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VfGH vom 04.12.2007, g113/06

VfGH vom 04.12.2007, g113/06

Sammlungsnummer

18298

Leitsatz

Zulässigkeit des Individualantrags eines Arztes auf Aufhebung des strafbewehrten Verbotes des Forderns, sich Versprechen lassens oder Annehmens von Naturalrabatten durch die zur Verschreibung oder Abgabe von (im Erstattungskodex enthaltenen) Arzneimitteln berechtigten Personen; unmittelbarer und aktueller Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers; kein Anwendungsvorrang von EU-Recht mangels Widerspruch zu primärem und sekundärem Gemeinschaftsrecht; keine Verletzung des Eigentums- und des Gleichheitsrechtes; Werbebeschränkung im öffentlichen Interesse, insbesondere zur Sicherung des Vertrauens in eine Arzneimittelverschreibung nach fachlichen Kriterien; zulässige wettbewerbsrechtliche Zielsetzung im Sinne der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes

Spruch

Der Antrag wird, soweit er sich gegen § 55b Abs 1 des Bundesgesetzes über die Herstellung und das Inverkehrbringen von Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz), BGBl. 185/1983 idF BGBl. I 153/2005, richtet, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Antragsteller ist Arzt für Allgemeinmedizin mit Sitz in Niederösterreich. Er steht eigenen Angaben zufolge in einem Einzelvertragsverhältnis gemäß § 343 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) mit allen relevanten Krankenversicherungsträgern und verfügt über eine Konzession zur Führung einer Hausapotheke, woraus er ca. 61 vH seiner Umsätze erwirtschafte.

2. Gestützt auf Art 140 Abs 1 B-VG beantragt er, den § 55b zur Gänze sowie den § 84 Abs 1 Z 20a des Bundesgesetzes über die Herstellung und das Inverkehrbringen von Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz; im Folgenden: AMG), BGBl. 185/1983 idF BGBl. I 153/2005, in eventu nur den § 55b leg.cit. zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben, sowie den Zuspruch von Kosten.

Er begründet diesen Antrag im Wesentlichen damit, dass die gesetzliche Beschränkung der Gewährung von Naturalrabatten beim Einkauf von Medikamenten einen Eingriff in die Privatautonomie und daher eine Eigentumsbeschränkung darstelle. Zur Rechtfertigung dieses Eingriffes fehle es aber schon an einem öffentlichen Interesse, da keine empirischen Studien belegen würden, dass durch die Gewährung von Naturalrabatten andere als fachliche Erwägungen bei der Verschreibung und Abgabe von Medikamenten den Ausschlag gegeben hätten oder dass das Vertrauen der Patienten in die Verschreibe- und Abgabepraxis beeinträchtigt worden wäre. Unter Kostengesichtspunkten sei das Verbot von Naturalrabatten überdies "kontraproduktiv", da solche Rabatte durchwegs von Herstellern und Vertreibern von Generika gewährt würden, welche für die Krankenversicherungsträger ohnedies kostengünstiger seien. Es handle sich offenkundig um eine aus Anlass einer "medialen Kampagne im Sommer und Herbst 2005 ... politisch motiviert[e] Anlassgesetzgebung".

Der Eingriff in die Privatautonomie sei aber auch unverhältnismäßig. Das gänzliche Verbot von Naturalrabatten sei "überschießend", da es beispielsweise ausgereicht hätte, "einen bestimmten maximalen Prozentanteil am Gesamtumsatz, den Naturalrabatte nicht übersteigen dürfen, festzulegen." Es sei auch nicht erkennbar, warum Naturalrabatte zur Gänze verboten sein sollten, während durch § 55a AMG die Verkaufsförderung durch "finanzielle oder materielle Vorteile" - wozu auch Naturalrabatte zählten - nur verboten werde, soweit solche Vorteile nicht "von geringem Wert" seien. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung sei nicht erkennbar, sodass auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorliege. Das Verbot sei auch deshalb überschießend, weil es auch Medikamente erfasse, welche nicht auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern auf "Privatrezept" verschrieben und abgegeben würden.

Das angefochtene Verbot sei auch nicht erforderlich, weil es genügt hätte, Sanktionen für jene Fälle vorzusehen, in denen Medikamente aus unsachlichen, also rein wirtschaftlichen und nicht rein medizinischen Überlegungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung oder der Patienten verschrieben oder abgegeben würden. Solche Kontrollmechanismen, die auch das Vertrauen in die Verschreibe- und Abgabepraxis sicherten, bestünden aber bereits. So könnten die Krankenversicherungsträger die Übernahme der Kosten von Heilmitteln ablehnen, wenn eine Kostentragung iSd § 133 Abs 2 ASVG - wonach die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein muss, jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf - nicht gebühre. Auch würden die vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger erlassenen Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und Heilbehelfen eine ökonomische Verschreibweise von Arzneimitteln gewährleisten. Überdies werde durch die Regelung des § 351c ASVG über die Aufnahme von Medikamenten in den Erstattungskodex sichergestellt, dass darin nur für die Krankenversicherungsträger "kostengünstig[e]" enthalten seien. Bereits nach der geltenden Gesetzeslage sei daher dafür Vorsorge getroffen, dass die Sozialversicherungsträger nicht mit unnotwendigen Heilmittelkosten belastet würden.

Das angefochtene Verbot von Naturalrabatten sei überdies gleichheitswidrig, weil es nicht für Träger von (öffentlichen) Krankenanstalten gelte, obwohl in Krankenanstalten - "in sogar viel höherem Ausmaß als bei Hausapotheken führenden Ärzten" - Medikamente verschrieben und abgegeben würden.

Aus den dargelegten Gründen sei die angefochtene Regelung aber auch "EU-widrig", da das Verbot einer bestimmten Werbemaßnahme einen unzulässigen Eingriff in die Freiheit des Warenverkehrs darstelle.

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die angefochtenen Bestimmungen verteidigt und den Antrag stellt, diese nicht aufzuheben.

Die geschaffene Regelung diene der Vermeidung von potentiellen Interessenskonflikten bei der Verschreibung und der Abgabe von Arzneimitteln sowie der damit einhergehenden Störung des aus gesundheitspolitischer Sicht unentbehrlichen Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt bzw. Apotheker und Patient, also einem wichtigen öffentlichen Interesse, womit auch die Vermeidung einer zusätzlichen Inanspruchnahme der die Kosten für Arzneimittel tragenden gesetzlichen Sozialversicherung verbunden sei.

Das vom Gesetzgeber mit § 55b AMG idF BGBl. I 153/2005 verfolgte Ziel eines speziellen Verbotes für Naturalrabatte sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten habe, Naturalrabatte wären nicht vom Verbot des § 55 AMG (idF vor der Novelle BGBl. I 153/2005) erfasst. In der Folge habe sich in einigen Bereichen die Praxis etabliert, ärztlichen Hausapotheken pro Lieferung einer konkreten Arzneispezialität teilweise bis zu 200 vH Naturalrabatt zu gewähren.

Der Arzneimittelmarkt sei aufgrund seiner Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zum Wohl ihrer Gesundheit und im Interesse der Finanzierbarkeit durch die sozialen Krankenversicherungsträger preislich reguliert:

"Auf der ersten Wirtschaftsstufe, dem Fabriks-/Depotabgabepreis erfolgt die Preisgestaltung in Form eines Meldesystems. Auf die Meldung von Arzneimittelpreisen durch vertriebsberechtigte Unternehmen folgt eine Überprüfung der volkswirtschaftlichen Rechtfertigung der gemeldeten Preise durch eine beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen eingerichtete Preiskommission. Erfolgt binnen vier Wochen kein behördlicher Widerspruch, so gilt der vom Unternehmen vorgeschlagene Preis als genehmigt.

Auf der zweiten Wirtschaftsstufe, jener des Arzneimittelgroßhandels, werden durch die auf § 3 Preisgesetz gestützte Großhandelsspannenverordnung Höchstaufschläge auf die Fabriks-/Depotabgabepreise und damit wiederum maximale Apothekeneinstandspreise festgelegt.

Die dritte Wirtschaftsstufe stellt die Abgabe der Arzneimittel an den Letztverbraucher durch öffentliche Apotheken oder hausapothekenführende Ärzte dar. Durch die Österreichische Arzneitaxe werden für die Arzneimittel sowie die im Betrieb geleisteten Arbeiten maximale Apothekenverkaufspreise festgesetzt. Werden also aus dem Großhandel fertige Packungen zum Apothekeneinstandspreis bezogen, so kann der Apotheker oder hausapothekenführende Arzt beim Verkauf an den Letztverbraucher dem Apothekeneinstandspreis einen in der Arzneitaxe festgelegten, in Prozenten ausgedrückten Höchstaufschlag hinzurechnen.

Für den Fall, dass Arzneimittel auf Kosten der sozialen Krankenversicherung an die Versicherten abgegeben werden können, ist das preisrechtliche Regulierungssystem modifiziert. Auf Kassenkosten können Arzneimittel daher im Wesentlichen nur dann an die Versicherten abgegeben werden, wenn diese in den Erstattungskodex gemäß § 351c ff ASVG aufgenommen worden sind. Sollen sie in den Erstattungskodex aufgenommen werden oder sind sie bereits aufgenommen, unterliegen die Arzneimittel einer eigenen sozialversicherungsrechtlichen Preisregelung: Zunächst hat die Preiskommission gemäß § 9 PreisG die EU-Durchschnittspreise für Arzneimittel, die in den gelben oder roten Bereich des Erstattungskodex aufgenommen werden sollen, zu ermitteln. § 31 Abs 3 Z 12 lita und b ASVG bestimmen, dass dieser Preis als maximaler Erstattungspreis gilt.

Für den Zugang zur Green Box, jener Liste von Arzneimitteln also, die frei verschreibbar sind, normiert das ASVG, dass die Preisentscheidung das Ergebnis von Verhandlungen zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und dem vertriebsberechtigten Unternehmen ist. Nach den Verhandlungen entscheidet der Hauptverband hoheitlich über den Antrag auf Aufnahme einschließlich des Preises in den Erstattungskodex. Auch die Aufnahme von Generika in den Erstattungskodex ist gemäß § 351c Abs 10 ASVG von Preisverhandlungen zwischen dem HV und dem vertriebsberechtigten Unternehmen abhängig.

Die Großhandelsspannenverordnung sieht zugunsten der Sozialversicherungsträger für die im gelben und grünen Bereich des Erstattungskodex enthaltenen Arzneimittel geringere Höchstaufschläge vor. Die Höchstaufschläge sind um jeweils 2 % niedriger als für Arzneimittel, die nicht auf Kassenkosten verschrieben werden können, wodurch sich für diese Arzneimittel ein niedrigerer maximaler Apothekeneinstandspreis ergibt.

Weiters regelt § 3 der Österreichischen Arzneitaxe für begünstigte Bezieher von Arzneimitteln, worunter neben den Gebietskörperschaften und gemeinnützigen Krankenanstalten auch die Sozialversicherungsträger fallen, ermäßigte Zuschläge. § 3a verpflichtet Apotheker und hausapothekenführende Ärzte, die mit begünstigten Beziehern von Arzneimitteln einen bestimmten Jahresumsatz machen, nochmals zu einem Sondernachlass gegenüber den begünstigten Beziehern. Zuschläge gemäß § 6 Arzneitaxe dürfen bei der Abgabe von Arzneimitteln an begünstigte Bezieher nicht verrechnet werden.

Im Bezug auf die im gegenständlichen Verfahren maßgebliche Gewährung von Rabatten auf den maximalen Apothekeneinstandspreis beim Einkauf von Arzneimitteln durch Apotheker oder hausapothekenführende Ärzte hat das dargestellte System der Heilmittelabrechnung folgenden Effekt: Gewähren Arzneimittelhersteller oder Großhändler diesen Natural- oder Preisrabatte, so bezahlt der einkaufende Apotheker oder hausapothekenführende Arzt pro Arzneimittelpackung weniger als den maximalen Apothekeneinstandspreis, wie sich dieser aufgrund bescheidmäßiger Festlegung oder Errechnung auf der Grundlage des der Behörde gemeldeten Fabriks-/Depotabgabepreis ergibt. Verkaufen diese die Arzneimittel zu jenem maximalen Arzneimittelverkaufspreis, wie sich dieser aufgrund der Österreichischen Arzneitaxe errechnen lässt, so vergrößern sie damit ihre Gewinnspanne über das Ausmaß hinaus, das in der Arzneitaxe als Höchstaufschlag vorgesehen ist."

Dass für Naturalrabatte gemäß § 55b AMG ein absolutes Verbot bestehe, während vom Verbot der Gewährung, des Anbietens und des Versprechens von finanziellen oder materiellen Vorteilen im Rahmen der Verkaufsförderung Zuwendungen von geringem Wert, die für die medizinische oder pharmazeutische Praxis von Belang seien, ausgenommen würden, erkläre sich

"aus der unterschiedliche[n] Auswirkung von Naturalrabatten im Vergleich zu Geldrabatten oder sonstigen materiellen Zuwendungen im Sinne des § 55a AMG:

Zuwendungen gemäß § 55a AMG:

Der Gesetzgeber geht bei der Regelung von Zuwendungen gemäß § 55a AMG davon aus, dass der hausapothekenführende Arzt oder Apotheker einen unmittelbaren - geringen - wirtschaftlichen Vorteil lukrieren darf, der unterhalb der Schwelle des in § 55a AMG vorgesehenen - geringen - Maßes akzeptiert wird, weil im Rahmen einer Durchschnittsbetrachtung durch diese Zuwendungen nicht mehr Arzneimittel als medizinisch oder pharmazeutisch indiziert in Umlauf kommen. Das Verschreibe- und/oder Abgabeverhalten wird in wirtschaftlicher Hinsicht grundsätzlich nicht unsachlich durch diese im Wirtschaftsleben üblichen Zuwendungen beeinflusst.

Naturalrabatte gemäß § 55b AMG:

Dagegen erhält der Arzt bzw. der Apotheker bei einem Naturalrabatt zu seiner ursprünglich bestellten Warenmenge eine weitere Menge derselben Ware, ohne dass sich diese Mehrlieferung auf den ursprünglichen Gesamtpreis auswirkt. Damit kommen im Ergebnis durch derartige Rabattaktionen mehr Arzneimittel in Umlauf als ursprünglich benötigt, für die nicht nur die nach der Arzneitaxe zulässigen Höchstaufschläge, sondern auch der gesamte Wert der Ware (was sich aus dem oben darstellten Abrechnungssystem deutlich ergibt) als Vorteil beim Arzt oder Apotheker ankommen. Da auf dem Arzneimittelmarkt die Nachfrage nach Medikamenten nicht vom Konsumenten selbst, sondern im Wesentlichen durch Ärzte bestimmt wird, besteht dadurch jedoch die Gefahr, dass die durch den Naturalrabatt erhöhte Angebotsmenge von Medikamenten einen finanziellen Anreiz zu erhöhtem Medikamenten-Absatz schafft.

Es ist daher nahe liegend, dass das Verschreibe- und Abgabeverhalten durch Naturalrabatte in jedem Fall unmittelbar beeinflusst werden kann, während bei sonstigen Zuwendungen noch weitere Faktoren (siehe § 55a AMG) notwendig sind, um die vom Gesetzgeber verpönte unsachliche Beeinflussung der zur Verschreibung und Abgabe berechtigten Personen zu verwirklichen."

Die Verhältnismäßigkeit des Verbotes von Naturalrabatten ergebe sich auch aus der Beschränkung auf solche Arzneimittel, die im Erstattungskodex enthalten sind, also jenem Bereich, "in dem als Folge des ... Abrechnungssystems ein finanzieller Anreiz zur Änderung des Verschreibe- oder Abgabeverhaltens besonders zu vermuten ist". Auch bei jenen Arzneimitteln, die zwar im Erstattungskodex enthalten, aber nicht auf Kosten der Sozialversicherung abgegeben würden, bestehe die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Verschreibeverhaltens.

Das Verbot von Naturalrabatten solle schon dem Anschein einer Beeinflussung der ärztlichen oder pharmazeutischen Verschreibe- und Abgabepraxis vorbeugen und das Vertrauen der Patienten in deren fachgerechte Tätigkeit sicherstellen, sodass nachträgliche Überprüfungen und Sanktionen sozialversicherungs- oder disziplinarrechtlicher Natur keine gleichwertigen Alternativen darstellten. § 133 ASVG regle überdies den Leistungsanspruch gegenüber der Krankenversicherung und habe nicht wie § 55b AMG den Arzt als Normadressaten.

Das Verbot von Naturalrabatten richte sich nur an die zur Verschreibung oder Abgabe berechtigten (natürlichen) Personen, nicht jedoch an Krankenanstalten. Nur erstere könnten angesichts des Ziels der Vermeidung einer unsachlichen Beeinflussung bei der Verschreibung oder Abgabe von Arzneimitteln Normadressat eines solchen Verbotes sein, nicht hingegen die Träger von Krankenanstalten im Rahmen der Beschaffung von Arzneimitteln, die überdies Arzneimittelkosten nicht an die Krankenversicherungsträger weiterverrechnen könnten. Diese Unterscheidung sei daher nicht unsachlich. Sie sei aber auch sachlich gerechtfertigt, da anders als im Fall von Apotheken oder von hausapothekenführenden Ärzten bei Krankenanstalten durch die Gewährung von Naturalrabatten kein im Vergleich zu Geldrabatten verstärkter finanzieller Anreiz zur Verschreibung und Abgabe gratis bezogener Arzneimittel bestehe, da sie beim Bezug von Arzneimitteln Endverbraucher seien. Überdies sei der Einkauf als unternehmerische Tätigkeit von der ärztlichen Betreuung getrennt, sodass die Behandlungspraxis nicht von denselben wirtschaftlichen Motiven geleitet werde, wie dies bei hausapothekenführenden Ärzten der Fall sein könne.

II. Die hier maßgeblichen Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. Die einschlägigen arzneimittelrechtlichen Regelungen:

§ 55 AMG lautete vor der Novelle BGBl. I 153/2005:

"§55. (1) Im Rahmen der Verkaufsförderung für Arzneimittel bei den zu deren Verschreibung oder Abgabe berechtigten Personen ist es verboten, diesen eine Prämie, finanzielle oder materielle Vorteile zu gewähren, anzubieten oder zu versprechen, es sei denn, diese sind von geringem Wert und für die medizinische oder pharmazeutische Praxis von Belang. Der Repräsentationsaufwand im Rahmen der Verkaufsförderung hat darüberhinaus in einem vertretbaren Rahmen zu bleiben. Den zur Verschreibung oder zur Abgabe berechtigten Personen ist es untersagt, eine Prämie, finanzielle oder materielle Vorteile zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen.

(2) Der Bundesminister für Gesundheit und Frauen kann durch Verordnung nähere Bestimmungen hinsichtlich Art und Umfang des zulässigen Rahmens des Repräsentationsaufwands und Bestimmungen darüber erlassen, wann von einem geringen Wert oder bereits von Prämien oder finanziellen oder materiellen Vorteilen auszugehen ist. Dabei ist insbesondere Bedacht zu nehmen, in welchem Rahmen Zuwendungen zur Verkaufsförderung sowie Bewirtungsmaßnahmen im Zuge von Werbe- und Informationsveranstaltungen nur von untergeordneter Bedeutung sind."

Mit der Novelle des AMG BGBl. I 153/2005 wurde diese Bestimmung als § 55a neu gefasst und mit einem neuen § 55b in den - "Werbebeschränkungen" enthaltenden - V. Abschnitt des AMG eingefügt. Diese lauten (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"§55a. (1) Im Rahmen der Verkaufsförderung für Arzneimittel bei den zur Verschreibung oder Abgabe berechtigten Personen ist es verboten, diesen eine Prämie, finanzielle oder materielle Vorteile zu gewähren, anzubieten oder zu versprechen, es sei denn, diese sind von geringem Wert und für die medizinische oder pharmazeutische Praxis von Belang.

(2) Der Repräsentationsaufwand im Zusammenhang mit Veranstaltungen zur Verkaufsförderung muss immer streng auf deren Hauptzweck begrenzt sein und darf nicht anderen Personen als den zur Verschreibung oder zur Abgabe berechtigten Personen gelten.

(3) Die Bestimmungen des Abs 1 stehen der direkten oder indirekten Übernahme von angemessenen Reise- und Aufenthaltskosten und der Teilnahmegebühren bei ausschließlich berufsbezogenen wissenschaftlichen Veranstaltungen nicht entgegen; der Repräsentationsaufwand muss immer streng auf den wissenschaftlichen Hauptzweck der Veranstaltung begrenzt sein; die Übernahme von Reise- und Aufenthaltskosten und der Teilnahmegebühren sowie der Repräsentationsaufwand dürfen nicht anderen Personen als zur Verschreibung oder zur Abgabe berechtigten Personen gelten.

(4) Den zur Verschreibung oder zur Abgabe berechtigten Personen ist es untersagt, entgegen Abs 1 bis 3 eine Prämie, finanzielle oder materielle Vorteile zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen.

(5) Der Bundesminister für Gesundheit und Frauen kann durch Verordnung nähere Bestimmungen erlassen,


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1.
wann von einem geringen Wert von Prämien oder finanziellen oder materiellen Vorteilen auszugehen ist,


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2.
hinsichtlich Art und Umfang des zulässigen Repräsentationsaufwandes im Zusammenhang mit Veranstaltungen zur Verkaufsförderung einschließlich der Auswahl des Tagungsortes und der Bewirtung,


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3.
welche Kriterien eine Veranstaltung erfüllen muss, um als ausschließlich berufsbezogene wissenschaftliche Veranstaltung im Sinne des Abs 3 zu gelten,


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4.
hinsichtlich der Angemessenheit von Reise- und Aufenthaltskosten bei berufsbezogenen wissenschaftlichen Veranstaltungen, und


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5.
hinsichtlich Art und Umfang des zulässigen Repräsentationsaufwandes im Zusammenhang mit berufsbezogenen wissenschaftlichen Veranstaltungen einschließlich der Auswahl des Tagungsortes.

Dabei ist insbesondere Bedacht zu nehmen, dass jeglicher Anschein der unsachlichen Beeinflussung von zur Verschreibung und Abgabe berechtigten Personen in ihrer Therapieentscheidung oder -empfehlung vermieden wird.

Naturalrabatte

§55b. (1) Die Gewährung, das Anbieten und das Versprechen von Naturalrabatten an zur Verschreibung oder Abgabe berechtigte Personen ist verboten, sofern es sich dabei um Arzneimittel handelt, die im vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger herausgegebenen Erstattungskodex enthalten sind.

(2) Das Fordern, das sich Versprechen lassen oder das Annehmen von durch Abs 1 erfassten Naturalrabatten durch die zur Verschreibung oder Abgabe berechtigten Personen ist verboten."

Die Strafbestimmung des § 84 AMG idF BGBl. I 153/2005 lautet auszugsweise (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"§84. (1) Wer

...


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20.
entgegen § 55a oder einer auf seiner Grundlage erlassenen Verordnung eine Prämie, finanzielle oder materielle Vorteile fordert, sich versprechen lässt oder annimmt,


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20a.
entgegen § 55b Naturalrabatte fordert, sich versprechen lässt oder annimmt,


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...

macht sich, wenn die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist mit Geldstrafe bis zu 25 000 Euro, im Wiederholungsfalle bis zu 50 000 Euro zu bestrafen.

(2) Der Versuch ist strafbar."

Zu § 55b AMG heißt es in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1029 BlgNR 22. GP, 8 f):

"In den letzten Jahren hat sich im Zusammenhang mit der Abgabe von Arzneimitteln durch die Gewährung von Naturalrabatten an die zur Verschreibung oder zur Abgabe berechtigten Personen ein System etabliert, das nach geltender Rechtslage zwar nicht als rechtswidrig bezeichnet werden kann, das aber durch die Höhe der gewährten Rabatte (teilweise sogar deutlich über 100 %), das Vertrauen in die allein nach fachlichen Überlegungen zu treffende Verschreibung bzw. Abgabe zu beeinträchtigen und überdies zu Lasten der die Kosten für Arzneimitteln tragenden gesetzlichen Krankenversicherung gehen kann.

Aus diesem Grund sieht der neue § 55b AMG vor, dass die Gewährung, das Anbieten und das Versprechen von Naturalrabatten an zur Verschreibung oder Abgabe berechtigte Personen verboten ist, sofern es sich dabei um Arzneimittel handelt, die im vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger herausgegebenen Erstattungskodex enthalten sind.

Da die Gewährung von Geldrabatten im Wirtschaftsleben ein durchaus üblicher Vorgang ist, zielt die intendierte Regelung allein auf die Gewährung von Naturalrabatten im Arzneimittel-Geschäft ab.

Ausgehend von der Überlegung, dass Eingriffe der Gesetzgebung in das Wirtschaftsleben auf die tatsächlich gebotenen Regelungen zu beschränken sind, soll die Regelung auch lediglich die im Erstattungskodex enthaltenen Arzneimittel erfassen, da in dem durch das Erstattungssystem geschaffenen wirtschaftlichen Umfeld ein finanzieller Anreiz zur Änderung des Verschreibe- oder Abgabeverhaltens besonders zu vermuten ist. Darüber hinaus ist dies auch jener Bereich, in dem das schon zuvor erwähnte Schutzbedürfnis der gesetzlichen Krankenversicherung liegt."

2. Die Berechtigung zur Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln bestimmt sich im Wesentlichen wie folgt:

Gemäß § 59 Abs 1 AMG dürfen Arzneimittel - von im vorliegenden Zusammenhang nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - nur durch Apotheken abgegeben werden. Gemäß §§28 ff des Gesetzes betreffend die Regelung des Apothekenwesens (Apothekengesetz), RGBl. 5/1907 idgF, kann die Abgabe von Arzneimitteln nach Maßgabe der dort näher geregelten Bestimmungen (vgl. insb § 30) auch durch Ärzte erfolgen (ärztliche Hausapotheke).

§ 350 ASVG regelt die Abgabe von Heilmitteln auf Rechnung der Sozialversicherung. Diese Bestimmung lautet auszugsweise:

"§350. (1) Heilmittel (§136) und Heilbehelfe (§137) usw. dürfen für Rechnung der Krankenversicherungsträger von Apothekern und Hausapotheken führenden Ärzten nur unter folgenden Voraussetzungen abgegeben werden:


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1.
Bestehen eines Vertragsverhältnisses mit dem Krankenversicherungsträger,

2. Verordnung


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a)
durch einen/eine Vertragsarzt/Vertragsärztin, Vertragszahnarzt/Vertragszahnärztin, Vertragsdentist/Vertragsdentistin (eine Vertrags-Gruppenpraxis) oder


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b)
durch einen ermächtigten/eine ermächtigte Arzt/Ärztin oder Zahnarzt/Zahnärztin, der/die bei einer Vertragskrankenanstalt beschäftigt ist, welche mit dem zuständigen Sozialversicherungsträger eine Vereinbarung über Verordnungen abgeschlossen hat,


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-
bei der Entlassung von PatientInnen aus der stationären Pflege oder


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-
während der Nachtstunden, an Wochenenden oder Feiertagen, wenn die Verordnung wegen Unaufschiebbarkeit der ärztlichen oder zahnärztlichen Handlung erforderlich ist, und


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3.
Verschreibbarkeit nach den Regeln des vom Hauptverband herausgegebenen Erstattungskodex (§31 Abs 3 Z 12) und nach den Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise (§31 Abs 5 Z 13).

(2) Verschreibungen von Heilmitteln durch Wahlärzte/Wahlärztinnen, Wahlzahnärzte/Wahlzahnärztinnen, Wahldentisten/Wahldentistinnen oder Wahl-Gruppenpraxen (§131 Abs 1) sind, wenn die Anspruchsberechtigung gegeben und die Verordnung nach den Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise zugelassen ist, im Falle der Bestätigung durch den Versicherungsträger den von den Vertragsärzten/Vertragsärztinnen, Vertragszahnärzten/Vertragszahnärztinnen und Vertragsdentisten/Vertragsdentistinnen (Vertrags-Gruppenpraxen) ausgestellten Rezepten gleichzustellen.

(3) ...

(4) Die Wahl der Apotheke nach Abs 1 obliegt dem (der) Anspruchsberechtigten; die Zuweisung an eine bestimmte Apotheke ist unzulässig."

Gemäß § 3 Abs 1 litc des Bundesgesetzes über die Abgabe von Arzneimitteln auf Grund ärztlicher Verschreibung (Rezeptpflichtgesetz), BGBl. 413/1972 idgF, hat ein Rezept "die Bezeichnung des verordneten Arzneimittels" zu enthalten.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Gemäß Art 140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art 140 Abs 1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001).

1.2. Der Antragsteller beantragt die Aufhebung des § 55b AMG idF BGBl. I 153/2005 "zur Gänze". Er sei auch unmittelbar von dem in Abs 1 dieser Bestimmung enthaltenen, gegen sämtliche seiner potentiellen Vertragspartner gerichteten Verbot betroffen, "weil ein nur gegen sämtliche potentielle Vertragspartner (Heilmittelhersteller und -vertreiber) gerichtetes inhaltliches Vertragsverbot auch gegen den Antragsteller wirkt und umgekehrt". Die Abs 1 und 2 des § 55b AMG stünden daher in einem untrennbaren Zusammenhang.

1.3. Der Antragsteller vermag nicht darzutun, dass auch § 55b Abs 1 AMG in seine Rechtssphäre eingreift. Während sich das in Abs 2 dieser Bestimmung enthaltene Verbot an "zur Verschreibung oder Abgabe [von Arzneimitteln] berechtigte Personen" - wozu auch der Antragsteller als hausapothekenführender Arzt zählt (vgl. §§28 ff ApothekenG) - richtet, können Adressaten des in Abs 1 enthaltenen Verbotes nur jene sein, die Arzneimittel an "zur Verschreibung oder Abgabe berechtigte Personen" weitergeben, also insbesondere Arzneimittelhersteller und -händler, nicht aber Ärzte. Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, dass § 55b Abs 1 AMG die wirtschaftliche Position des Antragstellers unter Umständen dadurch beeinflusst, dass seine potentiellen Vertragspartner keine Vereinbarungen der in der angefochtenen Norm verbotenen Art mit ihm treffen dürfen; dabei handelt es sich jedoch nur um wirtschaftliche Reflexwirkungen der angefochtenen Norm (vgl. VfSlg. 9221/1981 zur Festlegung höchstzulässiger Verbraucherpreise für Benzin, die in die Rechtsstellung der Inhaber von Tankstellen, nicht jedoch in jene ihrer Kunden eingreift). Daher ist hinsichtlich § 55b Abs 1 AMG die für die Zulässigkeit eines Individualantrages auf Normenkontrolle notwendige Voraussetzung, dass die angefochtene Norm in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreift, nicht gegeben.

Es liegt aber auch kein untrennbarer Zusammenhang der Abs 1 und 2 des § 55b AMG vor; die Aufhebung bloß des Abs 2 würde den verbleibenden Abs 1 weder unverständlich noch unanwendbar machen und auch den Sinn dieser Norm nicht verändern.

1.4. Der Antrag war daher, insoweit er sich auch gegen § 55b Abs 1 AMG richtet, mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen.

1.5. Im Übrigen ist der Antrag zulässig:

1.5.1. § 55b Abs 2 und § 84 Abs 1 Z 20a AMG normieren ein strafbewehrtes Verbot, Naturalrabatte zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen. Dieses Verbot trifft den Antragsteller als zur Verschreibung und Abgabe von im Erstattungskodex enthaltenen Arzneimitteln berechtigte Person unmittelbar und aktuell in seiner Rechtssphäre (vgl. etwa VfSlg. 12.379/1990, 15.509/1999); auch steht ihm kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, um die Frage der Verfassungsmäßigkeit der bekämpften Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, zumal es einem Normunterworfenen nicht zumutbar ist, ein verwaltungsbehördliches Strafverfahren zu provozieren und in diesem die Verfassungswidrigkeit der Verbotsnorm einzuwenden (vgl. zB VfSlg. 14.260/1995; zuletzt etwa VfSlg. 17.731/2005).

1.5.2.a) Der Antrag ist aber auch im Hinblick auf den auch vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmenden Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts nicht unzulässig. Dies wäre dann der Fall, wenn der bekämpften Norm unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht entgegenstünde, weil in diesem Fall auszuschließen wäre, dass der Antragsteller durch die bekämpfte Norm iSd Art 140 Abs 1 B-VG in seinen Rechten verletzt sein könnte. Anders als bei der Entscheidung der Präjudizialitätsfrage in von Amts wegen eingeleiteten Normenprüfungsverfahren (vgl. zB VfSlg. 15.215/1998) kann ein Individualantrag nach Art 140 Abs 1 B-VG nur dann als zulässig angesehen werden, wenn feststeht, dass der Anwendbarkeit der bekämpften Norm nicht unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht entgegensteht (VfSlg. 15.771/2000).

b) Der Verfassungsgerichtshof hat keine Bedenken, dass dem § 55b Abs 2 (bzw. der Strafbestimmung des § 84 Abs 1 Z 20a) AMG unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht entgegenstünde.

c) Ein Widerspruch zu sekundärem Gemeinschaftsrecht und im Besonderen zur Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, ABl. 2001 L 311, S 67, idF der Richtlinie 2004/27/EG, ABl. 2004 L 136, S 34, liegt nicht vor. Gemäß Art 94 Abs 1 dieser Richtlinie ist es im Rahmen der Verkaufsförderung für Arzneimittel bei den zu ihrer Verschreibung oder Abgabe berechtigten Personen verboten, diesen eine Prämie, finanzielle oder materielle Vorteile zu gewähren, anzubieten oder zu versprechen, es sei denn, sie sind von geringem Wert und für die medizinische oder pharmazeutische Praxis von Belang. Abs 3 dieses Artikels bestimmt, dass die zur Verschreibung oder Abgabe von Arzneimitteln berechtigten Personen keine der aufgrund von Abs 1 untersagten Anreize verlangen oder annehmen dürfen. Gemäß Art 94 Abs 4 der Richtlinie lassen diese Vorschriften die in den Mitgliedstaaten bestehenden Maßnahmen oder Handelspraktiken hinsichtlich der Preise, Gewinnspannen und Rabatte unberührt.

Der Oberste Gerichtshof (, 4 Ob 346/98f) hat (zu Art 9 Abs 4 der Richtlinie 92/28/EWG über die Werbung für Humanarzneimittel, ABl. 1992 L 113, S 13, der Vorgängerbestimmung des Art 94 Abs 4 der Richtlinie 2001/83/EG) ausgesprochen, dass Naturalrabatte unter den Ausnahmetatbestand des "Rabatt[es]" fallen (und sie daher "richtlinienkonform" vom Verbot des § 55 AMG idF vor der Novelle BGBl. I 153/2005 ausgenommen). Selbst wenn Zweifel an diesem Auslegungsergebnis bestünden, würde § 55b Abs 2 AMG lediglich die Umsetzung des in Art 94 Abs 3 der Richtlinie 2001/83/EG enthaltenen Verbotes für die zur Verschreibung oder Abgabe von Arzneimitteln berechtigten Personen, Anreize zu verlangen oder anzunehmen, darstellen, und läge ein Widerspruch zu sekundärem Gemeinschaftsrecht auch insoweit offenkundig nicht vor.

d) Den angefochtenen Bestimmungen stünde aber auch unmittelbar anwendbares primäres Gemeinschaftsrecht nicht entgegen.

Wie der Europäische Gerichtshof in Zusammenhang mit einem Werbeverbot für Apotheker unter Berufung auf das Urteil in der Rechtssache Keck ua. ( verb. Rs. C-267/91, C-268/91, Slg. 1993, I-06097) ausgesprochen hat, ist die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so ist die Anwendung derartiger Regelungen auf den Verkauf von Erzeugnissen aus einem anderen Mitgliedstaat, die den von diesem Staat aufgestellten Bestimmungen entsprechen, nicht geeignet, den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tut. Diese Regelungen fallen daher nicht in den Anwendungsbereich von Art 28 EG (, Huenermund ua., Slg. 1993, I-06787, Rz 21).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt: Bei § 55b Abs 2 AMG handelt es sich um eine Maßnahme der "Werbebeschränkung" (vgl. den V. Abschnitt des AMG, der in Umsetzung des Titels VIII der Richtlinie 2001/83/EG ["Werbung"] ergangen ist); sie betrifft nicht die Merkmale des Produktes, sondern lediglich die Modalitäten seines Absatzes (vgl. hinsichtlich eines Verbotes der Fernsehwerbung , Leclerc-Siplec, Slg. 1995, I-00179, Rz 22 f), ohne nach der Herkunft der betroffenen Arzneimittel zu unterscheiden. Eine solche Regelung berührt aber den Absatz der Waren aus anderen Mitgliedstaaten weder rechtlich noch tatsächlich in anderer Weise als den der inländischen Waren. Im Gegensatz etwa zu einem Versandhandelsverbot für Arzneimittel kommt es durch das Verbot von Naturalrabatten, das nur eine bestimmte Form der Förderung des Absatzes untersagt, nämlich nicht zu einer Behinderung des Marktzugangs für Arzneimittel aus anderen Mitgliedstaaten (vgl. , DocMorris, Slg. 2003, I-14887, Rz 70 ff, insb 74).

Es ist daher ausgeschlossen, dass eine Regelung wie die des § 55b Abs 2 (bzw. des § 84 Abs 1 Z 20a) AMG in den Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit fallen könnte.

e) Der Verfassungsgerichtshof geht folglich davon aus, dass der Anwendung der bekämpften Normen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht nicht entgegensteht, der Antragsteller durch diese Normen somit iSd Art 140 Abs 1 B-VG in seinen Rechten verletzt sein könnte.

1.5.3. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag insoweit zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg. 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg. 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Der Antragsteller behauptet einen unzulässigen Eingriff in das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums sowie eine Verletzung des Gleichheitssatzes. Er hegt im Wesentlichen das Bedenken, dass das strafbewehrte Verbot des Forderns, sich Versprechen lassen oder Annehmens von Naturalrabatten seine Privatautonomie unzulässig einschränke und weder durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt, noch erforderlich oder verhältnismäßig sei.

2.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 12.227/1989, 14.075/1995 mwH) kann der Gesetzgeber verfassungsrechtlich unbedenklich Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes auf Unversehrtheit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Grundsatz verstößt und soweit die Eigentumsbeschränkung im vffentlichen Interesse liegt; bei der Normierung von im öffentlichen Interesse liegenden Eigentumsbeschränkungen hat der Gesetzgeber den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten; auch eine im öffentlichen Interesse gelegene Eigentumsbeschränkung muss somit in einem angemessenen Verhältnis zu dem durch sie bewirkten Eingriff in das Eigentum stehen: Es muss zum einen bei einer Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Regelung und dem Interesse des Betroffenen an der Vermeidung des Eigentumseingriffes das öffentliche Interesse überwiegen und es darf ferner der zur Verwirklichung einer im überwiegenden öffentlichen Interesse getroffenen Regelung vorgenommene Eigentumseingriff nicht weiter gehen als dies zur Erreichung des Regelungszieles notwendig ist.

2.4.1. Der Verfassungsgerichtshof hat keine Zweifel, dass das mit dem Verbot von Naturalrabatten verfolgte Ziel der Sicherung des Vertrauens in eine nach rein fachlichen Kriterien erfolgende Verschreibung bzw. Abgabe von Arzneimitteln sowie - damit einhergehend - die Vermeidung einer zusätzlichen Inanspruchnahme der sozialen Krankenversicherung wichtige öffentliche Interessen darstellen (vgl. die oben wiedergegebenen Materialien RV 1092 BlgNR 22. GP, 8).

2.4.2. Wie die Bundesregierung zutreffend hervorhebt, hat der Gesetzgeber mit der angefochtenen Norm auf Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Wettbewerbsverfahren reagiert, wonach Naturalrabatte nicht von dem in § 55 AMG idF vor der Novelle BGBl. I 153/2005 normierten Verbot von "Prämie[n], finanzielle[n] oder materielle[n] Vorteile[n]" umfasst seien (vgl. ; vgl. auch ). § 55b AMG dient daher auch zur Verhinderung der Umgehung des nunmehr in § 55a AMG geregelten, in Umsetzung des Art 94 der Richtlinie 2001/83/EG ergangenen (vgl. RV 1092 BlgNR 22. GP, 8) Verbotes solcher Vorteile und hat insoweit auch eine zulässige wettbewerbsrechtliche Zielsetzung.

2.4.3. Angesichts der von der Bundesregierung nachvollziehbar dargestellten unterschiedlichen Eignung von Naturalrabatten einerseits und sonstigen materiellen Vorteilen andererseits, das Verschreibe- und Abgabeverhalten zu beeinflussen, war der Gesetzgeber von Verfassung wegen nicht gehalten, eine dem § 55a AMG vergleichbare Geringfügigkeitsschwelle in das Verbot der Naturalrabatte einzuziehen.

2.4.4. Es kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass das angegriffene Verbot tatsächlich geeignet ist, eine durch die Gewährung von wirtschaftlichen Vorteilen und somit durch Umstände, die abseits medizinischer und pharmazeutischer Gesichtspunkte liegen, beeinflusste Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln hintanzuhalten.

2.4.5.a) Die angefochtene Regelung soll - worauf die Bundesregierung zu Recht hinweist - aber schon dem Anschein bzw. Verdacht einer nicht bloß fachlich motivierten Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln vorbeugen. Dem Gesetzgeber kann nicht entgegengetreten werden, wenn er dafür ein pauschales Verbot von Naturalrabatten zusätzlich zu den vom Antragsteller ins Treffen geführten, bestehenden "Kontrollmechanismen" für notwendig erachtet. Weder wäre eine nachträgliche Kontrolle, ob eine Verschreibung und Abgabe in allen Fällen ausschließlich aufgrund fachlicher Überlegungen erfolgt ist, effektiv möglich (vgl. auch Windisch-Graetz, Zur Frage der Zulässigkeit von Rabatten für Apotheker und hauspothekenführende Ärzte, RdM 2006, 67 [79]), noch eine (chef[kontroll]ärztliche) Genehmigung im Vorhinein in jedem einzelnen Fall medizinisch oder gesundheitsökonomisch vertretbar, wie schon die Regelung über den Erstattungskodex belegt (vgl. § 31 Abs 3 Z 12 ASVG).

b) Der Antragsteller übersieht zudem, dass § 133 Abs 2 ASVG den sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruch des Versicherten aus der gesetzlichen Krankenversicherung regelt und nicht - wie § 55b Abs 2 AMG - die zur Verschreibung oder Abgabe berechtigten Personen als Normadressaten hat. Die Richtlinien über eine ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und Heilbehelfen wiederum regeln lediglich im Vorhinein die definitive Kostentragung durch die Krankenversicherung sowie jene Fälle, in denen ausnahmsweise der Krankenversicherungsträger selbst über die Erbringung einer Sachleistung der Krankenversicherung, nämlich die Verschreibung eines Heilmittels, an den Versicherten entscheidet (vgl. zu den insoweit inhaltlich vergleichbaren Richtlinien über die Berücksichtigung ökonomischer Grundsätze bei der Krankenbehandlung VfSlg. 15.776/2000). Schließlich ist die Aufnahme in den Erstattungskodex bloß Voraussetzung für die Abgabe von Arzneimitteln auf Rechnung der Sozialversicherung, bestimmt also nur den Kreis der auf Kosten eines Krankenversicherungsträgers erhältlichen Arzneimittel, garantiert aber keineswegs die - mit dem Verbot von Naturalrabatten abgesicherte - Verschreibung und Abgabe dieser Arzneimittel frei von anderen als rein fachlichen Motiven.

2.4.6. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers erfasst das Verbot nicht auch jegliche auf "Privatrezept" abgegebene Arzneimittel, sondern nur jene, die im Erstattungskodex enthalten sind, dh. auf Kosten der Krankenversicherung (wenngleich zT erst nach chef[kontroll]ärztlicher Genehmigung, nach Gleichstellung eines Wahlarztrezeptes gemäß § 350 Abs 2 ASVG oder nach Einreichung zur Kostenerstattung gemäß § 131 ASVG) abgegeben werden können. Insoweit dient die angefochtene Regelung aber - wie bereits ausgeführt - dem Ziel der Vermeidung einer zusätzlichen Inanspruchnahme der gesetzlichen Sozialversicherung (vgl. RV 1092 BlgNR 22. GP, 8). Die nach dem Vorgesagten somit zulässigen rechtpolitischen Zielen dienende und hiezu auch geeignete gesetzliche Regelung wird nicht durch den Umstand unverhältnismäßig oder sonst unsachlich, dass ein (Nichtvertrags-)Arzt auch Patienten haben mag, die entweder eine Verschreibung eines Arzneimittel trotz Berechtigung hiezu (vgl. § 131 Abs 1 und § 350 Abs 2 ASVG) nicht zur Kostenübernahme durch den Krankenversicherungsträger einreichen wollen oder - in gewiss ganz seltenen Fällen - mangels bestehenden Krankenversicherungsschutzes nicht einreichen können.

2.4.7. Der vom Beschwerdeführer gezogene Vergleich mit Krankenanstalten mag die Verfassungswidrigkeit der Regelung schon deshalb nicht darzutun, da die Anschaffung, Abgabe sowie die Finanzierung von Arzneimitteln in Krankenanstalten - wie die Bundesregierung zurecht hervorhebt - anderen Gesichtspunkten folgt als die Verschreibung und Abgabe durch niedergelassene Ärzte und Apotheker, und allfällige Vorteile aus Naturalrabatten dem Krankenanstaltenträger und nicht unmittelbar den Ärzten zukommen, die über die Abgabe der Arzneimittel entscheiden. Es kann daher offen bleiben, ob die Annahme des Antragstellers, dass Krankenanstalten vom Verbot von Naturalrabatten nicht erfasst sind, überhaupt zutrifft.

2.5. Aus denselben Gründen liegt auch ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz nicht vor.

2.6. Ob die angefochtene Regelung aus anderen als vom Antragsteller vorgebrachten Gründen verfassungswidrig sein könnte, war vom Verfassungsgerichtshof angesichts der Bindung an die vorgebrachten Bedenken nicht zu prüfen.

3. Soweit sich der Antrag daher zulässigerweise gegen § 55b Abs 2 und § 84 Abs 1 Z 20a AMG richtet, war er abzuweisen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG abgesehen werden.