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VfGH vom 16.03.1994, G129/92

VfGH vom 16.03.1994, G129/92

Sammlungsnummer

13739

Leitsatz

Aufhebung der die Verpachtung der Ausübung des Taxigewerbes beschränkenden Regelung des GelVerkG wegen Verstoß gegen die Erwerbsausübungsfreiheit und den Gleichheitsgrundsatz

Spruch

Im § 7 Abs 1 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes, BGBl. Nr. 85/1952, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 486/1981, wird die Wortfolge "und des Taxi-Gewerbes (§3 Abs 1 Z 3)" als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verwaltungsgerichtshof sind zu den Zlen. 91/03/0160 und 92/03/0049 zwei Verfahren über Beschwerden anhängig, denen folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

Mit den beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien vom und des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom wurden die Ansuchen der Beschwerdeführer um Genehmigung der Verpachtung ihrer Taxikonzessionen gemäß § 7 Abs 1 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes, BGBl. 85/1952, idF der Novelle BGBl. 486/1981, abgewiesen.

2.a) Aus Anlaß dieser beiden Beschwerdefälle beantragt der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom gemäß Art 140 Abs 1 B-VG, im § 7 Abs 1 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes, BGBl. Nr. 85/1952, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 486/1981, (im folgenden kurz: GelVerkG), die Worte "und des Taxi-Gewerbes (§3 Abs 1 Z 3)" als verfassungswidrig aufzuheben.

b) § 7 Abs 1 GelVerkG lautet (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"§7.(1) Die Ausübung des mit Personenkraftwagen betriebenen Mietwagen-Gewerbes (§3 Abs 1 Z 2) und des Taxi-Gewerbes (§3 Abs 1 Z 3) durch einen Geschäftsführer oder die Übertragung der Ausübung dieser Gewerbe an einen Pächter darf nur genehmigt werden, wenn dem Gewerbeinhaber die persönliche Ausübung nicht möglich ist oder für ihn erhebliche Nachteile besorgen läßt."

c) Der Verwaltungsgerichtshof hegt das Bedenken, daß die Worte "und des Taxi-Gewerbes (§3 Abs 1 Z 3)" im § 7 Abs 1 GelVerkG dem Gleichheitsgebot und dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsfreiheit widersprechen. Es gebe keine sachliche Rechtfertigung dafür, die Verpachtung des Taxigewerbes in dieser Weise zu beschränken, mag eine solche Regelung auch früher möglicherweise sachlich begründbar gewesen sein. Dazu komme, daß eine derartige Vorschrift von der für andere Gewerbe geltenden Verpachtungsregelung abweiche.

3. Die Bundesregierung erstattete am eine Äußerung, in der sie die Zulässigkeit des Antrages bezweifelte und daher primär begehrte, den Antrag zurückzuweisen (Näheres s. u. II. 1.).

In eventu beantragte die Bundesregierung, den Antrag abzuweisen. Sie weist auf § 10 Abs 2 zweiter Satz GelVerkG idF der Novelle BGBl. 125/1987 hin. (Nach dieser (Verfassungs-)Bestimmung waren die Landeshauptleute ermächtigt, mit Verordnung "Höchstzahlen von für das Betreiben des Platzfuhrwerk-Gewerbes zuzulassenden Kraftfahrzeugen" festzulegen.) Die Bundesregierung argumentierte, daß durch diese Bestimmung die Zahl der Taxikonzessionen beschränkt werde; durch die angefochtene Regelung solle so weit wie möglich unterbunden werden, daß aus dem Besitz einer Berechtigung zur Ausübung des Taxigewerbes Kapital geschlagen werde.

§ 10 Abs 2 zweiter Satz GelVerkG wurde durch die Novelle BGBl. 129/1993 ersatzlos aufgehoben.

Mit Schriftsatz vom zog die Bundesregierung ihre Äußerung zurück.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Antrag erwogen:

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

a) Zur Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung führt der antragstellende Gerichtshof aus:

"Bei der Entscheidung über diese Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof § 7 Abs 1 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes, BGBl. Nr. 85/1952, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 486/1981, anzuwenden."

b) Die Bundesregierung meinte in ihrer Äußerung vom , der Anfechtungsantrag sei zu weit gefaßt:

"Die gedachte Aufhebung der vom Verwaltungsgerichtshof bekämpften Gesetzesstelle hätte nämlich zur Folge, daß nicht nur die Übertragung der Ausübung des mit Personenkraftwagen betriebenen Taxi-Gewerbes an einen Pächter nicht mehr an die in § 7 Abs 1 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz festgelegten besonderen Voraussetzungen geknüft wäre, sondern auch die Ausübung dieses Gewerbes durch einen Geschäftsführer. In dieser Hinsicht ist die Aufhebung der bekämpften Gesetzesstelle zur Beseitigung der behaupteten Verfassungswidrigkeit weder notwendig, noch ist die bekämpfte Gesetzesstelle - soweit sie die Bestellung eines Geschäftsführers betrifft - präjudiziell. Zur Beseitigung der im Antrag geltend gemachten Verfassungswidrigkeit würde vielmehr die Aufhebung der Worte 'oder die Übertragung der Ausübung dieser Gewerbe an einen Pächter' genügen; dies würde einen geringeren Eingriff in die bestehende Rechtslage bedeuten, auch wenn man in Betracht zieht, daß in diesem Fall auch die Verpachtung der Ausübung des Mietwagen-Gewerbes betroffen wäre."

c) Diese Ansicht trifft im Ergebnis nicht zu:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 8155/1977, 8461/1978, 12410/1990, 12465/1990) ist - worauf die Bundesregierung in ihrer Äußerung zu Recht hinweist - der Umfang der vom Verfassungsgerichtshof zu prüfenden und im Falle ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, hat der Verfassungsgerichtshof in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt. Die Grenzen der Aufhebung einer in Prüfung stehenden Gesetzesbestimmung müssen so gezogen werden, daß einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und daß andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfaßt werden.

Der Verfassungsgerichtshof hält an dieser Judikatur fest. Sie beruht auf dem Grundgedanken, daß ein Gesetzesprüfungsverfahren dazu führen soll, die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit - wenn sie tatsächlich vorliegt - zu beseitigen, daß aber der nach Aufhebung verbleibende Teil des Gesetzes möglichst nicht mehr verändert werden soll, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist, daß also keine oder möglichst wenige Regelungen aufgehoben werden sollen, gegen die sich die vorgebrachten Bedenken nicht richten.

Der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes hält sich innerhalb dieser Schranken.

Würde nämlich - wie die Bundesregierung vorschlug - für den Fall des Zutreffens der vorgetragenen Bedenken die Wortfolge "oder die Übertragung der Ausübung dieser Gewerbe an einen Pächter" aufgehoben, so wäre zwar damit für die Anlaßfälle eine bereinigte Rechtslage hergestellt; ein solcher Eingriff in die bestehende Rechtslage wäre aber keineswegs geringer als ein Vorgehen iS des Antrages des Verwaltungsgerichtshofes, würde doch - folgte man dem Vorschlag der Bundesregierung - auch die für das Mietwagengewerbe geltende Verpachtungsregelung von einer etwaigen Aufhebung erfaßt, obgleich es sich in den beiden Anlaßfällen um die beabsichtigte Verpachtung der Ausübung des Taxigewerbes handelt.

Die Eliminierung der vom Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Wortfolge würde wohl bedeuten, daß von der Aufhebung auch die Bestimmung über die Ausübung des Taxigewerbes durch einen Geschäftsführer erfaßt würde. Damit wäre aber die Ausübung des Taxigewerbes durch einen Geschäftsführer nicht genehmigungsfrei (vgl. § 1 Abs 3 GelVerkG iVm § 39 GewO); die Genehmigung wäre allerdings auch dann zu erteilen, wenn die persönliche Ausübung durch den Gewerbeinhaber möglich ist.

Der Anfechtungsantrag wurde also vom antragstellenden Verwaltungsgerichtshof zutreffend umschrieben.

d) Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag zulässig.

2. In der Sache selbst

a) Die angefochtene Gesetzesstelle verstößt gegen das im Art 6 StGG normierte Grundrecht auf Erwerbsfreiheit und gegen den gleichfalls verfassungsrechtlich verankerten Gleichheitsgrundsatz.

Der Gesetzgeber ist nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 3968/1961, 4011/1961, 5871/1968, 9233/1981) durch Art 6 StGG ermächtigt, die Ausübung der Berufe dergestalt zu regeln, daß sie unter gewissen Voraussetzungen erlaubt oder unter gewissen Umständen verboten ist (also auch den Erwerbsantritt behindernde Vorschriften zu erlassen), sofern er dabei den Wesensgehalt des Grundrechtes nicht verletzt und die Regelung auch sonst nicht verfassungswidrig ist.

Die jüngere Judikatur hat dies dahin ergänzt und präzisiert, daß eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkt, nur zulässig ist, wenn das öffentliche Interesse sie gebietet, sie zur Zielerreichung geeignet und adäquat ist und sie auch sonst sachlich gerechtfertigt werden kann (vgl. zB VfSlg. 10179/1984, 10386/1985, 10932/1986, 11276/1987, 11483/1987, 11494/1987, 11503/1987, 11749/1988).

Jedenfalls im gegenwärtigen Zeitpunkt - also nach Wegfall des § 10 Abs 2 zweiter Satz GelVerkG - finden sich keine Argumente dafür, daß die in Prüfung stehende gesetzliche Regelung durch öffentliche Interessen geboten wäre. Es gibt keine sachliche Begründung dafür, daß (nunmehr) die Verpachtung der Ausübung des Taxigewerbes anders behandelt wird als jene der Ausübung anderer Gewerbe.

Die angefochtene bundesgesetzliche Bestimmung war sohin als verfassungswidrig aufzuheben.

b) Die übrigen Aussprüche gründen sich auf Art 140 Abs 5 und 6 B-VG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.