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VfGH vom 11.12.1996, G1318/95

VfGH vom 11.12.1996, G1318/95

Sammlungsnummer

14709

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit der Regelungen des ASGG über besondere Feststellungsverfahren vor dem OGH in Arbeitsrechtssachen; keine Erstattung eines Rechtsgutachtens durch den OGH in Form einer Gerichtsentscheidung; ausnahmsweise Berufung des OGH als erste und einzige Instanz verfassungskonform; sachliche Rechtfertigung der Beschränkung der Antragsberechtigung auf kollektivvertragsfähige Körperschaften der Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Spruch

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit insgesamt sieben, auf Art 89 Abs 2 und Art 140 Abs 1 B-VG gestützten, zu den Zlen. G52/95, G53/95, G54/95, G55/95, G56/95, G1318/95 und G146/96 protokollierten Anträgen - fünf wurden mit Beschlüssen vom gestellt, einer (der zu G1318/95) datiert vom und einer (der zu G146/96) vom - begehrt der Oberste Gerichtshof (im folgenden: OGH), "§54 Abs 2 bis 4 ASGG, die Wortfolgen 'und Anträge nach Abs 2' und 'oder einen solchen Antrag' in Abs 5 dieser Bestimmung sowie den zweiten Satz des § 58 Abs 1 ASGG als verfassungswidrig aufzuheben."

Alle Anträge des OGH sind aus Anlaß von bei ihm anhängigen besonderen Feststellungsverfahren gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellt worden. Im Verfahren zu Z 8 ObA 801/94 (G52/95) geht es um einen Feststellungsantrag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, Gewerkschaft Handel, Transport, Verkehr, wider die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Fachverband der Autobusunternehmen, betreffend die Abgeltung von Stehzeiten. Das Verfahren zu Z 8 ObA 802/94 (G53/95) hat einen Feststellungsantrag der Landesinnung der chemischen Gewerbe für Oberösterreich wider den Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst, betreffend die Feststellung des Nichtübergehens von Arbeitsverhältnissen zum Gegenstand. Dem Verfahren zu Z 8 ObA 801/95 (G54/95) liegt ein Feststellungsantrag der "Republik Österreich (Österreichischer Bundestheaterverband)" gegen den Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Kunst, Medien, Freie Berufe, betreffend die Festlegung der Spielzeit für die Dienstnehmer der Wiener Volksoper zugrunde. Das Verfahren zu Z 8 ObA 802/95 (G55/95) betrifft einen Feststellungsantrag des Wiener Bühnenvereins gegen den Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Kunst, Medien, Freie Berufe, auf Festlegung der Spielzeit für die Dienstnehmer der Wiener Volksoper. Dem Verfahren zu Z 8 ObA 803/95 (G56/95) liegt ein Feststellungsantrag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, Gewerkschaft Handel, Transport, Verkehr, wider die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Fachverband für das Güterbeförderungsgewerbe, betreffend Überstunden zugrunde. Im Verfahren zu Z 9 ObA 801/95 (G1318/95) geht es um einen vom Zentralverband der land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeber in Niederösterreich, Burgenland und Wien sowie den Arbeitgeberverbänden der Land- und Forstwirtschaft in Steiermark, der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe Kärntens und Oberösterreichs sowie dem Land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverband Salzburg wider den Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Agrar-Nahrung-Genuß, gestellten Feststellungsantrag betreffend Sonderzahlungen für Zeiten ohne Entgelt für Forstarbeiter in der Privatwirtschaft. Und im Verfahren zu Z 8 ObA 2060/96s (G146/96) ist der OGH vom Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Privatangestellten, angerufen worden, über einen gegen den Hauptverband der Österreichischen Sparkassen und den Verband Österreichischer Banken und Bankiers gerichteten Antrag betreffend Valorisierung bestimmter Pensionsleistungen zu entscheiden.

2. Die §§54 und 58 ASGG, BGBl. Nr. 104/1985 (Stammfassung) idF (nur der Abs 1 des § 54) BGBl. Nr. 624/1994, - die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben - lauten wie folgt:

"Besondere Feststellungsverfahren

§54. (1) In Arbeitsrechtssachen nach § 50 Abs 1 können die parteifähigen Organe der Arbeitnehmerschaft im Rahmen ihres Wirkungsbereiches sowie der jeweilige Arbeitgeber auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen, die mindestens drei Arbeitnehmer ihres Betriebes oder Unternehmens betreffen, klagen oder geklagt werden. Es ist jedoch ohne Belang, wenn sich nach der Streitanhängigkeit die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer des Betriebs oder Unternehmens auf einen Arbeitnehmer verringert oder die Strittigkeit des Rechts oder Rechtsverhältnisses zwar nicht mehr einen Arbeitnehmer des Betriebs oder Unternehmens, wohl aber zumindest noch einen zwischenweilig aus dem Betrieb oder Unternehmen ausgeschiedenen Arbeitnehmer betrifft.

(2) Kollektivvertragsfähige Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer (§§4 bis 7 ArbVG) können im Rahmen ihres Wirkungsbereichs gegen eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer beziehungsweise der Arbeitgeber beim Obersten Gerichtshof einen Antrag auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen anbringen, die einen von namentlich bestimmten Personen unabhängigen Sachverhalt betreffen. Der Antrag muß eine Rechtsfrage des materiellen Rechts auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen nach § 50 zum Gegenstand haben, die für mindestens drei Arbeitgeber oder Arbeitnehmer von Bedeutung ist.

(3) Der Antrag ist dem vom Antragsteller zu bezeichnenden Antragsgegner mit dem Auftrag zuzustellen, hiezu binnen vier Wochen Stellung zu nehmen. Innerhalb dieser Frist können auch andere kollektivvertragsfähige Körperschaften der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer im Rahmen ihres Wirkungsbereichs zu dem Antrag Stellung nehmen.

(4) Der Oberste Gerichtshof hat über den Feststellungsantrag auf der Grundlage des darin angegebenen Sachverhalts durch den einfachen Senat (§11 Abs 1) zu entscheiden. Die Entscheidung ist allen kollektivvertragsfähigen Körperschaften zuzustellen, die sich am Verfahren beteiligt haben.

(5) Feststellungsklagen nach Abs 1 und Anträge nach Abs 2 können auch dann erhoben werden, wenn der Berechtigte eine Leistungsklage erheben könnte. Für die Dauer des Verfahrens über eine solche Feststellungsklage oder einen solchen Antrag sind alle Fristen zur Geltendmachung des Anspruchs des Berechtigten gehemmt. Nach Beendigung des Verfahrens steht dem Berechtigten zur Erhebung der Leistungsklage zumindest noch eine Frist von drei Monaten offen; war die ursprüngliche Frist kürzer, so steht dem Berechtigten nur diese offen. Der Beendigung steht das Ruhen des Verfahrens gleich."

"Kostenersatz und Gebühren

§58. (1) In Rechtsstreitigkeiten nach § 50 Abs 2 steht einer Partei ein Kostenersatzanspruch an die andere nur im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof zu. In besonderen Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 2 steht keiner Partei ein Kostenersatzanspruch an die andere zu.

(2) Die Parteien haben die den fachkundigen Laienrichtern nach § 32 ausgezahlten Beträge nicht zu ersetzen."

3. Der OGH begründet seine Anträge - sie sind, was die rechtlichen Ausführungen anbelangt, textgleich - im wesentlichen wie folgt:

"1.) Der Oberste Gerichtshof wird in den Fällen des § 54 Abs 2 ASGG nicht - wie es Art 92 Abs 1 B-VG grundsätzlich vorsieht - als oberste Instanz, sondern als Eingangs- (und einzige) Instanz tätig.

Aus Art 92 Abs 1 B-VG ergibt sich nach einhelliger Meinung lediglich eine Bestandsgarantie für den Obersten Gerichtshof, der für einen nicht ganz unwesentlichen Teil der Zivil- und Strafrechtssachen zuständig sein muß; eine Deutung dieser Bestimmung in Richtung einer Rechtsweggarantie (oberste Instanz in allen Zivil- und Strafrechtssachen) oder einer Maximalzuständigkeit (oberste Instanz ausschließlich in Zivil- und Strafrechtssachen) wird hingegen von Lehre und Rechtsprechung schon aus Gründen des Wortlauts und wegen Art 83 Abs 1 B-VG (die Zuständigkeit der Gerichte wird durch Bundesgesetz festgestellt) abgelehnt.

Ob eine Regelung, wonach der Oberste Gerichtshof - wenn auch nur in einer bestimmten Materie oder für eine bestimmte Personengruppe - als Eingangs- und einzige Instanz tätig wird, mit Art 92 Abs 1 B-VG vereinbar ist, ist zweifelhaft und durch Lehre und Rechtsprechung nicht hinreichend geklärt; zu dieser Frage gibt es nämlich nur ganz vereinzelte Stellungnahmen.

Der Wortlaut des Art 92 Abs 1 B-VG spricht prima vista dagegen: Eine oberste Instanz setzt voraus, daß es auch eine 'niedrigere' gibt. Diese Auslegungsmöglichkeit deutet Wresounig (ASGG 131 mit FN 92), vorsichtig an, ohne sich jedoch festzulegen. Hellbling (JBl 1956, 334) hingegen hielt dies - allerdings in anderem Zusammenhang (Abgrenzung von Gerichtsbarkeit und Verwaltung) - für zulässig, wenn auch wegen der Gefahr der Überlastung für nicht wünschenswert.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich, soweit der Oberste Gerichtshof feststellen konnte, nur einmal (VfSlg 12151) und dort nur am Rande - im Zusammenhang mit durch Gerichte zu entscheidenden Strafsachen - mit dieser Frage beschäftigt; er führte dort zwar aus, daß der Bundesverfassungsgesetzgeber von einem dreistufigen organisatorischen Aufbau der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit ausgehe, lehnte es jedoch zugleich ab, diese Ansicht zum Prüfmaßstab für die konkrete Ausgestaltung des Instanzenzuges in einem Verfahren zu machen.

Der Oberste Gerichtshof sprach in einer Erlagssache, in welcher der Erlag beim Obersten Gerichtshof beantragt worden war, aus, er könne nach Art 92 Abs 1 B-VG jedenfalls nicht in solchen Zivil- und Strafsachen als erste Instanz tätig werden, in denen seine Zuständigkeit auch in letzter Instanz in Betracht komme (SZ 55/107). Als einen möglichen Ausnahmsfall nannte er in dieser Entscheidung § 532 ZPO. Zu denken wäre aber auch an Entscheidungen über Kompetenzkonflikte sowie Ordinations- und Delegationsfälle. Solche betreffen aber nur rein verfahrensrechtliche Konstellationen, die nur Bestandteil eines anderen Verfahrens und mit dem vorliegenden Fragenkomplex nicht vergleichbar sind.

Betrachtet man Art 92 Abs 1 B-VG unter der im Verfassungsrecht herrschenden 'Versteinerungstheorie', wird dieses Ergebnis bestätigt. Es zeigt sich, daß zur Zeit der Erlassung der relevanten Artikel des B-VG, die man allgemein mit dem Jahr 1929 ansetzt, der Oberste Gerichtshof nicht als Eingangs- und einzige Instanz in Zivilverfahren oder Teilen davon vorgesehen war; eine solche Zuständigkeit ist daher durch das historische Verständnis des Art 92 Abs 1 B-VG nicht gedeckt (zur Tätigkeit des Obersten Gerichtshofs als reine Gutachtensinstanz iSd § 16 litf OGH-Statut, § 27 GewGG, später § 27 ArbGG siehe unten 2.).

Sachlich gerechtfertigte Gründe für eine abweichende Regelung gerade in den hier zu entscheidenden Fällen lassen sich, wie noch unten (3.) ausgeführt werden wird, nach Meinung des Obersten Gerichtshofes nicht finden, sodaß von einem aus Art 92 Abs 1 B-VG abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot, den Obersten Gerichtshof nicht als Eingangs- und einzige Instanz vorzusehen, auszugehen ist.

2.) Formal wurde die Regelung des § 54 Abs 2 bis 4 ASGG so gestaltet, daß der Oberste Gerichtshof als Gericht - und zwar in einem 'streitigen Außerstreitverfahren' - entscheidet, wobei allerdings der vom Antragsteller behauptete Sachverhalt ohne weitere Prüfung zugrundezulegen ist und die Behauptung des Antragstellers, die Entscheidung sei für mindestens drei Arbeitgeber oder Arbeitnehmer von Bedeutung, genügt.

Die Rolle des Antragsgegners beschränkt sich materiell auf jene eines Lieferanten rechtlicher Argumente; gegen den vom Antragsteller behaupteten Sachverhalt kann der Antragsgegner nichts vorbringen, sondern höchstens seinerseits einen Antrag nach § 54 Abs 2 ASGG mit von ihm aufgestellten Sachverhaltsbehauptungen einbringen, über den der Oberste Gerichtshof dann ebenfalls, jedoch unter Zugrundelegung dieses Sachverhalts, zu entscheiden hätte.

Vergleichbare gerichtliche Verfahren dieser Art gibt es nicht; auch in Verfahren, in denen vorerst gerichtliche Anordnungen nur auf Grund der Anträge und Behauptungen einer Seite erlassen werden (Zahlungsbefehl im Mahnverfahren; Übergabs- und Übernahmsauftrag bei der gerichtlichen Aufkündigung) oder zumindest erlassen werden können (einstweilige Verfügungen), entscheiden die Gerichte nicht abschließend lediglich auf Grund der unüberprüften Behauptungen einer Seite, ohne dem Gegner in irgendeinem Stadium des Verfahrens (durch Erhebung von Einspruch, Einwendungen oder Widerspruch) Gelegenheit zu geben, zu diesen auch im tatsächlichen Stellung zu nehmen.

Das in § 54 Abs 2 bis 4 ASGG vorgesehene Verfahren entspricht nach Meinung des Obersten Gerichtshofes - unter Zugrundelegung eines heute wohl als herrschend anzusehenden materiellen Begriffes - nicht dem traditionellen Bild der Gerichtsbarkeit; materiell handelt es sich vielmehr um ein vom Obersten Gerichtshof zu erstattendes Rechtsgutachten, welches - zur Ausräumung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen solche nach früherem Recht (§16 litf OGH-Statut, § 27 GewGG bzw § 27 ArbGG) zu erstattende Gutachten - in den Mantel einer Gerichtsentscheidung gekleidet wurde.

Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob der einfache Gesetzgeber verfassungskonform den Gerichten - und somit auch dem Obersten Gerichtshof - über die klassische gerichtliche Entscheidungstätigkeit und die Justizverwaltung hinaus, weitere Aufgaben zuweisen kann; keinesfalls darf eine solche Tätigkeit der Gerichtsbarkeit völlig wesensfremd sein, was bei Erstattung von abstrakten Rechtsgutachten zur Klärung von Rechtsfragen, die möglicherweise in Zukunft in gerichtlichen Verfahren entscheidungswesentlich sein könnten, aber nicht gesagt werden kann. Das war wohl auch mit ein Grund, warum der Bundesverfassungsgesetzgeber des Jahres 1929 die vorgefundene Rechtslage hinsichtlich der Gutachtenstätigkeit des Obersten Gerichtshofes stillschweigend hinnahm und auch noch das OGHG (§11 - Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen) dem Obersten Gerichtshof solche Tätigkeiten überträgt.

Einerseits wollte man mit der Neuregelung - allerdings in Verkennung der geäußerten Argumente, die sich vorwiegend gegen den positiv-rechtlich angeordneten generell-bindenden Charakter, den die Gutachten durch die Eintragung in das Judikatenbuch bekamen ('Auslegungsjudikate'), richteten - die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den früheren Rechtszustand (§16 litf OGH-Statut, § 27 GewGG bzw § 27 ArbGG) umgehen (dazu Walter, Gerichtsbarkeit und Verfassung 71, 150, 198; Sobalik, JBl 1961, 149; Gärtner, Staatsbürger 1968/17/1 f; Jelinek, RZ 1976, 137 und Walter, JBl 1988, 188 gegen Fasching in Schima-FS 1969, 133).

Andererseits wollte man dadurch (sonst wäre das Verfahren ja an sich zwecklos) diesen 'Entscheidungen' - ohne die früher angeordnete bedenkliche Bindungswirkung über die Verfahrensparteien hinaus wieder einzuführen (AB 527 BlgNR 16.GP, 7) - die Bedeutung einer 'echten' oberstgerichtlichen Entscheidung verschaffen (vgl Schwarz - Löschnigg, Arbeitsrecht 741; Schrank, RdW 1985, 5). Als Gutachten wäre es nicht geeignet, Grundlage ständiger Rechtsprechung iSd § 502 Abs 1 ZPO bzw § 8 OGHG zu werden; dies wäre - dogmatisch gesehen - erst dann der Fall, wenn diese Ansicht aus Anlaß bestimmter Rechtsfälle aufgegriffen und zur ständigen Rechtsprechung gemacht werden würde (vgl Jelinek, RZ 1976, 137 ff, insb 147). Um nicht nur auf die de-facto-Autorität überzeugend begründeter Gutachten des Obersten Gerichtshofes vertrauen zu müssen und das gewünschte Ergebnis (Schaffung von Leitjudikatur) zu erreichen, wählte der Gesetzgeber das äußere Gewand einer gerichtlichen Entscheidung, ohne allerdings diesem 'Verfahren' den einem echten gerichtlichen Verfahren wesentlichen Inhalt zu geben.

Eine solche vom Gesetzgeber bewußt gewählte (vgl AB 7 f) formale Ausgestaltung als 'Entscheidung', um dem Rechtsgutachten die gewünschte Präjudizwirkung zu verleihen, hält der Oberste Gerichtshof für einen Mißbrauch der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten und für verfassungsrechtlich bedenklich, sodaß er seinen Anfechtungsantrag auch hierauf stützt, was notwendigerweise ebenfalls zur Aufhebung des gesamten Normenkomplexes zwingen würde.

3.) Bedenklich ist die Regelung auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Fasching in Fasching - FS II, Vortrag Richterwoche 1992, 22).

...

Im früheren Recht (§16 litf OGH-Statut und § 27 ArbGG bzw dessen Vorläufer § 27 GewGG) stand nur dem Bundesministerium für Justiz die Kompetenz zu, dem Obersten Gerichtshof die Erstattung eines in das Judikatenbuch einzutragenden Gutachtens aufzutragen; dieses Recht war jedoch nach § 16 litf OGH-Statut nicht auf bestimmte Materien beschränkt und so gesehen wesentlich unproblematischer als die jetzige Regelung.

Nunmehr räumt § 54 Abs 2 ASGG bestimmten Interessenvertretungen, nämlich den kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, ein solches Antragsrecht zur Entscheidung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts auf dem gesamten Gebiet der Arbeitsrechtssachen ein. Anderen Interessenvertretungen, nämlich den in § 14 UWG und §§28 ff KschG genannten sowie den in § 54 Abs 1 ASGG erwähnten parteifähigen Organen der Arbeitnehmer, die aus allgemein als gerechtfertigt anerkannten Gründen zur Durchsetzung von Ansprüchen ihrer Mitglieder oder zur erleichterten Führung von Testprozessen ohne das Prozeß- und Kostenrisiko einer Einzelrechtsverfolgung 'Verbandsklagen' einbringen können, wurde dieses Privileg nicht zuteil (dazu für alle Fasching, Lehrbuch2 Rz 338, 642, 2288, 2295). Ihnen steht nur das allgemeine Gerichtsverfahren zur Verfügung; sie müssen ihre Klage in erster Instanz einbringen, den behaupteten Sachverhalt beweisen und allenfalls ihr Recht im Instanzenzug wahren.

Es fehlt daher jede sachliche Rechtfertigung, gerade kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine solche Sonderstellung einzuräumen, zumal diese solche Anträge in allen arbeitsrechtlichen Fragen des materiellen Rechtes, auch über ihre Regelungsbefugnis (Abschluß von Kollektivverträgen) hinaus, stellen können.

Derart gravierende verfahrensrechtliche Begünstigungen bestimmter Parteien sind wegen der jeweils erfaßten identen Sachverhalte gleichheitswidrig (vgl VfSlg 7.786 betreffend das wohl dem ORF, nicht aber dem Beschwerdeführer eingeräumte Beschwerderecht an den Verwaltungsgerichtshof gegen Entscheidungen der Rundfunkkommission).

Hieraus folgt, daß die im Erkenntnis vom , G233/92, vom Verfassungsgerichtshof für die Anerkennung der sachlichen Rechtfertigung der Sonderbehandlung des Kostenersatzanspruches nach § 58 ASGG für betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten nach § 50 Abs 2 ASGG genannten Argumente jedenfalls für alle Rechtsstreitigkeiten nicht herangezogen werden können, die über den sachlichen Regelungsbereich der kollektivvertragsfähigen Körperschaften hinausgehen; dazu gehören jedenfalls Arbeitsrechtsstreitigkeiten, in denen die Auslegung von Kollektivverträgen keine Rolle spielt, sowie betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten nach § 50 Abs 2

ASGG.

4.) Der Oberste Gerichtshof hält auch das Antragsrecht der kollektivvertragsfähigen Köperschaften der Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach § 54 Abs 2 ASGG in dem Bereich, in dem diesen eine Regelungsbefugnis zum Abschluß von Kollektivverträgen zukommt und es um deren Auslegung geht, für verfassungsrechtlich bedenklich. Wollte man nämlich die Sonderstellung damit rechtfertigen, daß der Oberste Gerichtshof die Kollektivverträge 'authentisch' interpretieren soll - worauf viele Anträge tatsächlich hinauslaufen -, wäre ein solches Vorhaben erst recht verfassungsrechtlich bedenklich, weil eine solche Interpretation nur durch den Normenerlasser erfolgen darf, dh ein Gesetz ist nur durch den Gesetzgeber, eine Verordnung durch den Verordnungsgeber und ein Kollektivvertrag nur durch eine neue Vereinbarung der Kollektivvertragspartner 'authentisch interpretierbar'.

Sähe § 54 Abs 2 ASGG tatsächlich eine derartige Kompetenz für den Obersten Gerichtshof in bezug auf Kollektivverträge vor, wäre dies aus dem genannten Grund verfassungsrechtlich bedenklich. Tatsächlich ordnet § 54 Abs 2 ASGG jedoch nicht an, daß die vom Obersten Gerichtshof erzielten Auslegungsergebnisse normativer Inhalt des Kollektivvertrages werden oder irgend jemanden über die Grenzen des Anlaßfalles hinaus generell-abstrakt binden sollen.

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes wäre der Verfassungsgerichtshof selbst dann, wenn er die besonderen Antragsbefugnisse der kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach § 54 Abs 2 ASGG im Rahmen ihrer Regelungsbefugnis für verfassungsrechtlich unbedenklich hielte, nicht befugt, die dann zu weit gefaßte Wortfolge in Abs 2 'auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen nach § 50' durch eine engere zu ersetzen, und der Entfall der gesamten Passage würde zu einem verfassungsrechtlich zweifellos noch weniger zu rechtfertigenden uferlosen Antragsrecht der genannten Institutionen führen. Aus diesem Grund erübrigt es sich, für diesen Fall einen Eventualantrag zu stellen."

4. Die Bundesregierung hat in allen Verfahren eine jeweils gleichlautende Äußerung erstattet. Darin wird zunächst zur Zulässigkeit ausgeführt:

"1. Der Verfassungsgerichtshof prüft in einem auf Antrag eines Gerichts eingeleiteten Verfahren zur Gesetzesprüfung nur die im Antrag aufgeworfenen Bedenken (vgl. etwa VfSlg. 12691/1991 und VfSlg. 9911/1983, aber auch VfSlg. 7382/1974).

Nach § 62 Abs 1 VfGG hat ein Antrag nach Art 140 Abs 1 B-VG die gegen die Gesetzmäßigkeit des bekämpften Gesetzes sprechenden Bedenken im einzelnen darzulegen. Fehlt diese Darstellung, so handelt es sich dabei um kein behebbares Formgebrechen, sondern um ein Prozeßhindernis (vgl. etwa VfSlg. 12564/1990).

2. Der Antrag auf Aufhebung des § 58 Abs 1 zweiter Satz ASGG wurde vom Obersten Gerichtshof überhaupt nicht begründet.

Im Hinblick darauf, daß nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes alle anzuwendenden Bestimmungen, die miteinander in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, von einer Aufhebung umfaßt sein müssen, bestehen gegen den Antrag auf Aufhebung des § 58 Abs 1 zweiter Satz ASGG ausschließlich unter diesem Gesichtspunkt keine Bedenken; dies freilich unter der Voraussetzung, daß durch eine solche Aufhebung auch in den Anlaßverfahren (weiterhin) keine Kostenersatzpflicht besteht.

Sollte aber der Antrag auf Aufhebung des § 54 Abs 2 bis 4 ASGG abgewiesen werden, so wäre der Antrag auf Aufhebung des § 58 Abs 1 zweiter Satz ASGG zurückzuweisen, weil keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung selbst geltend gemacht wurden.

3. Der Antrag auf Aufhebung der Wortfolgen 'und Anträge nach Abs 2' und 'oder einen solchen Antrag' im § 54 Abs 5 ASGG ist hingegen schon deshalb zurückzuweisen, weil diese Bestimmungen betreffend die Ablaufshemmung einer Verjährungs- oder Präklusivfrist eines Anspruchs eines einzelnen Arbeitnehmers oder Arbeitgebers in den Verfahren, die vor dem OGH anhängig sind, gar nicht anzuwenden sind, es sohin an der Präjudizialität dieser Regelungen fehlt. Die Präjudizialität bildet jedoch die Grenze für die Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof. Die Grenzen der Aufhebung einer in Prüfung stehenden Gesetzesbestimmung müssen dabei so gezogen werden, daß einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und daß andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfaßt werden (vgl. VfSlg. 6674).

Im vorliegenden Fall verweist § 54 Abs 5 auf Abs 2, ohne mit dieser Bestimmung in einem untrennbaren Zusammenhang zu stehen. Sollte § 54 Abs 2 aufgehoben werden, so wird dieser Verweis lediglich inhaltsleer; der verbleibende Text würde jedoch keinen veränderten Inhalt bekommen."

In weiterer Folge gibt die Bundesregierung in ihren Äußerungen einen kurzen Abriß der Entstehungsgeschichte der angefochtenen Bestimmungen. Sie weist darauf hin, daß der erste Teilentwurf einer einheitlichen Kodifikation des gesamten Arbeitsrechts des Jahres 1960 ein kollektives Klagerecht der Betriebsräte vorgesehen habe, dem die Annahme zugrunde lag, daß Arbeitnehmer die ihnen zustehenden arbeitsrechtlichen Ansprüche während des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses nur selten gerichtlich geltend machen, weshalb es immer wieder vorkomme, daß solche Forderungen nicht befriedigt werden. Diese Annahme treffe noch heute zu.

Die Bundesregierung nimmt weiters Stellung zur dogmatischen Einordnung eines Antrages nach § 54 Abs 2 ASGG und führt aus, daß die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche grundsätzlich dem Willen des einzelnen Berechtigten überlassen bleibe. Aber schon bei der Reform des Zivilprozesses der Jahre 1895 bis 1898 sei dessen Zweck nicht nur als Möglichkeit der Interessensdurchsetzung für einzelne, sondern auch als Einrichtung zum Wohl der gesamten Gesellschaft verstanden worden. Die unmittelbare Bewährung des objektiven Rechts gehöre seither ebenfalls zu den Aufgaben des zivilgerichtlichen Verfahrens. Die Herstellung der gewünschten objektiven Rechtswirklichkeit könne durch individuelle Klagen jedoch nicht immer gewährleistet werden.

In den letzten beiden Jahrzehnten habe das rechtsstaatliche Anliegen der Bewährung des objektiven Rechts durch die Einführung eines Modells der "Verbandsklage" bzw. eines "Verbandsantrags" immer stärkere Bedeutung gefunden. So habe die mit der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989, BGBl. Nr. 343, weiter entwickelte Regelung des § 55 Abs 4 JN bestimmten Verbänden die Möglichkeit der Durchführung von Testverfahren eröffnet. Auch seien den im § 29 KSchG genannten Verbänden eigene materiellrechtliche Ansprüche auf Feststellung oder Unterlassung eingeräumt. Weitere Verbandsantrags- und Verbandsklagsbefugnisse seien etwa in § 6 Abs 3 GleichbehandlungsG, § 12 Abs 1 RabattG, § 7 Abs 2 NahversorgungsG 1977, § 44 Abs 1 KartellG 1988 und § 14 UWG vorgesehen.

Mit der Zivilverfahrens-Novelle 1983 sei für bestimmte Streitwertbereiche vorgesehen worden, daß die bis dahin möglich gewesene Anrufung des OGH nur zulässig sei, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhänge, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukomme (Zulassungsrevision). Damit sollte, wie unter Verweis auf den Ausschußbericht (1337 BlgNR, 15. GP, 20) ausgeführt wird, sichergestellt werden, daß der OGH grundsätzlich nur mit wichtigen, zumindest potentiell für eine größere Anzahl von Rechtsstreitigkeiten bedeutsamen Rechtsfragen befaßt werde, um seiner Leitfunktion besser gerecht werden zu können.

Mit der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989, BGBl. Nr. 343, sei das System der Zulassungsrevision - abgesehen von gewissen familienrechtlichen und bestandsrechtlichen Streitigkeiten (§502 Abs 3 ZPO) - generell in Abhängigkeit von der Höhe des Streitwertes eingeführt worden.

Die Entwicklung der Bestimmungen über die Revisionszulässigkeit mache deutlich, daß damit dem OGH vorwiegend die Aufgabe übertragen wurde, durch seine Rechtsprechung eine Leitfunktion auszuüben, sohin für die Zulässigkeit der Revision im Einzelfall neben der Erzielung einer Einzelfallgerechtigkeit vor allem ein öffentliches Rechtspflegeinteresse treten müsse. Gleiches sei auch für das außerstreitige Verfahren (§§14 bis 16 AußStrG) eingeführt worden.

Nach Auffassung der Bundesregierung dienen diesem Anliegen in gleicher Weise die Verbandsanträge und Verbandsklagen, die nur insofern von den herkömmlichen individuellen Rechtsschutzinstrumenten abweichen, als die Verbindung mit einem individuellen Rechtsschutzinteresse erheblich geringer sei. Im Interesse der Verhinderung einer uferlosen Ausweitung von Verbandsklags- und Verbandsantragsmöglichkeiten seien zweckentsprechende und sachgerechte Zugangskriterien festgelegt worden. Den in Rede stehenden Verfahren sei insbesondere gemeinsam, daß die jeweiligen Verbände im Interesse breiter Bevölkerungskreise entweder gewisse Verhaltensweisen durch Unterlassungsklagen zu unterbinden oder durch das Erwirken von Leitentscheidungen eine entsprechende Abklärung herbeizuführen suchen, wodurch dem einzelnen Berechtigten die Durchsetzung seiner Ansprüche erheblich erleichtert werde, was sowohl der Prozeßökonomie als auch der Prävention dienen solle.

Zur Erreichung der angestrebten Verbesserung der Rechtssicherheit sei es erforderlich, daß diese Leitentscheidungen mit einer entsprechenden Überzeugungskraft ausgestattet seien, sohin vom OGH stammen, erhöhte Publizität (Information durch die Interessenvereinigungen) erlangen und allenfalls divergierende Entscheidungen der Untergerichte möglichst hintangehalten werden. Dies verlange nach entsprechenden Verfahrensbesonderheiten.

Zu den Bedenken des OGH nimmt die Bundesregierung im einzelnen wie folgt Stellung:

"A) Zur Berufung des OGH als einzige Instanz im Verfahren nach dem § 54 Abs 2 bis 4 ASGG

...

Art92 Abs 1 B-VG lautet: 'Oberste Instanz in Zivil- und Strafrechtssachen ist der Oberste Gerichtshof.' Nach dem Wortlaut des Art 92 B-VG wird sprachlich nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht, ob die instanzmäßige Stellung des Obersten Gerichtshofes oder lediglich sein Bestand unter verfassungsgesetzliche Garantie gestellt werden soll.

Eine historische Untersuchung dieser Verfassungsbestimmung zeigt, daß man sich bei der Schaffung des Bundesverfassungsgesetzes 1920 an Vorgängerbestimmungen orientierte. In den Materialien zu Art 92 B-VG wird darauf hingewiesen, daß diese Bestimmung dem § 15 des Grundgesetzes über die richterliche Gewalt, StGBl. Nr. 38/1918 entspreche (siehe Kelsen - Froehlich - Merkl, Die Bundesverfassung vom , 5. Teil (1922) 192).

Der zitierte Art 15 sah folgendes vor: 'Als oberste Instanz in Zivil- und Strafsachen besteht der Oberste Gerichtshof.'

Das Sylvesterpatent RGBl. Nr. 4/1852 normierte, daß der OGH als dritte Instanz zu bestehen habe. Art 12 des Staatsgrundgesetzes über die richterliche Gewalt, RGBl. Nr. 144/1867, sah vor, daß der Oberste Gerichts- und Kassationshof in Wien bestehe (zu den einzelnen Vorgängerbestimmungen siehe ausführlich Hellbling, Können Verwaltungsbehörden über zivilrechtliche Ansprüche entscheiden? JBl 1956, 331f).

Die Materialien und die Literatur zeigen, daß man mit den Vorgängerbestimmungen zu Art 92 B-VG nur 'dessen Bestand ... als Bollwerk der Rechtseinheit unter verfassungsrechtliche Garantie' stellen wollte (siehe Hauke, Grundriß des Verfassungsrechts, 1905, 84). Trotz der - irreführenden - späteren Fassung bestand nie die Absicht, eine sachliche Änderung der Rechtslage vorzunehmen (siehe in diesem Sinne auch Merkl, Die ständisch-autoritäre Verfassung Österreichs, Ein kritisch-systematischer Grundriß (1935), 92, der von einem Redaktionsversehen spricht, dessen Beseitigung durch § 104 der Verfassung 1934 erfolgte, ohne daß eine sachliche Änderung vorgenommen werden sollte; siehe auch Kelsen, Die Verfassungsgesetze der Republik Österreich, I (1919)).

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang sind auch die Vorentwürfe zur Bundesverfassung 1920: So nahm Kelsen in sämtliche seiner Entwürfe den Text des § 15 des Grundgesetzes über die richterliche Gewalt auf (siehe dazu Ermacora, Die Entstehung der Bundesverfassung 1920 (1990) 140ff.). Noch bis zum Evidenzexemplar wurde diese Fassung beibehalten; erst in der Fassung vom wurde schließlich der vorliegende Wortlaut des Art 92 B-VG aufgenommen (siehe Ermacora, Die Entstehung der Bundesverfassung 1920 (1990) 756; siehe auch die Gegenüberstellung bei Ermacora, Die Österreichische Bundesverfassung und Hans Kelsen (1982) 319).

Man kann daher davon ausgehen, daß Art 92 B-VG im Sinne einer historischen Interpretation nur den Bestand des Obersten Gerichtshofes garantiert und seine prinzipielle Bedeutung als oberste Instanz ausspricht (siehe auch Mayer, B-VG-Kommentar (1994) 232; Ringhofer, Die österreichische Bundesverfassung (1977) 288 f; Walter, Verfassung und Gerichtsbarkeit (1960) 171 f; aA allerdings Hellbling, Können Verwaltungsbehörden über zivilrechtliche Ansprüche entscheiden, JBl 1956, 331 f). In der Literatur wird daraus der Schluß gezogen, daß es verfassungsrechtlich zulässig sei, den Instanzenzug durch einfache Gesetze abzukürzen oder sachliche Einschränkungen für Rechtsmittel vorzusehen (Walter, Verfassung und Gerichtsbarkeit 172; Mayer, B-VG-Kommentar 232 f). Die Beschränkungen dürfen jedoch nicht so weit gehen, daß der Oberste Gerichtshof als höchste Instanz bedeutungslos ist (Mayer, B-VG-Kommentar 232).

In diesem Sinn hält etwa auch Fasching fest, daß Art 92 eine rein organisatorische Regelung für den Gerichtsaufbau treffe, die höchstens noch dahin verstanden werden kann, daß durch einfaches Gesetz dem Höchstgericht Materien, die dem Kernbereich der Zivilund Strafsachen angehören, nicht zur Gänze oder soweit entzogen werden dürfen, daß damit die Funktion als Höchstgericht in Ziviloder Strafsachen illusorisch würde (Fasching, Zivilprozeßrecht, Lehr- und Handbuch2 Rz 1849; Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, IV. Band (1971) 244 ff; Ergänzungsband, 1974, 79 ff).

Soweit ersichtlich, finden sich in der Literatur jedoch keine Aussagen darüber, ob es verfassungsrechtlich zulässig ist, dem Obersten Gerichtshof auch Aufgaben zur Entscheidung in erster und einziger Instanz zuzuweisen. Wird es jedoch als mit Art 92 Abs 1 B-VG vereinbar angesehen, den Obersten Gerichtshof sogar als Instanz auszuschalten, so müßte es im Sinne eines Größenschlusses auch zulässig sein, den Obersten Gerichtshof als einzige Instanz einzusetzen.

Gegen die Einrichtung einer einzigen Instanz sprechen auch keine anderen Verfassungsbestimmungen. Insbesondere Art 6 MRK, an den hier in erster Linie zu denken wäre, gewährt kein Recht auf einen bestimmten Instanzenzug oder - wo ein solcher eingerichtet sein sollte - auf Gerichtsbarkeit in allen Instanzen (siehe Matscher,

Die Verfahrensgarantien der EMRK in Zivilrechtssachen, ZÖR 1980, 21; Miehsler/Vogler, Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1986, Art 6 EMRK, Rz 272 mit weiteren Hinweisen auf die Judikatur der Straßburger Organe).

Gegen eine derartige Auslegung spricht auch nicht das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 12151/1989, in dem der Gerichtshof festgestellt hat, daß sich '(a)us dem Zusammenhalt von Art 92 Abs 1 B-VG (betreffend den OGH), Art 140 Abs 1 B-VG (worin von dem 'zur Entscheidung in zweiter Instanz berufenen Gericht' die Rede ist) und § 8 Abs 5 litd des Übergangsgesetzes 1920 (der ua. eine die Bezirksgerichte betreffende Regelung enthält) deutlich (ergibt), daß der Verfassungsgesetzgeber von einem dreistufigen organisatorischen Aufbau der Zivil- und der Strafgerichtsbarkeit ausgeht.'

Diese Feststellungen beziehen sich im gegebenen Zusammenhang auf die Einrichtung der Gerichtsorganisation im grundsätzlichen und lassen keine Schlußfolgerungen darauf zu, ob der einfache Gesetzgeber im Einzelfall dem OGH Aufgaben zur Entscheidung in erster Instanz zuweisen kann.

Auch eine Versteinerung und damit eine Orientierung an der einfachgesetzlichen Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Art 92 Abs 1 B-VG (1920) zeigt, daß der Verfassungsgesetzgeber von einer Zuweisung von Aufgaben an den OGH auch in erster Instanz ausgegangen ist:

An Hand des historischen Materials kann nämlich gezeigt werden, daß es bereits zum maßgebenden Zeitpunkt der Erlassung des B-VG Bestimmungen gab, wonach der OGH als einzige Instanz, sohin ohne vorgeschaltene Instanz, zu entscheiden hatte.

Ein besonderes Beispiel hiefür ist die Zuständigkeit des OGH zur erstinstanzlichen Entscheidung über eine Nichtigkeitsklage und eine Wiederaufnahmsklage, wenn der OGH im vorausgegangenen Verfahren in letzter Instanz entschieden hat (§532 ZPO).

In diesem Fall hat der OGH das Verfahren grundsätzlich nach den Bestimmungen des erstinstanzlichen Verfahrens, also als Tatsacheninstanz durchzuführen.

Als weiteres Beispiel sei der § 28 JN (auch nach der damals geltenden Fassung) genannt.

Nach dieser Bestimmung hatte und hat der OGH bei Vorliegen einer inländischen Gerichtsbarkeit und Fehlen einer örtlichen Zuständigkeit eines Gerichts, ein Gericht als zuständiges Gericht zu bestimmen (Ordination). Der Gesetzgeber hat hier kein vorgeschaltenes unterinstanzliches subsidiäres Gericht vorgesehen, das vorweg über die Ordination zu entscheiden hätte, wobei erst nach dessen Entscheidung der OGH allenfalls angerufen werden könnte.

Gleiches gilt für die Delegation einer Rechtssache von einem Oberlandesgerichtssprengel in einen anderen nach § 31 Abs 2 JN. Auch das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit sowie die Voraussetzungen einer Delegation hat der OGH von Amts wegen zu erheben und demgemäß sogar als Tatsacheninstanz zu entscheiden (s. Manzsche Große Ausgabe der Österreichischen Gesetze, JN-ZPO14 E. 20 zum § 42 JN sowie Fasching, Lehr- und Handbuch2, Rz 79, 206 und 208).

Auch die im Zeitpunkt der Erlassung des B-VG bereits geregelte Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach dem § 33 StPO, idFd RGBl. Nr. 119/1873, ist als Beispiel zu nennen. Auch hiebei handelt es sich um ein eigenständiges Verfahren, in dem dem OGH keine Unterinstanz vorgeschaltet ist.

Daß der OGH dabei über die Gesetzwidrigkeit einer vorausgegangenen Entscheidung oder eines Vorgangs eines Strafgerichts zu befinden hat, ändert nichts an der Qualifikation dieses Instituts, weil in dem eigenständigen Verfahren über eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ausschließlich der OGH zur Entscheidung berufen ist.

Der OGH hat zwar in seinem Antrag nach Art 140 B-VG darauf hingewiesen, daß diese Institute 'mit dem vorliegenden Fragenkomplex nicht vergleichbar' seien. Die Bundesregierung teilt diese Auffassung jedoch nicht, denn die aufgezählten Rechtsinstitute zeigen sehr deutlich, daß der einfache Gesetzgeber bei der Zuweisung von Kompetenzen an die einzelnen Instanzen - auch zum Versteinerungszeitpunkt - nicht nur jedenfalls den OGH stets in dritter und letzter Instanz zur Entscheidung berufen, sondern ihn auch in verschiedentlichen anderen Konstellationen in den Verfahrensablauf eingebunden hat.

Zum Versteinerungszeitpunkt kam dem OGH weiters auch die Aufgabe zu, Gutachten nach dem § 16 litf OGHG, RGBl. Nr. 325/1850 (dessen Weitergeltung durch den § 5 Abs 4 des Gesetzes RGBl. Nr. 41/1904 festgeschrieben wurde) zu erstatten.

Nach dieser Bestimmung war dem Plenarsenat des Obersten Gerichtsund Kassationshofs 'die Entscheidung einer von den Gerichten verschieden oder unrichtig entschiedenen Rechtsfrage vorbehalten, wenn der Generalprokurator über Auftrag des Justizministers die Abhaltung einer Plenarversammlung beantragt' hatte. Gemäß § 36 des Statuts hatten derartige Plenarentscheidungen 'den untergeordneten Gerichten als Erläuterung zu dienen'. Mit Entschließung vom 11. November 1852, RGBl. Nr. 24, wurde die Generalprokuratur aufgehoben (und später nur für Strafsachen wieder vorgesehen). Seither kam es unmittelbar auf Grund von Anträgen des Justizministeriums zu Gutachten auf der Grundlage des § 16 litf des Statuts. Die Weitergeltung dieser Bestimmung wurde in § 5 Abs 4 des Gesetzes vom , RGBl. Nr. 41, anerkannt. Gemäß § 16 des Beschlusses der provisorischen Nationalversammlung vom , StGBl. Nr. 1, hatten die nichtaufgehobenen Gesetze und Einrichtungen der Monarchie weiterhin Geltung behalten.

Im Rahmen der - allerdings nach dem Versteinerungszeitpunkt eingeführten - Gewerbegerichtsbarkeit war dem OGH ausschließlich eine Leitfunktion übertragen, weil er nach dem § 26 Abs 4 GewGG, BGBl. Nr. 229/1922, in einem Rechtsstreit niemals angerufen werden konnte. Der OGH konnte sohin nur auf Ersuchen des BMJ nach dem § 27 GewGG über eine von den Gewerbegerichten oder von den gewerblichen Berufungssenaten verschieden oder unrichtig entschiedene Rechtsfrage eine in das Judikatenbuch aufzunehmende Entscheidung fällen (Wahle, Die Judikate und Sprüche des OGH, herausgegeben vom Redaktionausschuß des OGH, 1950, Vorwort, S. XXXIX und XL).

Auch die Judikate nach dem § 27 ArbGG sind nicht als Entscheidung über einen konkreten Rechtsfall ergangen, sondern auch hier entschied der OGH über eine ihm vom BMJ vorgelegte Rechtsfrage abstrakt; er fungierte sohin auch hier als 'Auslegungsgerichtshof'.

Die Gutachten nach dem § 27 ArbGG und dem § 16 litf) des OGH-Statuts unterschieden sich nur dadurch, daß ein Gutachten nach der letztgenannten Bestimmung nicht zwingend in das Judikatenbuch aufgenommen werden mußte (s. Wahle, a.a.O., Vorwort, S XLI; siehe auch Sobalik, Rechtsgutachten von Gerichtshöfen, JBl 1961, 150).

Die Sachgerechtigkeit des Verfahrens nach dem § 54 Abs 2 bis 4 ASGG - jährlich fallen durchschnittlich 10 Verfahren an - folgt auch aus dem System der Revisions(Rekurs)zulässigkeit und der Funktion des Verbandsantrags. Beide stellen gerade darauf ab, daß es sich um Rechtsfragen von erheblicher, also über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung handelt (Leitfunktion des OGH in einem 'Testprozeß').

Es ist im Rahmen des geltenden Revisions(Rekurs)zulassungsmodells ein wesentliches Kriterium, daß im allgemeinen Interesse Rechtsfragen geklärt werden sollen; genau das soll aber auch in den Verfahren nach dem § 54 Abs 2 bis 4 ASGG erfolgen.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen auch, daß die besonderen Feststellungsverfahren nach dem § 54 Abs 2 ASGG einen erheblichen Beitrag zur Rechtseinheit und Rechtssicherheit und damit zur Vermeidung einer Vielzahl von Einzelverfahren im Arbeitsrecht leisten (vgl. Gamerith, Die besonderen Feststellungsverfahren nach § 54 ASGG, DRdA 1988, 316).

B) Zum Wesen der Entscheidung des OGH:

Der OGH vertritt weiters die Auffassung, daß der Gesetzgeber - unter Mißbrauch seiner Gestaltungsmöglichkeit - dem OGH verfassungswidrigerweise die Erstattung von Rechtsgutachten zuweist.

Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

a) Zunächst ist festzuhalten, daß grundsätzlich in jede Entscheidung des OGH auch eine abstrakte Rechtsmeinung, so gesehen auch ein 'Gutachten' einfließt (zu gerichtlichen Gutachten allgemein vgl. Jelinek, Die heutige Bedeutung der Judikate, Sprüche, Gutachten und Plenarentscheidungen des Obersten Gerichtshofes, RZ 1976, 137).

Der Unterschied zwischen einer Entscheidung und dem miteingeflossenen 'Gutachten' besteht darin, daß die Entscheidung ein konkretes Begehren rechtskräftig erledigt, während das 'Gutachten' die Rechtsansicht des OGH zu einer bestimmten Rechtsfrage beinhaltet.

Die Judikatur des OGH hat demgemäß eine über den jeweiligen Einzelfall hinausreichende wesentliche Funktion für die Rechtskonkretisierung, die Sinnermittlung von Rechtsnormen und den Rechtsschutz (VfSlg. 12409/1990, Fasching, Lehr- und Handbuch2, Rz 1491), sohin eine 'Leitfunktion'.

Es ist zwar in der Praxis zu erwarten, daß der OGH bei der Entscheidung künftiger Rechtssachen die gleiche Rechtsmeinung vertreten wird, er ist aber an sie nicht gebunden, wie an eine generelle Norm.

Eine derartige Bindung sah der oben bereits zitierte § 16 litf des OGH-Statuts, RGBl. Nr. 325/1850 vor.

Der § 8 OGHG enthält diese Bindungsnorm nicht mehr, sondern stellt nur eine Zuständigkeitsnorm für den verstärkten Senat dar.

Der § 54 Abs 4 ASGG schreibt darüber hinaus vor, daß über die Feststellungsanträge der einfache Senat (§11 Abs 1 ASGG) zu entscheiden hat, wodurch die ausschließlich für das Verfahren nach dem § 54 Abs 2 ASGG gegebene Bindung noch unterstrichen wird.

Liegen die Voraussetzungen des § 8 OGHG vor, so ist auch in einem Verfahren nach dem § 54 Abs 2 ASGG durch einen verstärkten Senat zu entscheiden, weil der OGH in diesem Verfahren im Rahmen der Rechtsprechung zu entscheiden hat (Kuderna, Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, Erl. 20 zu § 54 ASGG).

Das System des besonderen kollektiven Rechtsschutzes räumt den Köperschaften des § 54 Abs 2 ASGG eigene Rechte (Feststellungsansprüche) ein, wobei die darüber ergehenden Entscheidungen des OGH zwischen den Parteien in Rechtskraft erwachsen. Es gilt der Grundsatz des 'ne bis in idem', sohin die Unzulässigkeit, einen Antrag zu wiederholen, in dem derselbe Sachverhalt zugrunde gelegt wird.

Schon daraus folgt, daß es sich bei der Enderledigung des OGH über einen Antrag nach § 54 Abs 2 ASGG nur um eine Entscheidung und kein Gutachten handeln kann.

Durch die Beschränkung der Antragslegitimation der kollektivvertragsfähigen Körperschaften auf den 'Rahmen ihres Wirkungsbereiches' wird ein Ausufern der Anträge verhindert (vgl. Machacek, Struktur und Funktion der Sozialgerichtsbarkeit, FS Floretta (1983) 757).

Anträge auf Feststellung abstrakter Rechtsfragen, welchen nur eine theoretische Bedeutung zukommt, sind nicht zulässig, weil die Arbeitsrechtssache für mindestens drei Arbeitnehmer oder Arbeitgeber von Bedeutung sein und ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung gegeben sein muß (vgl. Kuderna, Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, Erl. 12 zu § 54 ASGG).

Alle diese Regelungen verschaffen dem Institut des besonderen kollektiven Rechtsschutzes eine zur Wahrnehmung seiner Aufgaben geeignete Struktur.

Daß die ergehenden Beschlüsse zugleich 'Entscheidungen' im Sinn des OGHG sind, ist als eine sachgerechte Systemkonformität anzusehen.

b) Im übrigen spricht der OGH selbst davon, daß das Verfahren nach dem § 54 Abs 2 bis 4 ASGG ein 'streitiges Außerstreitverfahren' ist. Dieser Begriff ist ein solcher der Lehre (vgl. Konecny, Wiederaufnahme in Außerstreitverfahren, JBl 1983, 20 ff (24) und die dortigen FN 22 und 23, sowie Klicka - Oberhammer, Außerstreitverfahren, MRTA, 5, Anm. 5).

Daß die in einem außerstreitigen Verfahren ergehenden Enderledigungen jeweils nur ein 'Beschluß', sohin nur eine Entscheidung (und kein Gutachten) sein können, ist schon systemimmanent; demgemäß hat der OGH seine bisherigen Enderledigungen in derartigen Verfahren - wie in allen anderen außerstreitigen Verfahren - auch stets als 'Beschluß' bezeichnet (vgl. etwa 9 ObA 801, 802 und 803/1994, Blg./E bis ./G); im Gegensatz dazu hat der OGH in Verfahren auf Grund von Anträgen nach dem (zwischenweilig aufgehobenen) § 16 litf OGH-Statut ausdrücklich ausgesprochen, er beschließt das 'Gutachten' (s. etwa SZ IV/154 und 155, sowie Blg./A und ./B).

c) Hiezu kommt, daß der OGH in Verfahren nach dem § 54 Abs 2 ASGG seine strikte Bindung an den Antrag des jeweiligen Antragstellers stets annimmt und demgemäß Anträge zur Gänze, ja selbst Mehrbegehren mangels diesbezüglicher Schlüssigkeit abweist (s. Blg ./E und ./F).

Mit dieser Praxis bestätigt aber der OGH, daß auch er davon ausgeht, daß in Verfahren nach dem § 54 Abs 2 ASGG seine Enderledigungen in Rechtskraft erwachsende Entscheidungen darstellen, da sonst für eine Abweisung von Anträgen bzw. von Mehrbegehren kein Raum wäre.

Unterstrichen wird dies bei einem Vergleich mit dem ehemals auf Ersuchen des BMJ durchzuführenden Verfahren nach dem § 16 litf GewGG:

In einem solchen Verfahren hat das BMJ an den OGH keinen Antrag gestellt, sondern Fragen vorgelegt, die der OGH im Rahmen eines Gutachtens beantwortet hat (vgl. SZ IV/154 und 155 sowie die Blg./A und ./B). Da keine Anträge zu stellen waren, stellte sich konsequenterweise auch die Frage der Schlüssigkeit nicht, und es kam damit auch eine Abweisung eines Ersuchens des BMJ nicht in Betracht.

Dies zeigt wiederum, daß die Enderledigungen des OGH in Verfahren nach dem § 54 Abs 2 ASGG nach dessen eigener Rechtsprechung keine Gutachten, sondern in Rechtskraft erwachsende Entscheidungen sind.

d) Dies folgt weiters auch aus dem § 54 Abs 5 ASGG, wonach die Verfahren über einen Antrag nach dem § 54 Abs 2 ASGG mit jenen über eine Feststellungsklage nach dem § 54 Abs 1 ASGG gleichgestellt sind. Während der Anhängigkeit eines der beiden Verfahren sind alle (Verjährungs- bzw. Präklusiv-)Fristen zur Geltendmachung eines Anspruchs eines einzelnen gehemmt.

Im Rahmen eines Verfahrensgesetzes wie dem ASGG würde aber nicht von einem 'Verfahren' bzw. seiner 'Beendigung' gesprochen werden, wäre die Erledigung eines Antrags nach dem § 54 Abs 2 ASGG (im Gegensatz zur Entscheidung über eine Feststellungsklage nach dem § 54 Abs 1 ASGG) nicht als eine Entscheidung anzusehen.

Daß von einer 'Beendigung' des Verfahrens gesprochen wird, hat seine Ursache darin, daß in einem Verfahren über eine Feststellungsklage, aber auch über einen Antrag nach dem § 54 Abs 2 ASGG nicht unbedingt eine Sachentscheidung, also ein Urteil oder ein (Sach-)Beschluß ergehen muß, sondern auch ein Zurückweisungsbeschluß mangels Vorliegens der erforderlichen Verfahrensvoraussetzungen ergehen kann.

Im Ergebnis wird aber an den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft aller dieser Erledigungen die Fortsetzung bzw. der Neubeginn von (Verjährungs- bzw. Präklusiv-)Fristen angeknüpft.

Dem steht nicht entgegen, daß das Ruhen eines Verfahrens seiner Beendigung gleichgestellt ist. Das ist nur aus Gründen der Rechtssicherheit normiert worden, weil sonst - bei einem Ruhen des Verfahrens - offene Verjährungs- bzw. Präklusivfristen nicht abliefen (§54 Abs 5 letzter Satz ASGG).

e) Wie oben bereits erwähnt, gehörten § 16 litf OGH Statut, RGBl. Nr. 325/1850, dessen Weiterleitung durch den § 5 Abs 4 des

G RGBl. Nr. 41/1907 festgeschrieben wurde, zum maßgebenden Zeitpunkt der Erlassung der verfassungsgesetzlichen Bestimmungen über die Gerichtsbarkeit dem Rechtsbestand bereits an.

Sollte der Verfassungsgerichtshof nun - entgegen den Ausführungen der Bundesregierung - zum Ergebnis kommen, daß es sich bei der Entscheidung des OGH in den Fällen des § 54 Abs 2 ASGG um ein Gutachten handelt, so wäre ein im Verfahren nach dieser Bestimmung ergehender Beschluß des OGH im Sinn der Versteinerungstheorie dennoch als eine verfassungsgemäße Ausgestaltung der Gerichtsbarkeit (Art82 Abs 1 B-VG) anzusehen (so im Ergebnis Fasching, Die Bedeutung des Gleichheitssatzes für das zivilgerichtliche Verfahren, Festgabe Fasching (1993) 22).

III. Zum angeblichen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz:

Die gegen den § 54 Abs 2 bis 4 ASGG unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes vom OGH geltend gemachten Bedenken richten sich zusammenfassend dagegen, daß nur den im § 54 Abs 2 ASGG genannten Körperschaften eine Antragsbefugnis auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen eingeräumt ist, wobei diese Antragsbefugnis überdies über die Regelungsbefugnisse dieser Körperschaften hinausgeht.

Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

1. Allgemeines zum Gleichheitsgebot in Verfahrensrechten:

a) Für das Verfahrensrecht gelten zunächst grundrechtliche Regelungen (Art6 MRK; Art 83 ff B-VG) sowie Anforderungen aus dem rechtsstaatlichen Prinzip (VfSlg. 12409/1990). Dahingehende Bedenken wurden nicht geltend gemacht und sind daher nicht zu prüfen (z.B. VfSlg. 8253/1978, 9185/1981, 9911/1983).

b) Zu den Bedenken wegen des Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz sei einleitend darauf hingewiesen, daß das Verfahrensrecht eine Annexmaterie darstellt. Unterschiedliche verfahrensrechtliche Regelungen haben ihre Grundlage in der Eigenart der vom Verfahren erfaßten Sachbereiche. Ein rechtsstaatliches Verfahren hat der jeweiligen materiell-rechtlichen Problemstellung gerecht zu werden. Daher besteht grundsätzlich kein Anlaß, verschiedene Verfahren, die die Durchsetzung ganz verschiedener materieller Rechte betreffen, in Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes in einem Vergleich zueinander zu rechtfertigen. Diese Auffassung hat der Verfassungsgerichtshof immer vertreten (vgl. VfSlg. 10367/1984 betreffend den Vergleich zwischen den Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof; betreffend den Vergleich zwischen unterschiedlichen Arten von Arbeitsrechtssachen innerhalb desselben Verfahrensgesetzes im Hinblick auf die Kostenbestimmung des § 58 Abs 1 ASGG). Nur bei Gründen 'exzeptionellen' Gewichts (vgl. VfSlg. 11795/1988) hat der Verfassungsgerichtshof einen Vergleich von verschiedenen Verfahrenssystemen vorgenommen. Wenn es sich hingegen bei der bekämpften Verfahrensregelung um eine Ausnahme von der Regel innerhalb ein- und derselben Verfahrensart handelt, so muß diese Differenzierung jedenfalls sachlich begründet sein, wie dies der VfGH jüngst in bezug auf den § 55 Abs 4 JN entschieden hat (; vgl. auch VfSlg. 7786/1976 über § 30 Abs 2 Rundfunkgesetz). Welcher Prüfungsmaßstab anzulegen ist, hängt also davon ab, ob es sich um 'dieselbe Verfahrensart' handelt.

2. Die verfahrensrechtliche Einordnung des Verfahrens nach dem § 54 Abs 2 bis 4 ASGG:

Die meisten Verfahrensregeln beziehen sich auf die Durchsetzung individueller Ansprüche, die in anderen Gesetzesmaterien verankert sind.

Unter Berücksichtigung der Strukturen und Zielsetzungen des besonderen kollektiven Rechtsschutzes ist es gerechtfertigt, ihn als besondere Verfahrensart zu bezeichnen. Diese bedarf weder gegenüber der Verfahrensordnung, in die die besondere kollektive Rechtsdurchsetzung eingebettet ist (zu unterschiedlichen Verfahrensarten in einer Verfahrensregelung vgl. VfGH G233/92 zum § 58 ASGG), noch gegenüber anderen besonderen kollektiven Rechtsdurchsetzungsmechanismen (in anderen Verfahrensordnungen und aus anderen Rechtsgebieten) einer vergleichenden Rechtfertigung, sodaß nur die Sachgerechtigkeit der Regelung an sich zu beurteilen ist (vgl. VfSlg. 10367/1985). Die unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Regelungen sind - wie oben bereits erwähnt - unter dem Gesichtspunkt des Art 7 Abs 1 B-VG nur insoweit zu vergleichen, als dem Gesetzgeber - in bestimmten Fragen - aus ganz besonderen Gründen auszuschließende Abweichungen (exzeptionellen Gewichts) verwehrt sind (VfSlg. 8017/1977, 10084/1984 und 11795/1988).

Solche Gründe liegen im Falle des § 54 Abs 2 ASGG aber nicht vor.

3. Eine sachliche Rechtfertigung im Sinne des Gleichheitssatzes liegt aber im übrigen - abgesehen von ihrer Maßgeblichkeit - ohnedies vor.

Die Andeutung Faschings über eine möglicherweise verfassungswidrige 'Ungleichheit des Rechtszuganges' in Verfahren nach dem § 54 Abs 2 ASGG (Fasching, Die Bedeutung des Gleichheitssatzes für das zivilgerichtliche Verfahren, in Festgabe Fasching 1993, 22) geht an der Tatsache vorbei, daß der Gesetzgeber mit der 'Aufgreiferzuständigkeit' (vgl. Lindacher, AGB-Verbandsklage und Rechtsschutzsystem, in Justiz und Recht, Festschrift Deutscher Richterakademie 1983, S. 213, sowie ders.,

Zur Sonderprozeßrechtsnatur der lauterkeitsrechtlichen Verbands- und Konkurrentenklage sowie der Verbandsklage nach dem AGB-Gesetz, ZZP 103, Band 4/1990, 403) im Rahmen des besonderen kollektiven Rechtsschutzes nach dem § 54 Abs 2 ASGG keine individuellen Rechtspositionen gewährt, sohin den Zugang eines einzelnen Berechtigten zu seinem Recht nicht berührt, sondern (für alle vom Rechtsbereich Betroffenen gleichermaßen) die Deckung der Rechtswirklichkeit mit dem objektiven Recht und die Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit insgesamt verbessert.

a. Bei der Entscheidung, welche materiellen Rechtsbereiche mit besonderen kollektiven Rechtsschutzmechanismen ausgestattet werden sollen, hatte sich der Gesetzgeber sachlich daran zu orientieren, in welchen Bereichen die Gefahr des Auseinanderklaffens von Rechtswirklichkeit und objektivem Recht besonders groß ist. Das ist vor allem im Arbeitsrecht, im Konsumentenschutz und im Wettbewerbsrecht, kurz überall dort der Fall, wo bei massenartigen Rechtsbeziehungen Gesetzesverletzungen nicht mit entsprechender Breitenwirkung unterbunden werden, weil die herkömmliche Regelzweckstaffelung 'unmittelbarer Individualrechtsschutz - mittelbare objektive Rechtsbewährung' nicht ausreichend zum Tragen kommt (Lindacher, AGB-Verbandsklage und Rechtsschutzsystem, in Justiz und Recht, Festschrift Deutsche Richterakademie 1983, S. 218).

Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich aber nicht verpflichtet, im Zivilrecht ein lückenloses System eines besonderen kollektiven Rechtsschutzes vorzusehen.

Nach dem rechtsstaatlichen Prinzip muß ein System von Rechtsschutzeinrichtungen Gewähr dafür bieten, daß nur solche Akte in ihrer rechtlichen Existenz als dauernd gesichert erscheinen, die in Übereinstimmung mit den sie bedingenden Akten höherer Stufe erlassen wurden; unabdingbar ist hiebei auch ein bestimmtes Maß an Effizienz (VfSlg. 12409/1990).

Der Gesetzgeber stellt im § 54 Abs 2 ASGG auf Rechtsfragen des 'materiellen Rechts auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen nach dem § 50' ASGG ab, womit der Anwendungsbereich hinreichend genau umschrieben ist, sodaß die Abgrenzung anhand des Wirkungsbereiches ganz bestimmter, mit der Rechtsdurchsetzung betrauter Verbände ausreicht (vgl. zu § 55 Abs 4 JN).

Der § 54 Abs 2 ASGG betrifft einen Kernbereich qualifiziertmassenartiger Rechtsbeziehungen. Die Entscheidung des Gesetzgebers, das gesamte Arbeitsrecht einzubeziehen, ist aus der Sicht des Gleichheitsgrundsatzes geradezu geboten, da es kein arbeitsrechtliches Teilgebiet gibt, das vom Erfordernis des besonderen kollektiven Rechtsschutzes ausgenommen werden sollte. Eine Einschränkung auf bestimmte Gebiete des Arbeitsrechts, etwa auf die Auslegung von Kollektivverträgen, wäre im Hinblick auf den Gleichheitssatz nicht zu rechtfertigen, insbesondere nicht mit dem Hinweis auf die Befugnisse, die den zum besonderen kollektiven Rechtsschutz berufenen Körperschaften in vielleicht ganz anderem Zusammenhang zustehen.

b. Bei der Entscheidung, welche Körperschaften mit dem besonderen kollektiven Rechtsschutz betraut werden, stellt der § 54 Abs 2 ASGG auf die 'kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer (§§4 bis 7 ArbVG)' ab. Diese sind berechtigt, 'einen Antrag auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen anzubringen'.

Eine Entscheidung darüber, welchem 'Verband' besondere kollektive Klags- oder Antragsbefugnisse übertragen werden sollen, ist letztlich in den Zielen des Verbandes und in seiner Verankerung in den betroffenen Bevölkerungskreisen begründet. Selbst die von der Judikatur für die Klagsbefugnis von Wettbewerbsvereinigungen (§14 UWG) entwickelten Kriterien stellen darauf ab, inwieweit ein Vereinszweck der Förderung gemeinsamer Interessen nicht nur in den Statuten, sondern auch in der Wirklichkeit nachweisbar verfolgt wird (OGH E. v. , 4 Ob 328/85, SZ 58/200).

Im § 54 Abs 2 ASGG hat der Gesetzgeber jene Körperschaften mit dem besonderen kollektiven Rechtsschutz betraut, die sowohl mit den betroffenen Bevölkerungskreisen als auch mit dem Arbeitsrecht auf das engste verbunden sind. Der Kreis der kollektivvertragsfähigen Körperschaften ist durch Gesetz oder Bescheid eindeutig bestimmt. Das trägt zur Rechtssicherheit bei und entlastet den OGH bei der Prüfung der Antragslegitimation. Bei den kollektivvertragsfähigen Körperschaften handelt es sich um Gebilde, denen historisch ableitbare Rechtspositionen in den in Frage stehenden Bereichen des Arbeitsrechtes zustehen (Machacek, Struktur und Funktion der Sozialgerichtsbarkeit, in FS Floretta (1983) 755).

Zu den kollektivvertragsfähigen Körperschaften gehören einerseits die gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, bei denen sich die tatsächliche Interessenwahrnehmung für repräsentative Kreise der Arbeitnehmerschaft bzw. der Arbeitgeberschaft schon aus den gesetzlichen Bestimmungen ergibt, mit denen sie eingerichtet wurden.

Zu diesen Verbänden zählen insbesondere die Länderkammern der gewerblichen Wirtschaft, die Bundeswirtschaftskammer, die Kammern für Arbeiter und Angestellte, die Bundesarbeitskammer und die Landwirtschaftskammern.

Nach dem § 4 Abs 1 litb HandelskammerG obliegt es etwa jeder Kammer der gewerblichen Wirtschaft, die arbeitsrechtlichen Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen und zu vertreten, auf die Aufrechterhaltung des Arbeitsfriedens hinzuwirken und darauf abzielende Maßnahmen zu fördern. Im § 68 HandelskammerG ist ein Aufsichtsrecht des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten vorgesehen, das den selbständigen Wirkungsbereich der Kammer erfaßt.

Nach dem § 4 Abs 2 Z 4 ArbeiterkammerG 1992 sind die Arbeitskammern berufen, bei allen Maßnahmen mitzuwirken, die das Arbeitsverhältnis betreffen.

Der Aufgabenbereich der Bundesarbeitskammer ist im § 9 Abs 2 Z 3 leg.cit. in dem hier maßgeblichen Bereich geregelt. Danach ist die Bundesarbeitskammer u.a. zur Vertretung überindividueller Interessen der Arbeitnehmer berufen, und zwar wenn diese über den Wirkungsbereich einer Arbeiterkammer hinausgehen.

Im ArbeiterkammerG sind auch interne Kontrollmechanismen, etwa der Kontrollausschuß (§59 AKG), die Berichtspflicht der Organe letztlich gegenüber der aufgrund demokratischer Wahl zusammengesetzten Vollversammlung sowie die Möglichkeit der Abwahl von Funktionären (§§51 und 89 AKG) vorgesehen. Weiters besteht nach § 91 AKG ein Aufsichtsrecht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind für die eigenen Arbeitsverhältnisse kollektivvertragsfähig (§7 ArbVG).

Schließlich können auch die auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhenden Berufsvereinigungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Kollektivvertragsfähigkeit erlangen, wenn sie es sich nach ihren Statuten zur Aufgabe machen, die Arbeitsbedingungen innerhalb ihres Wirkungsbereichs zu regeln, in einem größeren fachlichen oder räumlichen Wirkungsbereich tätig zu werden, vermöge der Zahl der Mitglieder und des Umfanges der Tätigkeit eine maßgebende wirtschaftliche Bedeutung zu haben und in der Vertretung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen gegenüber der anderen Seite unabhängig zu sein (§4 Abs 2 ArbVG).

Auch Vereine können die Kollektivvertragsfähigkeit erlangen, wenn sie vermöge der Zahl ihrer Mitglieder, des Umfangs ihrer Tätigkeit und der Zahl ihrer Arbeitnehmer eine maßgebliche Bedeutung haben (§4 Abs 3 ArbVG).

Die Kollektivvertragsfähigkeit wird nur bei Vorliegen aller Voraussetzungen gem. § 5 Abs 1 ArbVG vom Bundeseinigungsamt zuerkannt, gegen dessen Entscheidung der Verwaltungsgerichtshof angerufen werden kann; die wichtigste derartige Berufsvereinigung auf Arbeitnehmerseite ist der Österreichische Gewerkschaftsbund mit allen seinen Teil-Gewerkschaften. Auch die Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit ist bei nachträglichem Wegfall der Voraussetzungen vorgesehen (zu den freiwilligen Berufsvereinigungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, denen bisher Kollektivvertragsfähigkeit verliehen wurde, sei auf Cerny, Arbeitsverfassungsgesetz, Erl. 6 und 7 zu § 4 ArbVG verwiesen).

Es ist als ein Ausdruck der allgemein herrschenden Einschätzung anzusehen, daß diese nach dem Vereinsgesetz organisierten Verbände im Hinblick auf ihre Statuten und ihre Bedeutung in verschiedensten Bereichen mit öffentlich-rechtlichen Körperschaften vergleichbaren Funktionen betraut sind. Diesen Organisationen wird in weiten Bereichen eine die Interessen breiter Bevölkerungskreise in die Staatswillensbildung einbringende Funktion zugeordnet. Dies ist aber ein zusätzliches Argument dafür, ihnen auch eine besondere Rolle bei der Anpassung der tatsächlichen Verhältnisse an die Gesetze zuzubilligen. Damit wird an der Zuständigkeit der Gerichte zur Entscheidung nichts geändert, sondern entsprechend den - auch verfahrensrechtlichen - Instrumentarien die Abklärung von im Interesse breiter Bevölkerungskreise liegender Rechtsfragen sichergestellt.

Es sei auch darauf hingewiesen, daß etwa der 'Österreichische Gewerkschaftsbund' in verschiedensten bundesgesetzlichen Bestimmungen Vertretungsaufgaben in Kommissionen und Beiräten wahrnimmt (vgl. etwa § 86 Viehwirtschaftsgesetz 1983, §§55, 70 und 77 Marktordnungsgesetz, § 15 Rundfunkgesetz, § 12 Aufenthaltsgesetz, § 10 Behinderteneinstellungsgesetz, § 10 Bundesbehindertengesetz, § 104 Kriegsopferversorgungsgesetz usw.).

Wenngleich der Aufgabenkreis von kollektivvertragsfähigen Vereinen nicht auf gesetzlicher Ebene, sondern auf der Basis von Vereinsstatuten festgelegt ist, so ist es doch zulässig, daß der Gesetzgeber auf diese dort definierten Aufgabenbereiche und das bisher demonstrierte Verhalten abstellt. Es wäre dann, wenn diese Vereinsstatuten geändert werden, zu prüfen, ob die sachliche Rechtfertigung der Einbeziehung dieser Vereine weiter gegeben ist. Allenfalls könnte die Regelung dann mangels Nichtanpassung an geänderte Verhältnisse verfassungswidrig werden (vgl. zur Invalidation etwa VfSlg. 12735/1991).

Es kann also festgehalten werden, daß bei den im § 54 Abs 2 ASGG genannten Körperschaften sowohl wenn sie als öffentlichrechtliche Körperschaften als auch soweit sie als Vereine konstituiert sind, stets sichergestellt ist, daß sie im allgemeinen Interesse bzw. im Interesse breiter Bevölkerungskreise handeln. Verstoßen sie dagegen, so wird auch durch aufsichtsbehördliche bzw. vereinsbehördliche Maßnahmen die Einhaltung des Aufgabenbereichs der jeweiligen Körperschaft gewährleistet.

Damit ist insgesamt jenen Kriterien entsprochen, welche die im § 54 Abs 2 ASGG getroffene Auswahl an Körperschaften bzw. Stellen rechtfertigt, die zu einer Antragstellung nach dieser Gesetzesstelle legitimiert sind.

Der OGH weist jedoch darauf hin, daß anderen Interessenvertretungen das 'Privileg' zur Antragstellung nicht zuteil geworden sei. Daher müßten sich etwa die im § 54 Abs 1 ASGG genannten parteifähigen Organe der Arbeitnehmerschaft mit dem allgemeinen Gerichtsverfahren begnügen, ihre Klage in erster Instanz einbringen, den behaupteten Sachverhalt beweisen und ihr Recht im Instanzenzug wahren.

Dabei wird aber außer acht gelassen, daß die im § 54 Abs 2 ASGG genannten Körperschaften ihre individuellen Ansprüche, soweit ihnen solche von der materiellen Rechtsordnung eingeräumt sind, ebenfalls im herkömmlichen Gerichtsverfahren durchsetzen müssen.

Wie bereits mehrfach erwähnt, geht es im § 54 Abs 2 ASGG nicht um die Durchsetzung herkömmlicher individueller Ansprüche, sondern um 'Rechtspflegeansprüche', mit denen in erster Linie keine Privilegierung, sondern eine besondere öffentliche Aufgabenstellung verbunden ist. Den im § 54 Abs 2 ASGG genannten Körperschaften werden besondere kollektive Rechtsschutzbefugnisse eingeräumt, um ihnen die bestmögliche Wahrnehmung der Interessen der von ihnen repräsentierten Bevölkerungskreise zu ermöglichen.

Durch das Kriterium der Kollektivvertragsfähigkeit hat der Gesetzgeber diesem Bedürfnis entsprochen und eine tragfähige Abwägung der Interessen solcher Verbände auf der einen Seite und dem Interesse an der effektiven Wahrnehmung des besonderen kollektiven Rechtsschutzes auf der anderen Seite vorgenommen. Eine unsachliche Benachteiligung etwa eines Betriebsrates ist daher nicht gegeben. Bei allen im § 54 Abs 2 ASGG genannten Körperschaften zeigen deren Aufgabengebiete eine enge Verbindung mit den Fragen des gesamten Arbeitsrechts, woraus sich die prinzipiell für das ganze Arbeitsrecht geltende Antragslegitimation rechtfertigt.

Die Einschränkung, wonach diese Körperschaften nur 'im Rahmen ihres Wirkungsbereiches' tätig werden dürfen, unterstreicht die Sachgerechtigkeit der Regelung, da damit sichergestellt wird, daß die einzelne Körperschaft nur Angelegenheiten aufgreifen darf, die die Interessen der von ihr vertretenen Arbeitgeber oder Arbeitnehmer betreffen (Kuderna, ASGG, Erl. 9 zu § 54 ASGG).

Der Umstand, daß das Antragsvorbringen und damit die konkrete Zuordnung des vorgebrachten Sachverhalts zu bestimmten Arbeitnehmern oder Arbeitgebern vom OGH nicht zu überprüfen ist, ändert nichts an der Einschätzung der in Prüfung gezogenen Bestimmungen als verfassungskonform, zumal eine solche Überprüfung auch im Falle eines echten Versäumnisurteils nicht vorgesehen ist und diese Regelung schon deshalb als systemkonform anzusehen ist.

Daß es dem Antragsteller auferlegt ist, sein Vorbringen in Übereinstimmung mit der Wirklichkeit zu erstatten, ergibt sich schon aus der Wortfolge 'für mindestens drei Arbeitgeber oder Arbeitnehmer von Bedeutung' ist.

Unterstrichen wird dies durch den § 54 Abs 5 erster Satz ASGG, woraus sich ergibt, daß der behauptete Sachverhalt grundsätzlich auch eine Leistungsklage ermöglichen soll.

Schließlich ist mit einer an Sicherheit heranreichenden Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die im § 54 Abs 2 ASGG genannten Körperschaften keine Sachverhalte an den OGH herantragen, die keine andere Folge hätten, als daß sie (gemeint wohl: die Entscheidung) zwischen den Verfahrensparteien zwar in Rechtskraft erwüchse, aber in Ermangelung verwirklichter Sachverhalte keine Leitfunktion erhielte.

Aus diesem Grund ist es auch nicht erforderlich, daß der Antragsgegner einen behaupteten Sachverhalt bestreitet. Ihm erwächst durch einen 'falsch' behaupteten Sachverhalt kein Nachteil, zumal er jederzeit die Möglichkeit hat, einen eigenen Antrag einzubringen, in dem er den aus seiner Sicht richtigen Sachverhalt vorbringen kann.

Es ist sohin zusammengefaßt davon auszugehen, daß eben die im § 54 Abs 2 ASGG genannten Körperschaften im Sinn ihrer 'gemeinwohlorientierten Aufgaben' im Regelfall nur solche Sachverhaltsschilderungen an den OGH herantragen und damit nur solche Entscheidungen anstreben, bei denen an der Klärung von Rechtsfragen insbesondere auch ein Allgemeininteresse besteht (vgl. ).

Aber selbst wenn ein Antrag nach dem § 54 Abs 2 ASGG nur einen abstrakten (mit keinem wirklichen Lebensvorgang übereinstimmenden) Sachverhalt zum Gegenstand hätte, wäre eine gerichtliche Entscheidung darüber verfassungsrechtlich dennoch zulässig, weil keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen bestehen, daß auch Versäumnisurteile bzw. Urteile aufgrund objektiv falscher Angaben bzw. Außerstreitstellungen in Rechtskraft erwachsen (Fasching, Lehr- und Handbuch2, Rz 1547).

Daß der Gesetzgeber ein über die Abgrenzung des § 228 ZPO hinausgehendes Feststellungsinteresse einräumen kann, ist aber unbestreitbar; hievon hat er beispielsweise auch im Rahmen des § 65 Abs 2 ASGG Gebrauch gemacht, in dem er eine Feststellungsklage eröffnete, wonach eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist.

Eben von dieser offenstehenden Gestaltungsmöglichkeit hat der Gesetzgeber auch Gebrauch gemacht, als er den im § 54 Abs 2 ASGG genannten Körperschaften den in der zitierten Gesetzesstelle umschriebenen Feststellungsanspruch eingeräumt hat.

Da der VfGH keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen hatte, daß die im § 29 KSchG genannten Verbände jede denkbare Art einer Forderung im Rahmen des § 55 Abs 4 JN an den OGH herantragen können (s. das zuletzt zitierte Erk. des ), ist es - im Gegensatz zur Ansicht des OGH - jedenfalls verfassungskonform, wenn den in § 54 Abs 2 ASGG genannten Körperschaften die Befugnis übertragen ist, sämtliche Rechtsfragen des materiellen Arbeitsrechts an den OGH heranzutragen.

Eine Einschränkung der Antragsbefugnis auf jene Gebiete, für die die im § 54 Abs 2 ASGG genannten Körperschaften (in anderem Zusammenhang) sonst zuständig sind (etwa auf die Auslegung von Kollektivverträgen), würde sohin den oben genannten Kriterien der Ermittlung des Rechtsbereichs sowie der Antragslegitimation nicht gerecht werden.

IV. Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit der Wortfolgen 'und Anträge nach Abs 2' und 'oder einen solchen Antrag' im § 54 Abs 5 ASGG sowie des § 58 Abs 1 zweiter Satz ASGG

Sollte der Verfassungsgerichtshof - entgegen den Ausführungen zur Zulässigkeit des Antrags des OGH - in eine materielle Prüfung dieser Gesetzesstellen eintreten, so ist hiezu auszuführen:

Zu den zwei Wortfolgen des § 54 Abs 5 ASGG:

1. Ist davon auszugehen, daß gegen den besonderen kollektiven Rechtsschutz des § 54 Abs 2 bis 4 ASGG keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, so ergibt sich die Unabhängigkeit des Rechtsschutzinteresses der kollektivvertragsfähigen Körperschaft von dem individuellen Rechtsschutzanspruch des einzelnen Berechtigten schon aus den völlig verschiedenen Klagsgegenständen. Eine individuelle Leistungsklage steht zum Verbandsantrag in keinerlei Konkurrenz, sodaß die jeweilige Streitanhängigkeit kein Prozeßhindernis darstellt.

Auch das Rechtsschutzinteresse und das Feststellungsinteresse eines Antrags nach dem § 54 Abs 2 ASGG wurden vom Gesetzgeber völlig unabhängig von den Leistungsklagen festgelegt.

Der § 54 Abs 5 ASGG wiederholt ausdrücklich die sich schon aus dem § 54 Abs 2 ASGG ergebende Rechtslage, wonach das Erheben einer Leistungsklage das Feststellungsinteresse eines 'Verbandsantrags' nicht berührt (vgl. dazu RV 7 BlgNR 16. GP, Erläuterungen zum § 48 Abs 4 SGerG und AB 527 BlgNR 16. GP zum § 54 Abs 5 ASGG).

2. Die Ablaufhemmung aller Fristen zur Geltendmachung des Anspruchs des Berechtigten gilt sowohl für besondere Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 1 ASGG als auch für solche nach dem § 54 Abs 2 ASGG.

Beim § 54 Abs 5 zweiter Satz ASGG handelt es sich um eine materiellrechtliche Ausnahmebestimmung, die ihre sachliche Rechtfertigung darin findet, daß die besonderen Feststellungsverfahren vor allem (auch) den Zweck haben, Einzelstreitigkeiten durch Klärung der Rechtsfragen in einem Testverfahren möglichst zu vermeiden. Diese Zielsetzung könnte besonders bei länger dauernden Testverfahren völlig vereitelt werden, wenn individuelle Ansprüche während des Testverfahrens verjähren oder verfallen könnten. Ein weiterer Zweck des Verbandsantrags liegt darin, daß eine individuelle Rechtsdurchsetzung im Arbeitsrecht häufig unterbleibt und es so zu einem Auseinanderfallen des materiellen Rechts und der Rechtswirklichkeit kommt. Auch deshalb ist es erforderlich, daß der einzelne Berechtigte seine bisher vernachlässigten Ansprüche ausnahmsweise noch durchsetzen kann, wenn ihm die Berechtigung seines Anspruchs auf Grund eines Ergebnisses eines Testverfahrens klar wird. Vor einer überlangen - und damit unsachlichen - Fristhemmung schützt der letzte Satz des § 54 Abs 5 ASGG, wonach der Beendigung des Verfahrens das Ruhen des Verfahrens gleichsteht.

3. Im Gesetzesprüfungsverfahren zum § 55 Abs 4 JN () wurde vom antragstellenden Oberlandesgericht Linz die Anordnung einer Hemmung der Verjährung gleichartiger Forderungen nach dem Vorbild des § 54 Abs 5 ASGG vermißt. Auch dies zeigt, daß die Einrichtung des 'Verbandsantrags' mit sachlich gerechtfertigten Ausnahmen des materiellen Rechtes verknüpft sein soll.

Zum § 58 Abs 1 zweiter Satz ASGG:

Das Unterbleiben eines Kostenersatzes in Verfahren gemäß § 54 Abs 2 ASGG nach der Bestimmung des § 58 Abs 1 zweiter Satz ASGG ist schon darin begründet, daß es sich um ein außerstreitiges Verfahren handelt (vgl. dazu BlgNR 16. GP AB 527 zu § 54 Abs 2 und Abs 8 ASGG); hievon geht auch der Oberste Gerichtshof aus, der es als ein 'streitiges Außerstreitverfahren' bezeichnet.

Im außerstreitigen Verfahren besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Kostenersatz; dies ist in Lehre und Judikatur unbestritten (MGA Außerstreitverfahren2 Anm. 7 und E. 31 zum § 2 AußerStrG). Die Vorschrift des § 58 Abs 1 zweiter Satz ASGG ist sohin eine systemimmanente Bestimmung und schon deshalb sachgerecht."

5. Einige der mitbeteiligten Parteien haben in den einzelnen Verfahren ebenfalls Äußerungen erstattet, in denen jeweils den Bedenken des OGH entgegengetreten und die Abweisung seiner Anträge begehrt wird.

6. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit erwogen:

6.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art 140 B-VG bzw. des Art 139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (zB VfSlg. 9811/1983, 10296/1984, 11565/1987, 12189/1989).

6.2. Die Präjudizialitätsfrage wurde vom OGH hinsichtlich der angefochtenen Abs 2 bis 4 des § 54 ASGG und des zweiten Satzes des § 58 Abs 1 ASGG offenkundig denkmöglich beantwortet. Nichts spricht dagegen, daß der OGH diese Vorschriften bei der Entscheidung in den bei ihm anhängigen, seinen Gesetzesprüfungsanträgen zugrundeliegenden Feststellungsverfahren anzuwenden hat.

Sonstige Prozeßhindernisse sind hinsichtlich der in Rede stehenden Vorschriften in den Verfahren nicht hervorgekommen. Das gilt auch für den bekämpften zweiten Satz des § 58 Abs 1 ASGG. Gegen diese Vorschrift sind zwar entgegen § 62 Abs 1 VerfGG keine gesonderten Bedenken dargelegt worden; sie steht jedoch mit den angefochtenen Abs 2 bis 4 des § 54 ASGG in einem untrennbaren Zusammenhang.

Was die gleichfalls bekämpften Wortfolgen "und Anträge nach Abs 2" und "oder einen solchen Antrag" im Abs 5 des § 54 ASGG betrifft, so hat die Bundesregierung in ihren Äußerungen diesbezüglich vorgebracht, daß diese Bestimmungen offenbar weder angewendet wurden noch anzuwenden wären, sodaß die Präjudizialität dieser Wortfolgen im Sinne des Art 140 Abs 1 B-VG zu verneinen sei. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß man - so wie offensichtlich der OGH - davon ausgehen kann, daß diese Wortfolgen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem bekämpften Abs 2 des § 54 ASGG stehen.

Die Gesetzesprüfungsanträge sind daher insgesamt zulässig.

7. Der Verfassungsgerichtshof hat in der Sache selbst erwogen:

7.1.1. Das zentrale Bedenken des OGH geht dahin, daß das im § 54 Abs 2 bis 4 ASGG geregelte Verfahren deshalb nicht dem traditionellen Bild der Gerichtsbarkeit entspreche, weil der OGH - materiell gesehen - ein Rechtsgutachten zu erstatten habe, welches vom Gesetzgeber zur Ausräumung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen solche nach früherem Recht zu erstattende Gutachten "in den Mantel einer Gerichtsentscheidung gekleidet wurde." Um nicht bloß auf die de-facto-Autorität überzeugend begründeter Gutachten des OGH vertrauen zu müssen, habe der Gesetzgeber diesen durch ihre formelle Ausgestaltung als "Entscheidung" Präjudizwirkung verliehen. Das hält der OGH für "einen Mißbrauch der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten und für verfassungsrechtlich bedenklich".

7.1.2. Dem OGH ist dahin zuzustimmen, daß sich das durch die bekämpften Gesetzesbestimmungen eingerichtete Verfahren von sonstigen gerichtlichen Verfahren unterscheidet, und zwar sowohl von seiner Zielsetzung her als auch dadurch, daß ihm kein konkreter Sachverhalt zugrunde liegt. Gleichwohl ist dieses Verfahren nicht bloß auf die Erstattung eines Gutachtens gerichtet.

7.1.2.1. Die besonderen Feststellungsverfahren des § 54 ASGG sind offensichtlich im Interesse einer als dringlich erachteten Verbesserung des Zugangs zum Recht auf dem Gebiet des Arbeits- und Sozialrechts geschaffen worden (527 BlgNR XVI. GP, S. 1). Aus der Sicht der Praxis schien es zweckmäßig, wie im Bericht des Justizausschusses (527 BlgNR XVI. GP, S. 7) ausgeführt wird,


Tabelle in neuem Fenster öffnen
"-
arbeitsrechtliche Fragen, die in einem bestimmten Betrieb oder Unternehmen strittig sind, in einem Testprozeß zwischen dem Unternehmer und den
(zuständigen) Organen der Arbeitnehmerschaft zu klären;
-
(abstrakte) arbeitsrechtliche Fragen, die zwischen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer strittig sind (mit Rücksicht
auf die mit solchen Streitfragen stets verbundenen Rechtsunsicherheiten) auf Grund eines diesbezüglichen Antrages einer kollektivvertragsfähigen
Körperschaft unmittelbar an den Obersten Gerichtshof zur Entscheidung herantragen zu lassen."

Mit dem durch diese Verfahren eingeführten kollektiven Klagerecht sollte nicht nur eine Verfahrenskonzentration und -beschleunigung erreicht, sondern auch verhindert werden, daß einzelne Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen selbst in Erscheinung treten müssen und dadurch Nachteile erleiden (7 BlgNR XVI. GP, S. 25 und 28; 527 BlgNR XVI. GP, S. 1). Für die Einführung von Verbandsklagen wie den in Rede stehenden wurde darüber hinaus die mit der solcherart ermöglichten Führung von Musterprozessen verbundene Entlastung der Gerichte ins Treffen geführt (vgl. Kuderna, Bemerkungen zur geplanten Reform der Sozialgerichtsbarkeit, RZ 1981, S. 237 ff. (242); Machacek, Struktur und Funktion einer zu schaffenden Sozialgerichtsbarkeit, in: Floretta-FS, 1983, S. 723 ff. (752 ff.)).

7.1.2.2. Gegenstand des besonderen Feststellungsverfahrens gemäß § 54 Abs 2 ASGG sind Anträge "auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen" im Zusammenhang mit Fragen des materiellen Rechts auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen, die für mindestens drei Arbeitgeber oder Arbeitnehmer von Bedeutung sind. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines solchen Antrages ist das Bestehen eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung des betreffenden Rechts oder Rechtsverhältnisses (vgl. die Entscheidung des 9 Ob A 614/93, DRdA 1995, S. 387 ff. mit Anmerkung von Kuderna; ders., Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz2, 1996, S. 347 ff., 355; Berka, DRdA 1996, S. 29).

Das Feststellungsverfahren ist - seiner Zielsetzung, zwischen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und Arbeitnehmer strittige Fragen des Arbeitsrechts zu entscheiden, entsprechend (siehe oben Punkt 7.1.2.1.) - kontradiktorisch ausgestaltet: Gemäß § 54 Abs 3 ASGG ist der Antrag, der von einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft gestellt sein muß, dem vom Antragsteller zu bezeichnenden Antragsgegner, ebenfalls einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft, mit dem Auftrag zuzustellen, hiezu binnen vier Wochen Stellung zu nehmen. Die Entscheidung ist auf der Grundlage des im Antrag dargelegten Sachverhaltes zu treffen (§54 Abs 4 ASGG), den der OGH nicht zu überprüfen hat. Aufgrund der bekämpften Bestimmungen hat der OGH sodann über die zwischen diesen Prozeßparteien strittigen, im überbetrieblichen Bereich relevanten Fragen des Arbeitsrechts zu entscheiden. Es geht dabei um die Lösung konkreter Fragen des materiellen Rechts auf der Grundlage eines behaupteten, für einzelne (mindestens drei) Arbeitgeber oder Arbeitnehmer relevanten und von einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft als relevant dargelegten Sachverhaltes.

Darüber hinaus normiert der Abs 5 des § 54 leg.cit., daß Feststellungsanträge gemäß § 54 Abs 2 ASGG auch dann gestellt werden können, wenn der Berechtigte eine Leistungsklage erheben könnte, wobei für die Dauer des Verfahrens über einen solchen Feststellungsantrag alle Fristen zur Geltendmachung des Anspruchs gehemmt sind.

Es trifft auch keineswegs zu, daß die bereits dargestellte gerichtsförmige Ausgestaltung des Verfahrens und die Entscheidungsaspekte von einer Art wären, daß es, wie vom OGH behauptet, dabei materiell um die Erstattung eines als "Entscheidung" etikettierten Gutachtens ginge. Dies aus folgenden Gründen:

Dagegen spricht schon die kontradiktorische Gestaltung des Verfahrens. Daß es auch materiell um eine Entscheidung geht, ergibt sich auch daraus, daß Parteien des Verfahrens nur kollektivvertragsfähige Körperschaften der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sein können (§54 Abs 2 ASGG). Gemäß § 4 ArbVG ist die Gegnerunabhängigkeit Voraussetzung der Kollektivvertragsfähigkeit (vgl. die Zurückweisung eines Antrages einer Ärztekammer mangels Antragslegitimation nach § 54 Abs 2 ASGG infolge Fehlens der Gegnerunabhängigkeit in Arb. Slg. 10921 = ); und das bedeutet:

Antragsberechtigt sind kollektivvertragsfähige Körperschaften der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die schon aufgrund ihrer jeweiligen Nahebeziehung zu Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Proponenten der im - kontradiktorisch ausgestalteten - Feststellungsverfahren aufeinandertreffenden gegensätzlichen Auffassungen sind. Davon ist auch der Gesetzgeber offenkundig ausgegangen, der (vgl. 527 BlgNR XVI. GP, S. 8) die Antragslegitimation jeder kollektivvertragsfähigen Körperschaft im Einzelfall davon abhängig gemacht hat, daß "der von ihr angegebene Sachverhalt Arbeitgeber oder Arbeitnehmer betrifft (betreffen kann), deren Interessen sie vertritt (zu vertreten hat)". Das bedeutet aber nichts anderes, als daß der OGH über widerstreitende rechtliche Ausführungen von Antragsteller und Antragsgegner zu entscheiden, nicht aber ein Gutachten darüber zu erstatten hat, ob eine der beiden oder keine eine rechtsrichtige Beurteilung des behaupteten Sachverhalts darstellt.

7.1.2.3. Nichts anderes ergibt sich aus der eigenen einschlägigen Judikatur des antragstellenden OGH: So ist, auch "wenn im besonderen Feststellungsverfahren die Behauptungen des Antragstellers als Sachverhaltsgrundlage entscheidend sind, ... die Stellungnahme des Antragsgegners, der auf mögliche Differenzierung hinweist, nicht unbeachtlich. Eine solche Stellungnahme müßte zumindest zum Anlaß genommen werden, den Sachverhalt zu ergänzen und ihn entsprechend zu spezifizieren" (Arb. Slg. 11172, S. 90). Und wenn der OGH im selben Fall (S. 85) mit der Begründung, "dem besonderen Feststellungsverfahren sollte eine streitvermindernde Wirkung zukommen, was bei einem bestrittenen Sachverhalt nicht der Fall ist", dem Antragsteller "im Hinblick auf den offenkundigen Dissens im Sachverhalt" die Gelegenheit zur Ergänzung bzw. zur Modifikation seiner Sachverhaltsbehauptungen eingeräumt hat, so wird eben dadurch deutlich, daß das besondere Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 2 ASGG nicht nur von seiner Ausgestaltung, sondern auch von seiner Zielsetzung sich deutlich von einer - behauptetermaßen in Wahrheit bloß verdeckten - Gutachtenstätigkeit unterscheidet. Das besondere Feststellungsverfahren gemäß § 54 Abs 2 ASGG entspricht dem, was Gerichtsbarkeit im materiellen Sinn ist, nämlich "die Fällung von Entscheidungen zwischen streitenden Parteien in Einzelfällen auf Grund bestehenden generellen Rechts" (Walter, Verfassung und Gerichtsbarkeit, 1960, S. 18). Im Rahmen eines besonderen Feststellungsverfahrens wird eben eine im rechtlichen Interesse betroffener Arbeitnehmer und Arbeitgeber liegende Rechtsfrage entschieden; gerade darin liegt, wie Berka (DRdA 1996, S. 29) zutreffend feststellt, der Unterschied zu einer - per se - Gutachtenstätigkeit.

Dazu kommt, daß der OGH in seiner Rechtsprechung in Feststellungsverfahren gemäß § 54 Abs 2 ASGG selbst mehrfach verneint hat, in einem solchen Verfahren zur Abgabe abstrakter Rechtsgutachten berufen zu sein. So hat er etwa in seiner Entscheidung vom , 9 ObA 602/90, ausgeführt, "daß es nicht Gegenstand eines Verfahrens gem § 54 Abs 2 ASGG ist, zu bloß allgemein aufgeworfenen Rechtsfragen jeweils Gutachten zu erstatten. Es ist nicht Sache des OGH, mögliche Fallgruppen zu variieren und rechtlich zu beurteilen. Die Entscheidung hat sich vielmehr im Rahmen der gestellten Anträge auf jene Beurteilung zu beschränken, die zum behaupteten Sachverhalt im Verhältnis der Schlüssigkeit steht" (Arb. Slg. 10896, S. 199). Auch in einer jüngeren Entscheidung vom , 9 ObA 614/93, hat er sich ähnlich geäußert und ausgeführt: "Aufgabe des OGH im Verfahren nach § 54 Abs 2 ASGG ist es, auf Grund eines behaupteten Sachverhalts Rechtsfragen des materiellen Rechts zu lösen. Gegenstand dieses Verfahrens kann es aber nicht sein, erst für die Zukunft in Aussicht genommene Gestaltungen iS einer Kautelarjurisprudenz zu prüfen und den Parteien damit iS eines Gutachtens Richtlinien für die Ausformung der Regelung ihrer Rechtsbeziehungen zu geben" (DRdA 1995, S. 388).

7.1.2.4. Damit aber reduziert sich das Vorbringen des OGH auf das Argument, daß durch die formelle Bezeichnung eines materiell erfließenden "Gutachtens" als "Entscheidung" der Gesetzgeber diesem eine verfassungswidrige Präjudizwirkung verliehen habe, womit wohl die Präjudizialwirkung einer den OGH hinsichtlich seiner Entscheidungen - bis zum Spruch eines verstärkten Senats gemäß § 8 OGHG - selbst treffenden Bindung angesprochen wird (dazu Fasching, DRdA 1996, S. 26 f.). Da es sich, wie vorstehend dargelegt, bei der in einem besonderen Feststellungsverfahren ergehenden Entscheidung jedoch um kein Gutachten handelt, trifft schon die Prämisse dieses Vorbringens des OGH nicht zu.

7.1.2.5. Daraus ergibt sich, daß dem Vorwurf des OGH, die Entscheidung eines Verfahrens gemäß § 54 Abs 2 ASGG sei materiell die Erstattung eines Gutachtens, und den daran anknüpfenden Folgerungen nicht zu folgen ist.

7.2.1. Der OGH bringt weiters vor, aus Art 92 Abs 1 B-VG ergebe sich ein an den Gesetzgeber gerichtetes Verbot, eine Zuständigkeit des OGH als "Eingangs- und (einzige) Instanz" vorzusehen; der angefochtene Regelungskomplex stehe hiezu im Widerspruch.

7.2.2. Der OGH geht dabei von einer strikten Interpretation des Wortlautes des Art 92 Abs 1 B-VG - "Oberste Instanz in Zivil- und Strafrechtssachen ist der Oberste Gerichtshof" - aus. Zu einer solchen Interpretation zwingt der Wortlaut aber nicht. Das zeigt sich schon darin, daß diese Verfassungsvorschrift einer Abkürzung des Instanzenzugs nicht entgegensteht (vgl. Walter, Verfassung und Gerichtsbarkeit, 1960, 172; Ringhofer, Die Österreichische Bundesverfassung, 1977, 289; Adamovich/Funk, Österreichisches Verfassungsrecht3, 1985, 315; Mayer, B-VG-Kurzkommentar, 1994, 232 f.; Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht8, 1996, 292 f.).

Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, daß die Bundesverfassung angesichts der mehrere Deutungsmöglichkeiten offenlassenden Bestimmung des Art 92 Abs 1 B-VG auch einer gesetzlichen Regelung nicht entgegen steht, die dem OGH die Kompetenz überträgt, in erster und letzter Instanz zu judizieren (vgl. Rill, RdW 1995, 345). Freilich dürfen dem OGH derartige Kompetenzen nicht unbeschränkt, sondern nur in Ausnahmefällen von besonderer Wichtigkeit übertragen werden; auch ist der Gesetzgeber dabei an die sonstigen Schranken der Verfassung gebunden, die sich - neben der hier nicht näher zu erörternden, weil allein für die Strafgerichtsbarkeit relevanten Vorschrift des Art 2 des 7. ZPEMRK - insbesondere aus dem Sachlichkeitsgebot der Verfassung ergeben:

Im Hinblick auf die vom Gesetzgeber (siehe 527 BlgNR XVI. GP) als maßgeblich genannten Ziele, nämlich einer Verfahrenskonzentration und -beschleunigung und damit eines verbesserten Zugangs zum Recht, einer Stärkung der Rechtssicherheit durch raschere Klärung von arbeitsrechtlichen Streitigkeiten der Kollektivvertragsparteien, und weiters der Entlastung der Gerichte von individuellen Massenprozessen, insbesondere aber auch unter dem Gesichtspunkt, daß das solcherart konzipierte Verfahren für arbeitsrechtliche Konflikte eine besondere Dimension im Hinblick auf den Arbeitsfrieden haben kann, erfahren die bekämpften Vorschriften im Hinblick auf die genannten Grenzen ihre spezifische Rechtfertigung. Es trifft daher nicht zu, daß der einfache Gesetzgeber mit den angefochtenen Gesetzesbestimmungen deshalb, weil er ausnahmsweise den OGH zur Entscheidung in dem besonderen Feststellungsverfahren gemäß § 54 Abs 2 ASGG als erste und einzige Instanz berufen hat, den ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraum (vgl. zB VfSlg. 11369/1987 und 12416/1990) überschritten hat.

7.3.1. Der OGH führt schließlich noch gleichheitsrechtliche Bedenken gegen die in den Abs 2 bis 4 des § 54 ASGG getroffene Regelung ins Treffen, da diese Regelung nur bestimmten - zur Antragstellung hinsichtlich einzelner Rechtsfragen des materiellen Rechts auf dem gesamten Gebiet der Arbeitsrechtssachen berechtigten - Interessenvertretungen zugute komme, nämlich den kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, nicht aber den in § 14 UWG und § 28 ff. KSchG angeführten Interessenvertretungen und den in § 54 Abs 1 ASGG erwähnten parteifähigen Organen der Arbeitnehmer. Der Gesetzgeber habe damit das Sachlichkeitsgebot verletzt. Den letztgenannten Interessenvertretungen stehe nur das normale Gerichtsverfahren zur Verfügung; sie seien dazu verhalten, ihre Klage in erster Instanz einzubringen, den behaupteten Sachverhalt zu beweisen und allenfalls ihr Recht im Instanzenzug zu wahren. Verfassungsrechtlich bedenklich sei darüber hinaus auch, daß gemäß § 54 Abs 2 ASGG den kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Antragsrecht in Bereichen zustehe, in denen ihnen eine Regelungsbefugnis zum Abschluß von Kollektivverträgen zukomme, was nicht dadurch gerechtfertigt werden könne, daß man eine - verfassungsrechtlich bedenkliche und auch nach Meinung des OGH nicht angeordnete - Kompetenz des OGH zur authentischen Interpretation von Kollektivverträgen annehme.

7.3.2. Es ist dem Gesetzgeber aufgrund des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes (vgl. zB VfSlg. 11369/1987 und 12416/1990) unbenommen, dann, wenn er eine Notwendigkeit dafür als gegeben erachtet, im Rahmen der ihm durch verfassungsrechtliche Vorschriften gezogenen Grenzen kollektive Klagerechte zuzulassen und Maßnahmen zur Verfahrenskonzentration- und beschleunigung wie etwa solche zur Ermöglichung der Führung von Testprozessen zu treffen. Der Gleichheitssatz verlangt es dabei aber nicht, wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur zur Zulässigkeit unterschiedlicher verfahrensrechtlicher Regelungen unter dem Aspekt des Art 7 Abs 1 B-VG (vgl. VfSlg. 10084/1984, 11795/1988, 13455/1993, 13527/1993) festhält, daß einem entsprechenden rechtspolitischen Interesse in unterschiedlichen Rechtsbereichen in gleicher Weise verfahrensrechtlich Rechnung getragen wird.

Mit den hier relevanten bekämpften Vorschriften des § 54 Abs 2 - 4 ASGG hat der Gesetzgeber den ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraum jedenfalls nicht überschritten. Es ist keinesfalls unsachlich, bei der spezifischen Antragsberechtigung nach § 54 Abs 2 ASGG auf die kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und Arbeitnehmer insgesamt abzustellen, weil diese in ihrem Wirkungsbereich nicht nur Kollektivverträge schließen können, sondern auch allgemein zur Interessenvertretung umfassend berufen sind. Das Verfahren gemäß § 54 ASGG unterscheidet sich von den Fällen des § 52 Abs 1 leg.cit. auch schon dadurch, daß es dabei um überbetriebliche Angelegenheiten, und damit um Rechtsstreitigkeiten geht, denen im allgemeinen erhöhtes Gewicht zukommt, wohingegen § 54 Abs 1 ASGG betriebliche Rechtsstreitigkeiten zum Gegenstand hat, die Einzelunternehmen betreffen. Daß der Gesetzgeber jene Gruppe von Fällen, in denen er den OGH zur Entscheidung in erster und letzter Instanz beruft, relativ eng hält, kann schließlich auch nicht gegen die Sachlichkeit der bekämpften Gesetzesbestimmungen ins Treffen geführt werden. Hat aber der Gesetzgeber mit der Erlassung der Vorschriften des § 54 Abs 2 - 4 ASGG im rechtspolitischen Gestaltungsfreiraum gehandelt, dann ist schon die Prämisse für die weiteren im gegebenen Zusammenhang vorgetragenen Bedenken des OGH weggefallen, sodaß es sich erübrigt, auf diese einzugehen. Daß die angefochtenen Regelungen eine authentische Interpretation kollektivvertragsrechtlicher Regelungen zum Gegenstand hätten, wird auch vom OGH verneint.

Die behauptete Gleichheitswidrigkeit liegt somit insgesamt nicht vor.

8. Die Anträge waren daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.