VfGH vom 10.12.1993, g122/93
Sammlungsnummer
13636
Leitsatz
Verstoß der Ausnahme des Eigenverbrauchs von Grundstücken von der Umsatzsteuerbefreiung für sonstige Grundstücksumsätze nach Vornahme eines Vorsteuerabzugs gegen den Gleichheitssatz; keine sachliche Rechtfertigung dieser Ausnahmeregelung durch eine allfällige Belastung mit Grunderwerbsteuer aufgrund der Grunderwerbsteuerfreiheit dieser Form des Eigenverbrauchs
Spruch
In § 6 Z 9 lita Umsatzsteuergesetz 1972, BGBl. Nr. 223, unverändert neu erlassen durch das Abgabenänderungsgesetz 1985, BGBl. Nr. 557, wird der zweite Halbsatz ("die Steuerfreiheit gilt nicht für den Eigenverbrauch, insoweit für die Grundstücke ein Vorsteuerabzug nach § 12 Abs 1 vorgenommen worden ist.") als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.
Frühere Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Nach § 6 Z 9 lita UStG sind umsatzsteuerfrei
"die Umsätze von Grundstücken im Sinne des § 2 des Grunderwerbsteuergesetzes 1955; die Steuerfreiheit gilt nicht für den Eigenverbrauch, insoweit für die Grundstücke ein Vorsteuerabzug nach § 12 Abs 1 vorgenommen worden ist."
An die Stelle des Grunderwerbsteuergesetzes 1955 ist für Erwerbsvorgänge, die seit dem verwirklicht werden, gemäß dessen § 12 Abs 3 das Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. 309, getreten.
Steuerfreie Umsätze sind vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen (§ 12 Abs 3 UStG). Ändern sich bei einem Gegenstand, den der Unternehmer in seinem Unternehmen als Anlagevermögen verwendet oder nutzt, die Verhältnisse, die für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, so ist ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges durchzuführen (§12 Abs 10 UStG). Liefert ein Unternehmer nach § 6 Z 9 lita steuerfrei ein Grundstück und ist aus diesem Grunde ein Vorsteuerabzug nach Abs 3 ausgeschlossen oder eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges nach Abs 10 bis 12 vorzunehmen, so ist er berechtigt, dem Empfänger der Lieferung den vom Vorsteuerabzug ausgeschlossenen oder auf Grund der Berichtigung geschuldeten Betrag - soweit er auf Lieferung des Grundstückes entfällt - gesondert in Rechnung zu stellen. Dieser in der Rechnung gesondert ausgewiesene Betrag gilt für den Empfänger der Lieferung als eine für eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung gesondert in Rechnung gestellte Steuer (§12 Abs 14 UStG).
1. Der beim Verfassungsgerichtshof zu B822/92 beschwerdeführende Inhaber eines Hotelbetriebes verkaufte 1986 das Hauptgebäude und verlegte seine Wohnung in das 1983 errichtete Gästehaus, das er im übrigen weiterhin zur Beherbergung von Gästen verwendet. Die Überführung der bisher dem Betrieb gewidmeten Teile des Gästehauses, für dessen Errichtung ein Vorsteuerabzug in Anspruch genommen worden war, in das Privatvermögen wird im angefochtenen Berufungsbescheid als Eigenverbrauch der Besteuerung nach dem zweiten Halbsatz des § 6 Z 9 lita UStG unterworfen.
Die Beschwerde rügt unter anderem, daß die Entnahme eines bisher unternehmerisch genutzten Gebäudeteiles grundlos anders behandelt werde als eine Veräußerung. Während im Veräußerungsfall nur der in Anspruch genommene Vorsteuerabzug durch Berichtigung rückgängig zu machen sei (§12 Abs 10 UStG), löse der Vorsteuerabzug beim Eigenverbrauch die volle Steuerpflicht des (als Grundstücksumsatz umsatzsteuerfrei bleibenden) Vorganges aus (§6 Z 9 lita 2. Halbsatz UStG). Der selbstverbrauchende Unternehmer sei also entgegen Sinn und Zweck der Eigenbrauchsbesteuerung schlechter gestellt als der entgeltliche Erwerber; dies sei gleichheitswidrig (Hinweis auf U Gruber, Der umsatzsteuerpflichtige Verbrauch von Grundstücken, Wien 1991).
2. Der Bundesminister für Finanzen hat in seiner die Vorlage der Gegenschrift der belangten Behörde begleitenden Äußerung im wesentlichen folgendes ausgeführt:
"Die Beschwerdeschrift und die in der Beschwerdeschrift zitierte Abhandlung von Gruber, 'Der umsatzsteuerpflichtige Eigenverbrauch von Grundstücken', beschränken sich ausdrücklich auf den Vergleich des Eigenverbrauches mit dem entgeltlichen Erwerb eines bisher unternehmerisch genutzten Grundstücks. Nur dieser Sachverhalt könne daher Gegenstand ihrer Untersuchung eines steuerpflichtigen Eigenverbrauches gem § 6 Z 9 lita UStG 1972 sein.
Hier liegt nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen der falsche Ausgangspunkt. Beim Eigenverbrauch sind zwei Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Ein Grundsatz wird in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des UStG 1972 ausgeführt: 'Da die dem Unternehmen dienenden Gegenstände grundsätzlich unbelastet sind, entspricht die Besteuerung der Verwendung dieser Gegenstände für unternehmensfremde Zwecke dem Grundsatz der allgemeinen Verbrauchsbesteuerung.'
Die Rückgängigmachung des Vorsteuerabzuges durch den Unternehmer ist allerdings nur ein Gesichtspunkt der Eigenverbrauchsbesteuerung. Durch die Eigenverbrauchsbesteuerung soll nicht nur der Vorsteuerabzug rückgängig gemacht werden, sondern es soll regelmäßig auch die Wertschöpfung des Unternehmers erfaßt werden. Der Unternehmer, der seinen persönlichen Bedarf aus den Gegenständen seines Unternehmens deckt, soll gegenüber den übrigen Verbrauchern, die ihren Bedarf kaufen müssen, nicht besser gestellt werden, weil er die auf der Leistung lastende und auf den Käufer überwälzte Umsatzsteuer nicht zu tragen hätte. Der Eigenverbrauch ist daher als Ersatztatbestand anzusehen, durch den Selbstversorger nicht besser gestellt sein sollen, als die anderen Verbraucher (Bundy, Das Umsatzsteuergesetz, Anm 5 zu § 1).
Ausgangspunkt der Überlegungen bei der Besteuerung des Eigenverbrauches muß daher stets sein, wie die Umsatzsteuerbelastung bei einem Letztverbraucher (der sich nicht aus seinem Unternehmen versorgt) wäre. Im gegenständlichen Fall somit der Sachverhalt, daß ein Letztverbraucher ein Grundstück samt Gebäude kauft, oder ein Letztverbraucher auf seinem Grundstück ein Gebäude errichten läßt.
In diesem Zusammenhang ist zunächst zu beachten, daß dieses Ziel der Gleichbehandlung von Leistung und Eigenverbrauch in der Praxis nur annähernd erreicht werden kann und daß Ungenauigkeiten in Kauf genommen werden müssen. So nimmt der Gesetzgeber in Kauf, daß es auch dann zu einer Besteuerung kommt, wenn kein Vorsteuerabzug in Anspruch genommen werden konnte (zB bei der Einbringung von Gegenständen aus dem Privatvermögen, die in der Folge wieder entnommen werden; bei der Bemessung der Kosten, die auf die nichtunternehmerische Nutzung von Gegenständen entfallen, werden auch Kosten einbezogen, für die keine Vorsteuern angefallen sind, wie Kosten für Versicherungsprämien oder andere Abgaben; vgl Erk VfGH v , B554/78). Auch der bei der Entnahme von Gegenständen für den Eigenverbrauch als Bemessungsgrundlage anzusetzende Teilwert wird dem von einem Letztverbraucher, der nicht Unternehmer ist, für den Erwerb zu bezahlenden Preis bzw Entgelt selten entsprechen. Weiters wird vielfach die Arbeitsleistung des Unternehmers selbst nicht der Eigenverbrauchsbesteuerung unterzogen werden können.
Läßt ein Privater ein Gebäude errichten, so ist die Werklieferung des Bauunternehmers an ihn mit Umsatzsteuer belastet. Dem Privaten steht der Vorsteuerabzug nicht zu. Läßt ein Unternehmer ein Gebäude errichten, das zunächst unternehmerisch zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird, die gem § 12 Abs 3 UStG 1972 nicht vom Vorsteuerabzug ausschließen, so kann der Unternehmer die ihm vom Bauunternehmer für die Errichtung des Gebäudes in Rechnung gestellte Umsatzsteuer grundsätzlich als Vorsteuer abziehen. Hinsichtlich dieser Bauführung soll der Unternehmer im Falle des Eigenverbrauches dem Privaten gleichgestellt werden.
Dies wird durch die Bestimmung des § 6 Z 9 lita UStG 1972, wonach der Eigenverbrauch steuerpflichtig sein soll, insofern ein Vorsteuerabzug geltend gemacht werden konnte, wie bei allen anderen Gegenständen des Unternehmens, die für private Zwecke entnommen werden, erreicht. Die Einschränkung auf Gegenstände, für die ein Vorsteuerabzug geltend gemacht werden konnte - der sich sonst beim Eigenverbrauch nicht findet - ist deshalb erforderlich, da nach dem Willen des Gesetzgebers das Gebäude nur einmal mit Umsatzsteuer belastet werden soll. Daher erübrigen sich in diesem Zusammenhang auch Überlegungen mit der Grunderwerbsteuer. Hier geht es nicht um die Frage der Belastung mit Grunderwerbsteuer, sondern darum, daß das Gebäude - unabhängig von der grunderwerbsteuerlichen Beurteilung - einmal mit Umsatzsteuer belastet wird.
Im Gegensatz dazu soll der nackte Grund und Boden nie mit Umsatzsteuer belastet werden. Das wird durch die entsprechende Auslegung der Bestimmung erreicht, daß eine Aufteilung in eine stets steuerfreie Grundstückslieferung (nackter Grund und Boden) und in eine steuerpflichtige Gebäudelieferung zu erfolgen hat.
...
Daß die Ermittlung des Teilwertes als einer fiktiven Größe nicht immer einfach ist, mag zutreffen. Diese Schwierigkeiten bestehen in allen Bereichen, in denen mit dem Teilwert operiert wird. Das macht jedoch die Heranziehung des Teilwertes als Bemessungsgrundlage noch nicht verfassungswidrig. Unsachlich wäre es vielmehr, die Entnahme des Gebäudes mit einem anderen Wert als die Entnahme sonstiger Gegenstände zu bemessen. Im übrigen hat der Bf im Berufungsverfahren solche Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage im konkreten Fall nicht aufgezeigt.
Was die kaufkraftbedingte Werterhöhung betrifft, so entspricht es gerade dem Sinn und Zweck der Eigenverbrauchsbesteuerung, jenen Wert zu ermitteln, der im Zeitpunkt der Verwendung des Gegenstandes für nichtunternehmerische Zwecke, und nicht jenen Wert, der im Zeitpunkt der Zuführung des Wirtschaftsgutes in den unternehmerischen Bereich, maßgebend gewesen ist."
Die Steuerpflicht des Eigenverbrauches führe daher bei der von der Behörde gewählten Auslegung zu einer Gleichbehandlung von Unternehmern und Letztverbrauchern und sei daher verfassungsmäßig.
Bedenken könnten sich nur in bezug auf die sachliche Rechtfertigung der Einschränkung der Steuerpflicht auf den Eigenverbrauch ergeben:
"Wird das Grundstück, für das ein Vorsteuerabzug geltend gemacht werden konnte, nach vorheriger steuerpflichtiger Nutzung nicht zur privaten Nutzung entnommen, sondern einem Dritten geliefert, der nicht Unternehmer ist, erfolgt die Belastung des Gebäudes mit Umsatzsteuer im Wege der teilweisen Rückgängigmachung der geltend gemachten Vorsteuer gem. § 12 Abs 10 UStG 1972. Konsequenterweise hätte man - wie oben dargestellt - auch in diesem Fall stets insoweit eine steuerpflichtige Lieferung annehmen müssen. Aus Vereinfachungsgründen hat man in diesen Fällen nur eine anteilige Rückgängigmachung der Vorsteuern vorgesehen."
Der Unterschied zwischen entgeltlicher Lieferung und Eigenverbrauch erlaube aber eine Differenzierung. Unternehmerisch genutzte Grundstücke würden häufig vom Erwerber weiter unternehmerisch genutzt. Auch bei Vorsteuerberichtigung käme es seit Schaffung des § 12 Abs 14 UStG zu keiner Umsatzsteuerbelastung, sodaß in diesem Bereich § 12 Abs 10 kaum mehr Bedeutung habe.
II. Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des auch von ihm anzuwendenden 2. Halbsatzes der lita des § 6 Z 9 UStG eingeleitet (G122/93):
1. Er hatte gegen diese Bestimmung das Bedenken,
"daß die Beschränkung der für den Fall eines Vorsteuerabzuges vorgesehenen Ausnahme von der Befreiung auf den Tatbestand des Eigenverbrauches der sachlichen Rechtfertigung entbehrt und daher gleichheitswidrig ist. Es scheint, daß die in der Äußerung des Bundesministers für Finanzen für die bloße Vorsteuerberichtigung ins Treffen geführten Vereinfachungsgründe - sofern sie überhaupt durchschlagen können - auch für den Eigenverbrauch gelten müßten oder in beiden Fällen außer Betracht zu bleiben hätten. Der Unterschied zwischen entgeltlicher Lieferung und Eigenverbrauch scheint mit der hier in Rede stehenden Frage nichts zu tun zu haben. Auch der Umstand, daß bei Lieferung Grunderwerbsteuer anfällt, während der Eigenverbrauch nicht unter den Begriff des Grunderwerbes fällt, dürfte die unterschiedlichen Rechtsfolgen nicht tragen, weil die Umsatzsteuerbefreiung nach dem ersten Halbsatz der in Rede stehenden Bestimmung ohne Rücksicht darauf eintritt, ob Grunderwerbsteuer anfällt oder nicht (wobei allerdings zu prüfen sein wird, ob allenfalls die Unterscheidung zwischen grunderwerbsteuerbefreiten und gar nicht grunderwerbsteuerbaren Vorgängen zur Rechtfertigung herangezogen werden kann)."
Der Gerichtshof ging zwar vorläufig davon aus, daß die Aufhebung der Wortfolge "für den Eigenverbrauch" die angenommene Gleichheitswidrigkeit beseitigen würde, während eine Aufhebung des ganzen Halbsatzes eine sachlich nicht gerechtfertigte Begünstigung des Eigenverbrauches gegenüber der regelmäßig - mangels besonderer Begünstigung des Erwerbsvorganges - auch mit dem auf die Wertschöpfung entfallenden Teil mit grunderwerbsteuerbelasteten Lieferung zur Folge hätte. Für den Fall jedoch, daß das Verfahren entgegen dieser vorläufigen Annahme ergeben sollte, eine Aufhebung des ganzen zweiten Halbsatzes sei doch der geringere Eingriff in das gesetzgeberische Konzept, wurde der ganze Halbsatz in Prüfung gezogen.
Allenfalls werde auch zu prüfen sein, ob eine verfassungskonforme Auslegung dahin möglich wäre, daß die in Prüfung gezogene Vorschrift ihrerseits nur die Rückgängigmachung des Vorsteuerabzuges anordne.
2. Die Bundesregierung nimmt in ihrer Äußerung zunächst auf die Überlegungen Bezug, die bei Gestaltung der in Prüfung gezogenen Bestimmung maßgeblich waren:
"In der Fassung der Regierungsvorlage zum Umsatzsteuergesetz 1972, 142 BlgNR, 13. GP, hatte § 6 Z 9 lita leg.cit. nämlich folgenden Wortlaut:
'Von den unter § 1 Abs 1 und 2 fallenden Umsätzen sind steuerfrei ... 9. a) die Lieferung von Grundstücken im Sinne des § 2 des Grunderwerbsteuergesetzes 1955.'
In dieser Fassung wäre der Eigenverbrauch - da die Befreiung ausdrücklich auf Lieferungen beschränkt war - in jedem Fall steuerpflichtig gewesen. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Umsatzsteuergesetz 1972 sollten durch die Bestimmung der Z 9 jene Umsätze von der Umsatzsteuer befreit werden, die anderen Verkehrssteuern unterliegen. Zweck der Regelung war also die Vermeidung einer doppelten Besteuerung dieser Umsätze. Dabei wurde davon ausgegangen, daß eine Doppelbelastung mit Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer jedenfalls nicht eintreten kann, wenn ein Eigenverbrauch vorliegt und eine volle Besteuerung des Eigenverbrauches nach dem Umsatzsteuergesetz gerechtfertigt wäre (der Eigenverbrauch ist entweder nicht grunderwerbsteuerbar oder grunderwerbsteuerbefreit). Aus dieser Sicht würde sich aber eine sachliche Differenzierung zwischen der Lieferung und dem Eigenverbrauch ergeben.
Schon das Umsatzsteuergesetz 1959 hatte ähnliche Befreiungsbestimmungen gekannt, nämlich hinsichtlich jener Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fielen. Der Grund für die mit Erlassung des Umsatzsteuergesetzes 1972 erfolgte Änderung (anstelle 'Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen' nunmehr 'Umsätze von Grundstücken im Sinne des § 2 des Grunderwerbsteuergesetzes') ist darin zu erblicken, daß nicht unbedingt alle Umsätze von Grundstücken Rechtsvorgänge darstellen, die unter § 1 des Grunderwerbsteuergesetzes fallen, und somit nicht gewährleistet gewesen wäre, daß tatsächlich alle Grundstückslieferungen umsatzsteuerfrei sind. Zu denken wäre hier etwa an die Einbringung eines Grundstückes in eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht, wobei der Einbringende grundbücherlich Eigentümer des Grundstückes bleibt (vgl. Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, TZ 152 zu § 6)."
Die geltende Fassung (Ausdehnung der Steuerbefreiung auch auf den Eigenverbrauch außer im Fall eines Vorsteuerabzuges) habe § 6 Z 9 lita des Umsatzsteuergesetzes 1972 erst im Zuge der parlamentarischen Beratungen erhalten. Dazu führe der Bericht des Finanz- und Budgetausschusses (382 BlgNR, 13. GP) aus:
"Um zu vermeiden, daß der Eigenverbrauch von Grundstücken auch dann der Eigenverbrauchsbesteuerung unterliegt, wenn für das Grundstück kein Vorsteuerabzug nach § 12 Abs 1 vorgenommen werden konnte, ist nunmehr eine entsprechende Ausweitung der in der Regierungsvorlage enthaltenen Befreiungsbestimmung vorgesehen."
In der vom Gesetzgeber vorgenommenen weiteren Differenzierung hinsichtlich des Eigenverbrauches, nämlich daß die Steuerpflicht nur eintreten soll, wenn für das Grundstück ein Vorsteuerabzug vorgenommen worden ist, zeige sich die Absicht des Gesetzgebers den "nackten Grund und Boden" nicht zu besteuern sowie das Gebäude nur einmal (nämlich dann, wenn ein Vorsteuerabzug vorgenommen werden konnte) zu besteuern. Auf diese Weise sollte eine gleichmäßige Belastung des Letztverbrauchers garantiert werden (vgl. VfSlg. 9726/1983).
Auch darin könne nach Auffassung der Bundesregierung jedoch keine Unsachlichkeit erblickt werden und sei dadurch das ursprüngliche Konzept der Vermeidung einer Doppelbesteuerung nicht beeinträchtigt worden.
Unter dem Gesichtspunkt der Vereinfachung könne zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von Lieferung und Eigenverbrauch der Vergleichsfall als vernachlässigbarer Ausnahmefall angesehen werden, da eine Umsatzsteuerbelastung außer im Falle des Eigenverbrauches nur bei Lieferung an einen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Leistungsempfänger eintrete. Nur beim Eigenverbrauch liege jedenfalls Letztverbrauch vor.
Nach Darstellung der Wirkung des § 12 Abs 10 fährt die Bundesregierung fort:
"Aus der Sicht der Wirkungsweise der Umsatzsteuer als Verbrauchssteuer soll eine gleichmäßige Behandlung des Letztverbrauchers erfolgen. Bei der steuerpflichtigen Veräußerung kommt es - auch nach Ablauf des Beobachtungszeitraumes - nie zu einem unversteuerten Letztverbrauch (für Zeiträume, in denen der Gegenstand vom Unternehmer zur Ausführung von unecht befreiten Umsätzen verwendet worden ist, wurde dem veräußernden Unternehmer der Vorsteuerabzug anteilig versagt). Dieses Regulativ - Umsatzsteuer für die Veräußerung - fehlt aber im Falle der steuerfreien Veräußerung. Hier wird über § 12 Abs 10 des Umsatzsteuergesetzes 1972 nur ein Ausgleich über den Vorsteuerabzug erreicht. Das führt zu einer Ungleichbehandlung in den Fällen, in denen eine nicht umsatzsteuerbelastete Komponente (z.B. Lohntangente bei Selbsterrichtung durch den Unternehmer) oder sonst eine Werterhöhung vorliegt. Dasselbe gilt, wenn das Grundstück nach Ablauf von zehn Jahren veräußert wird. Eine Gleichstellung kann hier nur über eine Steuerpflicht erreicht werden."
Für die im Prüfungsbeschluß noch erwogene verfassungskonforme Auslegung meint die Bundesregierung
"keine Anhaltspunkte im Gesetz finden zu können. § 12 Abs 10 und 11 des Umsatzsteuergesetzes 1972 haben eine Änderung der Verhältnisse, die für den Vorsteuerabzug maßgeblich waren, zur Voraussetzung und sind im Zusammenhang mit § 12 Abs 3 und 5 des Umsatzsteuergesetze 1972 zu sehen. Das Umsatzsteuergesetz gewährt sofort den vollständigen Vorsteuerabzug oder schließt ihn aus (§12 Abs 3 leg.cit., für die Fälle der gemischten Verwendung § 12 Abs 4 und 5 leg.cit.). Wie in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ausgeführt wird, sollen durch die in den § 12 Abs 10 bis 12 des Umsatzsteuergesetzes 1972 vorgesehene Möglichkeit einer Berichtigung des Vorsteuerabzuges einerseits ungerechtfertigte Steuervorteile oder Steuerumgehungen, die durch eine nachträgliche Änderung des Verwendungszwecks ermöglicht werden, hintangehalten werden, andererseits sollen aber auch steuerliche Nachteile für den Unternehmer aus einer solchen nachträglichen Änderung der Verwendung von Gegenständen vermieden werden. Unter Verwendung kann in diesem Zusammenhang nur eine solche im Sinne des § 12 Abs 3 des Umsatzsteuergesetzes 1972 (das heißt Verwendung zur Ausführung echt oder unecht befreiter Umsätze) verstanden werden."
III. Aus Anlaß eines beim Verwaltungsgerichtshof zur Zahl 91/15/0141 anhängigen Beschwerdeverfahrens betreffend die Schenkung eines der Vermietung dienenden Zweifamilienhauses an die Schwester der Miteigentümer, stellt der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf den Prüfungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes den Antrag auf Aufhebung des zweiten Halbsatzes der lita des § 6 Z 9 UStG (G153/93).
Die Bundesregierung verweist zu diesem Antrag auf ihre Äußerung im amtswegigen Gesetzesprüfungsverfahren.
IV. Die Gesetzesprüfungsverfahren sind zulässig. Die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des zweiten Halbsatzes der lita des § 6 Z 9 UStG sind auch begründet.
Es ist nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof, der Präjudizialität der in Prüfung stehenden Bestimmung oder der Zulässigkeit des Antrages des Verwaltungsgerichtshofes zweifeln ließe.
In der Sache selbst ist davon auszugehen, daß (arg. "die Umsätze von Grundstücken") weder die Belastung des Umsatzes mit Grunderwerbsteuer noch überhaupt seine - Fälle der Steuerfreiheit einbeziehende - Unterstellung unter das Regime des Grunderwerbsteuergesetzes (alter oder neuer Fassung), also weder die Besteuerung noch die Steuerbarkeit des Vorganges die Ausnahmebestimmung der lita des § 6 Z 9 tragen. Auf das Grunderwerbsteuergesetz nimmt das Umsatzsteuergesetz vielmehr nur insofern Bezug, als es den Begriff des Grundstückes definiert. Auch der dem Grunderwerbsteuergesetz von vornherein nicht unterliegende "Eigenverbrauch" von Grundstücken ist nach der in Prüfung stehenden Gesetzesstelle von der Umsatzsteuer ausgenommen, soweit nicht (für Lieferungen oder sonstige Leistungen für oder auf das Grundstück) ein Vorsteuerabzug in Anspruch genommen wurde. Der Gesetzgeber hat also die Absicht, eine doppelte Besteuerung von Grundstücksumsätzen mit Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer zu vermeiden, zwar im Ergebnis verwirklicht, in bezug auf den "nackten" Grund und Boden aber den grunderwerbsteuerlich irrelevanten "Eigenverbrauch" der Umsatzsteuer ebensowenig unterworfen wie den von der Grunderwerbsteuer befreiten Grundstücksumsatz.
Der Umsatzsteuer unterliegt der Eigenverbrauch von Grundstücken nur, "insoweit ... ein Vorsteuerabzug nach § 12 Abs 1 vorgenommen worden ist". Umsätze von Grundstücken sind auch in diesem Teil (arg. "die Umsätze ...") von der Umsatzsteuer befreit (unterliegen allerdings gegebenenfalls auch mit diesem Teil der Grunderwerbsteuer), nur kommt es zur Berichtigung des Vorsteuerabzuges im Sinne des § 12 Abs 3, 10 und 14. Der das Wirtschaftsgut der privaten Nutzung zuführende Unternehmer wird also dem Empfänger solcher Lieferungen und Leistungen gleichgestellt, während einem dritten Erwerber lediglich die vom Vormann entrichtete, nicht abzugsfähige Vorsteuer überwälzt wird.
Der Einwand der Bundesregierung, die Herbeiführung einer gleichmäßigen Belastung der Letztverbraucher könne nicht unsachlich sein, vergleicht die Stellung des eigenverbrauchenden Unternehmers nicht mit der des dritten Erwerbers und gerät mit ihrem eigenen Versuch, die Besserstellung der Veräußerung an Letztverbraucher als Vereinfachung für einen vernachlässigbaren Ausnahmefall zu rechtfertigen, in Widerspruch. Die Gleichstellung mit dem Letztverbraucher ist aber die einzige Rechtfertigung dafür, daß der Eigenverbrauch überhaupt der Umsatzsteuer unterworfen wird.
Daß die Berichtigung des Vorsteuerabzuges einfacher ist als die Ermittlung des einschlägigen Teilwertes des der privaten Nutzung zugeführten Wirtschaftsgutes, ist einzuräumen. Es stünde dem Gesetzgeber daher auch frei, den eigenverbrauchenden Unternehmer so zu behandeln wie den dritten Letztverbraucher. Auch das Gesetzesprüfungsverfahren hat aber keinen Anhaltspunkt für die Rechtfertigung einer Lösung ergeben, die den Eigenverbrauch als Gebäudelieferung der Steuerpflicht unterwirft und die Gebäudelieferung an einen Dritten nur zum Anlaß einer Berichtigung des Vorsteuerabzuges nimmt.
Ein verfassungskonformes Verständnis der Art, daß auch hier der (im Sinne der in Prüfung stehenden Vorschrift) "vorgenommene" Vorsteuerabzug nur rückgängig zu machen wäre, scheitert daran, daß das Gesetz die Steuerfreiheit verneint, den Vorgang des "Eigenverbrauches" also selbst der Steuer unterwirft. Für eine Auslegung entgegen dem klaren Wortlaut gibt es auch keinen entstehungsgeschichtlichen Anhaltspunkt.
Die Regelung ist also unsachlich und verstößt gegen den Gleichheitssatz.
V. Was den Umfang der Aufhebung betrifft, kann der Verfassungsgerichtshof ungeachtet des Beifalls der Bundesregierung seine vorläufige Annahme, die Aufhebung des ganzen zweiten Halbsatzes hätte - zufolge der dann für Umsätze und Eigenverbrauch gleichermaßen bestehenden Umsatzsteuerfreiheit - eine ungerechtfertigte Begünstigung des nicht grunderwerbsteuerpflichtigen Eigenverbrauches gegenüber den auch mit dem auf die Wertschöpfung entfallenden Teil mit Grunderwerbsteuer belasteten Grundstücksumsätzen zur Folge, nicht aufrecht halten. Verbietet sich nämlich angesichts der vorliegenden Regelung die Annahme, die Umsatzsteuerfreiheit sei ein Gegenstück zur Grunderwerbsteuerpflicht, so wäre die Belastung des Dritterwerbes mit Grunderwerbsteuer für den Gesamtvorgang bei gänzlicher Steuerfreiheit des Eigenverbrauches mit den die Grunderwerbsteuer tragenden Überlegungen zu rechtfertigen.
Entscheidend ist daher, ob die bloße Aufhebung der Worte "für den Eigenverbrauch" stärker oder weniger stark in das Konzept des Gesetzes eingreift als die Aufhebung des ganzen in Prüfung gezogenen Halbsatzes. Dabei kann der Verfassungsgerichtshof der Auffassung der Bundesregierung nicht folgen, daß die Zahl der durch eine Teilaufhebung steuerpflichtig werdenden Fälle geringer wäre als die Zahl der durch die gänzliche Aufhebung von der Steuer frei werdenden: Da der erste Halbsatz diesfalls für alle Fälle der Inanspruchnahme von Vorsteuern nicht mehr gelten würde, wäre der gesamte Verkehr mit bebauten Grundstücken von der Steuer erfaßt und kämen § 12 Abs 3 und Abs 10 UStG nicht mehr in Betracht. Ein solches Ergebnis wäre aber offenkundig der weiter reichende Eingriff in das Gesetz.
Es ist daher der ganze in Prüfung gezogene zweite Halbsatz aufzuheben.
Die Fristsetzung und die Verpflichtung zur Kundmachung stützen sich auf Art 140 Abs 5 B-VG, der Ausschluß des Wiederinkrafttretens früherer Vorschriften auf Art 140 Abs 6
Die vom Beschwerdeführer des Anlaßfalles im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beim Verfassungsgerichtshof angeregte Ausdehnung der Anlaßfallwirkung auf den durch den angefochtenen Aufhebungsbescheid ausgelösten Rechtsgang hält der Gerichtshof für überflüssig, weil das auf diesem Bescheid beruhende Verfahren von der ihn treffenden gesetzlichen Anlaßfallwirkung mit erfaßt wird.