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VfGH vom 07.03.2006, g119/04

VfGH vom 07.03.2006, g119/04

Sammlungsnummer

17786

Leitsatz

Kompetenz der Länder zur Regelung des Bezugs von Pflegegeld hinsichtlich der Bezieher einer EWR-Rente gegeben, keine Ermächtigung des Bundesgesetzgebers zur Einbeziehung auch dieses Personenkreises in den Geltungsbereich des Bundespflegegeldgesetzes durch die kompetenzrechtliche Verfassungsbestimmung dieses Gesetzes; keine sachliche Rechtfertigung des Ausschlusses der Bezieher von EWR-Renten vom Bezug des Pflegegeldes im oberösterreichischen Pflegegeldgesetz

Spruch

In § 3 Abs 2 Z 2 des Oö. Pflegegeldgesetzes (Oö. PGG), LGBl. Nr. 64/1993, in der Fassung des Landesgesetzes, mit dem das Oö. Pflegegeldgesetz geändert wird (Oö. Pflegegeldgesetz-Novelle 2002), LGBl. Nr. 155/2001, wird die Wortfolge "oder von Vorschriften einer Vertragspartei des EWR-Abkommens" als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Landeshauptmann von Oberösterreich ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Oberste Gerichtshof und das Oberlandesgericht Linz - als Revisions- bzw. Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen - begehren mit insgesamt vier, auf Art 140 Abs 1 B-VG gestützten Anträgen, in § 3 Abs 2 Z 2 des Oö. Pflegegeldgesetzes, LGBl. Nr. 64/1993, in der Fassung der Oö. Pflegegeldgesetz-Novelle 2002, LGBl. Nr. 155/2001, die Wortfolge "oder von Vorschriften einer Vertragspartei des EWR-Abkommens" als verfassungswidrig aufzuheben.

Die Klägerinnen in den bei den antragstellenden Gerichten anhängigen Verfahren sind (waren) österreichische Staatsbürgerinnen mit Hauptwohnsitz in Oberösterreich; sie beziehen (bezogen) von deutschen Versorgungseinrichtungen bzw. Versicherungsanstalten einen Ruhegenuss.

Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung wurde den Klägerinnen die Gewährung von Landespflegegeld mit der Begründung versagt, die Klägerinnen seien wegen des Bezugs eines Ruhe(Versorgungs)genusses einer Vertragspartei des EWR-Abkommens gemäß § 3 Abs 2 Z 2 des Oö. Pflegegeldgesetzes vom Anspruch auf Landespflegegeld ausgeschlossen. In den sodann an das zuständige Arbeits- und Sozialgericht erhobenen Klagen begehrten die Klägerinnen die Zuerkennung von Landespflegegeld. Die antragstellenden Gerichte haben nunmehr über die in diesen Rechtsstreiten erhobenen Berufungen bzw. Revisionen der Klägerinnen (im Fall G21/05: des Erben der mittlerweile verstorbenen Klägerin) zu entscheiden.

Die antragstellenden Gerichte legen ihre Bedenken übereinstimmend dar wie folgt:

"Art I des Bundesgesetzes, mit dem ein Pflegegeld eingeführt wird (Bundespflegegeldgesetz - BPGG) enthält folgende Verfassungsbestimmung: 'Die Erlassung, Änderung und Aufhebung von Vorschriften, wie sie im Artikel II des Bundespflegegeldgesetzes enthalten sind, sowie die Vollziehung dieser Vorschriften sind auch in jenen Belangen Bundessache, hinsichtlich derer das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 etwas anderes vorsieht. Die Angelegenheiten des Artikels II können im Sinne des Artikels 102 Abs 2 B-VG unmittelbar von Bundesbehörden versehen werden.'

Mit dieser Kompetenzbestimmung, die in erster Linie eine Abgrenzung zwischen dem Kompetenzbereich des Bundes und jenem der Länder bewirkt wird, sollte vor allem vermieden werden, dass zumindest ein Teil des BPGG dem Tatbestand 'Sozialversicherungswesen' (Art10 Abs 1 Z 11 B-VG) zuzuordnen wäre (Pfeil, BPGG [1996] 30 mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien, 32). In Ermangelung einer speziellen Kompetenzgrundlage für die landesgesetzliche Normierung von pflegebezogenen Geldleistungen kommt hiefür Art 15 Abs 1 B-VG in Betracht (zu dieser - hauptsächlichen - Kompetenzgrundlage für die Erlassung der Landespflegegeldgesetze siehe etwa Pfeil, Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich [1994] 309 ff).

Die subsidiäre Regelungsbefugnis, damit aber auch die Verpflichtung der Länder nach Art 1 Abs 2 bzw Art 2 Abs 3 der gemäß Art 15a B-VG abgeschlossenen 'Pflege-Vereinbarung' (BGBl 1993/866; OÖLGBl 1993/129) beginnt dort, wo die entsprechende Bundeskompetenz endet, sodass insgesamt ein 'geschlossenes Pflegegeldsystem' vorliegt (Gruber/Pallinger, Kommentar zum BPGG [1994] § 3 Rz 14, 20). Nach Art 2 Abs 3 der Pflege-Vereinbarung geht die Gewährung des Pflegegelds nach dem BPGG der Gewährung nach landesgesetzlichen Vorschriften vor; dem wird im OÖPGG dadurch Rechnung getragen, dass der Anspruch auf Landespflegegeld auf den Fall beschränkt wird, dass keine der in § 3 BPGG angesprochenen Grundleistungen bezogen wird, die gegebenenfalls einen Anspruch auf Bundespflegegeld auslösen (§3 Abs 1 Z 4 und § 3 Abs 2 Z 1 OÖPGG).

Nach ArtI BPGG bestimmt sich die Bundeskompetenz in personeller Hinsicht nach dem konkreten Geltungsbereich des BPGG, insbesondere also nach § 3. Obwohl die Verfassungsbestimmung des ArtI BPGG eine Erweiterung des Personenkreises erlaubt hätte, sollten durch das BPGG nur jene Personen erfasst werden, die schon zuvor (potenziell) einen bundesgesetzlichen Anspruch auf eine pflegebezogene Geldleistung gehabt hatten, sodass die Verfassungsbestimmung des ArtI BPGG keine Erweiterung der Kompetenz des Bundes bewirkt hat.

Unter den in § 3 BPGG genannten Personenkreis fällt die Klägerin nicht, weil sie insbesondere keine in § 3 Abs 1 BPGG erwähnte Grundleistung bezieht, die einen Anspruch auf Bundespflegegeld rechtfertigen würde. 'EWR-Pensionisten' wurden bisher vom Bundesgesetzgeber nicht in den anspruchsberechtigten Personenkreis nach dem BPGG einbezogen und sie gehören auch nicht zu der im § 3 Abs 3 und 4 BPGG umschriebenen Personengruppe, die in den Kreis der nach dem BPGG anspruchsberechtigten Personen einbezogen werden kann (vgl auch 10 ObS 321/00d und 10 ObS 286/02k).

Nach der innerstaatlichen Kompetenzverteilung (und unter Bedachtnahme auf ihren Hauptwohnsitz und rechtmäßigen Aufenthalt in Oberösterreich) würde die Klägerin damit in die Anspruchsberechtigung nach dem oö Landespflegegeldgesetz fallen. Dieses Ergebnis wird dadurch erhärtet, dass dann, wenn man sich die von der Klägerin bezogene Leistung wegdenkt, ihr Anspruch auf Pflegegeld unzweifelhaft nach Landesrecht zu beurteilen wäre. Ansatzpunkt für einen Anspruch nach dem BPGG könnte demnach nur die bezogene 'EWR-Leistung' bilden, die jedoch - wie schon erwähnt - in § 3 BPGG nicht genannt ist.

... Das Argument, im Hinblick auf den Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG, wonach 'Sozial- und Vertragsversicherungswesen' in Gesetzgebung und Vollziehung zum Bund ressortiere, sei das Land nicht zu Leistungen an die Klägerin verpflichtet (obwohl diese unstrittig ihren Wohnsitz und rechtmäßigen Aufenthalt in Oberösterreich hat und nicht dem Personenkreis des § 3 BPGG angehört), würde in letzter Konsequenz darauf hinauslaufen, dass Art 15 B-VG überhaupt keine Kompetenzgrundlage für das Landespflegegeld bilden könnte.

Der oberösterreichische Landesgesetzgeber ist bei Schaffung des in § 3 Abs 2 Z 2 letzter Fall OÖPGG enthaltenen Ausschlusstatbestandes von einer anderen Prämisse ausgegangen. In den Gesetzesmaterialien (Blg 1175/2001 zum kurzschriftlichen Bericht des OÖ Landtags, XXV. GP) wird die Ansicht vertreten, für 'EWR-Pensionisten' bestehe nach der innerstaatlichen Kompetenzverteilung eine Zuständigkeit des Bundes. Dabei wird vor allem auf die nicht näher belegte Tatsache hingewiesen, dass sich der Bund bislang 'auch ohne ausdrückliche gesetzliche Normierung im BPGG innerstaatlich für die Bezieher von EWR-Renten für zuständig erachtet' habe (vgl auch Talir, SozSi 2003, 252 [255]), und auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , 10 ObS 2189/96a, verwiesen. Nach dieser Entscheidung haben Hinterbliebene von Selbständigen, die weder in die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung noch in den Geltungsbereich des BPGG (nach dessen § 3 Abs 2) einbezogen waren, weder einen Anspruch auf Bundes- noch auf Landespflegegeld. Der Entscheidung liegt jedoch zugrunde, dass für eine gesetzliche Regelung des Pflegegeldanspruchs für pflegebedürftige Freiberufler bzw deren Hinterbliebene der Bund zuständig wäre, was auch in der Möglichkeit der Einbeziehung von Freiberuflern in § 3 Abs 3 BPGG zum Ausdruck kommt (Pfeil, Neuregelung 315).

Mit der Gruppe der Freiberufler ist aber aus der Sicht der innerstaatlichen Kompetenzverteilung die Gruppe von Pflegebedürftigen mit EWR-Bezug nicht vergleichbar. Es wurde schon erwähnt, dass in vergleichbaren Fällen Pflegebedürftigen mit österreichischer Staatsbürgerschaft und österreichischem Wohnsitz, die weder eine Grundleistung nach § 3 BPGG noch eine Leistung aus einem anderen EWR-Staat beziehen, Landespflegegeld gebührt. Eine Bundeskompetenz für die inkonsistente Gruppe von Pflegebedürftigen mit EWR-Bezug müsste also allein darauf beruhen, dass eine den in § 3 Abs 1 BPGG aufgezählten Grundleistungen vergleichbare Leistung aus dem EWR-Ausland bezogen wird. Dass dieser Umstand die kompetenzmäßige Zuordnung vom Land zum Bund verändern würde ist dem Kompetenzkatalog der Verfassung (B-VG, ArtI BPGG) aber nicht zu entnehmen. Auch das Urteil des EuGH in der Rs C-215/99, Jauch hat an der innerstaatlichen Kompetenzverteilung nichts geändert, aber offensichtlich auf Seiten des Bundes ein anderes Verständnis ausgelöst (vgl Talir, SozSi 2003, 252 [255]).

Der Pflegegeldanspruch der Klägerin kann sich daher nur gegen das Land richten und ist nach dem OÖPGG zu beurteilen, das jedoch in § 3 Abs 2 Z 2 für den Fall des Anspruchs auf eine Pension oder eine gleichartige Leistung aufgrund von Vorschriften einer Vertragspartei des EWR-Abkommens einen Ausschluss vorsieht. Da diese Bestimmung auf die Klägerin anzuwenden ist, liegt die vom Verfassungsgerichtshof geforderte Präjudizialität vor.

Im Rechtsmittelverfahren ist nicht strittig, dass die Klägerin zwar einen Anspruch auf eine deutsche Rente hat, allerdings nicht auf Pflegegeld aus der deutschen Pflegeversicherung. Die Klägerin ist österreichische Staatsbürgerin und hat ihren rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich. Da sie keinen Anspruch auf Bundespflegegeld hat (vgl § 3 BPGG), wird sie durch den genannten Ausschlusstatbestand in § 3 Abs 2 Z 2 ÖOPGG


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gegenüber anderen österreichischen Staatsbürgern, die pflegebedürftig sind und weder eine der in § 3 Abs 1 aufgezählten Leistungen noch eine 'EWR-Leistung' beziehen, sowie


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gegenüber anderen österreichischen Staatsbürgern, die aus dem EWR-Ausland eine dem Pflegegeld vergleichbare Leistung beziehen,

in unsachlicher Weise ungleich behandelt, sodass eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vorliegt.

...

Aus diesem Grund wird beantragt, in § 3 Abs 2 Z 2 des OÖ Pflegegeldgesetzes, LGBl Nr 64/1993, in der Fassung des Landesgesetzes, mit dem das OÖ Pflegegeldgesetz geändert wird (OÖ Pflegegeldgesetz-Novelle 2002), LGBl Nr 155/2001, die Wortfolge 'oder von Vorschriften einer Vertragspartei des EWR-Abkommens' als verfassungswidrig aufzuheben."

2. Die Oö. Landesregierung erstattete eine schriftliche Äußerung, in der sie die angefochtene Bestimmung verteidigt und die Abweisung der Anträge beantragt.

3. Auch die klagenden Parteien der Anlassverfahren erstatteten schriftliche Äußerungen zum Gegenstand.

4. Der Verfassungsgerichtshof stellte es der Bundesregierung sowie den Regierungen der an der Bund-Länder-Vereinbarung BGBl. Nr. 866/1993 beteiligten Länder frei, zum Gegenstand der Gesetzesprüfungsverfahren schriftlich Stellung zu nehmen; von dieser Möglichkeit machten die Bundesregierung sowie alle Landesregierungen (mit Ausnahme jener Kärntens und Tirols) Gebrauch.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die gemäß § 404 Abs 2 iVm § 187 ZPO (§35 Abs 1 VfGG) zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

A. Zur Zulässigkeit der Verfahren:

Gemäß Art 140 Abs 1 erster Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit eines Landesgesetzes ua. auf Antrag des Obersten Gerichtshofes oder eines zur Entscheidung in zweiter Instanz berufenen Gerichtes. Diese Gerichte sind gemäß Art 89 Abs 2 zweiter Satz B-VG verpflichtet, einen solchen Prüfungsantrag zu stellen, wenn sie gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hegen.

Im vorliegenden Fall ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der angefochtenen Gesetzesstelle zweifeln ließe. Da auch sonst keine Verfahrenshindernisse ersichtlich sind, erweisen sich die Anträge daher als zulässig.

B. In der Sache:

1. Die im vorliegenden Fall maßgebende Rechtslage stellt sich dar wie folgt:

1.1. ArtI des Bundesgesetzes, mit dem ein Pflegegeld eingeführt wird (Bundespflegegeldgesetz - BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, enthält folgende Verfassungsbestimmung:

"Die Erlassung, Änderung und Aufhebung von Vorschriften, wie sie im Artikel II des Bundespflegegeldgesetzes enthalten sind, sowie die Vollziehung dieser Vorschriften sind auch in jenen Belangen Bundessache, hinsichtlich derer das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 etwas anderes vorsieht. Die Angelegenheiten des Artikels II können im Sinne des Artikels 102 Abs 2 B-VG unmittelbar von Bundesbehörden versehen werden."

Gemäß § 1 BPGG dient das (Bundes-)Pflegegeld dem Zweck, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern.

Die Bestimmung des § 3 BPGG legt fest, welche Personen - bei Vorliegen eines Pflegebedarfs (siehe dazu § 4 BPGG) - Anspruch auf Bundespflegegeld haben:

"§3. (1) Anspruch auf Pflegegeld nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes besteht für nachstehende Personen, sofern sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben:

1. Bezieher einer Vollrente, deren Pflegebedarf durch den Arbeits(Dienst)unfall oder die Berufskrankheit verursacht wurde, oder einer Pension (ausgenommen die Knappschaftspension) nach dem

a) Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955;

b) Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG), BGBl. Nr. 560/1978,

c) Freiberuflichen Sozialversicherungsgesetz (FSVG), BGBl. Nr. 624/1978;

d) Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG), BGBl. Nr. 559/1978;

e) Notarversicherungsgesetz 1972 (NVG 1972), BGBl. Nr. 66;

f) Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (B-KUVG), BGBl. Nr. 200/1967;

g) § 80 des Strafvollzugsgesetzes (StVG), BGBl. Nr. 144/1969;

2. die nach § 8 Abs 1 Z 3 lith und i ASVG teilversicherten Schüler und Studenten, deren Pflegebedarf durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit verursacht wurde, in der Zeit vom Tag nach Abschluß der Heilbehandlung bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Schulbesuch voraussichtlich abgeschlossen gewesen und der Eintritt in das Erwerbsleben erfolgt wäre;

3. Personen, deren Rente nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften abgefunden worden ist, wenn deren Pflegebedarf durch den Arbeits(Dienst)unfall oder die Berufskrankheit verursacht wurde;

4. Bezieher eines Ruhe- oder Versorgungsgenusses, Übergangsbeitrages, Versorgungsgeldes, Unterhaltsbeitrages oder Emeritierungsbezuges nach

a) dem Pensionsgesetz 1965 (PG 1965), BGBl. Nr. 340;

b) dem Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LDG 1984), BGBl. Nr. 302;

c) dem Land- und forstwirtschaftlichen Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LLDG 1985), BGBl. Nr. 296;

d) dem Bezügegesetz, BGBl. Nr. 273/1972;

e) dem Verfassungsgerichtshofgesetz (VerfGG 1953), BGBl. Nr. 85;

f) dem Dorotheumsgesetz, BGBl. Nr. 66/1979;

g) dem Bundestheaterpensionsgesetz (BThPG), BGBl. Nr. 159/1958;

h) dem Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186;

i) Entschließungen des Bundespräsidenten, mit denen außerordentliche Versorgungsgenüsse gewährt wurden;

j) der Bundesbahn-Pensionsordnung 1966, BGBl. Nr. 313;

k) Artikel V des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 148/1988 und nach § 163 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333, in der bis geltenden Fassung;

l) dem Bundesbahn-Pensionsgesetz (BB-PG), BGBl. I Nr. 95/2000;

5. Bezieher von Renten, Beihilfen oder Ausgleichen nach dem

a) Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957), BGBl. Nr. 152;

b) Heeresversorgungsgesetz (HVG), BGBl. Nr. 27/1964;

c) Opferfürsorgegesetz (OFG), BGBl. Nr. 183/1947;

d) Impfschadengesetz, BGBl. Nr. 371/1973;

6. Personen, deren Rente gemäß

a) § 56 KOVG 1957;

b) § 61 HVG;

c) § 2 OFG

umgewandelt wurde;

7. Bezieher eines Sonderruhegeldes nach ArtX des Nachtschwerarbeitsgesetzes (NSchG), BGBl. Nr. 354/1981;

8. Bezieher einer Hilfeleistung nach § 2 Z 1 des Verbrechensopfergesetzes (VOG), BGBl. Nr. 288/1972, oder von gleichartigen Ausgleichen nach § 14a VOG.

(2) Als Bezieher nach Abs 1 gelten auch Personen, denen ein Anspruch auf eine Grundleistung rechtskräftig zuerkannt wurde, die Grundleistung jedoch zur Gänze ruht, noch nicht angefallen ist oder auf Grund von Anrechnungsbestimmungen zur Gänze nicht ausgezahlt wird.

(3) Der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesministers für Finanzen nach Anhörung der für das Bundesgebiet jeweils in Betracht kommenden gesetzlichen beruflichen Vertretung mit Verordnung folgende Personen in den anspruchsberechtigten Personenkreis nach Abs 1 einzubeziehen, wenn sie keinen Anspruch auf eine Pension oder eine gleichartige Leistung nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften haben:

1. Bezieher von wiederkehrenden Versorgungsleistungen gemäß § 64 Abs 1 Z 1, 2, 4 und 5 des Ärztegesetzes 1984 (ÄrzteG), BGBl. Nr. 373;

2. Bezieher von wiederkehrenden Versorgungsleistungen gemäß § 50 der Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868;

3. Bezieher von wiederkehrenden Leistungen gemäß § 29 des Ziviltechnikerkammergesetzes 1993, BGBl. Nr. 157/1994.

(4) Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesministers für Finanzen nach Anhörung der in Betracht kommenden Interessenvertretungen mit Verordnung weitere Personengruppen, die nicht der gesetzlichen Pensionsversicherung unterliegen, in den anspruchsberechtigten Personenkreis nach Abs 1 einzubeziehen, sofern der Anspruch auf eine Pension, einen Ruhe(Versorgungs)genuß oder eine gleichartige Leistung auf einer privatrechtlichen Vereinbarung beruht.

(5) Voraussetzung für die Erlassung einer Verordnung gemäß Abs 3 oder 4 ist das Vorliegen eines der Gesamtfinanzierung dieses Bundesgesetzes vergleichbaren Beitrages der einzubeziehenden Personengruppen zu dem durch die Einbeziehung entstehenden Mehraufwand.

(6) In der gemäß Abs 3 oder 4 erlassenen Verordnung ist der Entscheidungsträger (§22) zu bezeichnen, dem die Durchführung des Bundespflegegeldgesetzes hinsichtlich der einbezogenen Personengruppen obliegt."

Mit mehreren - auf § 3 Abs 3 bzw. 4 BPGG gestützten - Verordnungen des zuständigen Bundesministers (Einbeziehungsverordnung, BGBl. Nr. 442/1993 idF BGBl. Nr. 48/1994;

Einbeziehungsverordnung 1999, BGBl. II Nr. 466;

Einbeziehungsverordnung 2001, BGBl. II Nr. 481;

Einbeziehungsverordnung 2002, BGBl. II Nr. 72) wurden in den Kreis

der Anspruchsberechtigten einbezogen:

1. Bezieher einer Pension auf Grund des bis geltenden Pensionsstatutes für die ständigen Arbeiter der Austria Tabakwerke AG;

2. Bezieher eines Versorgungsgenusses auf Grund der Verordnung der Bundesregierung vom , BGBl. Nr. 15/1951, betreffend die Versorgungsgenüsse der ständigen Arbeiter der Österreichischen Bundesforste in Verbindung mit der Vorschrift über die Versorgungsgenüsse der ständigen Arbeiter der Österreichischen Bundesforste;

3. Bezieher eines Ruhe(Versorgungs)genusses auf Grund der Verordnung der Bundesregierung vom , BGBl. Nr. 52, betreffend die Ruhe(Versorgungs)genüsse der angelobten Arbeiter der Österreichischen Staatsdruckerei in Verbindung mit deren Vorschrift über die Ruhe- und Versorgungsgenüsse;

4. Bezieher eines Ruhe(Versorgungs)genusses auf Grund der Verordnung der Bundesregierung vom , BGBl. Nr. 53, über die Neuregelung der Ruhe(Versorgungs)genüsse der ständigen Arbeiter des Hauptmünzamtes in Verbindung mit der Vorschrift über die Ruhe- und Versorgungsgenüsse der Arbeiterschaft des Hauptmünzamtes;

5. Bezieher eines Ruhe- oder Versorgungsgenusses auf Grund des Dienstrechtes der nach dem Handelskammergesetz, BGBl. Nr. 182/1946, gebildeten Körperschaften, sofern das dem Anspruch zugrundeliegende Dienstverhältnis bis zum unkündbar gestellt gewesen war;

6. Bezieher wiederkehrender Versorgungsleistungen gemäß § 98 Abs 1 Z 1, 2, 4 und 5 des Ärztegesetzes 1998, BGBl. I Nr. 169;

7. Bezieher wiederkehrender Versorgungsleistungen gemäß § 50 der Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868;

8. Bezieher wiederkehrender Leistungen gemäß § 29 des Ziviltechnikerkammergesetzes 1993, BGBl. Nr. 157/1994;

9. Bezieher eines Ruhe- oder Versorgungsgenusses auf Grund der Pensionsordnung 1982 für die Angestellten der Wiener Börsekammer;

10. Weltpriester der Katholischen Kirche, welche in einer ihren Sitz im Bundesgebiet habenden Diözese inkardiniert oder vorläufig aufgenommen sind und Anspruch auf Bezüge gegen eine dieser Diözesen haben.

1.2. Die am geschlossene Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Art 15a Abs 1 B-VG über gemeinsame Maßnahmen des Bundes und der Länder für pflegebedürftige Personen, BGBl. Nr. 866/1993, verpflichtet die Vertragsparteien, "im Rahmen der ihnen verfassungsrechtlich zugeordneten Kompetenzbereiche ein umfassendes Pflegeleistungssystem an Geld- und Sachleistungen zu schaffen" (Art1 Abs 2).

Art 2 dieser Vereinbarung lautet samt Überschrift:

"Artikel 2

Geldleistungen

(1) Zur teilweisen Abdeckung des Mehraufwandes an Hilfe und Betreuung sichern die Vertragsparteien Pflegegeld zu, das nach dem Bedarf abgestuft ist.

(2) Die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld des Bundes werden mit dem Bundespflegegeldgesetz geregelt. Die Länder verpflichten sich, bis Landesgesetze und Verordnungen mit gleichen Grundsätzen und Zielsetzungen wie der Bund zu erlassen und bis spätestens in Kraft zu setzen.

(3) Die Gewährung des Pflegegeldes nach dem Bundespflegegeldgesetz geht der Gewährung nach landesgesetzlichen Vorschriften vor.

(4) Das Pflegegeld ist mit Wirkung vom und mit Wirkung vom mit dem Anpassungsfaktor gemäß § 108f des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zu vervielfachen.

(5) Auf die Gewährung des Pflegegeldes besteht unabhängig von Einkommen und Vermögen ein Rechtsanspruch.

(6) Die Länder werden Vereinbarungen gemäß Artikel 15a B-VG treffen, um bei Wohnsitzwechsel des Anspruchsberechtigten zwischen den Ländern Unterbrechungen bei der Auszahlung des Pflegegeldes zu vermeiden."

1.3. § 3 des Landesgesetzes, mit dem in Oberösterreich ein einheitliches Pflegegeld eingeführt wird (Oö. Pflegegeldgesetz - Oö. PGG), LGBl. Nr. 64/1993, idF der Oö. Pflegegeldgesetz-Novelle 2002, LGBl. Nr. 155/2001, lautet auszugsweise samt Überschrift (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"§3

Personenkreis

(1) Pflegegeld auf Grund dieses Landesgesetzes wird auf Antrag (§20 Abs 1) Personen gewährt, die

1. die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen,

2. ihren Hauptwohnsitz und ihren rechtmäßigen Aufenthalt in Oberösterreich haben,

3. pflegebedürftig im Sinn des § 4 Abs 1 sind,

4. nicht eine der im Bundespflegegeldgesetz, BGBl. Nr. 110/1993, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 69/2001, angeführten Leistungen geltend machen können.

(2) Nicht zum Kreis der Personen gemäß Abs 1 zählen Personen,

1. die dem Personenkreis des § 3 Abs 3 und 4 des Bundespflegegeldgesetzes, BGBl. Nr. 110/1993, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 69/2001, angehören, oder

2. die einen Anspruch auf eine Pension, einen Ruhe-(Versorgungs-)genuss oder eine gleichartige Leistung auf Grund einer privatrechtlichen Vereinbarung, auf Grund bundesgesetzlicher Vorschriften oder von Vorschriften einer Vertragspartei des EWR-Abkommens haben oder auch geltend machen können, oder

3. die auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften eines anderen Bundeslandes auch bei Hauptwohnsitz in Oberösterreich einen Anspruch auf Pflegegeld haben oder geltend machen können, oder

4. die auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften einen Ruhe- oder Versorgungsgenuß, ein Versorgungsgeld oder einen Unterhaltsbeitrag beziehen.

(3) Den österreichischen Staatsbürgern sind gleichgestellt:

1. Fremde, insoweit sich eine Gleichstellung aus Staatsverträgen ergibt, oder

2. Fremde, wenn mit ihrem Heimatstaat auf Grund tatsächlicher Übung Gegenseitigkeit besteht, insoweit sie dadurch nicht besser gestellt sind als in ihrem Heimatstaat, oder

3. Fremde, denen gemäß § 3 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. Nr. 8/1992, Asyl gewährt wurde, oder

4. Staatsangehörige der Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).

(4) Das Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft (Abs1 Z. 1) kann nachgesehen werden, wenn dies auf Grund der persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Fremden zur Vermeidung einer sozialen Härte geboten erscheint.

(5) - (6) ..."

Den gemäß § 3 Abs 2 Z 4 Oö. PGG vom Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeschlossenen Personen gebührt jeweils ein Pflegegeld nach anderen landesgesetzlichen Vorschriften, wobei die Bestimmungen des Oö. Pflegegeldgesetzes "sinngemäß" anzuwenden sind (vgl. § 13a des Oö. Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorge-Gesetzes; § 41a des Oö. Gemeindesanitätsdienstgesetzes; § 31 des Oö. Landesbedienstete-Kranken- und Unfallfürsorge-Gesetzes; § 27 des Oö. Landesbeamten-Pensionsgesetzes; § 30 des Oö. Pensionsgesetzes 2006).

Die angefochtene Wortfolge in § 3 Abs 2 Z 2 Oö. PGG geht auf die Oö. Pflegegeldgesetz-Novelle 2002 zurück; im Bericht des Sozialausschusses des Oö. Landtages (1198/2001 BlgLT XXV. GP) heißt es dazu:

"Durch die Einfügung 'oder von Vorschriften eines Mitgliedsstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes' in der Z. 2 soll klargestellt werden, dass dadurch der Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG Rechnung getragen wird, wonach Bund und Länder jeweils in ihrem Kompetenzbereich für den Zugang zum Pflegegeld zu sorgen haben.

Gemäß Art 1 der genannten Art 15a-B-VG-Vereinbarung ist nämlich bundesweit im Rahmen der verfassungsrechtlich zugeordneten Kompetenzbereiche eine umfassende Pflegevorsorge nach gleichen Zielsetzungen und Grundsätzen einzuführen. Die Pflegeleistungen werden unabhängig von der Ursache der Pflegebedürftigkeit gewährt. Nach Art 2 werden die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld des Bundes mit dem Bundespflegegeldgesetz geregelt, die Länder verpflichten sich, Landesgesetze und Verordnungen mit gleichen Grundsätzen und Zielsetzungen wie der Bund zu erlassen, wobei die Gewährung des Pflegegeldes nach dem Bundespflegegeldgesetz der Gewährung nach landesgesetzlichen Vorschriften vorgeht. Weiters besteht auf die Gewährung des Pflegegeldes unabhängig von Einkommen und Vermögen ein Rechtsanspruch. Es sind daher die Länder zuständig, denjenigen Personen, die einen Wohnsitz in Österreich haben und keine Pflegegeldleistungen nach dem Bundespflegegeldgesetz erhalten, Landespflegegeld zu gewähren. Dementsprechend sind gemäß § 3 Abs 2 Z. 2 des Oö. Pflegegeldgesetzes vom Kreis der anspruchsberechtigten Personen diejenigen Personen ausgenommen, die einen Anspruch auf eine Pension, einen Ruhe-(Versorgungs-)genuss oder eine gleichartige Leistung auf Grund einer privatrechtlichen Vereinbarung oder auf Grund bundesgesetzlicher Vorschriften haben oder geltend machen können. Kompetenzgrundlage für die Länder ist Art 15 B-VG (Kompetenztatbestand Sozialhilfe, Armut).

Eine Erweiterung dieser landesgesetzlichen Regelung dahingehend, dass auch Personen, die einen Anspruch auf eine gleichartige Leistung (d.h. im konkreten Fall einer Pension, nicht eines Pflegegeldes) auf Grund von Vorschriften einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, vom Kreis der Anspruchsberechtigten nach dem Oö. Pflegegeldgesetz ausgenommen werden sollen, könnte dieser grundsätzlichen Verpflichtung der Art 15a B-VG-Vereinbarung insofern widersprechen, als sich für diese Personen nunmehr weder der Bund noch das Land Oberösterreich bei Aufenthalten in Oberösterreich als zuständig zur Gewährung einer Pflegeleistung erachtet. Eine Lösung dieses Kompetenzkonfliktes erfordert eine Betrachtung der Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern. Hinsichtlich der Bezieher einer ausländischen Rente käme für eine Zuständigkeit des Bundes der Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z. 11 (Sozial- und Vertragsversicherungswesen) in Betracht. Dafür würde auch die Tatsache sprechen, dass sich der Bund bisher offensichtlich auch ohne ausdrückliche gesetzliche Normierung im BPGG innerstaatlich für die Bezieher von EWR-Renten für zuständig erachtet hat. Eine Änderung der innerstaatlichen Kompetenzverteilung durch das Jauch, Rs. C-215/99, ist jedoch (wie überhaupt aus dem Gemeinschaftsrecht) nicht ableitbar. Als weiteres Argument für die Zuständigkeit des Bundes wäre die Tatsache ins Treffen zu führen, dass die ursprünglich nicht als anspruchsberechtigte Personen im Bundespflegegeldgesetz genannten Bezieher von wiederkehrenden Versorgungsleistungen etwa nach dem Ärztegesetz oder der Rechtsanwaltsordnung durch Verordnung einbezogen werden können. Diese Personen hatten bis zur Novelle BGBl. I Nr. 111/1998 weder einen Anspruch auf Bundes- noch auf Landespflegegeld. Zu dieser Lücke im Gesamtsystem der Pflegevorsorge hat der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom , 10 ObS 2189/96a, erkannt, dass die Regelung der Gewährung von Pflegegeld an Hinterbliebene von Freiberuflern, welche weder in die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung noch in den Geltungsbereich des BPGG einbezogen sind, nach der gegebenen Verfassungslage eine Aufgabe des Bundes sei. Weiter hat in diesem Urteil der OGH ausgesprochen, dass 'Personen, die vom BPGG nur 'bedingt' erfaßt sind, [...] gleichwohl der Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers unterliegen: Für landesgesetzliche Pflegegeldregelungen besteht daher zB für nicht der Pensionsversicherung unterliegende Freiberufler oder bestimmte Bezieher privatrechtlicher Pensionsleistungen gar kein Spielraum. Die entsprechenden Ausnahmebestimmungen in den Landespflegegesetzen haben insoweit nur deklarative Bedeutung. Eine auf Art 15 Abs 1 B-VG begründete Zuständigkeit der Länder scheidet aber auch im Hinblick auf Personen aus, die zwar von § 3 BPGG sei es unmittelbar, sei es erst durch entsprechende Verordnung, nicht erfasst sind, für die aber die Gewährung pflegebezogener Geldleistungen auf Grundlage anderer Bundeskompetenzen in Betracht käme. ArtI BPGG vermag nämlich nichts an der diesbezüglichen Regelungsbefugnis auf Grundlage der Tatbestände 'Sozialversicherungswesen' oder 'Dienstrecht' zu ändern'. Anknüpfungspunkt für eine Bundeszuständigkeit ist in den vom Landespflegegeldgesetz ausgenommenen Fällen daher ebenfalls der Kompetenztatbestand 'Sozialversicherungsrecht'."

2. Die antragstellenden Gerichte hegen das Bedenken, durch den bekämpften Ausschlusstatbestand des § 3 Abs 2 Z 2 Oö. PGG seien Staatsbürger, die eine Pension auf Grund von Vorschriften einer Vertragspartei des EWR-Abkommens ("EWR-Rente") beziehen, sonst aber alle Voraussetzungen für den Anspruch auf Landespflegegeld erfüllen, gegenüber Staatsbürgern, die keine solche Leistung beziehen, unsachlich benachteiligt.

3. Wäre die Oö. Landesregierung mit ihrer Behauptung im Recht, die angefochtene Wendung sei aus kompetenzrechtlicher Sicht geradezu erforderlich, so wäre schon damit den Bedenken der antragstellenden Gerichte der Boden entzogen, und es müsste die sachliche Rechtfertigung des angefochtenen Ausschlusstatbestandes nicht weiter geprüft werden. Es ist daher zunächst der Frage nachzugehen, ob die Gewährung von Pflegegeld an pflegebedürftige Personen, die ausschließlich eine "EWR-Rente" beziehen, in die Zuständigkeit des Bundes oder aber in die der Länder fällt.

Die Bundesregierung vertritt dazu die Auffassung, dass der Anspruch auf Bundespflegegeld - selbst bei extensiver Auslegung der "Kompetenzdeckungsklausel" des ArtI BPGG - immer nur als Annex zu bundesgesetzlich geregelten Rechtsverhältnissen, "äußerstenfalls" zu nicht in Anspruch genommenen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes konstruiert werden könne. Die Gewährung von Pflegegeld an Bezieher einer "EWR-Rente" sei daher von der Zuständigkeit des Bundes ausgeschlossen.

Die beteiligten Landesregierungen halten diesem Standpunkt in ihren schriftlichen Äußerungen übereinstimmend entgegen, dass die Gewährung von Pflegegeld an Personen, die nach ausländischen Vorschriften eine Leistung "sozialversicherungsrechtlicher Natur" beziehen, seit jeher als Aufgabe des Bundes angesehen worden sei (die dieser unstrittig bis zum Jahr 2001 auch wahrgenommen habe). Das Fehlen einer entsprechenden bundesgesetzlichen Regelung sei lediglich dem Umstand zuzuschreiben, dass das Erfordernis der Berücksichtigung von Beziehern nur einer "EWR-Rente" zunächst, dh. bei Erlassung des BPGG, nicht erkannt worden sei. Die Gewährung von Pflegegeld an pflegebedürftige Landes- und Gemeindebedienstete falle hingegen - nach Art 21 Abs 1 B-VG - in die Zuständigkeit des Landes.

3.1. Gemäß ArtI BPGG sind die Erlassung, Änderung und Aufhebung von Vorschriften, wie sie in ArtII leg.cit. enthalten sind, ebenso wie deren Vollziehung Bundessache, und zwar auch in solchen Angelegenheiten, hinsichtlich derer das B-VG etwas anderes vorsieht.

Der Wortlaut dieser Verfassungsbestimmung macht deutlich, dass damit nach der Absicht des Bundesverfassungsgesetzgebers die Kompetenz des Bundes zur Gesetzgebung auf dem Gebiet des Pflegegeldes einerseits nicht enger gefasst werden sollte als jene Kompetenztatbestände, auf Grund derer der Bund zur Gesetzgebung hinsichtlich jener (in der Regel: rentenartig wiederkehrenden) Leistungen berufen ist, zu denen das Pflegegeld als Zusatzleistung hinzutritt. Andererseits sollte dadurch - über die im B-VG enthaltenen Kompetenztatbestände hinaus - eine Kompetenz des Bundes jedenfalls insoweit begründet werden, als in der Stammfassung des BPGG eine Regelung hinsichtlich des (potentiell) anspruchsberechtigten Personenkreises getroffen wurde. Dem Bund bleibt daher auf Grund des ArtI BPGG kompetenzrechtlich nur insoweit ein Raum zur Erweiterung des nach der Stammfassung des Bundespflegegeldgesetzes anspruchsberechtigten Personenkreises, als dies in den Kompetenztatbeständen des B-VG Deckung findet.

Der Bundesgesetzgeber hat nämlich - soweit die Kompetenztatbestände des B-VG in Rede stehen - seine Kompetenz zur Regelung des Bundespflegegeldes mit der Erlassung des Bundespflegegeldgesetzes im Jahr 1993 nicht ausgeschöpft. Von seiner (weiteren) Kompetenz hat der Bund seither auch schon Gebrauch gemacht: So wurden mit der BPGG-Novelle BGBl. I Nr. 111/1998 - gestützt auf ArtI BPGG (vgl. 1186 BlgNR XX. GP, Allgemeiner Teil) - die Bezieher eines Emeritierungsbezuges nach dem Pensionsgesetz 1965 sowie die Bezieher bestimmter Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz mit Wirkung vom in den Kreis der nach dem BPGG Anspruchsberechtigten einbezogen.

3.2. In Art 1 Abs 2 der Bund-Länder-Vereinbarung BGBl. Nr. 866/1993 sind der Bund und die Länder übereingekommen, "im Rahmen der ihnen verfassungsrechtlich zugeordneten Kompetenzbereiche" ein umfassendes Pflegeleistungssystem an Geld- und Sachleistungen zu schaffen. Die Verfassungsbestimmung des ArtI BPGG kann daher nicht so verstanden werden, dass sie - nach Art einer Bedarfskompetenz - den Bund ermächtigte, die Zuständigkeit auf dem Gebiet des Pflegegeldes zur Gänze an sich zu ziehen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich bei der Gewährung von Pflegegeld um ein zwischen Bund und Ländern geteiltes Sachgebiet handelt. Die Zuständigkeit zur Gesetzgebung und Vollziehung auf dem Gebiet des Pflegegeldes verbleibt daher nach Art 15 Abs 1 B-VG im selbständigen Wirkungsbereich der Länder, soweit sie nicht ausdrücklich durch bundesverfassungsrechtliche Vorschriften der Gesetzgebung oder auch der Vollziehung des Bundes übertragen ist.

Damit stellt sich aber die Frage, nach welchen Gesichtspunkten auf dem Gebiet des Pflegegeldes die Zuständigkeit des Bundes von jener der Länder abgegrenzt ist. Hiezu gilt es, die Verfassungsbestimmung des ArtI BPGG in Verbindung mit der gleichzeitig in Kraft getretenen Stammfassung des BPGG auszulegen. Es verbietet sich nämlich die Annahme, der Nationalrat habe eine einfachgesetzliche Regelung (hier: jene des ArtII BPGG) ohne Bedachtnahme auf eine am selben Tag - sogar unter einem - beschlossene Kompetenzregelung (hier: jene des ArtI BPGG) erlassen (vgl. VfSlg. 9280/1981, S 326).

Die insoweit maßgebende Bestimmung des § 3 BPGG lässt nun erkennen, dass die Anspruchsberechtigung nach dem BPGG jeweils an den Bezug einer entweder bundesgesetzlich geregelten (vgl. 776 BlgNR XVIII. GP, 22) oder durch Bundesgesetz zu regelnden "Grundleistung" geknüpft ist. Das Bundespflegegeld stellt sich insofern gleichsam als "Annexleistung" (776 BlgNR XVIII. GP, 25) zu anderen - in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fallenden - Leistungen dar, mögen diese öffentlich-rechtlich (vgl. § 3 Abs 1 und 3 BPGG) oder aber privatrechtlich (vgl. § 3 Abs 4 BPGG) ausgestaltet sein.

3.3. Die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers ist daher insofern begrenzt, als Bundespflegegeld nur für Personen vorgesehen werden darf, hinsichtlich derer dies im BPGG (Stammfassung) vorgesehen ist oder die Anspruch auf eine Versorgungsleistung (im weitesten Sinne) haben, hinsichtlich derer dem Bund nach den im B-VG enthaltenen Kompetenztatbeständen die Zuständigkeit zur Gesetzgebung zukommt. Daraus folgt aber, dass die Gesetzgebung betreffend die Gewährung von Pflegegeld an Personen, die weder von der Stammfassung des BPGG erfasst sind noch eine bundesgesetzlich zu regelnde Versorgungsleistung beziehen, nach Art 15 Abs 1 B-VG in der Kompetenz der Länder verbleibt. Personen, die ausschließlich eine Versorgungsleistung nach ausländischen Vorschriften beziehen, dh. auch nach den Vorschriften einer Partei des EWR-Abkommens, und nicht auch eine bundesgesetzlich zu regelnde Leistung beziehen, stellen in dieser Hinsicht keine Besonderheit dar: Ein ausländischer Rentenbezug ändert nichts daran, dass die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Pflegegeldes insoweit nicht in die Zuständigkeit des Bundes, sondern - nach Art 15 Abs 1 B-VG - in die der Länder fällt.

3.4. Soweit die Oö. Landesregierung eine - dem "säumigen Bund" anzulastende - "Regelungslücke" darin erblickt, dass Bezieher einer "EWR-Rente" nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten nach § 3 BPGG gehören, geht sie somit von unzutreffenden Prämissen aus: ArtI BPGG enthält nach dem Gesagten nämlich keine Ermächtigung an den Bund, auch diesen Personenkreis in den Geltungsbereich des Bundespflegegeldgesetzes einzubeziehen.

4. Soweit die angefochtene Regelung aber Personen, hinsichtlich derer das Land zur Regelung des Pflegegeldes zuständig ist, vom Bezug dieser Geldleistung ausschließt, müsste die dadurch bewirkte Differenzierung sachlich begründbar sein.

Für diese Benachteiligung von Beziehern einer "EWR-Rente" ist aber - bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen für den Leistungsanspruch - eine sachliche Rechtfertigung nicht erkennbar:

4.1. Da es für die Gewährung von Pflegegeld nach dem Oö. Pflegegeldgesetz - entsprechend dem erwähnten Konzept einer umfassenden Pflegevorsorge - gerade nicht darauf ankommt, ob die pflegebedürftige Person ein Einkommen bezieht oder nicht, kann das Vorhandensein eines Einkommens, sofern dadurch nicht die Zuständigkeit des Bundes im Sinne des ArtI BPGG auch zur Regelung des Pflegegeldanspruches begründet wird, eine Ausnahme wie die hier in Rede stehende sachlich nicht rechtfertigen.

4.2. Der Versuch der Oö. Landesregierung, die angefochtene Gesetzesstelle mit einer Änderung der gemeinschaftsrechtlichen Qualifikation des Pflegegeldes sachlich zu begründen, geht fehl:

4.2.1. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat das österreichische Pflegegeld keineswegs als "Krankenversicherungsleistung" im Sinne des innerstaatlichen (Bundes-)Rechts qualifiziert - wie die Oö. Landesregierung offenbar meint -, sondern als eine "Leistung der sozialen Sicherheit bei Krankheit" iS des Art 4 Abs 1 lita der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (siehe zum Bundespflegegeld EuGH Rs C-215/99, Jauch, Slg. 2001, I-1901, Rz 25 ff; zum Landespflegegeld jüngst ebenso , Hosse, Rz 36 ff). Für diese Qualifikation kommt es nicht darauf an, ob die betreffende Leistung nach der Systematik des innerstaatlichen Rechts dem Pensions- oder Krankenversicherungsrecht zuzuordnen ist oder in einem ganz anderen Regelungszusammenhang steht (wie dies für das Landespflegegeld zutrifft) oder welche Rechtsnatur die Leistung aus innerstaatlicher Sicht sonst haben mag (vgl. EuGH, Jauch, aaO Rz 26).

4.2.2. Hinzu kommt, dass die gemeinschaftsrechtliche Qualifikation einer Leistung durch den EuGH das innerstaatliche Kompetenzgefüge nicht zu verändern vermag: Träfe der aus der erwähnten (unrichtigen) Prämisse, beim Pflegegeld handle es sich um eine Leistung der sozialen Krankenversicherung, gezogene Schluss der Oö. Landesregierung auf das Vorliegen einer Bundeskompetenz zu, dann käme eine Kompetenz der Länder auf dem Gebiet des Pflegegeldes überhaupt nicht mehr in Betracht, was sich mit der eingangs dargestellten bundesverfassungsrechtlichen Kompetenzlage auf dem Gebiet des Pflegegeldes ganz offensichtlich nicht vereinbaren ließe.

4.2.3. Aber auch die von der Oö. Landesregierung mit ihrem Hinweis auf die "Störung des wohl austarierten Gefüges der Pflege-Vereinbarung" angedeutete, aber nicht weiter ausgeführte finanzverfassungsrechtliche Argumentation greift gegen die Bedenken der antragstellenden Gerichte nicht durch:

Abgesehen davon, dass die Oö. Landesregierung nicht einmal behauptet, pflegebedürftige EWR-Bürger, die nur eine Rentenleistung nach EWR-Vorschriften beziehen (dh. weder zusätzlich Anspruch auf eine - die Zuständigkeit des Bundes begründende - österreichische Teilleistung aus der Pensionsversicherung noch auf eine gleichartige


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anrechnungspflichtige - vgl. § 7 BPGG; ebenso § 6 Oö. PGG
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Pflegeleistung nach den Vorschriften einer EWR-Partei haben), seien nunmehr in ins Gewicht fallender Zahl mit Landespflegegeld zu versorgen, könnten sich aus einer "Störung des Gefüges" der in Rede stehenden Bund-Länder-Vereinbarung allenfalls Gründe für deren Kündigung oder Argumente für eine Berücksichtigung dieser zusätzlichen Belastungen im Rahmen des Finanzausgleichs ergeben. Eine abweichende Beurteilung der bundesverfassungsgesetzlichen Kompetenzlage ließe sich daraus aber ebensowenig ableiten wie eine sachliche Rechtfertigung für die Diskriminierung von Beziehern einer "EWR-Rente".

4.3. Die angefochtene Gesetzesstelle war daher als verfassungswidrig aufzuheben.

5. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, stützt sich auf Art 140 Abs 6 B-VG; die Kundmachungspflicht des Landeshauptmannes von Oberösterreich gründet in Art 140 Abs 5 B-VG iVm § 64 Abs 2 VfGG und § 2 Abs 1 Z 2 des Oö. Kundmachungsgesetzes.

C. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.