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VfGH vom 10.10.1988, G121/88

VfGH vom 10.10.1988, G121/88

Sammlungsnummer

11869

Leitsatz

Gesetz vom , mit dem das GetränkesteuerG für Wien 1971 authentisch interpretiert wird, LGBl. für Wien 43/1983; rückwirkende, inhaltliche Änderung des interpretierten § 3 Wr. GetränkesteuerG 1971 idF LGBl. 12/1973; gleichheitswidrig wegen unterschiedlicher Rechtsfolgen - soweit nicht rechtskräftige Bescheide vorliegen - für Abgabepflichtige, die eine an der Rechtsprechung des VwGH orientierte, gesetzmäßige Selbstbemessung vorgenommen haben und solchen, deren Abgabe gem. § 149 Abs 2 WAO bescheidmäßig festgesetzt wurde

Spruch

Das Gesetz vom , mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 authentisch interpretiert wird, LGBl. für Wien Nr. 43/1983, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Das aufgehobene Gesetz ist nicht mehr anzuwenden.

§ 3 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, Anlage der Kundmachung der Wiener Landesregierung vom , über die Wiederverlautbarung des Getränkesteuergesetzes für Wien, LGBl. für Wien Nr. 2/1971, tritt idF des LGBl. für Wien Nr. 12/1973 wieder in Kraft.

Der Landeshauptmann von Wien ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Beim VfGH ist zu B775/87 eine Beschwerde gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission des Landes Wien vom , Z MDR-H 2/87, anhängig, mit der einer Berufung gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Abteilung 4, Referat 7, vom keine Folge gegeben wurde.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid waren der im Gesetzesprüfungsverfahren beteiligten H Kommanditgesellschaft gemäß §§1 und 3 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. für Wien Nr. 2 in der Fassung der authentischen Interpretation des § 3, LGBl. für Wien Nr. 43/1983, der Beschlüsse des Wiener Gemeinderates vom und vom über die Ausschreibung einer Abgabe auf den Verbrauch von Bier, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 52/1973 und 17/1985 und § 149 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962 in der geltenden Fassung, für die Jahre 1980 bis 1985 Getränkesteuer vorgeschrieben und für dieselben Jahre gemäß §§164 und 166 WAO Säumniszuschläge festgesetzt worden.

Der abweisende Berufungsbescheid ist im wesentlichen wie folgt begründet:

"Gemäß § 149 Abs 2 WAO hat die Abgabenbehörde die Abgabe mit Bescheid festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung der Erklärung unterläßt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als unrichtig erweist.

Die Abgabenbehörde erster Instanz erachtete die für die Jahre 1980 bis 1985 von der Berufungswerberin gelegten Getränkesteuererklärungen deshalb für unrichtig, da der Wert der Flaschen bzw. der Verpackung aus der steuerpflichtigen Bemessungsgrundlage ausgeschieden worden war. Die Rechtsmittelwerberin hat diese Feststellungen nicht als unrichtig bestritten, jedoch behauptet, daß ihre Vorgangsweise rechtmäßig sei.

Gemäß § 3 Abs 1 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971 (GStG) beträgt die Steuer 10 v.H. des Entgeltes (Kleinhandelspreis) für die gemäß § 1 steuerpflichtigen Getränke.

...

Auf Grund des Gesetzes vom , mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 authentisch interpretiert wird, LGBl. Nr. 43, ist § 3 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971 so auszulegen, daß zum Entgelt mit Ausnahme der im Gesetz genannten Faktoren alles gehört, was aufgewendet werden muß, damit der Verbraucher das Getränk erhält. Es umfaßt daher auch den Wert der mitverkauften Gefäße und Trinkhalme.

...

Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so tritt gemäß § 164 Abs 1 WAO mit Ablauf dieses Tages die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages ein, soweit der Eintritt dieser Verpflichtung nicht gemäß Abs 2 bis 7 hinausgeschoben wird. Ein solches Hinausschieben ist nach der Aktenlage nicht erfolgt. Unbestritten ist, daß die im Spruch angeführten Steuerbeträge nicht fristgerecht bezahlt wurden, sodaß die festgesetzten Säumniszuschläge dem Gesetz entsprechen."

2.1. Bei der Beratung über die Beschwerde sind im VfGH Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vom , mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 authentisch interpretiert wird, LGBl. Nr. 43/1983, entstanden. Mit Beschluß vom leitete daher der VfGH gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vom ein.

2.2. Die Wiener Landesregierung meint in der von ihr abgegebenen Stellungnahme, daß das vom VfGH vorläufig angenommene verfassungswidrige Ergebnis nicht eintreten konnte und auch nicht eingetreten sei; sie beantragt daher, das in Prüfung gezogene Gesetz nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Das in Prüfung gezogene Gesetz vom , mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 authentisch interpretiert wird, LGBl. für Wien Nr. 43/1983, hat folgenden Wortlaut:

"§3 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. für Wien Nr. 2, in der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 12/1973 ist so auszulegen, daß zum Entgelt mit Ausnahme der im Gesetz genannten Faktoren alles gehört, was aufgewendet werden muß, damit der Verbraucher das Getränk erhält. Es umfaßt daher auch den Wert der mitverkauften Gefäße und Trinkhalme."

§ 3 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. für Wien Nr. 2 idF des Gesetzes LGBl. Nr. 12/1973 hat folgenden Wortlaut:

"(1) Die Steuer beträgt 10 v.H. des Entgeltes (Kleinhandelspreises) für die gemäß § 1 steuerpflichtigen Getränke. Kleinhandelspreis ist das Entgelt, das dem Verbraucher für das Getränk ausschließlich der Getränkesteuer, der Umsatzsteuer, der Abgabe von alkoholischen Getränken und des Bedienungsgeldes in Rechnung gestellt wird. Bei der Berechnung der Steuer darf für übliche Beigaben, deren Preis herkömmlicherweise im Preis für das Getränk mitenthalten ist (z.B. Zucker und Milch bei Kaffee, Zitrone bei Tee), nichts abgezogen werden. Ist in das Entgelt die Getränkesteuer bereits eingerechnet, so ist der Versteuerung das Entgelt abzüglich der Getränkesteuer zugrunde zu legen.

(2) Wird die Steuer in das Entgelt eingerechnet, so ist der Betriebsinhaber verpflichtet, seine Kunden auf die Einrechnung der Steuer in geeigneter Weise (Aushang, Vermerk auf der Preiskarte, z.B. 'Preise einschließlich Getränkesteuer' oder ähnlich) hinzuweisen. Beim Fehlen dieses Hinweises wird die Steuer nach dem gesamten Entgelt ausschließlich der Umsatzsteuer, der Abgabe von alkoholischen Getränken und des Bedienungsgeldes berechnet."

4. Zur Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsverfahrens:

Der VfGH ging im Unterbrechungsbeschluß vom davon aus, daß er die in Prüfung gezogene Regelung bei der Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde anzuwenden haben werde. Er hat weiters angenommen, daß auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen.

Die Wiener Landesregierung ist diesen Annahmen nicht entgegengetreten. Das Verfahren hat auch nichts ergeben, das die Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsverfahrens in Frage stellen könnte.

Das Verfahren ist daher zulässig.

5. In der Sache selbst:

5.1. Der VfGH hat im Einleitungsbeschluß seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Regelung wie folgt umschrieben:

"Bei dem in Prüfung gezogenen Gesetz vom , mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 authentisch interpretiert wird, handelt es sich um eine landesgesetzliche Bestimmung, die anordnet, daß das Entgelt im Sinne des Getränkesteuergesetzes auch den Wert der mitverkauften Gefäße und Trinkhalme umfaßt. Aus der Bezeichnung der Regelung als 'authentische Interpretation' in Verbindung mit dem Wortlaut der Bestimmung (arg.: 'ist so auszulegen, daß') scheint sich der eindeutige Wille des Gesetzgebers zu ergeben, daß § 3 des Getränkesteuergesetzes 1971 mit dem eben wiedergegebenen Inhalt auf alle Rechtsfälle (auch) rückwirkend anzuwenden ist, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes vom noch zur Entscheidung gelangen. Der Wortlaut der Bestimmung und die offenkundige Absicht des Gesetzgebers scheinen ein anderes verfassungskonformes - Verständnis auszuschließen. Der VfGH hegt zwar (anders als der VwGH (VwSlg. 9203 A/1976)) keine Bedenken dagegen, daß eine authentische Interpretation als Akt des Gesetzgebers an sich zulässig ist, hat jedoch im vorliegenden Fall folgende Bedenken:

Da die Getränkesteuer eine Selbstbemessungssteuer ist, ergibt sich aus § 149 Abs 1 der Wiener Abgabenordnung, daß die Abgaben durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung als festgesetzt gelten, es sei denn - so Abs 2 leg.cit -, daß der Abgabepflichtige die Einreichung der Erklärung unterläßt oder sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als unrichtig erweist. Im Falle einer rückwirkenden


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
so bezeichneten - 'authentischen Interpretation' muß sich eine - wenn auch ursprünglich richtig - abgegebene Erklärung jedoch als unrichtig erweisen, sodaß die Abgabenbehörde die Abgabe mit Bescheid
-
unter Anwendung der 'authentischen Interpretation' - festzusetzen haben dürfte. Diese Auslegung liegt dem angefochtenen Bescheid zugrunde. Demgegenüber dürfte die in Prüfung gezogene Regelung auf rechtskräftig abgeschlossene Fälle keine Anwendung finden. Dies scheint in der Regel zu dem Ergebnis zu führen, daß Abgabepflichtige, die die Selbstbemessung ordnungsgemäß vorgenommen haben, von der in Prüfung gezogenen Bestimmung nachteilig betroffen werden, wohingegen Abgabepflichtige, gegen die noch auf Grund der 'alten' Rechtslage ein rechtskräftiger Bescheid erging - das sind in der überwiegenden Zahl der Fälle jene, die sich nicht gesetzestreu verhalten haben -, von der in Prüfung gezogenen Regelung unberührt bleiben dürften.

Ein solches Ergebnis scheint mit dem Gleichheitsgebot schlechthin unvereinbar zu sein. Träfen diese Annahmen zu, wäre die in Prüfung gezogene Regelung verfassungswidrig."

5.2. Die Wiener Landesregierung ist in der von ihr erstatteten Äußerung diesen Bedenken entgegengetreten; sie hat die Verfassungskonformität der in Prüfung gezogenen Regelung wie folgt verteidigt:

"1.) Zum Wesen der authentischen Interpretation

a) Erklärung

Mit authentischer Interpretation wird ein spezielles Rechtsinstitut bezeichnet, das in § 8 ABGB umschrieben ist. Danach steht dem Gesetzgeber (und nur ihm) die Macht zu, ein Gesetz auf eine allgemein verbindliche Art zu erklären. Das Wort Interpretation (oder Auslegung) ist allerdings bei der authentischen Interpretation etwas irreführend, dieser Begriff kommt auch im § 8 ABGB nicht vor, sondern stammt aus der Rechtswissenschaft. Normalerweise wird unter Interpretation ein Vorgang verstanden, der zur Gewinnung der Erkenntnis über den Inhalt einer Norm dient. Genau das ist aber eine authentische Interpretation nicht. Sie ist vielmehr die Erklärung des Autors über den Inhalt einer Norm, und zwar eben aus seiner Position als Autor heraus eine Wissenserklärung über den Inhalt, den diese Norm schon immer hatte. Keinesfalls ist sie aber vom Begriff her die Kundmachung des Ergebnisses eines Auslegungsvorganges (wie ihn etwa ein Rechtsanwender vorzunehmen gehabt hätte.)

b) Gesetzesform

Soll nun diese Erklärung des Gesetzgebers das bewirken, was im § 8 ABGB angeführt ist, nämlich allgemein verbindlich sein, so muß der Gesetzgeber auch die Form gebrauchen, die für Erklärungen allgemein verbindlicher Art vorgesehen ist; er muß also formell ein Gesetz erlassen. Eine bloße Resolution des Landtages des Inhaltes, ein Landesgesetz möge in einem bestimmten Sinne ausgelegt werden, würde also z.B. diesen Effekt nicht bewirken können, wenn sie auch eine wertvolle Hilfe bei der Interpretation wäre.

c) Wirkung

Damit stellt sich aber die Frage nach der normativen Wirkung eines solchen Gesetzes. Vom Begriff der authentischen Interpretation als bloße Erklärung (Verdeutlichung) des schon bestehenden Gesetzesinhaltes her ist jedenfalls klar, daß es sich um keine Änderung (weder per sofort noch rückwirkend) des erläuterten Gesetzes handelt. Die mit einer authentischen Interpretation verfolgte Absicht des Gesetzgebers liegt bloß in der Sicherstellung, daß in Hinkunft nur mehr die immer schon richtige Auslegung des Inhaltes des Gesetzes erfolgen soll. Insoweit ist eine authentische Interpretation auch eine Willenserklärung. Dementsprechend erschöpft sich die Wirkung folgerichtig darin, daß eine andere Auslegung nicht mehr als vertretbar angesehen werden kann. Würde also irgendein Rechtsanwender oder Normunterworfener auch nach der Erlassung der authentischen Interpretation noch eine andere Interpretation vertreten, so würde er sich in die selbe Position versetzen, die sich auch sonst aus der Außerachtlassung eines klaren Gesetzestextes ergibt. Die Konsequenzen wären vielfältig und reichen von der Anfechtbarkeit von Rechtsakten bis zur persönlichen strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Diese Bindungswirkung ist der Natur des Rechtsinstitutes nach allgemein ('allgemein verbindliche Art', § 8 ABGB), wie sie eben einem Gesetz zukommt, im speziellen wirkt sie sich auf den gleichen Personenkreis (Normunterworfene und Rechtsanwender) wie die erläuterte Bestimmung aus. Niemand darf also mehr dem authentisch interpretierten Gesetz im Auslegungswege einen anderen Inhalt unterstellen, auch wenn diese andere Auslegung vor Klarstellung durch den Gesetzgeber vertretbar gewesen wäre, und zwar auch nicht für die Zeit vor der Erlassung der authentischen Interpretation. Auch der VfGH ist an den nunmehr erklärten Inhalt gebunden, es wäre ihm also z.B. verwehrt, eine verfassungskonforme Auslegung zu finden, die mit dem vom Gesetzgeber erklärten Inhalt im Widerspruch steht, um so eine allfällige Aufhebung zu vermeiden. Findet er den Inhalt der erklärten Norm verfassungswidrig, so kann dies nur zur Aufhebung der erklärten Norm führen, nicht aber der authentischen Interpretation, da diese ja den verfassungswidrigen Inhalt nicht schafft, sondern nur klarstellt.

d) Keine Änderung des erklärten Gesetzes

Wie bereits ausgeführt, ist eine authentische Interpretation keine Änderung des erklärten Gesetzes. Dennoch werden verschiedentlich Meinungen vertreten, daß eine authentische Interpretation eine rückwirkende Änderung der Rechtslage sei. Nun erfährt die Rechtslage durch eine authentische Interpretation zweifellos eine Änderung, es wird ja ein neues Gesetz erlassen, das vorher eben noch nicht Bestandteil der Rechtslage war, die Rechtslage wird um dieses neue Gesetz erweitert. Dies darf aber nicht mit einer inhaltlichen Änderung des erklärten Gesetzes verwechselt werden. Die durch das neue Gesetz (die authentische Interpretation) bewirkte Änderung der Rechtslage besteht lediglich darin, daß der Spielraum für die Betroffenen auf eine einzige mögliche Art des Verständnisses der erklärten Norm eingeschränkt wird, während vorher möglicherweise auch eine andere Auffassung vertretbar gewesen sein konnte (auch wenn sie, wie nunmehr klargestellt wurde, unrichtig war).

Ob im Tatsächlichen eine Änderung bewirkt wird, hängt davon ab, zu welcher Anschauung der Betroffene ohne Erlassung der authentischen Interpretation gelangt wäre. Wäre der Betroffene auch so zur richtigen Anschauung gelangt, bewirkt das Gesetz keine Änderung. Nur in den Fällen, in denen ein Betroffener zu einer abweichenden Auslegung gelangt wäre, vermag eine authentische Interpretation überhaupt eine Änderung in der Rechtsanwendung zu bewirken. Hier ergibt sich auch insoferne eine Rückwirkung, wenn die Rechtsanwendung auf Sachverhalte erfolgt, die bereits vor der Erlassung der authentischen Interpretation verwirklicht wurden. Diese (rückwirkende) Änderung liegt also nicht objektiv vor, sondern ergibt sich nur subjektiv für einen Betroffenen, der ohne die authentische Interpretation eine andere Rechtsauffassung gehabt hätte.

e) Sinn der authentischen Interpretation

Nun ist allerdings unbestreitbar, daß eine authentische Interpretation in ihrer Wirkung auf die Rechtsanwendung nach ihrer Erlassung einer rückwirkenden Änderung insofern gleichkommt, als objektiv eine einheitliche Rechtsanwendung in einer bestimmten Richtung sichergestellt wird. So stellt sich die Frage, ob man so ein Rechtsinstitut überhaupt braucht, die Frage nach dem Sinn der authentischen Interpretation als eigenes Rechtsinstitut. Man könnte die Meinung vertreten, daß eine rückwirkende Änderung des Gesetzes genügen würde.

Tatsächlich wäre dies aber im Anwendungsbereich der authentischen Interpretation ein Widersinn. Der Gesetzgeber wäre damit gezwungen, dort, wo er das Gesetz inhaltlich gar nicht ändern will, zu erklären, daß er nun das Gesetz ändern werde, obwohl er es durch das neue Gesetz (die 'rückwirkende Änderung') in Wahrheit gar nicht ändert. Dazu kommt noch, daß es von Seiten des Gesetzgebers durchaus erwünscht sein kann, deutlich erkennbar zu machen, daß das Gesetz eben nicht verändert, sondern nur erklärt wird. Es besteht also grundsätzlich ein echtes Bedürfnis nach dem Rechtsinstitut der authentischen Interpretation, eine bloße rückwirkende Änderung kann diesem Bedürfnis nicht genügen. Es verbietet sich also auch aus diesem Gesichtspunkt, eine authentische Interpretation in eine rückwirkende Änderung umzudeuten.

f) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit

Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der authentischen Interpretation wird zwar nicht einhellig bejaht, der VfGH hegt dagegen jedoch keine Bedenken. Diesem Standpunkt des VfGH soll hier noch ergänzend hinzugefügt werden, daß es spätestens seit dem Bundesverfassungsgesetz vom , BGBl. Nr. 172, mit dem das Gesetz vom , StGBl. Nr. 209, betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen, authentisch ausgelegt wurde, an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Rechtsinstitutes der authentischen Interpretation eigentlich keinen Zweifel mehr geben dürfte. Damals wurde auch auf der Ebene eines Bundesverfassungsgesetzes durch die Bezugnahme auf § 8 ABGB dokumentiert, daß dieses Rechtsinstitut mit dem sich aus § 8 ABGB ergebenden Inhalt von der Verfassung akzeptiert ist.

2.) Zu den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes

Zunächst sei festgehalten, daß der VfGH keine Bedenken gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der authentischen Interpretation an sich hegt. Dies ist im Einleitungsbeschluß ausdrücklich erwähnt. Es darf aber auch davon ausgegangen werden, daß der VfGH auch gegen den Inhalt des § 3 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, wie er durch die authentische Interpretation klargestellt wurde, keine Bedenken hegt. Es findet sich jedenfalls im Einleitungsbeschluß keine Überlegung, die auf solche Bedenken schließen lassen könnte, auch wurde das Gesetzesprüfungsverfahren nicht hinsichtlich dieser Gesetzesstelle eingeleitet.

Die Bedenken des VfGH sind vielmehr dadurch ausgelöst, daß sich aus dem Zusammenwirken der authentischen Interpretation und den Verfahrensvorschriften der Wiener Abgabenordnung ein Ergebnis abzuzeichnen scheint, wonach in der Regel Abgabepflichtige, die sich gesetzestreu verhalten haben, von der in Prüfung gezogenen Bestimmung nachteilig betroffen werden, weil an sie noch ein Bescheid ergehen kann, wohingegen Abgabepflichtige, die sich nicht gesetzestreu verhalten haben und an die deswegen ein rechtskräftiger Bescheid erging, von der in Prüfung gezogenen Regelung unberührt bleiben dürften. Ein solches Ergebnis scheint dem VfGH mit dem Gleichheitsgebot schlechthin unvereinbar zu sein. Diesen Bedenken liegt die vorläufige Annahme zugrunde, daß durch die authentische Interpretation der Inhalt des § 3 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971 geändert wurde.

a) Keine Änderung des erklärten Gesetzes

Der VfGH nimmt vorläufig an, daß das Gesetz, mit dem das Getränkesteuergesetz authentisch interpretiert wird, (erstmals, neu) anordnet, daß das Entgelt im Sinne des Getränkesteuergesetzes auch den Wert der mitverkauften Gefäße und Trinkhalme umfaßt. Diese Annahme bestätigt sich jedoch bei näherer Prüfung nicht. Zunächst ist in diesem Gesetz die imperative Form (Anordnung) nur für die Verpflichtung zu einer bestimmten Auslegung gebraucht ('ist so auszulegen'). Könnten bloß aus diesem Gesetzestext noch Zweifel bestehen, ob nicht in der sprachlichen Fassung eines Auslegungsgebotes doch eine inhaltliche Änderung des Getränkesteuergesetzes vorgenommen wird, so müssen diese Zweifel schwinden, wenn man den Gesetzestext in Verbindung mit dem Titel des Gesetzes betrachtet. Da das Gesetz sich ausdrücklich selbst als authentische Interpretation bezeichnet, ist damit klargestellt, daß keine Änderung des Getränkesteuergesetzes herbeigeführt wird, sondern daß durch die Anordnung (Auslegungsgebot) nur die richtige Rechtsanwendung sichergestellt werden soll.

Dieses Prüfungsergebnis wird noch abgesichert, wenn man den Initiativantrag, der zu dem Gesetzesbeschluß geführt hat, in Betracht zieht. Aus diesem Antrag (von dem eine Kopie beiliegt) ist zu ersehen, daß das Getränkesteuergesetz ungeachtet des seinerzeitigen Erkenntnisses des VwGH aus dem Jahre 1969 nie einen anderen Inhalt hatte und daß die authentische Interpretation (wie es ihrem Wesen entspricht) nur den Sinne hatte, 'den Inhalt des Getränkesteuergesetzes durch den Landesgesetzgeber in allgemein verbindlicher Form klarstellen zu lassen'. Aus diesem Antrag ist weiters aber auch erkennbar, daß auch die Vollziehung im Sinne des in der Folge erklärten Inhaltes des Gesetzes erfolgt ist und durch die ganzen Jahre bis zum Anlaß für die Gesetzesinitiative problemlos abgelaufen ist. Bei dieser Sachlage von einer rückwirkenden Änderung zu sprechen, hieße den erklärten Willen des Gesetzgebers zu mißachten und ins gerade Gegenteil zu verkehren.

Wenn nun aber durch das in Prüfung gezogene Gesetz keine Änderung des Getränkesteuergesetzes eingetreten ist, so sind damit die Bedenken des VfGH schon von der Wurzel her ausgeräumt. Den auf der vorläufigen Annahme einer Gesetzesänderung aufbauenden weiteren Überlegungen ist dadurch die Grundlage entzogen. Eine ursprünglich richtige Abgabenerklärung kann sich also nicht nach der authentischen Interpretation als unrichtig erweisen, oder anders ausgedrückt:

Eine Abgabenerklärung, die nach der authentischen Interpretation unrichtig ist, war auch vorher unrichtig. Ebenso konnten auch schon vor der authentischen Interpretation keine Bescheide ergehen, in denen ein Anteil für die Gebinde aus der Bemessungsgrundlage ausgeschieden wurde. Wäre so ein Bescheid ergangen, wäre er auch damals schon rechtsirrig gewesen. Das vom VfGH zunächst befürchtete gleichheitswidrige Ergebnis kann somit gar nicht eintreten.

b) Die Vollziehung vor der authentischen Interpretation

Nun könnte der VfGH ungeachtet der bisherigen Ausführungen weiterhin an seinen Bedenken festhalten, weil sich das gleichheitswidrige Ergebnis als Ausfluß einer - wie oben angedeutet - rechtsirrigen Entscheidungspraxis einstellen könnte. Abgesehen davon, daß es als äußerst zweifelhaft angesehen werden müßte, ob eine rechtswidrige Entscheidungspraxis zur Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes führen kann, hat es eine solche Praxis gar nicht gegeben. Die vorläufige Annahme des VfGH, daß vor der authentischen Interpretation in Bescheiden regelmäßig ein Anteil für die Gebinde aus der Bemessungsgrundlage ausgeschieden wurde, kann durch die Wirklichkeit nicht bestätigt werden. Ja vielmehr noch: derartige Bescheide wurden nie erlassen.

Außer Streit gestellt kann wohl bleiben, daß vor dem Erkenntnis des VwGH aus dem Jahre 1969 solche Gebindeanteile nicht herausgerechnet wurden; sonst wäre es ja nicht zu diesem Erkenntnis gekommen. Damit ist aber auch evident, daß das Gesetz ursprünglich so verstanden wurde, wie es nun durch die authentische Interpretation erklärt wird. Nach diesem Erkenntnis hätte sich jedoch eine Änderung in der Vollziehung ergeben können. Es ist ja durchaus üblich (und soll im Regelfall auch so sein), daß die Vollziehung die Rechtsanschauung eines Höchstgerichtes als richtig erkennt und in der Folge den weiteren Entscheidungen zugrunde legt. Die Vollziehung ist allerdings an so eine Rechtsanschauung weder gebunden noch ist sie berechtigt, sie gegen ihre eigene Überzeugung zur Anwendung zu bringen. Vermag eine Behörde eine solche Anschauung nicht zu teilen, so muß sie nach ihrer eigenen (davon abweichenden) Überzeugung entscheiden.

Gerade in der Frage des Gebindeanteiles konnte die Finanzverwaltung der Stadt Wien die Meinung des VwGH nicht teilen (und sie steht damit nicht allein). Es erfolgte daher in der Vollziehung keine Anpassung an dieses Judikat, sondern die Gebindeanteile wurden weiterhin nicht ausgeschieden. Als Beleg hiefür möge wiederum der Initiativantrag dienen. Aus den gelegentlichen Bemessungsbescheiden selbst geht dies allerdings nicht hervor, da dieses Problem von den Steuerpflichtigen ja gar nicht releviert wurde. Lediglich aus den Fällen, die letztlich Anlaß für das Gesetz waren, ist dies zu ersehen. Kopien der entsprechenden Aktenstücke liegen bei. Unter Bezugnahme auf § 20 Abs 3 VerfGG 1953 und § 249 WAO wird im Hinblick auf das Steuergeheimnis zusätzlich eine für die Bf. gedachte anonymisierte Parie der Kopien zur Verfügung gestellt. Diese Aktenstücke zeigen deutlich, daß auch in der Zeit zwischen dem Verwaltungsgerichtshoferkenntnis und der authentischen Interpretation die Gebindeanteile nicht herausgerechnet wurden, und zwar im vollen Bewußtsein der Gegensätzlichkeit zur seinerzeitigen Rechtsanschauung des VwGH und auf Grund einer eigenständigen Beurteilung der Rechtslage. Betont wird, daß auch von den Abgabepflichtigen einheitlich eine solche Herausrechnung zunächst nicht vorgenommen worden war; die Frage des Gebindeanteiles wurde erst im Rechtsmittelstadium von den Steuerberatungskanzleien releviert, also nachdem in den Bemessungsbescheiden der Gebindeanteil entsprechend den Abgabenerklärungen nicht ausgeschieden worden war. Das vom VfGH zunächst als möglich angenommene gleichheitswidrige Ergebnis ist also auch rein praktisch in der Vollziehung nicht eingetreten.

3. Umfang der Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof

Wie bereits ausgeführt, ist eine authentische Interpretation ein Gesetz und hat damit dieselbe bindende Wirkung, wie sie auch sonst einem Gesetz zukommt. Es darf also niemand dem erklärten Gesetz im Auslegungswege einen von der authentischen Interpretation abweichenden Inhalt unterstellen. Normalerweise können sich daraus keine Probleme ergeben. Bestehen Bedenken, daß das erklärte Gesetz verfassungswidrig sein könnte, so ist der erklärte Inhalt auf seine Verträglichkeit mit der Verfassung zu prüfen, wobei es unerheblich ist, ob eine allfällige Verfassungswidrigkeit speziell in dem durch die authentische Interpretation klargestellten Inhalt gelegen ist und bei einer möglichen anderen Auslegung nicht gegeben wäre. Stellt sich der erklärte Inhalt als verfassungswidrig heraus, so ist die Gesetzesstelle aufzuheben, die authentische Interpretation als solche kann daneben (nunmehr inhaltslos) bestehen bleiben.

a) Die falsch eingesetze authentische Interpretation

Ein vornehmlicher Grund, warum die authentische Interpretation verschiedentlich als rückwirkende Änderung angesehen wird, liegt sicher darin, daß die authentische Interpretation auch falsch eingesetzt werden kann. Es ist theoretisch denkbar, daß durch eine authentische Interpretation eine Auslegung eines Gesetzes angeordnet wird, die erkenntnismäßig nicht Inhalt des erklärten Gesetzes sein konnte. Dies könnte ungewollt und irrtümlich geschehen, es könnte aber auch sogar sein, daß der Gesetzgeber eine gewollte und auch so erkannte rückwirkende Änderung des Gesetzes unter dem Kleid einer authentischen Interpretation verbergen will. Der Umstand, daß der Gesetzgeber das ihm zur Verfügung stehende Rechtsinstitut irrigerweise einsetzen oder sogar mißbrauchen könnte, kann aber nicht dazu führen, dieses Rechtsinstitut schlechthin (also auch in seinem richtigen und typischen Einsatzbereich) als rückwirkende Änderung des erklärten Gesetzes zu qualifizieren. Sie kann ja in diesem Einsatzbereich schon vom Begriff her keine Änderung sein.

Aber auch in den Fällen, in denen es sich in Wahrheit nicht mehr um eine Erklärung, sondern schon um eine Änderung des Gesetzes handelt, wird diese theoretische Unterscheidung in der Regel auf sich beruhen können. Auch für den VfGH besteht keine Veranlassung, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen, solange nur die Verfassungsmäßigkeit des 'erklärten', in Wahrheit aber neuen Inhaltes des 'erklärten' Gesetzes zu prüfen ist. Lediglich dann, wenn die vermutete Verfassungswidrigkeit ihren Sitz in der 'authentischen Interpretation' hätte und die Verfassungswidrigkeit davon abhängt, ob es sich wirklich um eine authentische Interpretation in ihrem richtigen Einsatzbereich oder in Wahrheit um eine versteckte rückwirkende Änderung handelt, kann diese Frage überhaupt relevant werden. In so einem Fall wird trotz der ansonsten auch für den VfGH bestehenden Bindungswirkung der VfGH als berechtigt angesehen werden müssen, die von der 'authentischen Interpretation' angeordnete Auslegung des 'erklärten' Gesetzes daraufhin zu untersuchen, ob sie verfassungsrechtlich zulässig ist.

b) Die Vertretbarkeit der authentischen Erklärung

Da bei völlig klaren Gesetzestexten kein Bedürfnis nach einer Erklärung besteht, muß der hauptsächliche Einsatzbereich dort liegen, wo ein Gesetzestext aus sich heraus nicht so klar ist. Dies bedeutet, daß bei einer authentischen Interpretation im Regelfall vorher auch andere Auffassungen vertretbar waren, ja vermutlich sogar naheliegend. Der typische Anwendungsbereich der authentischen Interpretation wird also dort zu finden sein, wo man zwar mit einer vertretbaren Auslegung zum richtigen Verständnis des Inhaltes der Gesetzesstelle gelangen könnte, wo aber auch eine andere Auslegung durchaus vertretbar ist und daher auch von maßgeblichen Rechtsanwendern praktiziert wird. Es darf also solange keinen Zweifel daran geben, daß es sich wirklich (und nicht nur vorgetäuscht) um eine authentische Interpretation handelt, solange eine vertretbare (denkmögliche) Auslegung angeordnet wird. Der Umstand, daß andere Auslegungen plausibler sein mögen, steht dem nicht entgegen, sondern kennzeichnet geradezu einen typischen (und richtigen!) Anwendungsbereich dieses Rechtsinstitutes.

Wenn nun der VfGH zu prüfen hat, ob ein Gesetz tatsächlich eine authentische Interpretation und nicht eine rückwirkende Änderung darstellt, so wird sich die Prüfung daher nur darauf beziehen, ob die angeordnete Auslegung vertretbar (denkmöglich) ist. Würde der VfGH nämlich weiter gehen und seine eigene Auslegung (die durchaus naheliegender sein könnte) zum Maßstab nehmen, so würde er damit das verfassungsgesetzlich abgesicherte Rechtsinstitut (siehe authentische Interpretation des Habsburgergesetzes) in seinem Kern und einzigen Zweck (nämlich der Bindungswirkung) negieren.

Daß im vorliegenden Fall die vom Wiener Landesgesetzgeber angeordnete Auslegung zumindest vertretbar war, ist evident und bedarf wohl keiner besonderen Erörterung. Die gleiche Meinung wurde auch in anderen Bundesländern vertreten, auch die Landesfinanzreferentenkonferenz (Beschluß vom 12./) war einheitlich der Auffassung, daß der Wert der Gebinde nicht aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden ist (siehe wiederum den Initiativantrag). Bei einer so breiten Basis für eine Meinung kann deren Vertretbarkeit nicht mehr in Frage gestellt werden.

c) Die Richtigkeit der authentischen Interpretation

Die durch die authentische Interpretation angeordnete Auslegung ist aber nicht nur vertretbar, sie ist auch ohne Rückendeckung durch die authentische Interpretation als richtige Auslegung anzusehen. Der Wert des Gebindes schlägt sich nicht in einem eigenen Preis nieder, er geht vielmehr als Kostenfaktor in den Preis für das Getränk ein. Der Preis, der dem Konsumenten gegenüber verlangt wird, ist der Preis nur für das Getränk und nicht zum Teil Preis für das Getränk und zum Teil Preis für das Gebinde. Das Gebinde ist notwendige Voraussetzung, um das Getränk an den Mann zu bringen, es hat aber dem Konsumenten gegenüber keinen eigenen Handelswert. Kein Verbraucher würde z.B. eine leere Weichpackung, wie sie für kohlensäurefreie Fruchtsaftgetränke verwendet wird, kaufen; die Packung hat für den Verbraucher keinen Wert, sie belastet ihn nur nach dem Konsum, sie ist Müll. Ebensowenig wäre ein Unternehmer bereit, einem Kunden den bloßen Inhalt eines Einweggebindes in ein mitgebrachtes Gefäß zu einem um den Kostenanteil des Gebindes geringeren Preis zu verkaufen. Solche Vorstellungen sind realitätsfern.

Der Entscheidung des VwGH, die nicht zwischen Entgelt (Preis) und Wert (Kosten) unterschieden hat, konnte somit nicht gefolgt werden. Dies wurde von den Abgabenbehörden auch so erkannt, wie aus der in Kopie beiliegenden Berufungsvorentscheidung zu ersehen ist.

4. Zur Frage der Gleichheitswidrigkeit

Der VfGH stellt hier die Frage zur Diskussion, ob nicht ein Gesetzgeber dann, wenn er ein Gesetz rückwirkend erläßt, Vorkehrungen treffen müßte, daß Normunterworfene, die sich gesetzestreu verhalten haben, nicht schlechter gestellt werden als solche, die sich nicht gesetzestreu verhalten haben, nur weil diesen gegenüber bereits rechtskräftige Entscheidungen vorliegen.

Solche Konstellationen dürften doch eher selten sein. Im übrigen sind solche Fälle in der Auswirkung mit einer Änderung der Rechtsprechung vergleichbar. Wenn zunächst Entscheidungen in einer bestimmten Richtung rechtskräftig getroffen werden und später entsprechend einer geänderten Beurteilung der Rechtslage (aber ohne Gesetzesänderung) Entscheidungen in eine andere Richtung gehen, so ist darin dennoch keine Verfassungswidrigkeit zu erblicken; dies auch dann nicht, wenn sich dies durch eine verfahrensrechtliche Besonderheit wie im Abgabenrecht einseitig zu Lasten gesetzestreuer gegenüber nicht gesetzestreuer Normunterworfener auswirkt.

Selbst wenn man aber die Meinung vertreten wollte, daß der Gesetzgeber bei sonstiger Verfassungswidrigkeit geeignete Vorkehrungen zu treffen hat, bleibt noch die Frage offen, wie er dies zu tun hat, nämlich ob er gegen theoretisch denkbare Fälle absichern muß oder ob die Bedachtnahme auf tatsächlich mögliche Fälle genügt. Genügt die Bedachtnahme auf die Wirklichkeit, so waren bei der hier in Prüfung gezogenen authentischen Interpretation keine gesonderten Vorkehrungen notwendig, da es keine Fälle gibt, die zu der möglicherweise verfassungswidrigen Konstellation führen, wie bereits dargelegt wurde.

Anzumerken wäre noch, daß der VfGH selbst keine Begründung angibt, warum eine derartige Konstellation gleichheitswidrig sein sollte. Der , läßt jedoch erkennen, daß eine andere Auffassung vom VfGH auch angenommen werden könnte.

5.) Effekt einer allfälligen Aufhebung

Sollte der VfGH entsprechend seiner Bedenken das Gesetz über die authentische Interpretation aufheben, so müßte der Wiener Landesgesetzgeber die Rechtslage der Entscheidung des VfGH anpassen. Da die Bedenken des VfGH nur im Fehlen entsprechender Übergangsbestimmungen wurzeln, müßte also das aufgehobene Gesetz neuerlich beschlossen, aber um die gewünschten Übergangsbestimmungen ergänzt werden. Diese müßten entsprechend der Kritik des VfGH vorsehen, daß die authentische Interpretation auch auf rechtskräftig entschiedene Fälle anzuwenden ist.

Da es, wie bereits erwähnt, keine rechtskräftig entschiedenen Fälle gibt, bei denen sich dadurch eine Änderung ergeben würde, wäre eine solche Bestimmung von vornherein inhaltsleer und daher materiellrechtlich entbehrlich; ihre Notwendigkeit wäre lediglich damit zu begründen, daß auch einer bloß theoretischen Verfassungswidrigkeit vorzubeugen ist."

5.3. Der VfGH ist aus mehrfachen Gründen anderer Ansicht.

Jede authentische Interpretation in Form eines Gesetzes bewirkt insofern eine Änderung der Rechtslage, als das neue Gesetz mit Rückwirkung an die Stelle des alten Gesetzes tritt. Insofern entspricht es in seiner Bedeutung einem rückwirkenden Gesetz.

Ob eine inhaltliche Änderung der Rechtslage durch eine authentische Interpretation - hier der in Prüfung gezogenen Regelung - bewirkt wurde, kann nur dadurch erkannt werden, daß der Inhalt des interpretierten Gesetzes, also des § 3 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. Nr. 2/1971 idF LGBl. Nr. 12/1973, dem Inhalt des in Prüfung gezogenen Gesetzes gegenübergestellt wird.

Der VfGH teilt diesbezüglich die Auffassung des VwGH, der mit Erkenntnis vom Z 1054/68 zu § 3 des Getränkesteuergesetzes, LGBl. für Wien Nr. 11/1948, - diese Regelung wurde mit dem Getränkesteuergesetz für Wien 1971 wiederverlautbart und mit Gesetz LGBl. für Wien Nr. 12/1973 in hier nicht maßgeblichen Belangen abgeändert - ausgesagt hat, daß nach dem Wortlaut dieser Bestimmung die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung steuerpflichtiger Getränke der Kleinhandelspreis ist und dies das Entgelt darstellt, das dem Verbraucher für das Getränk in Rechnung gestellt wird; die Auffassung der Wiener Landesregierung, daß nicht nur die Abgabe des Getränkes, sondern auch die des Bechers, dessen Preis in dem vom Verbraucher für den Erwerb des Getränkes bezahlten Preisbild enthalten ist, der Getränkesteuer unterworfen wäre, ist mit dem Wortlaut dieser Bestimmung unvereinbar. Wenn die Wiener Landesregierung die Ansicht vertritt, die authentische Interpretation gebe nur das wieder, was Inhalt der interpretierten Regelung - immer - gewesen sei, so kann dies nur dahin verstanden werden, daß die Landesregierung meint, es sei bereits die seinerzeitige Absicht des Gesetzgebers gewesen, ein Gesetz mit einem Inhalt zu erlassen, der mit dem Inhalt des nunmehr in Prüfung gezogenen Gesetzes übereinstimmt. Dies ändert aber nichts daran, daß das interpretierte Gesetz normativ eine andere Aussage zum Inhalt hatte, nämlich die in grammatikalischer Auslegung des Gesetzes festgestellte.

Entgegen der Ansicht der Wiener Landesregierung hat die in Prüfung gezogene Regelung somit eine Änderung der Gesetzeslage des Inhaltes bewirkt, daß die vom VwGH im zitierten Erkenntnis gewählte Auslegung auf dem Boden der in Prüfung gezogenen Regelung nicht mehr aufrecht erhalten werden könnte.

Steht damit fest, daß durch die in Prüfung gezogene Regelung eine inhaltliche Gesetzesänderung bewirkt wurde, dann stellt sich die im Einleitungsbeschluß aufgeworfene Frage der Verfassungskonformität der in Prüfung gezogenen Regelung.

Den verfassungsrechtlichen Bedenken des Einleitungsbeschlusses hält die Wiener Landesregierung im wesentlichen entgegen, daß die Vollziehung der Rechtsauffassung des VwGH nie gefolgt sei, sodaß also Wirkungen des in Prüfung gezogenen Gesetzes, wie sie im Einleitungsbeschluß vorläufig angenommen wurden, gar nicht eingetreten sein könnten.

Bei der Interpretation der Rechtslage kann der VfGH nicht der Vollziehung ein derartiges, die Rechtsprechung des VwGH ignorierendes Vorgehen unterstellen. Dazu kommt aber, daß es gar nicht allein auf die Vollziehung ankommt, sondern auch darauf, wie Rechtsunterworfene sich gesetzeskonform verhalten durften. Rechtsunterworfenen muß aber zugebilligt werden, daß sie sich, wenn sie der Rechtsprechung des VwGH gefolgt sind, gesetzestreu verhalten haben; Rechtsunterworfene konnten auch damit rechnen, daß sie gegen abweichende Auffassungen der Finanzbehörden Abhilfe beim VwGH finden würden.

Rechtsunterworfene konnten daher auf die Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens bauen, wenn sie bei der Selbstbemessung der Auffassung des VwGH folgten.

Durch die in Prüfung gezogene Regelung tritt daher tatsächlich der verfassungswidrige Effekt ein, den der VfGH im Einleitungsbeschluß angenommen hat. Soweit rechtskräftige Bescheide nicht vorliegen, bewirkt die in Prüfung gezogene Regelung, daß eine bisher dem Gesetz entsprechende Selbstbemessung gesetzwidrig wurde, mit allen Rechtsfolgen, die sich hieran knüpfen. So haben Rechtsunterworfene, die sich bei der Selbstbemessung an der Rechtsprechung des VwGH orientierten, auf dem Boden der rückwirkend geänderten Rechtslage nicht nur Getränkesteuer nachzuzahlen, sondern auch einen Säumniszuschlag zu entrichten. Die bekämpfte Regelung schließt auch aus, daß hievon Betroffene beim VwGH gegen nunmehr - nach einer Betriebsprüfung - bescheidmäßig vorgenommene Nachbelastungen Abhilfe finden können. Diese Wirkung tritt jedoch nicht für Abgabepflichtige ein, die sich gesetzwidrig verhalten hatten, weil sie keine oder unvollständige Steuererklärungen abgegeben oder die Selbstbemessung unrichtig vorgenommen hatten, wenn dies zu einer bescheidmäßigen Belastung führte (§149 Abs 2 WAO). Diese Bescheide konnten beim VwGH nach Art 130 B-VG bekämpft werden. Entsprachen sie nicht der Rechtsprechung des VwGH, so wurden sie aufgehoben, und die Behörde war bei der Erlassung des Ersatzbescheides sodann an die Rechtsauffassung des VwGH gebunden.

Auf die in Prüfung gezogene Regelung trifft der im Einleitungsbeschluß erhobene Vorwurf der Gleichheitswidrigkeit somit tatsächlich zu.

Die Regelung war daher als verfassungswidrig aufzuheben und § 3 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. für Wien Nr. 2/1971, in der vor der aufgehobenen gesetzlichen Regelung geltenden Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 12/1973, wieder in Kraft zu setzen (Art140 Abs 6 B-VG).

5.4. Der Ausspruch, daß das aufgehobene Gesetz nicht mehr anzuwenden ist, gründet sich auf Art 140 Abs 7 B-VG; der Ausspruch über die Kundmachungsverpflichtung gründet sich auf Art 140 Abs 5 B-VG.

5.5. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.