicherung in Niederösterreich lediglich 0,11 % des niederösterreichischen Bruttoregionalproduktes (53,408 Mrd. €) bzw. 0,69 % der Gesamtausgaben (8,792 Mrd. €) betragen. Schließlich legt das Landesverwaltungsgericht dar, dass der "Anreiz zur Arbeitsaufnahme" schon bisher Ziel des NÖ MSG gewesen sei und im Übrigen unverständlich sei, weshalb Personen, die sich weniger als fünf Jahre im Inland aufhielten, einen stärkeren Anreiz zur Arbeitsaufnahme benötigten als andere. Soweit der Landesgesetzgeber § 11a NÖ MSG als Anreiz zur schnelleren Integration verstehe, entgegnet das Landesverwaltungsgericht, dass das NÖ MSG in den §§7b–7d ohnehin Integrationsmaßnahmen vorsehe, § 11a NÖ MSG sei daher überschießend.

Das Landesverwaltungsgericht hält § 11a NÖ MSG jedenfalls für unverhältnismäßig: Die Differenz zwischen dem (allgemeinen) Mindeststandard gemäß § 11 NÖ MSG und dem (verminderten) Mindeststandard - Integration gemäß § 11a NÖ MSG ergebe 32,2 % (jeweils für eine volljährige, alleinstehende Person). Soweit der niederösterreichische Gesetzgeber darauf verweise, dass der Mindeststandard - Integration an der Grundversorgung orientiert sei, wendet das Landesverwaltungsgericht ein, dass Anspruchsberechtigten im Rahmen der Grundversorgung ein Wahlrecht zwischen Privatunterkunft und organisierter Unterkunft zukomme und überdies keine Deckelung des Wohnbedarfes wie in § 11a Abs 7 NÖ MSG für Haushalts- und Wohngemeinschaften vorgesehen sei. Im Übrigen handle es sich bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung und der Grundversorgung um unterschiedliche Regelungssysteme; ob das jeweilige System verfassungskonform ausgestaltet sei, sei daher getrennt zu prüfen. Schon aus dem Begriff der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ließe sich ableiten, dass das Existenzminimum gesichert werden soll. Dieser – ohnehin unter der Armutsgefährdungsschwelle (€ 1.185) liegende – Mindeststandard werde für Teile der Bevölkerung um 32,2 % gesenkt. Das Landesverwaltungsgericht ist der Ansicht, dass das Interesse an einem menschenwürdigen Leben dieser Bevölkerungsgruppe schwerer wiege als die mit der Regelung des § 11a NÖ MSG erzielbaren Einsparungen.

6.2. § 11a NÖ MSG verstoße gegen ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung:

Das NÖ MSG gebe unterschiedliche Mindeststandards für Fremde vor, je nachdem ob sie fünf Jahre durchgängig in Österreich aufhältig gewesen seien oder nicht. Für das Landesverwaltungsgericht sei jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb der notwendige Bedarf, der gemäß § 1 Abs 3 dritter Teilstrich NÖ MSG mit der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gedeckt werden soll, für Personen mit kürzerem Aufenthalt im Inland niedriger sein solle als für Personen, die bereits mehr als fünf Jahre in Österreich lebten. Im Übrigen verweist das Landesverwaltungsgericht auf seine Ausführungen zu Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der legitimen Ziele (Absicherung des Sozialsystems und Anreiz zur Integration und Arbeitsaufnahme) zu Art 14 EMRK, die auch im Hinblick auf das Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung zuträfen.

6.3. § 11a NÖ MSG verstoße gegen Art 2 StGG und Art 7 B-VG:

Das Landesverwaltungsgericht führt zunächst aus, dass Staatsbürgerrechte nicht in allen zugrunde liegenden Fällen anwendbar seien. Unter Verweis auf VfSlg 11.282/1987 legt es jedoch dar, dass in einem Antrag auf Normenkontrolle jede Verfassungswidrigkeit geltend gemacht werden könne.

Die Ungleichbehandlung zwischen österreichischen Staatsbürgern, die sich bereits länger als fünf Jahre in Österreich aufhielten und daher Anspruch auf den (allgemeinen) Mindeststandard gemäß § 11 NÖ MSG hätten, und Staatsbürgern, die kürzer im Inland aufhältig seien und daher bloß Anspruch auf den (verminderten) Mindeststandard - Integration hätten, müsse sachlich gerechtfertigt sein, um Art 2 StGG und Art 7 B-VG zu entsprechen. Hinsichtlich einer allfälligen Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung verweist das Landesverwaltungsgericht erneut auf seine Ausführungen zu Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der legitimen Ziele (Absicherung des Sozialsystems und Anreiz zur Integration und Arbeitsaufnahme) zu Art 14 EMRK. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, weshalb § 10 Abs 4 Z 1 NÖ MSG zwischen Staatsbürgern differenziere, die Österreich zu Ausbildungs- oder Erwerbszwecken verlassen hätten. Für diese Personen gelte der (allgemeine) Mindeststandard gemäß § 11 NÖ MSG. Es sei jedoch nicht nachvollziehbar, Personen, die Österreich zwar für Ausbildungs- oder Erwerbszwecke verlassen hätten, diese Ausbildung bzw. diese Erwerbsarbeit jedoch nur kurze Zeit ausgeübt hätten, gegenüber Personen zu privilegieren, die Österreich ohne nachweislichen Grund verlassen hätten, später jedoch einer Ausbildung bzw. Erwerbsarbeit im Ausland nachgingen. Die letztgenannte Gruppe erhalte lediglich den (verminderten) Mindeststandard - Integration gemäß § 11a NÖ MSG.

Darüber hinaus verstoße § 11a NÖ MSG gegen das Sachlichkeitsgebot: Das Landesverwaltungsgericht hält die Anknüpfung an einen Aufenthalt im Bundesgebiet für unsachlich, weil die Bedarfsorientierte Mindestsicherung eine Leistung des Landes sei und auch an einen im Land Niederösterreich aufrechten Hauptwohnsitz bzw. Aufenthalt anknüpfe (vgl. § 5 Abs 1 Z 2 NÖ MSG). Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung solle ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass der dafür benötigte Bedarf für Menschen, die kürzer als fünf Jahre im Inland aufhältig seien, geringer sei. Diese Differenzierung könne nicht durch bisher geleistete Steuerzahlungen gerechtfertigt werden, denn einerseits sei nicht klar, ob Lohn- und Einkommens- oder Verbrauchssteuern gemeint seien und andererseits könne die Steuerleistung bei Personen, die zwar mehr als fünf Jahre aufhältig gewesen seien, jedoch durchgehend zB Arbeitslosengeld bezogen hätten, nicht signifikant sein.

6.4. § 11b NÖ MSG verstoße gegen Art 2 StGG und Art 7 B-VG:

Das Landesverwaltungsgericht legt ausführlich dar, dass das Ziel des NÖ MSG die Sicherung des Existenzminimums und die Leistungszuerkennung nach individuellen Gesichtspunkten sei. Es sei nachvollziehbar, dass Wohn- und Haushaltsgemeinschaften den individuellen Bedarf einer Person, etwa durch die gemeinsame Nutzung von Haushaltsgeräten, verringern könnten. Dennoch bleibe ein individueller Bedarf pro Person (zB für Lebensmittel) stets erhalten.

Die in § 11b NÖ MSG vorgesehene Deckelung führe dazu, dass Personen, die grundsätzlich einen Anspruch auf 75 % des Mindeststandards gemäß § 11 NÖ MSG hätten, weniger Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung bekämen, wenn die Mindeststandards der übrigen im Haushalt lebenden Personen bereits die Deckelung (€ 1.500,–) erreichten. Die Notlage der hilfesuchenden Person bliebe hingegen unverändert. Bei einer Wohngemeinschaft von drei volljährigen, alleinstehenden Personen würden wegen § 11b NÖ MSG die jeweiligen Ansprüche bereits um rund 20 % gekürzt. Auch bei einer Familie, bestehend aus zwei Erwachsenen und zwei Kindern, die Mindeststandard gemäß § 11 NÖ MSG beziehe, würde die Deckelung bereits schlagend. Soweit die Familie Mindeststandard - Integration beziehe, wirke sich die Deckelung ab drei Kindern aus. Dazu führt das Landesverwaltungsgericht aus, dass 25 % der Bezieher von Bedarfsorientierter Mindestsicherung in Niederösterreich Personen in Familien mit mindestens zwei Kindern und rund 18 % der Bezieher Personen in Familien mit mindestens drei Kindern seien (ohne Einbeziehung von Alleinerziehenden). Im Ergebnis würden auf Grund der Deckelung gemäß § 11b NÖ MSG im Wesentlichen gleiche Sachverhalte unterschiedlich behandelt. Unter Verweis auf VfSlg 11.662/1988 führt das Landesverwaltungsgericht aus, dass der Verfassungsgerichtshof eine ähnliche Bestimmung der Kärntner Sozialhilfe-Leistungsverordnung als gesetzwidrig aufgehoben habe, weil kein sachlicher Grund zu erkennen gewesen sei, Geldleistungen für Haushaltsgemeinschaften ab dem dritten Haushaltsangehörigen abrupt zu kürzen. Auch wenn die Lebenserhaltungskosten pro Person bei zunehmender Größe des Haushalts abnehmen würden, sei je weitere Person ein Aufwand in einiger Höhe erforderlich. In VfSlg 19.698/2012 habe der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass ein Sicherungssystem im Fall einer plötzlichen Kürzung um 20 % seine Aufgabenstellung – die Sicherung des Existenzminimums – verfehle. Dafür bedürfe es einer sachlichen Rechtfertigung. § 11b NÖ MSG sei mit den vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Rechtslagen durchaus vergleichbar, weil bei Hinzutreten einer dritten Person im Haushalt eine Kürzung um 20 % eintrete. Der Landesgesetzgeber habe den ihm zukommenden Spielraum überschritten, indem er eine unverhältnismäßige Regelung geschaffen habe. Die im Rahmen einer Wohn- oder Haushaltsgemeinschaft bestehenden Synergieeffekte habe der Gesetzgeber bereits bei der Staffelung der Mindeststandards gemäß § 11 NÖ MSG berücksichtigt. Eine weitere Einschränkung des Existenzminimums auf Grund von angenommenen Synergieeffekten sei daher unzulässig. Bei Anwendung der Deckelung auf Familien mit zwei Kindern komme es zu einer überproportionalen Berücksichtigung der Familienbeihilfe, die dazu führe, dass die Familienbeihilfe zur Ersatzleistung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung werde. Mit Verweis auf die Gesetzesmaterialien führt das Landesverwaltungsgericht aus, dass dies offenbar auch Wille des Gesetzgebers gewesen sei. Im Ergebnis treffe die Deckelung daher ausschließlich sozial schwächere Familien.

6.5. § 11b NÖ MSG verstoße gegen ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung:

Das Landesverwaltungsgericht verweist auf seine Ausführungen zur Verletzung von Art 7 B-VG; die angeführten Bedenken zur mangelnden sachlichen Rechtfertigung der Regelung träfen auch auf das Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung zu.

6.6. § 11b NÖ MSG verstoße gegen Art 1 iVm Art 7 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern:

Das Landesverwaltungsgericht verweist auf VfSlg 19.941/2014 und führt aus, dass das in Art 1 BVG über die Rechte von Kindern verankerte Kindeswohl maßgeblich durch den im ersten Satz normierten Anspruch von Kindern auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung bestimmt werde.

Der niederösterreichische Gesetzgeber erkenne an, dass für Kinder ein spezifischer Bedarf bestehe, der mit einem Mindeststandard abzudecken sei (vgl. § 11 Abs 1 Z 4 NÖ MSG). Dieser Mindeststandard bestehe zusätzlich zu Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (vgl. § 6 Abs 2a Z 1 NÖ MSG). Das Landesverwaltungsgericht verweist auf die bereits dargestellten Statistiken und führt aus, dass viele Familien von der Deckelung gemäß § 11b NÖ MSG betroffen seien. Durch die Deckelung würde daher der spezifische Bedarf von Kindern verkürzt, den sie – vor dem Hintergrund des Art 1 BVG über die Rechte von Kindern – zur Entwicklung und Entfaltung benötigten. Die Deckelung sei daher geeignet, das Kindeswohl zu beeinträchtigen. Wenngleich budgetpolitische Überlegungen einen Zweck im Sinne des Art 7 BVG über die Rechte von Kindern zur Beschränkung der Ansprüche gemäß Art 1 leg.cit. darstellten, sei die Regelung des § 11b NÖ MSG jedenfalls unverhältnismäßig: Die Deckelung ziele auf Personen ab, die auf Leistungen aus der Mindestsicherung angewiesen seien. Die Frage der individuellen Leistungsfähigkeit stelle sich bei Kindern nicht. Je mehr Kinder eine Familie habe, desto stärker wirke sich die Deckelung auf den pro Kind entfallenden Mindeststandard aus. Die Deckelung erweise sich daher als geradezu gegenläufig zum Gebot der vorrangigen Erwägung des Kindeswohls.

6.7. Zur Zulässigkeit der Anträge führt das Landesverwaltungsgericht aus, dass § 11a Abs 1, Abs 2 Z 2, Abs 2 Z 3 lita, Abs 3 Z 2 sowie § 11b Abs 1, 2 und 3 NÖ MSG in den zugrunde liegenden Verfahren anzuwenden und daher für das Landesverwaltungsgericht präjudiziell seien.

Bei Wegfall der Wortfolge "die sich innerhalb der letzten sechs Jahre weniger als fünf Jahre in Österreich aufgehalten haben" in § 11a Abs 1 NÖ MSG entstehe ein Widerspruch zu § 11 NÖ MSG, sodass nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes der gesamte erste Absatz des § 11a NÖ MSG aufzuheben sei. Da § 11a Abs 1 NÖ MSG einen Personenkreis definiere, auf den sich § 11a Abs 2 bis 8 NÖ MSG in der Folge bezögen, bliebe für § 11a Abs 2 bis 8 NÖ MSG kein Anwendungsbereich. § 11a NÖ MSG sei daher zur Gänze aufzuheben.

Auch der Bestandteil "-Integration" in § 7d Abs 5 NÖ MSG sowie § 10 Abs 4 NÖ MSG stünden in untrennbarem Zusammenhang mit § 11a NÖ MSG, denn bei Aufhebung des § 11a NÖ MSG würden diese Bestimmungen inhaltsleer und unanwendbar. § 7d Abs 5 NÖ MSG würde durch die Wortfolge "Mindeststandard - Integration" ins Leere verweisen. Bei Aufhebung der Folge "-Integration" verwiese § 7d Abs 5 NÖ MSG jedoch auf die (dann einheitlichen) Mindeststandards gemäß § 11 NÖ MSG. Die Ausnahmebestimmung § 10 Abs 4 NÖ MSG, die trotz kurzen Aufenthalts den (vollen) Mindeststandard gemäß § 11 NÖ MSG gewähre, würde überflüssig. Diese Personen hätten ohnehin Anspruch auf den (dann einheitlichen) Mindeststandard gemäß § 11 NÖ MSG.

6.8. Abschließend regt das Landesverwaltungsgericht an, auf Grund der Vielzahl von Verfahren einen Beschluss gemäß § 86a Abs 1 VfGG zu fassen.

7.Die niederösterreichische (im Folgenden: NÖ) Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den in den Anträgen erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:

7.1. Die Anträge des Landesverwaltungsgerichtes, § 11a zur Gänze aufzuheben, seien überschießend, weil das Landesverwaltungsgericht selbst ausführe, dass es bloß § 11a Abs 1, Abs 2 Z 2 und Z 3 lita sowie Abs 3 Z 2 NÖ MSG anzuwenden habe. § 11a Abs 2 Z 1 und Z 3 litb sowie § 11a Abs 3 Z 1 legten Mindeststandards - Integration zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes und Wohnbedarfes für alleinerziehende Personen bzw. minderjährige Personen, die mit einer alleinerziehenden Person lebten, fest. § 11a Abs 4 bis 8 NÖ MSG seien für Verfahren hinsichtlich dieser Personengruppe ebenso weiterhin erforderlich. Da die Bestimmungen vom Landesverwaltungsgericht in den anhängigen Verfahren nicht anzuwenden seien, seien die Anträge zu weit gefasst.

Zu den Anträgen, den Bestandteil "-Integration" in § 7d Abs 5 NÖ MSG aufzuheben, bringt die NÖ Landesregierung ebenfalls vor, dass diese Bestimmung nicht anzuwenden sei und die Anträge daher unzulässig seien. Durch die Aufhebung des Bestandteiles "-Integration" würde eine neue Kürzungsregelung geschaffen, die es bisher nicht gegeben habe und die einen dem Verfassungsgerichtshof verwehrten Akt der positiven Gesetzgebung darstellen würde. Der Wille des Gesetzgebers würde durch diese Aufhebung geradezu ins Gegenteil verkehrt, weil nicht der allgemeine Mindeststandard gemäß § 11 NÖ MSG gekürzt werden sollte, sondern der (verminderte) Mindeststandard - Integration. Außerdem habe das Landesverwaltungsgericht mit Anträgen vom die Aufhebung des Bestandteiles "-Integration" in § 7d Abs 5 NÖ MSG idF LGBl 103/2016 beantragt. § 7d Abs 5 leg.cit. sei auf Grund eines Initiativantrages vom mit Beschluss des niederösterreichischen Landtages vom geändert worden, um die Grundsatzbestimmung § 6 Abs 2 Integrationsgesetz (BGBl I 68/2017) umzusetzen. § 7d Abs 5 NÖ MSG sehe nunmehr eine Kürzung um 50 % (statt 30 %) bei Verstößen gegen Integrationsverpflichtungen vor und sei mit in Kraft getreten. Da die angefochtene Fassung (LGBl 103/2016) außer Kraft getreten sei, sei sie in keinem der Anlassverfahren denkmöglich anzuwenden.

Die Bestimmung des § 10 Abs 4 NÖ MSG sei in den Anlassfällen nicht anzuwenden; die Anfechtung dieser Bestimmungen sei auch aus "Gründen der Vollständigkeit der Antragstellung" nicht geboten. Denn im hypothetischen Fall einer Aufhebung des § 11a Abs 1 NÖ MSG "würde eine Bestimmung verbleiben, bei der ein Tatbestandselement mangels Existenz der verwiesenen Bestimmung (bis auf weiteres) nicht erfüllt wird". Dies mache das Gesetz jedoch nicht unvollziehbar und sei zudem auch eine Frage der Anlassfälle.

Mit den Anträgen betreffend § 7d Abs 5 und § 10 Abs 4 NÖ MSG nehme das antragstellende Gericht eine Rechtsbereinigungsfunktion in Anspruch, die ihm nicht zukomme.

Die NÖ Landesregierung führt weiters aus, dass das Landesverwaltungsgericht seine Bedenken, entgegen der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, pauschal formuliert habe, anstatt im Einzelnen schlüssige und präzise Bedenken darzulegen. Dies sei insbesondere im Zusammenhang mit den zu § 11a NÖ MSG pauschal vorgebrachten Gleichheitsbedenken der Fall.

Zwischen diesen Bestimmungen bestehe auch kein untrennbarer Zusammenhang, weil sie auf sozial ausgewogene Art und Weise Mindeststandards - Integration für unterschiedliche Personengruppen bzw. Haushaltskonstellationen vorsähen.

Unter Verweis auf VfSlg 19.746/2013 führt die NÖ Landesregierung aus, dass ein zu weit gefasster Antrag teilweise abzuweisen sei, soweit die Präjudizialität für den gesamten Antrag gegeben sei. Da § 7d Abs 5 und § 10 Abs 4 NÖ MSG jedenfalls nicht präjudiziell seien, seien die Anträge zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen.

7.2. Zu den geltend gemachten Bedenken erläutert die NÖ Landesregierung zunächst, dass das Ziel der Bedarfsorientierten Mindestsicherung die Vermeidung und Bekämpfung von Armut und sozialer Ausschließung oder von anderen sozialen Notlagen bei hilfsbedürftigen Personen sei. Außerdem sei die Bedarfsorientierte Mindestsicherung vom Grundsatz der Subsidiarität geprägt: Die anspruchsberechtigten Personen müssten Arbeitsbereitschaft zeigen; eigene Mittel und Leistungen Dritter sowie ökonomische Vorteile von Haushalts- und Wohngemeinschaften würden bei Festsetzung der Mindeststandards berücksichtigt. Der NÖ Landesgesetzgeber knüpfe an eine "von der Staatsangehörigkeit unabhängige Mindestaufenthaltsdauer" an, die der EuGH als unionsrechtskonform anerkannt habe (vgl. , Collins; , Rs. C-443/14, Alo).

Die vom Landesverwaltungsgericht angefochtene Novelle diene der langfristigen Absicherung des von der öffentlichen Hand finanzierten Sozialsystems. Die NÖ Landesregierung führt aus, dass die Kosten der Bedarfsorientierten Mindestsicherung im Jahr 2013 € 47 Mio., im Jahr 2015 € 61 Mio. und im Jahr 2016 € 74 Mio. betragen hätten. Auf Grund dieses Kostenanstieges könne "nicht ernstlich zweifelhaft sein, dass eine Redimensionierung der sozialrechtlichen Leistungen unabweislich geworden" sei. Außerdem sei den Gesetzesmaterialien zu entnehmen, dass der Mindeststandard - Integration "ein klares Zeichen nach außen" setzen solle, "um die Attraktivität Österreichs als Zielregion für Flüchtlinge einzudämmen". Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung solle überdies Anreize zur Integration und zur Arbeitsaufnahme setzen.

Es liege im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, unterschiedliche Mindeststandards "je nach Dauer der Verbundenheit der Hilfe suchenden Person mit dem Aufnahmestaat" festzusetzen. Mit Verweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , E3297/2016, führt die NÖ Landesregierung aus, dass der Mindeststandard - Integration an der Grundversorgung orientiert sei und daher auch Personen, die noch keine längere Verbundenheit zu Österreich aufwiesen, Kernleistungen "im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsbürger" gewährt würden.

7.3. Zu den Bedenken gegen § 11a NÖ MSG im Hinblick auf Art 14 EMRK iVm Art 1 1. ZPEMRK:

Die NÖ Landesregierung geht, wie auch das Landesverwaltungsgericht, davon aus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sozialrechtliche Leistungen in den Begriff "property" einbeziehe. Im Gegensatz zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sei der Verfassungsgerichtshof – so die NÖ Landesregierung – bei der Einordnung von Leistungen ohne Beitrags- und Finanzierungszusammenhang als Eigentum jedoch zurückhaltender. Unter Verweis auf VfSlg 15.129/1998 führt die NÖ Landesregierung aus, dass der Verfassungsgerichtshof darauf abstelle, ob ein Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung bestehe, um ein vermögenswertes Recht unter Art 1 1. ZPEMRK einzuordnen. Ein solcher Zusammenhang habe bei der Notstandshilfe bestanden, sei jedoch bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zu verneinen. Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung sei eine ausschließlich steuerfinanzierte, öffentliche Fürsorgeleistung, die nur zum Tragen komme, wenn andere Hilfsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stünden oder nicht ausreichten. Die vom Landesverwaltungsgericht herangezogenen Judikate des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte seien nicht auf die Bedarfsorientierte Mindestsicherung übertragbar: Der Fall Koua Poirrez (EGMR , Appl. 40.892/98) habe die Gewährung von Behindertenbeihilfe durch die Sozialversicherungsbehörde und der Fall Stec ua. die Gewährung von Beihilfe zum Ausgleich der durch Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten hervorgerufenen verminderten Erwerbsfähigkeit betroffen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gehe offenbar davon aus, dass auch anspruchsberechtigte Sozialleistungsempfänger durch ihre Steuerleistung ebenfalls zur Finanzierung von Sozialleistungen beitrügen. Dieses Argument treffe jedoch nicht auf Personen zu, die innerhalb der letzten sechs Jahre weniger als fünf Jahre in Österreich gelebt hätten und daher nur eine geringe Steuerleistung aufwiesen. Eine Ausweitung des Eigentumsbegriffes nach Art 1 1. ZPEMRK auf Leistungen, zu denen hilfsbedürftige Personen lediglich in Form von Verbrauchssteuern beitrügen, scheine nicht sachgerecht. Eine gewisse sozioökonomische Integration in den österreichischen Sozialstaat bzw. eine Verbundenheit mit dem Leistungsland sei hingegen ein sachgerechtes Differenzierungskriterium bei beitragsunabhängigen Leistungen wie der Bedarfsorientierten Mindestsicherung. Es bestehe daher kein Anlass für den Verfassungsgerichtshof, von seiner bisherigen Judikatur abzugehen.

Unter dem Blickwinkel des Art 14 EMRK sei für die NÖ Landesregierung nicht ersichtlich, inwiefern eine generell-abstrakte Regelung wie § 11a NÖ MSG, die nicht nach Merkmalen und Personengruppen unterscheide, eine Benachteiligung darstelle. Art 14 EMRK verbiete nicht die Änderung bestehender Regelungen, sondern stehe nur "unvernünftigen" Regelungen entgegen. "Gemessen am Standard der Mitgliedstaaten der EMRK – zu denken ist vor allem an Dänemark – ist eine Senkung von Sozialleistungen für Personen, gleich welcher Staatsangehörigkeit, die in einem gesellschaftlichen System erst Fuß fassen müssen, keinesfalls unvernünftig." Die Änderung einer Regelung, wie sie hier durch die Einführung von § 11a NÖ MSG erfolgt sei, begründe keine "Benachteiligung" der von der Neuregelung betroffenen Personen, "vor allem da die Neuregelung selbst den Weg zur vollen Höhe der 'Mindestsicherung' weist". § 11a NÖ MSG stelle auf den Aufenthalt hilfsbedürftiger Personen, unabhängig von deren Nationalität ab, es liege somit keine Diskriminierung vor.

Die vom Landesverwaltungsgericht vorgebrachte mittelbare Diskriminierung ausländischer Staatsangehöriger stehe in offenem Widerspruch zum Wortlaut von § 11a NÖ MSG, der klar nach der Aufenthaltsdauer differenziere. Ginge man dennoch von einer Diskriminierung aus, so sei die Regelung durch legitime Schutzziele wie die finanzielle Absicherung des Sozialsystems, Anreiz zu Integration und Arbeitsaufnahme und die Verbundenheit mit dem Land der Leistung und dessen Solidargemeinschaft, objektiv gerechtfertigt. Unter Berücksichtigung der jährlichen Valorisierung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sei davon auszugehen, dass auf Grund der Novelle für das Jahr 2017 kein signifikanter Kostenanstieg zu verzeichnen sei. Die Regelung sei daher geeignet und erforderlich, um die Finanzierung des niederösterreichischen Sozialsystems abzusichern. Soweit das Landesverwaltungsgericht darauf aufmerksam mache, dass die Bedarfsorientierte Mindestsicherung nur einen geringen Teil des niederösterreichischen Gesamtbudgets ausmache, treffe es eine sozialpolitische Beurteilung, die ihm nicht zustehe. Die NÖ Landesregierung geht davon aus, dass die "unbeschränkte Weitergewährung von Mindestsicherungsleistungen ohne Differenzierung in der Leistungshöhe" der Stabilisierung des Schuldenstandes und den Verpflichtungen des österreichischen Stabilitätspaktes 2012 sowie der Erfüllung der Maastricht-Kriterien der Europäischen Union entgegenstünde. Die Novelle zum NÖ MSG, LGBl 103/2016, habe umfassende Integrationsmaßnahmen für hilfebedürftige Personen wie etwa Werte- und Orientierungskurse aufgenommen und diene insgesamt der Motivation zu Integration und Arbeitsaufnahme der hilfebedürftigen Personen. Es sei verständlich, nur solchen hilfebedürftigen Personen Leistungen in voller Höhe zu gewähren, die eine gewisse Verbundenheit mit dem Aufnahmestaat und dessen Solidargemeinschaft aufwiesen. Die NÖ Landesregierung vertritt die Ansicht, dass das Aufenthaltserfordernis des § 11a NÖ MSG – im Gegensatz zu etwa monetären Beiträgen – ein sachliches Differenzierungskriterium darstelle.

7.4. Zu den Bedenken gegen § 11a NÖ MSG im Hinblick auf ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung:

Die NÖ Landesregierung bringt vor, dass das Landesverwaltungsgericht nicht im Einzelnen darlege, aus welchen Gründen § 11a NÖ MSG gegen das Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung verstoße, das Vorbringen sei daher "mangelhaft und unvollständig". Für die NÖ Landesregierung sei die Heranziehung des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung im Zusammenhang mit einer Regelung, die nicht auf die Staatsangehörigkeit von Personen abstellt, nicht nachvollziehbar. Laut NÖ Landesregierung anerkenne der Gerichtshof der Europäischen Union (siehe , Dano, und , Rs. C-67/14, Alimanovic), beim Zugang zu Sozialleistungen auf die Verbundenheit mit dem Leistungsstaat und dessen Solidargemeinschaft abzustellen, um "eine Verringerung des Anreizes zur Zuwanderung zu erwirken". Dies sei hinsichtlich Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen zulässig.

7.5. Zu den Bedenken gegen § 11a NÖ MSG im Hinblick auf Art 2 StGG und Art 7 B-VG:

Im Gegensatz zum Landesverwaltungsgericht sei die NÖ Landesregierung der Meinung, dass die Differenzierung nach der Aufenthaltsdauer in Österreich (unabhängig von der Staatsangehörigkeit) ein legitimes Differenzierungskriterium sei. Außerdem führt die NÖ Landesregierung aus: "Stößt darüber hinaus ein Leistungssystem in Anbetracht massenhafter Inanspruchnahme an die Grenzen seiner Finanzierbarkeit, so ist es die Aufgabe der Gesetzgebung, Maßnahmen zur nachhaltigen Sicherung des Systems zu ergreifen."

Soweit das Landesverwaltungsgericht die Unterscheidung zwischen "Aufenthalt im Inland" und Hauptwohnsitz bzw. Aufenthalt in Niederösterreich als unsachlich qualifiziere, liege wohl ein Missverständnis vor: Der Hauptwohnsitz bzw. Aufenthalt in Niederösterreich sei Anspruchsvoraussetzung, die Aufenthaltsdauer im Inland sei bloß ein Zusatzkriterium zur Bestimmung der Leistungshöhe. Da es um die Integration in das "inländische gesellschaftliche System" gehe, sei eine Anknüpfung an das Bundesgebiet keineswegs unsachlich. Im Gegenteil, eine Anknüpfung an einen längeren Aufenthalt in Niederösterreich diskriminierte Personen, die ihren Wohnsitz öfter von einem Bundesland in ein anderes verlegten, in unsachlicher Weise.

Abschließend weist die NÖ Landesregierung darauf hin, dass es sich bei den (allgemeinen) Mindeststandards gemäß § 11 NÖ MSG um höhere Sozialleistungen handle als in der Grundversorgung oder bei Pensionsberechtigten ohne Anspruch auf Ausgleichszulage. Vor diesem Hintergrund sei eine Unterschreitung dieser Standards – entgegen dem Vorbringen des Landesverwaltungsgerichtes – nicht von vorneherein unsachlich.

7.6. Zu den Bedenken gegen § 11b NÖ MSG im Hinblick auf Art 2 StGG und Art 7 B-VG:

Nach allgemeinen Ausführungen zur bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Gleichheitssatz führt die NÖ Landesregierung aus, dass § 11b NÖ MSG zwei "Komponenten" enthalte: die Berechnung auf Grundlage des Haushaltseinkommens und die gesamthafte Deckelung. Schon bisher habe das NÖ MSG auf das Haushaltseinkommen abgestellt. Dieser Grundsatz sei in zahlreichen sozialrechtlichen Regelungen zu finden. Die NÖ Landesregierung verweist auf § 293 ASVG,§ 264 ASVG und § 36 Abs 2 und 3 AlVG. Der Verfassungsgerichtshof habe in VfSlg 19.031/2010 keine Bedenken gegen § 264 ASVG gehabt, der auf dem Haushaltseinkommen aufbaue. Im Übrigen seien keine spezifisch verfassungsrechtlichen Fragen in diesem Zusammenhang gegeben. Auch die "Deckelung" sei Gegenstand zahlreicher sozialrechtlicher Regelungen, teils würden jedoch andere Begriffe verwendet: "Höchstbetrag" in §§219 f ASVG, "Grenzbetrag" in § 8a Kinderbetreungsgeldgesetz sowie "Kostenhöchstsätze" in Art 9 Grundversorgungsvereinbarung und § 7 NÖ Grundversorgungsgesetz. Der Verfassungsgerichtshof sehe eine Deckelung prinzipiell als zulässig an (VfSlg 20.047/2016). Abschließend verweist die NÖ Landesregierung auf § 220 ASVG: "Alle Hinterbliebenenrenten dürfen zusammen 80 v.H. der Bemessungsgrundlage nicht übersteigen und sind innerhalb dieses Höchstausmaßes verhältnismäßig zu kürzen."

Weiters führt die NÖ Landesregierung aus: "Die betragsmäßige Begrenzung (Deckelung) der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ist als Surrogat von erzielbaren Erwerbseinkommen ausgestaltet. Die Höhe der betragsmäßigen Beschränkung ist daher an einem durchschnittlichen Einkommen zu bemessen. Der Begrenzungsbetrag in der festgelegten Höhe von € 1.500,-- pro Monat orientiert sich am Medianeinkommen aller unselbständig Erwerbstätigen in Österreich […]". Insbesondere für Familien mit vielen Kindern und bei längerem Bezug bestehe die Möglichkeit, Bedarfsorientierte Mindestsicherung in einer betragsmäßigen Höhe zu beziehen, die ein durchschnittliches Erwerbseinkommen übersteige. Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung habe aber das Ziel, zum einen den notwendigen Lebensunterhalt und Wohnbedarf "(vorübergehend)" zu decken und zum anderen die (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Durch die Deckelung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung werde daher ein verstärkter Anreiz geschaffen, sich (wieder) in das Erwerbsleben zu integrieren. Der aktuell diskutierte Mindestlohn idHv € 1.500,– mache deutlich, dass die Deckelung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ab € 1.500,– jedenfalls im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liege, denn das vom Landesverwaltungsgericht wiederholt angesprochene "Existenzminimum" sei bei € 1.500,– jedenfalls gegeben. Dies ergebe sich auch aus : Der Verfassungsgerichtshof habe ausgesprochen, dass den verfassungsrechtlichen Anforderungen für ein menschenwürdiges Dasein durch Leistungen auf dem Niveau der Grundversorgung entsprochen werde. Die auf Haushalts- und Wohngemeinschaften bezogene Deckelung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung bewirke ein Leistungsniveau, das dem der Grundversorgung gesamthaft entspreche. Da die "Arbeitsmarktattraktivierung" wesentliches Ziel der Deckelung sei, würden Personen, die Pflegegeld beziehen oder dauerhaft arbeitsunfähig seien und daher nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden müssten, von der Deckelung ausgenommen (vgl. § 11b Abs 4 NÖ MSG).

Der Gesetzgeber habe anlässlich der Einführung der Deckelung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung den "typischen Regelfall einer Haushalts- bzw. Wohngemeinschaft vor Augen: Eltern(teile) leben zusammen mit ihren Kindern". Bei einer vierköpfigen Familie, die (allgemeine) Mindeststandards gemäß § 11 NÖ MSG beziehe, komme es zu einer Leistungskürzung von rund 10 %. Bei einer fünfköpfigen Familie, die (verminderte) Mindeststandards gemäß § 11a NÖ MSG beziehe, komme es zu einer Leistungskürzung von rund 2 %. Entgegen dem Vorbringen des Landesverwaltungsgerichtes sei daher nicht von einer abrupten Kürzung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur (VfSlg 19.698/2012) auszugehen. Die vom Landesverwaltungsgericht – losgelöst von den Anlassfällen – vorgebrachten Beispiele von drei (nicht gegenseitig unterhaltspflichtigen) Erwachsenen in einer Wohngemeinschaft stellten nicht den Regelfall im System der Bedarfsorientierten Mindestsicherung dar. Angesichts der Vielfalt möglicher Haushaltskonstellationen müsse dem Gesetzgeber zugebilligt werden, Härtefälle nicht in jedem Fall vermeiden zu können. Der niederösterreichische Gesetzgeber verhindere Härtefälle, indem er Leistungen der Familienbeihilfe bei Berechnung der Mindeststandards nicht berücksichtige. Eine Anrechnung der Familienbeihilfe auf die Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sei jedoch grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig (vgl. VfSlg 19.913/2014). Insgesamt seien Familien auf Grund der unterbleibenden Anrechnung der Familienbeihilfe, trotz Deckelung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, bessergestellt als im "hypothetischen Fall des Entfalls der Deckelung und Anrechnung" der Familienbeihilfe auf die Bedarfsorientierte Mindestsicherung. Die vom Landesverwaltungsgericht vorgebrachten "Verstärkungseffekte durch das Zusammenwirken von NÖ MSG und FLAG" seien für die NÖ Landesregierung daher nicht nachvollziehbar. Im Übrigen seien etwaige Gebührenbefreiungen (Rezeptgebühr, GIS-Gebühr usw.) nicht von der Deckelung betroffen.

Entgegen dem Vorbringen des Landesverwaltungsgerichtes bestünden für die NÖ Landesregierung auch im Bereich des individuellen Bedarfs Synergieeffekte in einer Haushaltsgemeinschaft: Es sei anzunehmen, dass Personen, die gemeinsam leben, auch gemeinsam Lebensmittel einkaufen. Es könnten Lebensmittel in größeren Einheiten (Großpackungen) gekauft werden, die meist günstiger seien. Soweit das Landesverwaltungsgericht davon ausgehe, dass Synergieeffekte bereits bei der Staffelung der Mindeststandards berücksichtigt würden, treffe dies nur teilweise zu: "Für Personen, die in einer Haushalts- oder Wohngemeinschaft wohnen, ist der 75 %ige Mindeststandard vorgesehen. Dies gründet sich darauf, dass laut EU-SILC (Europäische Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen) der Regelbedarf eines Haushaltes mit zwei volljährigen Personen 150 % dessen einer allein stehenden Person beträgt. Wenn jedoch mehr als zwei volljährige Personen in einer Haushaltsgemeinschaft leben, treten weitere Synergieeffekte auf, die bei der Staffelung der Mindeststandards nicht berücksichtigt wurden. Es ist daher eine weitere Berücksichtigung in Form der Deckelung nach § 11b NÖ MSG erforderlich."

An der Sachlichkeit derartiger Reformüberlegungen könne nach Ansicht der NÖ Landesregierung nicht gezweifelt werden.

7.7. Zu den Bedenken gegen § 11b NÖ MSG im Hinblick auf das Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung:

Die NÖ Landesregierung bringt vor, dass das Landesverwaltungsgericht nicht im Einzelnen darlege, aus welchen Gründen § 11b NÖ MSG gegen das Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung verstoße, das Vorbringen sei daher "mangelhaft und unvollständig". Für die NÖ Landesregierung sei die Heranziehung des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung im Zusammenhang mit einer Regelung, die nicht auf die Staatsangehörigkeit von Personen abstelle, nicht nachvollziehbar. Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu Art 2 StGG und Art 7 B-VG verwiesen.

7.8. Zu den Bedenken gegen § 11b NÖ MSG im Hinblick auf das BVG über die Rechte von Kindern:

Die NÖ Landesregierung führt aus, dass sie nicht erkennen könne, inwiefern das BVG über die Rechte von Kindern in einem Regelungssystem, das nicht spezifisch auf Minderjährige abstelle, relevant sein könne. Soweit das BVG über die Rechte von Kindern maßgeblich sei, sehe Art 7 BVG über die Rechte von Kindern das wirtschaftliche Wohl des Landes als Rechtfertigungstatbestand vor.

Das Landesverwaltungsgericht bringe vor, dass das BVG über die Rechte von Kindern auch eine "positive obligation" beinhalte. Aus solchen Schutzpflichten ergebe sich jedoch niemals ein konkreter Leistungsanspruch in bestimmter Höhe. "Insgesamt ist davon auszugehen, dass eine auf Haushalts- und Wohngemeinschaften bezogene verfassungskonforme Regelung nicht deshalb gegen das BVG über die Rechte von Kindern verstößt, weil sie auch Minderjährige – in gleicher Weise wie alle anderen Angehörigen der Haushalts- und Wohngemeinschaft – trifft". Im Übrigen stünden Familien mit Kindern weiterhin die Leistungen nach dem FLAG zur Verfügung.

7.9. Abschließend stellt die NÖ Landesregierung die Anträge, die Anträge des Landesverwaltungsgerichtes als unzulässig zurückzuweisen bzw. die angefochtenen Bestimmungen des NÖ MSG nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Für den Fall der Aufhebung beantragte die NÖ Landesregierung, eine Frist von einem Jahr für das Außerkrafttreten zu bestimmen, um die erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.

8.Die Parteien der Verfahren vor dem antragstellenden Gericht haben als beteiligte Parteien zu den Zahlen G153/2017, G159/2017, G174/2017 und G175/2017 eine Äußerung erstattet, in der sie sich den Bedenken des antragstellenden Gerichtes anschließen.

9. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich stellte zu den Zahlen G299-407/2017, G410-411/2017, G413/2017, G4-5/2018, G20/2018, G23-25/2018, G34-35/2018, G37-38/2018, G40-41/2018, G46-47/2018, G49/2018, G51/2018 und G53/2018, weitere 129 sowohl hinsichtlich der Präjudizialität als auch in der Sache im Wesentlichen gleichlautende Anträge.

Der Verfassungsgerichtshof führte zu diesen Anträgen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (im Hinblick auf § 19 Abs 3 Z 4 VfGG) kein weiteres Verfahren durch.

IV.Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 Abs 1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

1.Zur Zulässigkeit der Anträge

2.Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 139 Abs 1 Z 1 B-VG bzw. des Art 140 Abs 1 Z 1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

3.Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl. VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).

4.Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

5.Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; ). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; ).

6.Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit das Gericht solche Normen anficht, die denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bilden und damit präjudiziell sind; dabei darf aber nach § 62 Abs 1 VfGG nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN ua.; vgl. auch ; , G103-104/2016 ua.). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; ua.).

7.Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig keine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bilden und die somit nicht präjudiziell sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit den präjudiziellen (und nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden präjudiziellen Bestimmungen offensichtlich trennbar, so führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den präjudiziellen, den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle eines ganzen Gesetzes), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; ; , G183/2016 ua.).

8.Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher – vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln – über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl. zB VfSlg 19.939/2014, 20.086/2016), nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.

9.Das Landesverwaltungsgericht bringt vor, § 11a Abs 1, Abs 2 Z 2, 3 lita, Abs 3 Z 2 und § 11b Abs 1, 2 und 3 NÖ MSG seien in den anhängigen Verfahren anzuwenden. Die übrigen angefochtenen Bestimmungen stünden mit diesen in einem untrennbaren Zusammenhang.

8.1. Die NÖ Landesregierung wendet ein, dass § 11a und § 11b NÖ MSG auch andere, von den beim Landesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren nicht erfasste, Sachverhaltskonstellationen erfassten und die Anträge daher "überschießend" seien. Die Regelungen des § 10 Abs 4 und § 7d Abs 5 NÖ MSG stünden in keinem untrennbaren Zusammenhang zu § 11a oder § 11b NÖ MSG. Im Hinblick auf § 7d Abs 5 NÖ MSG bringt die NÖ Landesregierung auch vor, dass das Landesverwaltungsgericht eine nicht mehr in Geltung stehende – und daher die falsche – Fassung angefochten habe.

Damit ist die NÖ Landesregierung teilweise im Recht:

8.2. Vor dem Hintergrund der vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich § 11a und § 11b NÖ MSG, die sich einerseits gegen die Schaffung unterschiedlicher Mindeststandards für verschiedene Personenkreise und andererseits gegen eine absolute Deckelung dieser Mindeststandards richten, umfasst der Anfechtungsumfang § 10 Abs 4, § 11a und § 11b NÖ MSG zur Gänze:

8.3. Das Vorbringen des Landesverwaltungsgerichtes zielt darauf ab, dass jegliche Differenzierung auf Grund der Aufenthaltsdauer, die zur Anwendung der verminderten Mindeststandards - Integration führe – unabhängig davon, ob Alleinerziehende, Minderjährige oder Volljährige betroffen sind – verfassungswidrig sei. Eine Prüfung dieser verfassungsrechtlichen Bedenken setzt daher die Anfechtung der gesamten Bestimmung voraus.

8.4. Die in § 10 Abs 4 NÖ MSG getroffene Ausnahme von der Anwendung der Mindestsicherung - Integration auf weniger als fünf Jahre aufhältige Personen und in Österreich geborene Kinder ändert, nach dem Vorbringen des Landesverwaltungsgerichtes, nichts an dieser Differenzierung und steht daher im untrennbaren Zusammenhang mit § 11a NÖ MSG. Die Regelung des § 10 Abs 4 NÖ MSG würde dem Gesetz, bei Aufhebung des § 11a NÖ MSG, im Übrigen einen nicht zusinnbaren Inhalt unterstellen: § 10 Abs 4 NÖ MSG sieht für Personen, die das Kriterium der Aufenthaltsdauer nicht erfüllen, die allgemeinen Mindeststandards gemäß § 11 NÖ MSG vor. Die Bestimmung würde bei Wegfall der Mindeststandards - Integration gemäß § 11a NÖ MSG so interpretiert werden, dass die allgemeinen Mindeststandards gemäß § 11 NÖ MSG nur dem in § 10 Abs 4 NÖ MSG bestimmten Personenkreis zu gewähren sind. § 10 Abs 4 NÖ MSG steht daher in untrennbarem Zusammenhang mit § 11a NÖ MSG.

8.5. Gleiches gilt für § 11b Abs 4 NÖ MSG, der die Berechnung der absoluten Deckelung bestimmt und Vorgaben zur vorzunehmenden Kürzung auf Grund der Deckelung trifft. Da das Landesverwaltungsgericht vorbringt, dass eine absolute Deckelung per se unsachlich und daher gleichheitswidrig sei, ist auch die gesamte Regelung zur Deckelung anzufechten.

8.6. Das Landesverwaltungsgericht hat konkrete Bedenken vorgebracht, die sich gegen das durch § 10 Abs 4, § 11a und § 11b NÖ MSG errichtete System wenden. Das Vorbringen der NÖ Landesregierung, das Landesverwaltungsgericht habe seine Bedenken nicht "im Einzelnen" dargelegt, ist daher unzutreffend (vgl. dazu ua).

8.7. § 7d Abs 5 NÖ MSG ist hingegen vom antragstellenden Gericht in den Verfahren zu den Zahlen G137/2017, G139/2017, G140-148/2017, G151/2017, G153-154/2017, G157-164/2017, G169-172/2017 und G174-176/2017 nicht anzuwenden und ist von jenen Bestimmungen, denen der Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes zuzuordnen ist, offensichtlich trennbar.

Soweit sich die Anträge zu den Zahlen G137/2017, G139/2017, G140-148/2017, G151/2017, G153-154/2017, G157-164/2017, G169-172/2017 und G174-176/2017 gegen den Bestandteil "-Integration" in § 7d Abs 5 NÖ MSG idF LGBl 103/2016 wenden, sind sie daher unzulässig.

Im Übrigen sind die Anträge zulässig.

10.Soweit das Landesverwaltungsgericht anregt, einen Beschluss gemäß § 86a Abs 1 VfGG zu fassen, weist der Verfassungsgerichtshof darauf hin, dass diese Bestimmung nur in Verfahren gemäß Art 144 B-VG anzuwenden ist.

2. In der Sache

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

Soweit zulässig, sind die Anträge auch begründet.

11.Der Gleichheitsgrundsatz gebietet dem Gesetzgeber, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln und setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er es verbietet, andere als sachlich begründbare Differenzierungen zwischen den Normadressaten zu schaffen (vgl. VfSlg 17.315/2004, 17.500/2005, 19.791/2013). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002).

Sieht man von speziellen, hier aber keine Rolle spielenden Problemstellungen im Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlich verbürgten Vertrauensschutz ab, bietet der Gleichheitsgrundsatz weder einen Schutz vor (auch nachteiligen) Gesetzesänderungen, noch legt er dem Gesetzgeber Grenzen auf, die ihn bei seiner Entscheidung über das "ob" der Gesetzesänderung in irgendeiner Weise beschränken würden, sofern nur das Gesetz in der geänderten Fassung den Anforderungen des Gleichheitssatzes entspricht (VfSlg 19.434/2011).

Dem Gesetzgeber steht bei der Beurteilung sozialer Bedarfslagen und bei der Ausgestaltung der an diese Bedarfslagen anknüpfenden sozialen Maßnahmen ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu (vgl. VfSlg 18.885/2009 zur unterschiedlichen Anhebung von Pensionsbezügen nach Pensionshöhe bei gleichzeitiger Anhebung des Ausgleichszulagenrichtsatzes, der nicht allen Pensionsbeziehern zusteht). Der Gesetzgeber ist daher nicht gehalten, Leistungen der Mindestsicherung (bzw. der Sozialhilfe) in unbeschränkter Weise zu gewähren, wenn dies eine Förderung rechtspolitisch unerwünschter Ziele zur Folge hätte (vgl. VfSlg 5972/1969 und 8541/1979); ist allerdings in einem vom Gesetzgeber eingerichteten System der Sicherung zur Gewährung eines zu einem menschenwürdigen Leben erforderlichen Mindeststandards der Zweck, dem betroffenen Personenkreis das Existenzminimum zu gewähren, nicht mehr gewährleistet, dann verfehlt ein solches Sicherungssystem offensichtlich insoweit seine Aufgabenstellung (VfSlg 19.698/2012).

12. Zu § 10 Abs 4 und § 11a NÖ MSG

12.1. Gemäß § 5 NÖ MSG haben Personen, die hilfsbedürftig sind, ihren Hauptwohnsitz oder Aufenthalt in Niederösterreich haben und zum dauernden Aufenthalt in Österreich berechtigt sind, Anspruch auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung. Grundsätzlich sind daher österreichische Staatsbürger, Unionsbürger und Drittstaatsangehörige mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht (dazu zählen gemäß § 5 Abs 2 Z 3 NÖ MSG jedenfalls Asylberechtigte) anspruchsberechtigt. Subsidiär Schutzberechtigte sind gemäß § 5 Abs 3 Z 4 NÖ MSG explizit aus dem Kreis der anspruchsberechtigten Personen ausgeschlossen. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Regelung als verfassungsrechtlich unbedenklich qualifiziert: Anders als Asylberechtigte verfügen subsidiär Schutzberechtigte nur über einen provisorischen Aufenthaltsstatus. Trotz des Ausschlusses von Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung wird subsidiär Schutzberechtigten die Führung eines menschenwürdigen Lebens im Rahmen der Grundversorgung garantiert. Es liegt eine an sachlichen Kriterien orientierte Differenzierung vor, die im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt (vgl. ).

12.2.Anspruchsberechtigte Personen haben entweder Anspruch auf Mindeststandards gemäß § 11 NÖ MSG oder Anspruch auf Mindeststandards - Integration gemäß § 11a NÖ MSG. Der Mindeststandard gemäß § 11 NÖ MSG orientiert sich am Ausgleichszulagenrichtsatz gemäß § 293 Abs 1 lita bb) ASVG (er betrug gemäß § 1 NÖ Mindeststandardverordnung 2017 € 844,46 und beträgt aktuell € 863,04 für eine volljährige, alleinstehende Person). Gegen eine am Ausgleichszulagenrichtsatz orientierte, pauschalierte Festsetzung von Mindeststandards bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. VfSlg 19.716/2012).

12.3.Der Mindeststandard - Integration betrug 2017 gemäß § 11a NÖ MSG für eine volljährige, alleinstehende Person € 572,50 (aktuell: € 585,10); das sind rund 32 % weniger als der allgemeine Mindeststandard gemäß § 11 NÖ MSG. Sowohl der Mindeststandard gemäß § 11 als auch der Mindeststandard - Integration gemäß § 11a NÖ MSG sollen den notwendigen Lebensunterhalt und den Wohnbedarf decken.

12.4. Personen, die sich innerhalb der letzten sechs Jahre mehr als fünf Jahre in Österreich aufgehalten haben, steht der (allgemeine) Mindeststandard gemäß § 11 NÖ MSG zu. Personen, die sich innerhalb der letzten sechs Jahre weniger als fünf Jahre in Österreich aufgehalten haben, steht seit der Novelle, LGBl 9205-0 idF LGBl 103/2016, nur der (verminderte) Mindeststandard - Integration gemäß § 11a NÖ MSG zu. Davon sind wiederum Personen ausgenommen, die "Österreich nachweislich zu Ausbildungszwecken oder aus beruflichen Gründen verlassen haben" (vgl. § 10 Abs 4 Z 1 NÖ MSG). In "Österreich geborene Kinder, bei denen einer der Obsorgeberechtigten nicht zum Personenkreis nach § 11a Abs 1 zählt" sind ebenfalls vom Erfordernis des fünfjährigen Aufenthalts befreit (vgl. § 10 Abs 4 Z 2 NÖ MSG). Für diese Gruppen gelten demnach die (allgemeinen) höheren Mindeststandards gemäß § 11 NÖ MSG.

Der niederösterreichische Gesetzgeber hat damit zunächst eine Regelung geschaffen, die österreichische Staatsbürger im Hinblick auf die Höhe der zu gewährenden Mindeststandards – abhängig von ihrer Aufenthaltsdauer im Inland – ungleich behandelt.

12.5. Das Landesverwaltungsgericht hält die Anknüpfung an die Aufenthaltsdauer für ein unsachliches Differenzierungskriterium und die Regelung daher für gleichheitswidrig. Für das Landesverwaltungsgericht sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Bedarf für Menschen, die kürzer als fünf Jahre im Inland aufhältig sind, geringer sei. Die NÖ Landesregierung verweist zum Zweck der Regelung auf die langfristige finanzielle Absicherung des Sozialsystems.

12.6. Es steht dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, auf eine die öffentlichen Haushalte übermäßig belastende Nachfrage nach bestimmten steuerfinanzierten Transferleistungen zu reagieren und den Zugang zu diesen Leistungen zu erschweren (VfSlg 19.434/2011 zum Bundespflegegeldgesetz). Dabei muss der Gesetzgeber aber an sachliche Kriterien anknüpfen (vgl. etwa den in Stunden bemessenen Pflegebedarf [VfSlg 19.434/2011], die tatsächliche Gewährung von Hilfleistungen durch andere [VfSlg 20.036/2015] oder den Aufenthaltsstatus [ Rz 22]). Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, verwehrt der Gleichheitsgrundsatz dem Gesetzgeber, andere als sachlich begründbare Differenzierungen zu schaffen (vgl. schon VfSlg 9006/1981).

12.7.Das vom niederösterreichischen Gesetzgeber gewählte Kriterium der Aufenthaltsdauer in Österreich innerhalb der letzten sechs Jahre stellt keine sachliche Differenzierung iSd oben zitierten Rechtsprechung dar:

12.7.1.Die NÖ Landesregierung bringt vor, dass das Merkmal der Aufenthaltsdauer einen Anknüpfungspunkt bzw. eine Nahebeziehung zur Solidargemeinschaft jenes Staates darstellen solle, der für die Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung finanziell aufkommt. Diese von der NÖ Landesregierung geforderte Nahebeziehung besteht bei allen Staatsbürgern kraft dieses Status, sie sind – unabhängig von der Dauer ihres Aufenthaltes – jedenfalls Teil der Gesellschaft, die für die Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung aufkommt (vgl. zum Grundsatz der engeren Beziehung zu Österreich Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft, Band II, 1989, 125 f.).

12.7.2.Wie der Verfassungsgerichtshof bereits ausgeführt hat, steht es dem Gesetzgeber – unter Einhaltung europa- und völkerrechtlicher Verpflichtungen – frei, Differenzierungen auf Grund der Beständigkeit des Aufenthaltsrechtes vorzunehmen, soweit zumindest die für ein menschenwürdiges Dasein erforderlichen Leistungen im zwingend erforderlichen Umfang gewährt werden ( Rz 23). Auf ein nicht bloß provisorisches Aufenthaltsrecht abzustellen, wie in § 5 Abs 1 Z 3 NÖ MSG vorgesehen, bleibt von diesen Überlegungen unberührt, weil Staatsbürgern jedenfalls ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zukommt.

12.7.3.Ebenso steht es dem Gesetzgeber weiterhin frei, auf den im Bedarfszeitraum tatsächlichen Aufenthalt im Inland abzustellen. Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung soll soziale Notlagen vermeiden und nimmt insofern auf die wirtschaftliche und soziale Situation im Inland Bezug (vgl. VfSlg 18.885/2009 zur Ausgleichszulage nach dem ASVG, 8541/1979 und 16.380/2001 zum Familienlastenausgleichsgesetz 1967 sowie 16.542/2002 zum Unterhaltsvorschußgesetz 1985).

12.7.4.Die NÖ Landesregierung bringt vor, dass der Mindeststandard - Integration Bemühungen der Anspruchsberechtigten, sich zu integrieren und einen Arbeitsplatz zu finden, verstärken solle. Für den Verfassungsgerichtshof ist nicht erkennbar, weshalb österreichische Staatsbürger, die innerhalb der letzten sechs Jahre weniger als fünf Jahre in Österreich aufhältig waren, einen stärkeren Arbeitsanreiz benötigten, zumal der bloße Aufenthalt im In- oder Ausland keinerlei Rückschluss auf die Arbeitswilligkeit der Person zulässt. Eine Differenzierung nach der Aufenthaltsdauer österreichischer Staatsbürger in den letzten sechs Jahren im Inland kann daher nicht mit dem erforderlichen Anreiz zur Arbeitsaufnahme sachlich begründet werden.

12.7.5. Im Hinblick auf die von der NÖ Landesregierung vorgebrachte Zielsetzung, einen Anreiz zur Integration zu schaffen, genügt es darauf hinzuweisen, dass die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft eine vorhandene Integration voraussetzt (für die übrigen Fälle siehe Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft, Band II, 1989, 126).

12.8.Die Ausnahmeregelung des § 10 Abs 4 Z 2 NÖ MSG überträgt letztlich die nach § 11a NÖ MSG verfassungswidrig geregelten Mindeststandards auf Kinder und ist daher ebenso verfassungswidrig: Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Bedarfsorientierte Mindestsicherung für Kinder von Staatsbürgern vom früheren Aufenthalt ihrer Eltern in Österreich abhängen soll.

12.9.Die von § 10 Abs 4 iVm § 11a NÖ MSG vorgenommene Differenzierung der Höhe der Mindestsicherung je nach der Aufenthaltsdauer in den letzten sechs Jahren in Österreich verstößt daher gegen Art 7 B-VG, weil Staatsbürger ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt werden.

13.Hinzu kommt, dass die Anknüpfung an die Aufenthaltsdauer in Österreich innerhalb der letzten sechs Jahre auch im Hinblick auf Asylberechtigte unsachlich ist:

13.1.Nach dem NÖ MSG ist der Kreis der anspruchsberechtigten ausländischen Staatsangehörigen auf Fremde begrenzt, die über ein nicht bloß provisorisches Aufenthaltsrecht verfügen (vgl. § 5 Abs 1 Z 3 NÖ MSG). Damit verhindert das NÖ MSG, dass Personen ausschließlich zur Inanspruchnahme von Sozialleistungen nach Österreich migrieren. Ein Ausschluss solcher Personen ist – auch im Hinblick auf Unionsbürger (vgl. , Dano) – unbedenklich: Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen steht es grundsätzlich frei, in ihren Herkunftsstaat zurückzukehren, um Sozialleistungen ihres Herkunftsstaats, nach den dort geltenden Vorgaben, in Anspruch zu nehmen.

13.2.Im Unterschied zu dieser Personengruppe haben Asylberechtigte ihr Herkunftsland nicht aus freiem Entschluss verlassen und ihren Wohnsitz in Österreich nicht frei gewählt (vgl. sinngemäß EGMR , Fall Bah, Appl. 56.328/07, Rz 45; , Hode und Abdi, Appl. 22.341/09, Rz 47). Asylberechtige mussten ihr Herkunftsland wegen "wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden" verlassen und können aus denselben Gründen (derzeit) nicht dorthin zurückkehren. Schon dies begründet einen Unterschied im Tatsächlichen, der es im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes verbietet, Asylberechtigte gleich wie die vorhin umschriebene Personengruppe zu behandeln, die jederzeit in ihren Herkunftsstaat zurückkehren kann. Dieser besonderen Situation der Asylberechtigten trägt auch das Genfer Abkommen vom über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (im Folgenden: GFK) Rechnung, das für Österreich verbindlich ist: Art 23 GFK verlangt eine nach Art und Höhe gleich ausgestaltete öffentliche Unterstützung und Hilfeleistung für Asylberechtigte und Staatsbürger (vgl. EGMR , Fall Fawsie, Appl. 40.080/07, Rz 38; siehe auch Art 29 Status-RL). Österreich hat die – innerstaatlich im Rang eines einfachen Bundesgesetzes stehende – GFK mit der Maßgabe ratifiziert, dass unter den in Art 23 GFK angeführten "Öffentlichen Unterstützungen und Hilfeleistungen" nur Zuwendungen aus der öffentlichen Fürsorge (Armenversorgung) zu verstehen sind. Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind jedenfalls Zuwendungen aus der öffentlichen Fürsorge ("Armenwesen" im Sinne von Art 12 Abs 1 Z 1 B-VG).

13.3.§10 Abs 4 iVm § 11a NÖ MSG sehen vor, dass Asylberechtigte ebenso wie Unionsbürger und Drittstaatsangehörige je nach der Aufenthaltsdauer in den letzten sechs Jahren in Österreich eine unterschiedlich hohe Mindestsicherung erhalten. Für diese Regelung fehlt – auch im Hinblick auf Asylberechtigte – eine sachliche Rechtfertigung.

14.§10 Abs 4 und § 11a NÖ MSG, die zwar nicht nach der Staatsangehörigkeit, aber nach der Aufenthaltsdauer im Inland differenzieren, verstoßen vor diesem Hintergrund gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art7 B-VG und ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung).

15.Zu § 11b NÖ MSG

15.1. Unabhängig davon, ob der Mindeststandard gemäß § 11 NÖ MSG oder der Mindeststandard - Integration gemäß § 11a NÖ MSG zusteht, sieht § 11b NÖ MSG eine Deckelung des Mindeststandards pro Haushalt vor: In einem Haushalt können maximal € 1.500,– an Bedarfsorientierter Mindestsicherung bezogen werden. Die Mindeststandards der Anspruchsberechtigten eines Haushalts sind prozentuell zu kürzen, sodass die Ansprüche insgesamt € 1.500,– nicht übersteigen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gemäß § 11b Abs 3 auch (fiktive) Mindeststandards von im Haushalt lebenden Personen miteinzurechnen sind, die gar keine bedarfsorientierte Mindestsicherung beziehen. Ebenso sind Mindeststandards von im Haushalt lebenden Personen zu berücksichtigen, die Pflegegeld oder erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder dauerhaft arbeitsunfähig sind. Die Ansprüche dieser Personen werden jedoch nicht gekürzt, sondern wirken sich bloß auf die für den Haushalt geltende Deckelung von € 1.500,– aus.

15.2.Das Landesverwaltungsgericht bringt vor, dass die Regelung des § 11b NÖ MSG unsachlich sei, weil auch in Haushalts- oder Wohngemeinschaften ein individueller Bedarf pro Person (etwa für Lebensmittel) bestehe, der nicht durch die Haushalts- oder Wohngemeinschaft abgedeckt werde. Indem das NÖ MSG pauschal auf Haushaltsgemeinschaften, unabhängig von deren konkreter Personenzusammensetzung, abstelle, mache es Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung von Kriterien abhängig, die nicht immer beeinflussbar seien. Der mit § 11b NÖ MSG eingeführte Deckel verstärke diesen Effekt. Es sei daher unsachlich eine absolute Höchstgrenze von € 1.500,– einzuziehen. 18 % (Familien mit mindestens drei Kindern) bzw. 25 % (Familien mit mindestens zwei Kindern) der Bezieher seien Familien, auf die sich die Deckelung auswirke, es könne daher keinesfalls von bloßen Härtefällen gesprochen werden.

15.3.Dem entgegnet die NÖ Landesregierung, dass die Deckelung bei € 1.500,– am Medianeinkommen orientiert sei; insbesondere bei kinderreichen Familien bestehe die Gefahr, dass durch den Bezug von Sozialleistungen ein monatliches Einkommen erzielt werde, das ein Arbeitseinkommen üblicherweise übersteigt. Die Deckelung sei daher notwendig, um einen Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu setzen. Im Übrigen sehe das Sozialrecht auch in anderen Bereichen Deckelungen vor.

15.4.Zur Frage der Deckelung von Leistungen der Mindestsicherung hat der Verfassungsgerichtshof bereits Stellung bezogen:

In VfSlg 11.662/1988 hat der Verfassungsgerichtshof bereits betont, dass die Lebenshaltungskosten pro Person bei zunehmender Größe der Haushaltsgemeinschaft abnehmen mögen, jedoch immer noch je weitere Person ein Aufwand in einiger Höhe erforderlich ist. Es ist also kein sachlicher Grund zu erkennen, richtsatzmäßige Geldleistungen für eine Haushaltsgemeinschaft ab dem dritten Haushaltsangehörigen abrupt zu kürzen. In Fällen, in denen allfällige weitere Haushaltsangehörige keine Familienbeihilfe beziehen (die keineswegs besonders selten sind), ist eine Höchstgrenze jedenfalls verfehlt. Aber auch dann, wenn für allfällige weitere Haushaltsangehörige Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, kann in der Regel mit der Familienbeihilfe allein der Lebensunterhalt dieser weiteren Personen (beispielsweise des zweiten und dritten Kindes) nicht bestritten werden.

Ist in einem vom Gesetzgeber eingerichteten System der Sicherung zur Gewährung eines zu einem menschenwürdigen Leben erforderlichen Mindeststandards der Zweck, dem betroffenen Personenkreis das Existenzminimum zu gewähren, nicht mehr gewährleistet, dann verfehlt ein solches Sicherungssystem offensichtlich insoweit seine Aufgabenstellung (VfSlg 19.698/2012).

15.5.Der Verfassungsgerichtshof sieht sich nicht veranlasst, von dieser Rechtsprechung abzugehen:

15.5.1.Die NÖ Landesregierung weist auf öffentliche Interessen, wie die Herstellung einer gesamtgesellschaftlich gerecht empfundenen Verteilungsordnung und den damit verbundenen Anreiz zur Erwerbsaufnahme, hin. Es steht dem Gesetzgeber frei, besondere Regelungen für Haushaltsgemeinschaften zu schaffen, weil hier grundsätzlich ein anderer Bedarf vorliegt als bei Einpersonenhaushalten. So haben in Haushaltsgemeinschaft lebende Personen geringere Wohnkosten und – in einem gewissen Ausmaß – auch geringere Lebenshaltungskosten, die sich beispielsweise in degressiven Mindeststandards niederschlagen können (vgl. ).

15.5.2.Zweck der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ist die "Vermeidung und Bekämpfung von Armut und sozialer Ausschließung oder von anderen sozialen Notlagen bei hilfsbedürftigen Personen" (§1 Abs 1 NÖ MSG). Der niederösterreichische Gesetzgeber legt in § 11 NÖ MSG fest, dass alleinstehende und alleinerziehende Personen einen höheren Betrag zur Deckung ihres Lebensunterhaltes und Wohnbedarfes erhalten als volljährige Personen, die in Haushaltsgemeinschaft mit anderen volljährigen Personen leben oder Minderjährige, die mit anderen volljährigen Personen im Haushalt leben. Das System der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nach § 11 NÖ MSG stellt somit – wenn auch einer Durchschnittsbetrachtung folgend – auf die konkrete Bedarfslage der hilfsbedürftigen Personen ab. § 11b NÖ MSG begrenzt hingegen – in Abkehr vom System der Bedarfsorientierten Mindestsicherung – den Anspruch eines Haushaltes bei € 1.500,–, unabhängig davon, wie viele und welche Personen (volljährige, minderjährige, mit oder ohne Anspruch auf Transfer- bzw. Unterhaltsleistungen) dem Haushalt angehören. Diese Regelung kann aber nicht mit geringerem Wohnbedarf oder mit Synergieeffekten einer Haushaltsgemeinschaft sachlich gerechtfertigt werden. Die Deckelung gemäß § 11b NÖ MSG wird überdies unabhängig davon wirksam, ob die weiteren Mitbewohner selbst Bedarfsorientierte Mindestsicherung beziehen. Damit hat der niederösterreichische Gesetzgeber eine unsachliche Regelung geschaffen: Wenngleich € 1.500,– für bestimmte Haushaltskonstellationen ausreichend sein können, verhindert das NÖ MSG eine einzelfallbezogene und damit sachliche Bedarfsprüfung.

15.5.3.Die prozentuelle Kürzung der Mindeststandards der Haushaltsmitglieder gemäß § 11b Abs 2 NÖ MSG ändert nichts daran, dass ihnen nach Maßgabe der Deckelung insgesamt nur € 1.500,– zustehen, und zwar unabhängig davon, wie viele und welche Personen tatsächlich im Haushalt leben und wie hoch deren konkreter Bedarf ist. Auch wenn die Lebenshaltungskosten pro Person bei zunehmender Größe der Haushaltsgemeinschaft abnehmen mögen, so ist doch immer noch je weitere Person ein Aufwand in einiger Höhe erforderlich (VfSlg 11.662/1988). Die gemäß § 13 NÖ MSG geschaffene Möglichkeit, Zusatzleistungen in Form des Privatrechts zu erbringen, kann diese Systemwidrigkeit des § 11b NÖ MSG nicht ausgleichen.

15.5.4.Die NÖ Landesregierung bringt vor, dass die Familienbeihilfe im System der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nicht angerechnet werde und daher sichergestellt sei, dass der Bedarf von Familien gedeckt sei. Der Verfassungsgerichtshof geht weiterhin davon aus, dass es zulässig ist, den Grundbetrag der Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag bei der Bemessung von Leistungen beim Anspruchsberechtigten aus der Mindestsicherung zu berücksichtigen (vgl. VfSlg 19.913/2014). Dies ändert jedoch nichts an der unsachlichen Ausgestaltung von § 11b NÖ MSG, die es verhindert, den konkreten Bedarf von Personen, die in einer Haushaltsgemeinschaft leben, wahrzunehmen. Vor dem Hintergrund der systemimmanenten Unsachlichkeit kann auch nicht von einem bloßen Härtefall gesprochen werden.

Das mit § 11b NÖ MSG geschaffene System nimmt keine Durchschnittsbetrachtung vor, sondern verhindert die Berücksichtigung des konkreten Bedarfes von in Haushaltsgemeinschaft lebenden Personen. Dadurch verfehlt dieses System der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ab einer bestimmten Haushaltsgröße seinen eigentlichen Zweck, nämlich die Vermeidung und Bekämpfung von sozialen Notlagen bei hilfsbedürftigen Personen (vgl. VfSlg 19.698/2012).

15.5.5.Soweit die NÖ Landesregierung auf andere sozialrechtliche Regelungen verweist, die eine "Deckelung" vorsehen, ist ihr entgegenzuhalten, dass keine der genannten Bestimmungen mit § 11b NÖ MSG vergleichbar ist: Die zitierten Regelungen setzen entweder pro Person geltende Deckelungen fest (vgl. § 293 ASVG,§ 264 ASVG,§ 8a Kinderbetreuungsgeldgesetz, Art 9 Grundversorgungsvereinbarung bezieht sich teilweise auch auf geteilte Wohnräume) oder ordnen die Berücksichtigung einer Ehe, Eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft an (vgl. § 36 Abs 2 und 3 AlVG,§ 7 NÖ Grundversorgungsgesetz). § 220 ASVG sieht eine "Deckelung" vor, soweit alle Hinterbliebenenrenten 80 % der Bemessungsgrundlage überschreiten. Da es sich hiebei um eine beitragsfinanzierte Versicherungsleistung handelt, ist diese Deckelung im Hinblick auf die Gebundenheit der Leistungshöhe an geleistete Beiträge systemimmanent sachlich begründet und einem Vergleich mit der – unabhängig von Beitragsleistungen ausgestalteten – Bedarfsorientierten Mindestsicherung, die sich am Bedarf orientiert, nicht zugänglich.

16. § 10 Abs 4, § 11a und § 11b NÖ MSG sind daher wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz und gegen ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung als verfassungswidrig aufzuheben. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren im Antrag dargelegten Bedenken.

17.Entscheidung über die Anträge zu G299-407/2017, G410-411/2017, G413/2017, G4-5/2018, G20/2018, G23-25/2018, G34-35/2018, G37-38/2018, G40-41/2018, G46-47/2018, G49/2018, G51/2018 und G53/2018

Da diese Anträge des Landesverwaltungsgerichtes den zu G136-155/2017, G157-164/2017, G169-176/2017 und G243-244/2017 protokollierten Anträgen im Wesentlichen gleichen, hat der Verfassungsgerichtshof gemäß § 19 Abs 3 Z 4 VfGG davon abgesehen, ein weiteres Verfahren in diesen Rechtssachen durchzuführen. Dies erfolgt in Hinblick darauf, dass die in den Verfahren über die Anträge zu G299-407/2017, G410-411/2017, G413/2017, G4-5/2018, G20/2018, G23-25/2018, G34-35/2018, G37-38/2018, G40-41/2018, G46-47/2018, G49/2018, G51/2018 und G53/2018 aufgeworfenen Rechtsfragen durch die Entscheidung über die sonstigen Anträge des Landesverwaltungsgerichtes bereits geklärt sind.

V.Ergebnis

1.§10 Abs 4, § 11a und § 11b NÖ MSG, LGBl 9205-0 idF LGBl 103/2016, sind wegen Verstoßes gegen Art 7 B-VG und gegen ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung als verfassungswidrig aufzuheben.

2.Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

3.Der Verfassungsgerichtshof sieht sich veranlasst, von der ihm durch Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch zu machen und auszusprechen, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind.

4.Die Verpflichtung der Landeshauptfrau zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG.

5.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2018:G136.2017
Schlagworte:
Mindestsicherung, Grundversorgung, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Präjudizialität, Auslegung eines Gesetzes, VfGH / Aufhebung Wirkung, Rechtspolitik

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