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VfGH vom 20.06.2009, g13/09

VfGH vom 20.06.2009, g13/09

Sammlungsnummer

18791

Leitsatz

Aufhebung der Bestimmung des EStG 1988 über die Abgeltung von Unterhaltsleistungen an nicht haushaltszugehörige Kinder durch den Unterhaltsabsetzbetrag mangels erforderlicher steuerlicher Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen gegenüber im Ausland lebenden, nicht haushaltszugehörigen Kindern ungeachtet allfälliger Transferleistungen im Ausland; verfassungskonforme Auslegung nicht möglich

Spruch

§ 34 Abs 7 Z 2 des Bundesgesetzes vom über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400 idF BGBl. I Nr. 79/1998, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B963/08 eine auf Art 144

B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt: Der Beschwerdeführer war im Jahr 2005 für seine nicht haushaltszugehörige, bei der geschiedenen Ehegattin in Australien lebende minderjährige Tochter unterhaltspflichtig. Die Höhe des Unterhaltes wurde von der australischen "Child Support Agency" ab mit einem Monatsbetrag von AUD 1.574,83 festgesetzt. Für die Tochter bestand kein Anspruch auf Familienbeihilfe in Österreich. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid wurde dem Beschwerdeführer Einkommensteuer für das Jahr 2005 vorgeschrieben, wobei unter Hinweis auf § 34 Abs 7 Z 2 EStG 1988 die Unterhaltslasten für seine Tochter nicht - wie beantragt - als außergewöhnliche Belastung nach § 34 EStG 1988, sondern (bloß) durch Gewährung des Unterhaltsabsetzbetrages nach § 33 Abs 4 Z 3 litb EStG 1988 in der Höhe von € 25,50 monatlich berücksichtigt wurden. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gemäß Art 144 B-VG, die die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet.

2. Bei der Behandlung dieser Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 34 Abs 7 Z 2 EStG 1988, BGBl. 400 idF BGBl. I 79/1998, entstanden. Der Gerichtshof hat daher mit Beschluss vom von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der genannten Bestimmung eingeleitet.

3. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

3.1. Gemäß Abs 4 Z 3 litb des § 33 EStG 1988, BGBl. 400 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. I 180/2004, steht einem Steuerpflichtigen, der für ein Kind, das nicht seinem Haushalt zugehört und für das weder ihm noch seinem von ihm nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe)Partner Familienbeihilfe gewährt wird, den gesetzlichen Unterhalt leistet, ein Unterhaltsabsetzbetrag in Höhe von € 25,50 monatlich zu.

3.2. § 34 leg.cit. idF BGBl. I 71/2003 (die Z 2 des Abs 7 erhielt die im Beschwerdefall maßgebliche Fassung mit BGBl. I 79/1998) lautet auszugsweise (die in Prüfung gezogene Wortfolge ist hervorgehoben):

"Außergewöhnliche Belastung

§34. (1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§2 Abs 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs2).

2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs3).

3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§2 Abs 2 in Verbindung mit Abs 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt ...

(5) ...

(6) ...

(7) Für Unterhaltsleistungen gilt folgendes:

1. Unterhaltsleistungen für ein Kind sind durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs 4 Z 3 lita und c abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§106 Abs 3) Anspruch auf diese Beträge hat.

2. Leistungen des gesetzlichen Unterhalts für ein Kind, das nicht dem Haushalt des Steuerpflichtigen zugehört und für das weder der Steuerpflichtige noch sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner Anspruch auf Familienbeihilfe hat, sind durch den Unterhaltsabsetzbetrag gemäß § 33 Abs 4 Z 3 litb abgegolten.

3. [Unterhaltsleistungen für den (Ehe)Partner]

4. Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.

5. (Verfassungsbestimmung) Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder, für die keine Familienbeihilfe ausbezahlt wird, sind außer in den Fällen und im Ausmaß der Z 4 weder im Wege eines Kinder- oder Unterhaltsabsetzbetrages noch einer außergewöhnlichen Belastung zu berücksichtigen.

(8) ..."

3.3. Folgende Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (in der Folge: FLAG 1967), BGBl. 376, sind im vorliegenden Zusammenhang maßgeblich:

§ 2 leg.cit. idF BGBl. I 23/1999 lautet (auszugsweise) wie folgt:

"§2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

a) für minderjährige Kinder,

b) - i) ...

(2) - (4) ...

(5) Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn

a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,

b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,

c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§8 Abs 4).

Ein Kind gilt bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört.

(6) - (8) ..."

Gemäß § 5 Abs 3 leg.cit. idF BGBl. I 142/2000 besteht jedoch kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

4. Der Verfassungsgerichtshof ist im Prüfungsbeschluss vom (vorläufig) davon ausgegangen, dass die Beschwerde zulässig ist, die belangte Behörde die in Prüfung gezogene Bestimmung angewendet hat und auch der Verfassungsgerichtshof sie bei der Behandlung der Beschwerde anzuwenden hätte. Die Erwägungen, die den Verfassungsgerichtshof zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens veranlasst hatten, legte er dort wie folgt dar:

"2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung mehrfach festgehalten, dass die Notwendigkeit, aus dem erzielten Einkommen nicht nur den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten, sondern auch den Kindern Unterhalt zu leisten, die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern verringert und nicht bloß Sache privater Lebensgestaltung oder persönlichen Risikos ist (vgl. insbesondere VfSlg. 12.940/1991 und 14.992/1997). Es liegt dabei im Ermessen des Gesetzgebers, auf welche Weise die steuerliche Berücksichtigung von Unterhaltslasten erfolgt (entsprechende Gestaltung des Tarifs, taugliche Frei- oder Absetzbeträge, direkte Leistungen; VfSlg. 12.940/1991). Dabei ist es nicht erforderlich, die unterschiedliche Leistungsfähigkeit in jeder Hinsicht und zur Gänze zu berücksichtigen; der Gesetzgeber kann vielmehr von Durchschnittswerten ausgehen. Zumindest die Hälfte der Einkommensteile, die zur Bestreitung des Unterhalts der Kinder erforderlich sind, muss jedoch im Effekt steuerfrei bleiben (VfSlg. 14.992/1997).

In seiner weiteren Judikatur hat der Verfassungsgerichtshof einerseits die Auffassung vertreten, dass eine steuerliche Berücksichtigung der Kindern gegenüber bestehenden Unterhaltsverpflichtung auch bei getrennten Haushalten der Eltern verfassungsrechtlich geboten ist (und im Fall des Bezuges von Familienbeihilfe durch den einen Elternteil durch eine - teilweise - Anrechnung der Transferleistungen auf die Geldunterhaltsverpflichtung des anderen Elternteils erzielt werden kann: VfSlg. 16.226/1991, 16.562/2002). Andererseits hat er erkannt, dass bei im Inland unbeschränkt Steuerpflichtigen die Unterhaltsbelastung dem Grunde nach steuerlich auch dann zu berücksichtigen ist, wenn sich die unterhaltsberechtigten Kinder dauernd im Ausland aufhalten (VfSlg. 16.380/2001). Die geltende Rechtslage schließt es dabei nach Auffassung des Gerichtshofes nicht aus, Unterhaltsleistungen an sich ständig im Ausland aufhaltende haushaltszugehörige Kinder (für die Familienbeihilfe nicht zusteht) nach den allgemeinen Regeln des § 34 EStG 1988 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes steht § 34 Abs 7 Z 4 EStG 1988 dem nicht entgegen, 'weil diese Vorschrift auch bloß als Aussage über das Ausmaß der steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen für die vorstehend (Hervorhebung im Original) geregelten Fallgruppen interpretiert werden kann' (aaO, S 783).

2.2. Sofern es sich - wie im vorliegenden Fall - um ein Kind handelt, das nicht dem Haushalt des im Inland ansässigen Steuerpflichtigen zugehört und für das (wegen Auslandsaufenthaltes) keine Familienbeihilfe gewährt wird, wird die Unterhaltsbelastung (lediglich) im Wege des Unterhaltsabsetzbetrages berücksichtigt (§33 Abs 4 Z 3 litb EStG 1988). Nun hat der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg. 16.562/2002 zum Ausdruck gebracht, dass der Unterhaltsabsetzbetrag allein nicht ausreichend ist, um die Beeinträchtigung der steuerlichen Leistungsfähigkeit des (Geld)Unterhaltsverpflichteten hinreichend zu berücksichtigen (S 886). Der Gerichtshof bleibt vorläufig bei dieser Auffassung:

Selbst bei einer Durchschnittsbetrachtung dürfte nämlich der Unterhaltsabsetzbetrag (von derzeit monatlich € 25,50 bei einem Kind) nicht ausreichen, um die Hälfte der Einkommensteile, die zur Bestreitung des Unterhalts der Kinder erforderlich sind, im Effekt steuerfrei zu belassen.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof ist - wie erwähnt - in VfSlg. 16.380/2001 zwar davon ausgegangen, dass es nicht von vornherein ausgeschlossen ist, Unterhaltsleistungen an sich ständig im Ausland aufhaltende Kinder - zumindest im Fall von haushaltszugehörigen Kindern - nach den allgemeinen Regeln des § 34 EStG 1988 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Bei nicht haushaltszugehörigen Kindern dürfte jedoch der Wortlaut des § 34 Abs 7 Z 2 EStG 1988 einer solchen Lösung entgegenstehen. Diese Vorschrift scheint nämlich zwingend anzuordnen, dass Leistungen des gesetzlichen Unterhalts für ein Kind, das nicht haushaltszugehörig ist und für das kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, ausschließlich im Wege des Unterhaltsabsetzbetrages berücksichtigt werden, so dass ein (zusätzlicher) Abzug von außergewöhnlichen Belastungen nicht in Betracht kommen dürfte. Dies führt anscheinend dazu, dass in solchen Fällen wegen der unzureichenden Höhe des Unterhaltsabsetzbetrages im Effekt Einkommensteuer auch von Beträgen zu entrichten ist, die dem Steuerpflichtigen nicht zur eigenen Verwendung bleiben. (Geld)Unterhaltspflichtige für nicht haushaltszugehörige Kinder (für die aus verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Gründen, zB weil das Kind im Ausland lebt, in Österreich keine Transferleistungen zustehen) werden somit anscheinend nicht nur generell gegenüber solchen Personen benachteiligt, die nicht unterhaltspflichtig sind, sondern auch gegenüber in Österreich (direkt oder indirekt) Transferleistungen beziehenden Unterhaltspflichtigen (so idR im Fall von sich ständig in Österreich aufhaltenden Kindern) sowie schließlich gegenüber solchen Unterhaltspflichtigen, deren Unterhaltsleistungen nach den allgemeinen Regeln des § 34 EStG 1988 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind (so offenbar im Fall von sich ständig im Ausland aufhaltenden haushaltszugehörigen Kindern).

2.4. Eine generelle steuerliche Vernachlässigung von Geldunterhaltslasten gegenüber sich ständig im Ausland aufhaltenden Kindern, für die kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, dürfte sich auch nicht durch die Umstände rechtfertigen lassen, dass sich die (Geld)Unterhaltspflicht der Höhe nach zumindest teilweise an den Verhältnissen des Aufenthaltslandes des Kindes orientiert und daher allenfalls auch geringer ist als die gegenüber sich im Inland aufhaltenden Kindern (so auch VfSlg. 16.380/2001) oder dass das Aufenthaltsland des Kindes ebenfalls Transferleistungen vorsehen kann.

2.5. Die Aufhebung der in Prüfung gezogenen Bestimmung dürfte es ermöglichen, in Fällen wie dem hier vorliegenden die (Geld)Unterhaltslasten nach den allgemeinen Regeln des § 34 EStG 1988 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen."

5. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, dass die angefochtene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.

In ihrer Stellungnahme schildert die Bundesregierung zunächst ausführlich die bisherige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur einkommensteuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltslasten und zieht aus dieser folgende Schlussfolgerung:

"Für die Bundesregierung ergibt sich aus der zitierten Rechtsprechung folgende Systematik: Die vom Steuerpflichtigen zu tragenden Unterhaltslasten sind zumindest in Höhe der Hälfte der Einkommensteile, die zur Bestreitung des Unterhalts der Kinder erforderlich sind, im Effekt steuerfrei zu belassen. Die durch das unterhaltsberechtigte Kind vermittelten staatlichen Transferleistungen wie insbesondere eine Familienbeihilfe sind in wirtschaftlicher Betrachtungsweise auch bei der Frage der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Unterhaltslasten des Geldunterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Dies muss nach Ansicht der Bundesregierung für inländische und ausländische Transferleistungen gleichermaßen gelten, um eine steuerliche Ungleichbehandlung von Unterhaltslasten für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, gegenüber Kindern, die sich im Inland aufhalten, zu vermeiden."

Vor diesem Hintergrund geht die Bundesregierung davon aus, dass der Wortlaut der in Prüfung gezogenen Bestimmung eine verfassungskonforme Interpretation ermöglicht. Dazu führt sie wörtlich aus:

"Die Bundesregierung möchte folgendes Verständnis dieser Norm zur Erwägung stellen: Nach dem Wortlaut sind gesetzliche Unterhaltsleistungen für ein nicht dem Haushalt des Steuerpflichtigen zugehörendes Kind mit dem Unterhaltsabsetzbetrag gemäß § 33 Abs 4 Z 3 litb EStG 1988 abgegolten. Dies soll jedoch nur dann gelten, wenn für das Kind

1. weder der Steuerpflichtige

2. noch sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner

Anspruch auf Familienbeihilfe hat. In § 34 Abs 7 Z 2 EStG 1988 findet sich keine Unterscheidung dahingehend, ob das Kind einem vom Steuerpflichtigen getrennten Haushalt im In- oder Ausland zugehört.

Hinsichtlich nicht haushaltszugehöriger Kinder im Inland hat

der Verfassungsgerichtshof schon im ... Erkenntnis VfSlg. 16.226/2001

ausgesprochen, dass eine verfassungskonforme Berücksichtigung von Unterhaltslasten dadurch erreicht werden kann, dass der Geldunterhaltspflichtige einerseits durch eine Kürzung seiner Unterhaltspflicht (über eine teilweise Berücksichtigung von Transferleistungen) und andererseits durch die Gewährung des Unterhaltsabsetzbetrages insgesamt die erforderliche Entlastung erfährt. Dieses Erkenntnis kann daher in die Richtung gedeutet werden, dass der Verfassungsgerichtshof eine Art 'gesamthafte Betrachtungsweise' der Wirkungen der Transferleistungen angestellt hat.

§ 34 Abs 7 Z 2 EStG 1988 kann daher auch dahingehend ausgelegt werden, dass die gesetzliche Unterhaltsleistung des Steuerpflichtigen nur in jenen Fällen mit dem Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten ist, in denen zwar nicht dem Geldunterhaltspflichtigen oder seinem mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden nunmehrigen (Ehe)Partner, aber sehr wohl dem das Kind betreuenden Elternteil (bzw. Obsorgeberechtigten) Anspruch auf staatliche Transferleistungen zusteht.

Auf den Fall, dass weder der nicht mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebende Steuerpflichtige und dessen mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner noch die mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebende Person staatliche Transferleistungen wie eine Familienbeihilfe im In- oder Ausland bezieht, das Kind also gar keine vergleichbaren staatlichen Transferleistungen vermittelt, ist die in Prüfung gezogene Norm dagegen nicht anwendbar. In diesem Fall können geleistete Unterhaltszahlungen im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen nach § 34 Abs 1 EStG 1988 berücksichtigt werden, soweit die Voraussetzungen für deren Geltendmachung (Außergewöhnlichkeit, Zwangsläufigkeit, wesentliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit) erfüllt sind.

Sofern in dem, dem Gesetzesprüfungsverfahren zugrunde liegenden, Anlassfall dem Steuerpflichtigen die Berücksichtigung der Unterhaltslasten im Rahmen der außergewöhnlichen Belastung versagt wurde, ohne näher zu prüfen, ob das Kind dem mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt im Ausland lebenden Elternteil im Ausland vergleichbare Transferleistungen vermittelt hat oder das Kind solche selbst bezogen hat, ist § 34 Abs 7 Z 2 EStG 1988 nicht verfassungskonform interpretiert worden.

Die Bundesregierung stellt daher zur Erwägung, dass auch im Auslandsfall danach zu differenzieren ist, ob das Kind staatliche (ausländische) Transferleistungen vermittelt. Halten sich Kind und betreuender Elternteil im Ausland auf, muss nach diesem Normenverständnis ermittelt werden, ob der ausländische Aufenthaltsstaat dem betreuenden Elternteil für das Kind vergleichbare staatliche Transferleistungen gewährt. Ist das der Fall, so wird wohl auch die Unterhaltsbelastung des Geldunterhaltspflichtigen geringer sein, als wenn der ausländische Aufenthaltsstaat keinerlei Transferleistungen für bei ihm gebietsansässige Kinder gewährt. Genauso wie im Inlandsfall, muss daher nach Ansicht der Bundesregierung in der Konstellation, in der der ausländische Staat vergleichbare Transferleistungen gewährt, in Österreich über den Unterhaltsabsetzbetrag hinaus keine weitere steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltslasten des Geldunterhaltspflichtigen erfolgen. Würde das österreichische Steuerrecht die ausländische Gewährung von vergleichbaren staatlichen Transferleistungen für im Ausland gebietsansässige Kinder (an den dort ebenfalls gebietsansässigen betreuenden Elternteil) ausblenden, so würden Unterhaltslasten für ausländische Kinder steuerlich letztlich stärker berücksichtigt werden als Unterhaltslasten für inländische Kinder. Die hier vorgeschlagene (gleichsam gesamthafte) Betrachtungsweise von in- und ausländischen staatlichen Transferleistungen und dementsprechende Interpretation des § 34 Abs 7 Z 2 EStG 1988 stellt dagegen sicher, dass Unterhaltslasten für aus- und inländische Kinder gleichermaßen berücksichtigt werden und vermeidet damit Ungleichbehandlungen. Für den konkreten Fall bedeutet das, dass ein Abzug als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 möglich wäre, wenn weder der Geldunterhaltspflichtige noch der betreuende Teil im In- oder Ausland Transferleistungen wie die Familienbeihilfe bezogen hat.

In welcher konkreten Höhe vergleichbare staatliche Transferleistungen im Ausland gewährt werden, muss nach Ansicht der Bundesregierung hingegen von den Abgabenbehörden nicht ermittelt werden, da in typisierender Betrachtungsweise davon ausgegangen werden kann, dass diese Transferleistungen in Relation zu den dort notwendigen Unterhaltsleistungen stehen und daher - genauso wie im Inlandsfall - die Unterhaltsleistungen des Geldunterhaltspflichtigen mit dem Unterhaltsabsetzbetrag steuerlich abgegolten sind.

Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass aus Sicht der Bundesregierung eine Verfassungswidrigkeit des § 34 Abs 7 Z 2 EStG 1988 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 97/1998 nicht gegeben ist."

Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle für das Außer-Kraft-Treten der Bestimmung eine Frist bis bestimmen, um eine genaue Prüfung und allfällige legislative Neuregelung im Lichte des Erkenntnisses zu ermöglichen. Im Detail führt sie dazu wie folgt aus:

"Eine fristlose Aufhebung von § 34 Abs 7 Z 2 EStG 1988 könnte nämlich dazu führen, dass geldunterhaltspflichtige Steuerpflichtige für nicht ihrem Haushalt zugehörige Kinder - ungeachtet von durch das Kind vermittelten Transferleistungen - sämtliche Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastungen geltend machen könnten und somit steuerlich deutlich besser gestellt wären als im gemeinsamen Haushalt lebende Steuerpflichtige, deren Unterhaltsbelastung lediglich durch die bezogenen Transferleistungen abgegolten sind. Um weiterhin ein in sich stimmiges und ausgewogenes System zur steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen unter Berücksichtigung von Transferleistungen zu gewährleisten und allfällige zivilrechtliche Wechselwirkungen einer Neuordnung zu berücksichtigen, wäre daher eine detaillierte Prüfung allfälliger legistischer Umsetzungsmaßnahmen erforderlich. Überdies wären die Auswirkungen der neuen Familienfördermaßnahmen des Steuerreformgesetzes 2009 auf dieses System zu evaluieren. Im Interesse einer einfacheren Administration sollten steuerliche Änderungen möglichst auch nicht unterjährig in Kraft treten."

6. Der Beschwerdeführer im Anlassverfahren erstattete eine Gegenäußerung, in der er u.a. darauf hinweist, dass Transferleistungen im Ausland nicht notwendigerweise die Funktion haben, den Unterhaltspflichtigen steuerlich zu entlasten:

"Ausländische Regelungen können auch derart gestaltet sein, dass, im Gegensatz zu Österreich, Unterhaltsverpflichtungen die Höhe der staatlichen Transferleistungen schmälern und nicht umgekehrt." In Australien seien keine Kinderbeihilfen, sondern nur einkommens- und unterhaltsabhängige Steuervorteile für Familien vorgesehen, die bei der Unterhaltsfestsetzung nicht berücksichtigt würden. Vielmehr reduzierten empfangene Unterhaltszahlungen die Steuervorteile, gegebenenfalls bis auf Null.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Das Gesetzesprüfungsverfahren hat nicht ergeben, dass die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes, dass die Beschwerde zulässig ist, die belangte Behörde die in Prüfung gezogene Bestimmung angewendet hat und auch der Verfassungsgerichtshof sie bei der Behandlung der Beschwerde anzuwenden hätte, unzutreffend wäre. Da im Verfahren auch sonst Zweifel am Vorliegen der Prozessvoraussetzungen weder vorgebracht noch entstanden sind, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Verfassungsmäßigkeit des § 34 Abs 7 Z 2 EStG 1988 konnten im Gesetzesprüfungsverfahren nicht zerstreut werden.

2.1. Diese Bedenken gingen im Wesentlichen dahin, dass die steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung gegenüber im Ausland lebenden, nicht haushaltszugehörigen (minderjährigen) Kindern (lediglich) im Wege des Unterhaltsabsetzbetrages aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht ausreichend ist, der Wortlaut des § 34 Abs 7 Z 2 EStG 1988 jedoch einer (darüber hinaus gehenden) Berücksichtigung der Unterhaltslasten nach den allgemeinen Regeln des § 34 EStG 1988 als außergewöhnliche Belastung im Falle nicht haushaltszugehöriger, sich ständig im Ausland aufhaltender Kinder entgegenstehen dürfte.

2.2. Die Bundesregierung bestreitet nicht, dass die einkommensteuerliche Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen inländischer Steuerpflichtiger nach den von der hg. Judikatur entwickelten Maßstäben auch gegenüber im Ausland lebenden, nicht haushaltszugehörigen Kindern verfassungsrechtlich geboten ist und dass der Unterhaltsabsetzbetrag allein die erforderliche Entlastung in diesem Fall nicht bewirken kann. Sie hält aber eine verfassungskonforme Interpretation (offenbar eine teleologische Reduktion) der Rechtslage für möglich, die darauf abstellt, ob der im Ausland lebende Elternteil, zu dessen Haushalt das Kind nunmehr gehört, für dieses Kind im Ausland Transferzahlungen erhält, die den im Inland in diesem Zusammenhang gewährten Leistungen vergleichbar sind. In einem solchen Fall sei davon auszugehen, dass die Unterhaltsbelastung des inländischen Elternteiles entsprechend vermindert sei. Die Bundesregierung vermeint zudem, es könne in typisierender Betrachtungsweise davon ausgegangen werden, dass die Transferleistungen im Ausland in Relation zu den dort notwendigen Unterhaltsleistungen stehen, woraus sie offenbar den Schluss zieht, dass immer dann, wenn im Ausland überhaupt Transferzahlungen für das Kind geleistet bzw. bezogen werden, eine Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen nicht in Betracht kommt und die steuerliche Entlastung allein durch den Unterhaltsabsetzbetrag erfolgen kann. Nach dieser Auffassung wäre die in Prüfung gezogene Norm (nur) dann nicht anwendbar (und eine Berücksichtigung von Unterhaltslasten im Wege einer außergewöhnlichen Belastung möglich und geboten), wenn weder der inländische Geldunterhaltspflichtige noch die mit dem Kind im gemeinsamen ausländischen Haushalt lebende Person für dieses Kind Transferleistungen bezieht.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof hält diesen Interpretationsweg nicht für gangbar. § 33 Abs 4 Z 3 litb EStG 1988 sieht "zur Abgeltung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen" u.a. einen Unterhaltsabsetzbetrag vor. Dieser steht einem Steuerpflichtigen zu, der für ein Kind, das nicht seinem Haushalt (iSd § 2 Abs 5 FLAG 1967) zugehört und für das weder ihm noch seinem von ihm nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe)Partner Familienbeihilfe gewährt wird, den gesetzlichen Unterhalt leistet Der Unterhaltsabsetzbetrag beträgt (für das erste Kind) € 25,50/Monat (mit BGBl. I 26/2009 wurde dieser Betrag auf € 29,20/Monat erhöht). Die in Prüfung stehende Norm des § 34 Abs 7 Z 2 EStG 1988 ordnet - im Zusammenhang mit der Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen - an, dass die Unterhaltslasten im Fall nicht haushaltszugehöriger Kinder durch den Unterhaltsabsetzbetrag "abgegolten" sind, was offenbar bedeutet, dass sie nicht gesondert als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden können.

Der Verfassungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit nicht haushaltszugehörigen Kindern im Inland judiziert, dass diese Abgeltungsregelung nur dann verfassungskonform ist, wenn die in diesem Fall dem anderen Elternteil geleistete Familienbeihilfe, die bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft auch der Abgeltung steuerlicher Belastungen dient, zum Teil auf die Unterhaltsverpflichtung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils angerechnet wird (VfSlg. 16.226/2001). Dies wurde letztlich durch eine teilweise Aufhebung des § 12a FLAG 1967 erreicht (VfSlg. 16.562/2002).

Werden für nicht haushaltszugehörige Kinder, die im Ausland leben, Transferzahlungen nach ausländischem Recht gewährt, so kann dies sicherlich im Einzelfall für den im Inland steuerpflichtigen Elternteil zu einer Verminderung des zu leistenden Geldunterhaltes führen. Dass in einem solchen Fall für die steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltslasten nur die verminderte Unterhaltsbelastung in Betracht kommt, bedarf keiner weiteren Erörterung. Wie aber (auch) der Anlassfall dieses Verfahrens zeigt, kann die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung des inländischen Elternteils - ungeachtet allfälliger Transferleistungen oder familienbezogener Entlastungen im Ausland - jedoch eine solche Höhe erreichen, dass die verfassungsrechtlich erforderliche steuerliche Berücksichtigung durch den Unterhaltsabsetzbetrag allein auch nicht annähernd herbeigeführt werden kann. In einem solchen Fall ist es daher geboten, die Unterhaltsverpflichtung im Rahmen der außergewöhnlichen Belastung nach den gleichen Grundsätzen zu berücksichtigen, wie sie im Fall von im Ausland lebenden haushaltszugehörigen Kindern anzuwenden sind (VfSlg. 16.380/2002).

Da § 34 Abs 7 Z 2 EStG 1988 dieser Berücksichtigung entgegensteht, war die Vorschrift als verfassungswidrig aufzuheben.

III. 1. Die Bestimmung einer Frist für das Außer-Kraft-Treten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B-VG. Die Bundesregierung hat die Notwendigkeit einer legislativen Neuregelung der aufgehobenen Bestimmung - insbesondere im Hinblick auf die Gruppe der für im Inland lebende Kinder geldunterhaltspflichtigen Steuerpflichtigen - plausibel dargelegt; ebenso ist es plausibel, dass eine Gesetzesänderung dieser Art nicht unterjährig in Kraft treten sollte.

2. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

3. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.

4. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.