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VfGH vom 04.12.2014, G135/2014

VfGH vom 04.12.2014, G135/2014

Leitsatz

Aufhebung des Verweises auf eine Bewertungsregel der JN für Liegenschaften betr. die Maßgeblichkeit des dreifachen Einheitswertes für die Zulässigkeit eines Revisionsrekurses wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz

Spruch

I. 1. Die Wortfolge "und 60 Abs 2" in § 59 Abs 3 des Bundesgesetzes über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (AußerstreitgesetzAußStrG, BGBl I Nr 111/2003, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

3. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

II. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag, bisheriger Verfahrensgang und Vorverfahren

1. Aus Anlass eines außerordentlichen Revisionsrekurses stellt der Oberste Gerichtshof gemäß Art 89 Abs 2 iVm Art 140 Abs 1 Z 1 lita B VG den Antrag, die Wortfolge "und § 60 Abs 2" (gemeint offensichtlich "und 60 Abs 2") in § 59 Abs 3 des Bundesgesetzes über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (AußerstreitgesetzAußStrG), BGBl I 111/2003, in eventu diese Wortfolge sowie § 60 Abs 2 des Gesetzes vom 1. August 1895 über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen (JurisdiktionsnormJN), RGBl. 111/1895, als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Diesem Antrag ist folgendes Verfahren vorausgegangen:

2.1. Der Rechtsmittelwerber war auf Grund eines Schenkungsvertrages zwischen ihm und seiner Tante grundbücherlicher Eigentümer von 52/1655-Anteilen an einer in Innsbruck gelegenen Liegenschaft, verbunden mit Wohnungseigentum, geworden. In der Folge stellte das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht mit rechtskräftigem Urteil fest, dass dieser Schenkungsvertrag unwirksam ist; der dort Beklagte und nunmehrige Rechtsmittelwerber wurde deshalb schuldig erkannt, die in Rede stehenden Liegenschaftsanteile an die klagende Schenkungsgeberin rückzuübereignen.

2.2. Auf Grund dieses rechtskräftigen Urteils des Oberlandesgerichtes Innsbruck und unter Vorlage weiterer Bewilligungsurkunden beantragte die vormalige Schenkungsgeberin die Löschung der Einverleibung des Eigentumsrechtes des Rechtsmittelwerbers und die Wiederherstellung des Grundbuchstandes zum durch Einverleibung ihres Eigentumsrechtes an den Miteigentumsanteilen.

Die begehrte Grundbuchseintragung wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom antragsgemäß bewilligt.

2.3. Dem vom Rechtsmittelwerber gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs gab das Landesgericht Innsbruck keine Folge und sprach gemäß § 59 Abs 1 Z 2 und Abs 2 AußStrG iVm § 126 Abs 1 Allgemeines Grundbuchgesetz 1955 aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei und der Wert des rekursgerichtlichen Entscheidungsgegenstandes € 30.000,– übersteige.

Das Rekursgericht begründete die Bewertung des nicht in einem Geldbetrag bestehenden Entscheidungsgegenstandes mit dem Hinweis auf den "in der Titelurkunde ausgewiesenen Verkehrswert der Eigentumswohnung".

2.4. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen den Beschluss des Rekursgerichtes rechtzeitig außerordentlichen Revisionsrekurs, der den Obersten Gerichtshof veranlasste, den eingangs wiedergegebenen Antrag beim Verfassungsgerichtshof zu stellen.

Den Ausführungen des Obersten Gerichtshofes zufolge hat die Eigentumswohnung (unter Berücksichtigung des Reparaturbedarfs) einen Verkehrswert von € 55.695,55 und einen Steuerschätzwert (dreifachen Einheitswert) von € 15.262,08.

3.1. Zur Präjudizialität der (teils eventualiter) angefochtenen Bestimmungen führt der Oberste Gerichtshof aus:

"[...] Der Entscheidungsgegenstand in Grundbuchsachen ist grundsätzlich vermögensrechtlicher Natur (5 Ob 124/03a = RdW 2004/180, 212 = NZ 2005/13, 24; 5 Ob 49/97k = NZ 1988, 219; 5 Ob 290/06t mwN; 5 Ob 241/07p). Besteht ein Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, so hat das Rekursgericht gemäß § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt (richtig:) 30.000 EUR übersteigt oder nicht.

[...] Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist § 60 Abs 2 JN anzuwenden, wenn der Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ausschließlich vom Wert der Liegenschaft bestimmt wird (RIS-Justiz RS0053191; RS0046509 [insb T 2 und T 11]; 3 Ob 89/12b NZ 2012/136). Dies trifft auf ein Grundbuchgesuch zu, mit dem – wie hier – die Einverleibung des Eigentumsrechts an einer (gesamten) Liegenschaft (Einlagezahl) begehrt wird (5 Ob 87/92 mwN; , 5 Ob 124/03a; 5 Ob 50/04w; 5 Ob 241/07p).

[...] Nach gesicherter neuerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs knüpft der in § 60 Abs 2 JN erwähnte 'Steuerschätzwert für die Gebührenbemessung' an § 6 Abs 1 litb GrEStG 1987 an, der idF BGBl I 2000/142 festlegt, dass als Wert des Grundstücks das Dreifache des Einheitswerts anzusetzen ist (5 Ob 180/02k MietSlg 54.583; 3 Ob 320/02h SZ 2003/134; 2 Ob 64/11t; 2 Ob 127/11g; RIS-Justiz RS0046526 [T6]; 3 Ob 89/12b NZ 2012/136).

[...] Die Bewertungsvorschrift des § 60 Abs 2 JN ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für die Beurteilung der Rechtsmittelzulässigkeit jedenfalls insoweit zwingend, als eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands mit einem Betrag über dem (nunmehr dreifachen) Einheitswert unbeachtlich ist (5 Ob 102/91 NZ 1992/228 GBSlg [ Hofmeister ]; 3 Ob 320/02h; 2 Ob 64/11t; 3 Ob 89/12b NZ 2012/136; vgl RIS-Justiz RS0007074).

[...] Aus der beschriebenen Rechtslage folgt für den vorliegenden Fall, dass der Bewertungsausspruch des Rekursgerichts, wonach der Wert des rekursgerichtlichen Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt, im Hinblick auf den Steuerschätzwert (den dreifachen Einheitswert) von 15.262,08 EUR gegen die zwingende Bewertungsvorschrift des § 60 Abs 2 JN verstößt und somit unbeachtlich ist.

[...] Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR nicht, so steht dem Rechtsmittelwerber nur die Möglichkeit der Zulassungsvorstellung nach § 63 Abs 1 AußStrG offen. Die Akten wären demnach dem Rekursgericht zurückzustellen, welches dann den als außerordentlichen Revisionsrekurs bezeichneten Schriftsatz des Rechtsmittelwerbers als Zulassungsvorstellung zu behandeln hätte. [...]"

3.2. Die Bedenken, die den Obersten Gerichtshof zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, werden wie folgt dargelegt:

"[...] Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses im Verfahren außer Streitsachen regelt § 62 AußStrG. Dem Konzept nach besteht das System der Revisionsrekurszulässigkeit in einem Zulassungsmodell verbunden mit einer Wertgrenze (30.000 EUR) bzw der Abhängigkeit von einer bestimmten Qualität des erhobenen Anspruchs (nicht rein vermögensrechtlicher Natur); letztgenannter Fall liegt hier nicht vor [...] und ist daher bei den weiteren Überlegungen nicht weiter zu berücksichtigen.

[...] Zunächst hat das Gericht zweiter Instanz gemäß § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG auszusprechen, ob der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig ist. Hat das Rekursgericht, weil es der Ansicht ist, dass es keine erhebliche Rechtsfrage zu klären hatte, ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist, so hat das Rekursgericht weiters auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt (richtig:) 30.000 EUR übersteigt oder nicht.

[...] Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR nicht, kann der Rechtsmittelwerber nur einen Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung; § 63 Abs 3 AußStrG). Erachtet das Rekursgericht die Zulassungsvorstellung für nicht stichhältig, so hat es diese samt dem ordentlichen Revisionsrekurs mit Beschluss zurückzuweisen (§63 Abs 4 AußStrG). In diesem Fall kann der Oberste Gerichtshof mit der Rechtssache nicht mehr befasst werden (§62 Abs 3 AußStrG).

[...] Übersteigt dagegen der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR, so kann auch dann, wenn das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG ausgesprochen hat, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist, dennoch ein Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof erhoben werden (außerordentlicher Revisionsrekurs; § 62 Abs 5 AußStrG).

[...] Demnach ist im vorliegenden Kontext für die garantierte Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs von maßgeblicher Bedeutung, ob der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR übersteigt oder nicht. Der Gesetzgeber selbst bringt damit zum Ausdruck, dass für eine Rechtssache, deren wirtschaftliche Bedeutung einen gewissen Grenzwert (30.000 EUR) übersteigt, jedenfalls der Zugang zum Obersten Gerichtshof gewährleistet sein soll.

[...] Der Verfassungsgerichtshof hat in jüngerer Zeit in unterschiedlichen Zusammenhängen mehrfach die Unsachlichkeit der Anknüpfung an den (dreifachen) Einheitswert bei Liegenschaften als Bemessungsgrundlage aufgegriffen (VfGH G34/11 [Aufhebung der einheitswertbezogenen Ermittlungsvorschrift bei der Eintragungsgebühr nach dem GGG]; VfGH G111/11[Stiftungseingangssteuergesetz]; VfGH G54/06 VfSlg 18.093 [Aufhebung des § 1 Abs 1 Z 1 ErbStG]).

[...] Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner jüngeren Judikatur auch wiederholt festgehalten, es sei als notorisch anzusehen, dass zwischen dem Verkehrswert eines Grundstücks und seinem Einheitswert, und zwar auch wenn dieser verdreifacht wird, im Hinblick auf die seit Jahrzehnten unterlassene Hauptfeststellung der Einheitswerte im Regelfall erhebliche Abweichungen bestehen (vgl VfSlg 19.487/2011 [Seite 160 unter Verweis auf VfSlg 18.093/2007 insb Seite 317]; VfGH G78/12). Im vorliegenden Zusammenhang führen diese Abweichungen im Hinblick auf die Bewertungsvorschrift des § 60 Abs 2 JN dazu, dass die Möglichkeit, eine bestimmte Rechtssache im Hinblick auf ihre erhebliche wirtschaftliche Bedeutung – jedenfalls – an den Obersten Gerichtshof herantragen zu können, den Parteien bloß deswegen verschlossen sein kann, weil der Gegenstand der Entscheidung in einer Liegenschaft besteht.

[...] Besteht etwa der Gegenstand der Entscheidung lediglich aus Fahrnissen, deren für die Bewertung durch das Rekursgericht maßgeblicher Verkehrswert 30.000 EUR übersteigt, steht den Parteien – jedenfalls und unabhängig vom Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts – die Anrufung des Obersten Gerichtshofs offen. Besteht der Gegenstand der Entscheidung dagegen in einer Liegenschaft, deren Verkehrswert zwar 30.000 EUR übersteigt, deren 'Steuerschätzwert für die Gebührenbemessung' aber nicht 30.000 EUR übersteigt, hängt die Möglichkeit der Anrufung des Obersten Gerichtshofs letztlich vom Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts ab. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung, bei der Bewertung von Liegenschaften anders als bei beweglichen Sachen nicht den tatsächlichen Wert, sondern nur den dreifache[n] Einheitswert heranzuziehen, vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu erkennen.

[...] Eine teleologische Reduktion des § 59 Abs 3 AußStrG um den Verweis auf § 60 Abs 2 JN ist ausgeschlossen, setzt dies doch den klaren Nachweis des Gesetzeszwecks voraus, an dem sich die letztlich den Gesetzeswortlaut korrigierende Auslegung orientieren soll (9 ObA 38/06p SZ 2006/109; RIS-Justiz RS0106113; VfGH G78/12). Davon kann hier aber deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Gesetzgeber durch den Verweis auf § 60 Abs 2 JN diese Bestimmung ganz bewusst zum Maßstab für die Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Rechtsmittelgericht machen wollte (VfGH G78/12)."

4. Die Bundesregierung nahm "vor dem Hintergrund der mit dem Bundesgesetz BGBl I Nr 36/2014 bewirkten Änderung der Rechtslage, in Kraft getreten mit ," von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand.

II. Rechtslage

Die angefochtenen Vorschriften stehen in folgendem rechtlichen Zusammenhang:

1. Gemäß § 126 Abs 1 Allgemeines Grundbuchgesetz 1955 gilt im Grundbuchverfahren für die Entscheidung des Rekursgerichtes § 59 AußStrG.

2.1. § 59 AußStrG, BGBl I 111/2003, lautet (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"Ausspruch des Rekursgerichts

§59. (1) Das Rekursgericht hat in seinem Beschluss auszusprechen,

1. dass der Revisionsrekurs nach § 62 Abs 2 jedenfalls unzulässig ist;

2. falls Z 1 nicht zutrifft, ob der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 zulässig ist.

(2) Hat das Rekursgericht nach Abs 1 Z 2 ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist, und besteht ein Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, so hat das Rekursgericht ferner auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 20 000 Euro übersteigt oder nicht.

(3) Bei dem Ausspruch nach Abs 2 sind die §§54 Abs 2, 55 Abs 1 bis 3, 56 Abs 3, 57, 58 und 60 Abs 2 JN sinngemäß anzuwenden. Der Ausspruch nach Abs 1 Z 1 bindet weder die Parteien noch die Gerichte. Der Ausspruch nach Abs 1 Z 2 ist kurz zu begründen.

(4) Gegen die Aussprüche nach Abs 1 Z 1 und Abs 2 findet kein Rechtsmittel statt. Die Unrichtigkeit eines Ausspruchs nach Abs 1 Z 2 kann – außer in einer Zulassungsvorstellung – nur in einem außerordentlichen Revisionsrekurs, allenfalls in der Beantwortung eines ordentlichen Revisionsrekurses geltend gemacht werden."

Die im Art 5 des Budgetbegleitgesetzes 2009, BGBl I 52, unterbliebene Erhöhung auch des im § 59 Abs 2 AußStrG genannten Betrages von € 20.000,– ist – nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes (vgl. auch ) – ein offenkundiges Redaktionsversehen des Gesetzgebers, das im Wege der Gesetzesauslegung dahin zu korrigieren sei, dass der in § 59 Abs 2 genannte Betrag von "20.000 Euro" richtig mit "30.000 Euro" gelesen werden müsse.

2.2. §§62 und 63 AußStrG (idF BGBl I 52/2009) regeln die Zulässigkeit des Revisionsrekurses und die Zulassungsvorstellung folgendermaßen:

"Zulässigkeit des Revisionsrekurses

§62. (1) Gegen einen im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

(2) Der Revisionsrekurs ist jedoch jedenfalls unzulässig

1. über den Kostenpunkt,

2. über die Verfahrenshilfe sowie

3. über die Gebühren.

(3) Weiters ist der Revisionsrekurs – außer im Fall des § 63 Abs 3 – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30 000 Euro nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat.

(4) Der Abs 3 gilt nicht, soweit der Entscheidungsgegenstand nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist.

(5) Hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht nach Abs 1 zulässig ist, so kann dennoch ein Revisionsrekurs erhoben werden, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30 000 Euro übersteigt oder soweit er nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist (außerordentlicher Revisionsrekurs).

Zulassungsvorstellung

§63. (1) Übersteigt der Entscheidungsgegenstand nicht insgesamt 30 000 Euro und hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 nicht zulässig ist, so kann eine Partei einen Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin gehend abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung); der Antrag muss hinreichend erkennen lassen, warum – entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts – nach § 62 Abs 1 der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig erachtet wird. Mit demselben Schriftsatz ist der ordentliche Revisionsrekurs auszuführen.

(2) Die Zulassungsvorstellung, verbunden mit dem ordentlichen Revisionsrekurs, ist beim Gericht erster Instanz binnen vierzehn Tagen zu stellen; die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts zu laufen. § 65 Abs 1 zweiter Satz und Abs 2 gilt sinngemäß.

(3) Erachtet das Rekursgericht die Zulassungsvorstellung für stichhältig, so hat es seinen Ausspruch mit Beschluss abzuändern und auszusprechen, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch nach § 62 Abs 1 zulässig ist; dieser Beschluss ist kurz zu begründen (§59 Abs 3 letzter Satz).

(4) Erachtet das Rekursgericht die Zulassungsvorstellung für nicht stichhältig, so hat es diese samt dem ordentlichen Revisionsrekurs mit Beschluss zurückzuweisen; dabei kann sich das Rekursgericht mit einem Hinweis auf die Begründung seines aufrechterhaltenen Ausspruchs begnügen, wonach der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist. Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel zulässig.

(5) Erklärt das Rekursgericht den Revisionsrekurs doch für zulässig, so hat es diesen Beschluss den Parteien zuzustellen und, soweit vorgesehen, dem Revisionsrekursgegner die Beantwortung des Revisionsrekurses freizustellen. Davon ist auch das Gericht erster Instanz zu verständigen."

3. Die Vorschrift des § 60 Jurisdiktionsnorm – der in der Stammfassung RGBl. 111/1895 gilt und dessen Abs 2 eventualiter mitangefochten (und ebenfalls hervorgehoben) ist – lautet:

"§. 60.

(1) Erscheint bei einer Klage, welche bei einem Gerichtshofe erster Instanz angebracht wurde, die vom Kläger angegebene Summe, zu deren Annahme an Stelle der angesprochenen Sache er sich erboten hat (§56 Absatz 1), oder die im Sinne des §. 56 Absatz 2 erfolgte Bewertung des Streitgegenstandes übermäßig hoch gegriffen, so kann das Gericht, wenn es zugleich wahrscheinlich ist, dass bei richtigerer Bewertung des Streitgegenstandes dieser die für die Zuständigkeit des Gerichtshofes oder für die Besetzung des Gerichtes (§7a) maßgebende Wertgrenze nicht erreichen dürfte, von amtswegen die ihm zur Prüfung der Richtigkeit der Wertangabe nöthig erscheinenden Erhebungen und insbesondere die Einvernehmung der Parteien, die Vornahme eines Augenscheines und, wenn es ohne erheblichen Kostenaufwand und ohne besondere Verzögerung geschehen kann, auch die Begutachtung durch Sachverständige anordnen. Dies kann erforderlichenfalls auch schon vor Anberaumung der mündlichen Verhandlung geschehen.

(2) Als Wert einer grund- oder hauszinssteuerpflichtigen unbeweglichen Sache ist jener Betrag anzusehen, welcher als Steuerschätzwert für die Gebührenbemessung in Betracht kommt.

(3) Muss infolge der Ergebnisse solcher Erhebungen und Beweisführungen die Streitsache von dem Gerichtshofe an das Bezirksgericht abgetreten werden, so hat der Kläger die durch diese Erhebungen und Beweisführungen entstandenen Kosten zu tragen oder zu ersetzen. Dasselbe gilt, wenn nach dem Ergebnisse solcher Erhebungen und Beweisführungen der mit mehr als 100 000 Euro angegebene Wert des Streitgegenstandes den Betrag von 100 000 Euro nicht übersteigt (§7a).

(4) Außer dem in Absatz 1 bezeichneten Falle ist die in der Klage enthaltene Bewertung des Streitgegenstandes in Ansehung der Zuständigkeit und der Besetzung des Gerichtes (§7a) sowohl für das Gericht als für den Gegner bindend."

4.1. Nach gesicherter neuerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (zB , , 2 Ob 64/11t, , 3 Ob 89/12b) knüpft der in § 60 Abs 2 JN erwähnte "Steuerschätzwert für die Gebührenbemessung" an § 6 Abs 1 litb Grunderwerbsteuergesetz 1987 an, der in der Fassung BGBl I 142/2000 festlegt, dass als Wert des Grundstückes das Dreifache des Einheitswertes anzusetzen ist.

4.2. Der unter der Überschrift "Wert des Grundstückes" stehende § 6 Abs 1 GrEStG 1987 idF BGBl I 142/2000 hatte bis zum Ablauf des folgenden Wortlaut:

"§6. (1) Als Wert des Grundstückes ist

a) im Falle des § 4 Abs 2 Z 2 der Einheitswert anzusetzen, wenn das Grundstück, das Gegenstand des Erwerbsvorganges ist, eine wirtschaftliche Einheit (Untereinheit) bildet. Maßgebend ist der Einheitswert, der auf den dem Erwerbsvorgang unmittelbar vorausgegangenen Feststellungszeitpunkt festgestellt ist, im Übrigen

b) das Dreifache des Einheitswertes (lita) anzusetzen. Wird von einem Steuerschuldner nachgewiesen, dass der gemeine Wert des Grundstückes im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld geringer ist als das Dreifache des Einheitswertes, ist der nachgewiesene gemeine Wert maßgebend.

[...]"

Das Dreifache des Einheitswertes kam gemäß § 4 Abs 2 GrEStG 1987 (idF vor BGBl I 36/2014) unter anderem dann zum Tragen, wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln war (Z1) oder beim Erwerb durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder in Erfüllung eines Pflichtteilsanspruches, wenn die Leistung an Erfüllungs Statt vor Beendigung des Abhandlungsverfahrens vereinbart worden ist (Z4).

4.3. Durch die mit in Kraft getretene Novelle BGBl I 36/2014 wurde (infolge der mit Ablauf dieses Tages wirksam gewordenen Aufhebung des § 6 GrEStG 1987 durch den Verfassungsgerichtshof [VfSlg 19.701/2012, Kdm. BGBl I 116/2012]) das GrEStG 1987 insoweit geändert, als die Bemessungsgrundlage neu geregelt wurde (vgl. §§4 und 6 GrEStG 1987 idF BGBl I 36/2014).

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag auf Aufhebung einer generellen Norm nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Der antragstellende Oberste Gerichtshof hat über die Zulässigkeit eines außerordentlichen Revisionsrekurses in einer Grundbuchsache zu entscheiden. Einer meritorischen Behandlung des Revisionsrekurses steht der Umstand entgegen, dass das Rekursgericht zwar gemäß § 59 Abs 2 AußStrG den Wert des Entscheidungsgegenstandes beziffert, dabei aber entgegen der Bewertungsvorschrift des § 60 Abs 2 JN (die gemäß § 59 Abs 3 AußStrG bei einem Ausspruch gemäß Abs 2 anzuwenden ist) nicht den (dreifachen) Einheitswert, sondern den Verkehrswert der Liegenschaft zugrunde gelegt hat, sodass der Oberste Gerichtshof nicht an diesen Ausspruch gebunden wäre; unter Zugrundelegung des (dreifachen) Einheitswertes hätte er vielmehr die Akten dem Rekursgericht zurückzustellen, das den als außerordentlichen Revisionsrekurs bezeichneten Schriftsatz des Rechtsmittelwerbers als Zulassungsvorstellung zu behandeln hätte.

Im Hinblick auf die vom Obersten Gerichtshof dargelegten Überlegungen ist es jedenfalls denkmöglich, dass er den Verweis auf § 60 Abs 2 JN in § 59 Abs 3 AußStrG (ebenso wie den eventualiter mitangefochtenen § 60 Abs 2 JN selbst) in dem dem Antrag zugrunde liegenden Verfahren anzuwenden hat (vgl. VfSlg 19.705/2012).

1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Die Bedenken des Obersten Gerichtshofes gegen die von ihm angefochtene Wortfolge bestehen im Wesentlichen darin, dass im Bereich der Zulässigkeit seiner Anrufung sachlich nicht zu rechtfertigende Unterschiede in der Behandlung von Rechtsmittelwerbern in Grundbuchssachen bestehen, je nachdem, ob der Wert des Entscheidungsgegenstandes der Bewertungsregel des § 60 Abs 2 JN unterliegt oder nicht. Bei gleichem Verkehrswert des Entscheidungsgegenstandes (über der Wertgrenze nach § 59 Abs 2 AußStrG) werde jenen Rechtsmittelwerbern der unmittelbare Zugang zum Obersten Gerichtshof verwehrt, bei denen eine Liegenschaft Prozessgegenstand ist, deren "Steuerschätzwert für die Gebührenbemessung" aber die in § 59 Abs 2 AußStrG genannte Wertgrenze nicht übersteigt. Für diese Rechtsmittelwerber komme es zu einer unsachlichen Einschränkung der Möglichkeit, eine bestimmte Rechtssache im Hinblick auf ihre erhebliche wirtschaftliche Bedeutung an den Obersten Gerichtshof herantragen zu können.

2.3. Mit diesem Vorbringen ist der Oberste Gerichtshof im Recht:

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner jüngeren Judikatur wiederholt festgehalten, dass es als notorisch anzusehen ist, dass zwischen dem Verkehrswert eines Grundstücks einerseits und seinem Einheitswert (auch wenn dieser verdreifacht wird) andererseits mit Blick auf die seit Jahrzehnten unterlassene Hauptfeststellung der Einheitswerte im Regelfall erhebliche Abweichungen bestehen (vgl. etwa VfSlg 19.487/2011, 160, unter Verweis auf VfSlg 18.093/2007, insb. 317). Im vorliegenden Zusammenhang führen diese Abweichungen dazu, dass den Parteien die Möglichkeit, in einem Prozess relevante Rechtsfragen im Wege eines Revisionsrekurses an den Obersten Gerichtshof heranzutragen, unter Umständen bloß deswegen verschlossen bleibt, weil der Entscheidungsgegenstand in einer Liegenschaft besteht: Im Hinblick auf die (zwingende) Maßgeblichkeit der Einheitswerte wird der Rechtszug an den Obersten Gerichtshof bei Streitigkeiten um Liegenschaften jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn ihr dreifacher Einheitswert die in § 59 Abs 2 AußStrG festgelegte Wertgrenze nicht erreicht, obwohl der Verkehrswert darüber liegt und obwohl der Revisionsrekurs bei Streitigkeiten um gleichwertige Fahrnisse oder entsprechende Geldbeträge – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – zulässig wäre. Da nach dem Gesagten eine vorhersehbare Relation zwischen dem Verkehrswert und dem Einheitswert einer Liegenschaft heute nicht mehr existiert, steht eine solche Differenzierung mit einem Rechtsmittelsystem, soweit dieses die Zulässigkeit der Anrufung eines Höchstgerichtes vom Wert des Entscheidungsgegenstandes abhängig macht (wogegen an sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen), im Widerspruch und bedürfte einer sachlichen Rechtfertigung.

2.4. Eine solche ist indes nicht zu sehen. Wie der Verfassungsgerichtshof zu einer durchaus vergleichbaren Gesetzeslage im streitigen Verfahren ausgeführt hat (vgl. VfSlg 19.705/2012 betreffend die Revisionsrekursbeschränkung des § 528 iVm § 500 ZPO), ist es von vornherein auszuschließen, dass "bei Liegenschaftsstreitigkeiten ein geringeres Rechtsschutzinteresse gegeben wäre als bei Streitigkeiten über Geld oder Fahrnis [...]". Dies trifft auch für Verfahren in Rechtssachen außer Streit zu.

Auch Gründe der Prozessökonomie kommen – wie bereits im Erkenntnis VfSlg 19.705/2012 näher dargelegt – nicht zum Tragen. Die angefochtene Regelung verstößt sohin gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz.

2.5. Der Verfassungsgerichtshof teilt die Auffassung des Obersten Gerichtshofes, dass die von ihm geltend gemachte Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung des Verweises auf § 60 Abs 2 JN in § 59 Abs 3 AußStrG allein behoben ist, weil damit erreicht wird, dass die Bewertungsvorschrift des § 60 Abs 2 JN im Verweisungskatalog des § 59 Abs 3 AußStrG nicht mehr aufscheint und damit klargestellt ist, dass sie bei Anwendung dieser Bestimmung nicht (mehr) zu beachten ist (vgl. VfSlg 19.705/2012).

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die angefochtene Wortfolge "und 60 Abs 2" in § 59 Abs 3 AußStrG ist daher wegen Verstoßes gegen Art 7 B VG als verfassungswidrig aufzuheben.

1. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B VG.

2. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster und zweiter Satz und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2014:G135.2014