VfGH vom 28.06.2011, g11/11

VfGH vom 28.06.2011, g11/11

Sammlungsnummer

19427

Leitsatz

Kompetenzwidrigkeit einer Regelung des Tiroler Grundverkehrsgesetzes über die Genehmigungspflicht jedes originären Eigentumserwerbs, zB durch Ersitzung, an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken; keine zulässige akzessorische Regelung

Spruch

I. § 4 Abs 2 litb des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996, LGBl. für Tirol Nr. 61 in der Fassung LGBl. Nr. 85/2005, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

III. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

IV. Der Landeshauptmann von Tirol ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt für Tirol verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl B640/09 eine auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen Bescheid der Landesgrundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im Folgenden: LGVK), vom anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Mit Antrag vom zeigten die Beschwerdeführer im Anlassverfahren - ein Ehepaar - bei der Bezirks-Grundverkehrskommission (im Folgenden: BGVK) einen gerichtlichen Vergleich vom an, der vor dem Bezirksgericht Innsbruck zwischen den Beschwerdeführern als außerbücherlichen Eigentümern und dem grundbücherlichen Eigentümer abgeschlossen wurde und eine näher bezeichnete Liegenschaft betrifft. In diesem Vergleich erteilt der bücherliche Eigentümer ausdrücklich und unwiderruflich die Einwilligung, dass auf Grund der eingetretenen Ersitzung an dem bezeichneten Grundstück die Einverleibung des Eigentumsrechtes für die Beschwerdeführer je zur Hälfte erfolge.

Die Beschwerdeführer bringen in ihrem Antrag vor, dass es sich bei diesem Grundstück um eine im Freiland liegende Wiese handle, die von ihnen seit mehr als 30 Jahren wie von Eigentümern genutzt worden sei. Seit dieser Zeit würden von ihnen auch die gesamten Grundabgaben beglichen. Hinsichtlich dieser Liegenschaft würden sie bei der Gemeinde A. und beim Finanzamt als Eigentümer geführt.

§ 4 Abs 2 litb des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 (im Folgenden: TirGVG 1996) unterstelle jeden originären Erwerb des Eigentums an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken der Genehmigungspflicht. Nach Auffassung der Beschwerdeführer unterliege aber der Rechtserwerb der Ersitzung als originäre Erwerbsform keiner grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, da unter die Kompetenz des Landesgesetzgebers betreffend den "Grundverkehr" nur der rechtsgeschäftliche Liegenschaftsverkehr falle.

Unter Hinweis auf das Verbot der Inländerdiskriminierung stützen sich die Beschwerdeführer subsidiär auf das , Ospelt, Slg. 2003, I-09743, und weisen darauf hin, dass die ordentliche Bewirtschaftung durch mehr als 30 Jahre durch Verpachtung sichergestellt sei und die Beschwerdeführer bereit seien, den bestehenden Pachtvertrag auch weiterhin aufrecht zu erhalten.

Die Beschwerdeführer beantragten, die BGVK möge feststellen, dass für den gegenständlichen Rechtserwerb keine Genehmigung erforderlich sei, in eventu möge die Genehmigung erteilt werden, da die ordnungsgemäße Bewirtschaftung sichergestellt sei.

1.2. Die BGVK versagte dem Rechtserwerb die Genehmigung. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung wies die LGVK mit Bescheid u. a. deswegen als unbegründet ab, weil eine Selbstbewirtschaftung der Liegenschaft durch die Erwerber nicht beabsichtigt sei.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der den Bescheid mit Erkenntnis vom , B2138/07, wegen Anwendung einer rechtswidrigen Norm (vgl. VfSlg. 18.656/2008) aufhob.

1.3. Mit Ersatzbescheid vom wies die LGVK nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung die Berufung wiederum als unbegründet ab und änderte den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend ab, dass gemäß § 4 Abs 2 litb iVm § 6 Abs 1 lita TirGVG 1996 dem Rechtserwerb die Genehmigung versagt werde.

Begründend führt die LGVK aus:

Außer Streit stehe, dass es sich um ein land- bzw. forstwirtschaftliches Grundstück im Sinne der Bestimmungen des § 2 Abs 1 TirGVG 1996 handle und die Beschwerdeführer keine Ausländer seien.

Die Beschwerdeführer hätten eine Vergleichsausfertigung des Bezirksgerichtes Innsbruck vorgelegt, wonach der Beklagte dem Rechtserwerb zustimme und seine ausdrückliche und unwiderrufliche Einwilligung hinsichtlich des in Rede stehenden Grundstückes zur grundbücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechtes für die Beschwerdeführer je zur Hälfte erteilt habe. Die LGVK gehe davon aus, dass es sich bei dem gegenständlichen Erwerb um einen originären Rechtserwerb handle, der nach § 4 Abs 2 litb TirGVG 1996 der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfe. Die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 leg.cit. müssten auch hier erfüllt werden.

Das Grundstück, GB A., habe ein Ausmaß von 2.797 m2. Die Beschwerdeführer hätten sonst keine landwirtschaftlichen Grundstücke und auch keine Hofstelle. Das Grundstück sei keine ausreichende Betriebsbasis zur Führung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes. Durch den Erwerb je eines ideellen Hälfteanteils würden die gegenwärtigen Besitzverhältnisse in eine agrarpolitisch unerwünschte Richtung verändert werden. Der Rechtserwerb widerspreche daher den öffentlichen Interessen an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes bzw. dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes.

1.4. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gemäß Art 144 Abs 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof werden insbesondere Bedenken ob der Kompetenzwidrigkeit des § 4 Abs 2 litb TirGVG 1996 unter Hinweis darauf vorgebracht, dass das Bundesministerium für Justiz bereits in der zusammenfassenden Stellungnahme des Bundes vom zum Entwurf eines Gesetzes über den Verkehr mit Grundstücken in Tirol (TirGVG 1993) kompetenzrechtliche Bedenken hinsichtlich des originären Eigentumserwerbs geäußert und zu § 4 u.a. ausgeführt habe:

"Der Abs 2 litc (originärer Eigentumserwerb) müßte entfallen. Zunächst kann der Rechtserwerb durch Ersitzung keine Rolle spielen, die seine gesonderte Regelung rechtfertigt. Ein Fall könnte etwa die Ersitzung nach einem Kaufvertrag mit einem Nichtberechtigten sein; hier ist aber gar nicht erkennbar, daß ein originärer und nicht derivativer Erwerb vorliegt, der Kaufvertrag muß ohnedies genehmigt sein. Der zweite praktisch bedeutsame Fall wäre die Feststellung einer strittigen Grenze anhand des Besitzes (und damit der Ersitzung) während der letzten 30 (allenfalls 40) Jahre; diese Möglichkeit wäre durch die grundverkehrsrechtliche Erfassung beseitigt, was ganz unzweckmäßig wäre. Die Ersitzung ist im übrigen als Umgehungsvorgang ungeeignet, weil dabei der gute Glaube des Erwerbers - die Meinung das ausgeübte Recht, in der Regel das Eigentum, stehe ihm tatsächlich zu - jedenfalls ausgeschlossen ist. Außerdem steht schon der zur Ersitzung erforderliche Zeitraum von 30 (allenfalls sogar 40) Jahren einer Umgehung entgegen. Es müßte sohin genügen, alle Rechtsgeschäfte zu erfassen, durch die oder auf Grund deren Eigentum oder andere aufgezählte Rechte erworben werden sollen."

2. Bei der Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs 2 litb des TirGVG 1996, LGBl. 61 idF LGBl. 85/2005, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher mit Beschluss vom gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der genannten Bestimmung eingeleitet.

3. Der Verfassungsgerichtshof ist im Prüfungsbeschluss vorläufig davon ausgegangen, dass die Beschwerde zulässig ist, die belangte Behörde die in Prüfung gezogene Bestimmung angewandt hat und der Verfassungsgerichtshof diese im verfassungsgerichtlichen Bescheidprüfungsverfahren anzuwenden hätte.

4. Die Erwägungen, die den Verfassungsgerichtshof zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens veranlasst hatten, legte er in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"3.1. Vorangestellt sei zunächst, dass der originäre Eigentumserwerb eine vom Gesetz selbst beim Zutreffen bestimmter Tatbestandsmerkmale angeordnete Rechtsfolge ist. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben, tritt der Eigentumserwerb ipso iure ein (s. zB Klang in Klang, Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch2, Bd. 6, 1950, Vorbemerkungen zu §§1498 bis 1502, II.2.; vgl. F. Bydlinsky, Unbedingte Pflichten aus behördlich genehmigungsbedürftigen Verträgen, FS Ostheim, 1990, 58). Der originäre (ursprüngliche) Rechtserwerb ist vom Recht eines Vormannes unabhängig (s. zB Klang in Klang, aaO, II.1.; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht13, 2006, 310; Jordan, Genehmigungspflicht originären Eigentumserwerbs zur Bekämpfung 'fingierter Ersitzungsprozesse' im Grundverkehr? ZfV 2001, 374). Die Eintragung im Grundbuch hat nur 'deklaratorische' Bedeutung (§1498 ABGB; s. zB Koziol/Welser, aaO, 362; Sprung/Köllensperger, Zur Intabulation des ersessenen Eigentums an verbücherten Liegenschaften [§1498 ABGB], FS Rechberger 2005, 647).

Die Ersitzung ist eine Form des originären - und nicht des rechtsgeschäftlichen - Eigentumserwerbs. Beim originären Erwerb von Eigentum im Bereich von Grund und Boden kommt der Ersitzung - wie im vorliegenden Fall - (aber auch der Bauführung gemäß § 418 3. Satz ABGB) Relevanz zu (vgl. Jordan, aaO).

Bei der Ersitzung erfolgt der Vermögensübergang bei Vorliegen der Voraussetzungen unmittelbar als gesetzlich originärer Eigentumserwerb mit Ablauf der vom Gesetz bestimmten Ersitzungszeit. Einer Eintragung im Grundbuch bedarf es nicht.

3.2. Der land- und forstwirtschaftliche Grundverkehr ist gemäß ArtVII B-VG- Novelle 1974, BGBl. 444, Landessache in Gesetzgebung und Vollziehung. Im Bereich ihrer Gesetzgebung sind die Länder befugt, die zur Regelung des Gegenstandes erforderlichen Bestimmungen auch auf dem Gebiet des Zivil- und Strafrechtes zu treffen.

3.3. Regelungen betreffend den originären Erwerb des Eigentums dürften nicht in die Kompetenz des Landesgesetzgebers fallen. Dies aus folgenden Erwägungen:

Die Auslegung des Art 15 Abs 9 B-VG betreffend hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur den Grundsatz vertreten, dass der Landesgesetzgeber nur solche zivilrechtlichen (und strafrechtlichen) Bestimmungen erlassen darf 'sofern sie in einer unerlässlichen Verbindung mit anderen Bestimmungen stehen, die den Hauptinhalt des Gesetzes bilden' und zur Begründung unter anderem ausgeführt:

'Andernfalls würde das Zivilrechtswesen (und das gleiche gilt [für das] Strafrechtswesen) nicht, wie es dem eigentlichen Sinn der Bundesverfassung entspricht, grundsätzlich in die Kompetenz des Bundes fallen, sondern es läge auf diesem Gebiete eine besondere Art von konkurrierender Kompetenz des Bundes und der Länder vor. Diese Möglichkeit aber wollte die Bundesverfassung nicht schaffen.' (s. auch VfSlg. 8989/1980, 9580/1982, 9908/1983, 10.097/1984).

3.4. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass sich § 4 Abs 2 litb TirGVG 1996 auf die Ersitzung selbst als originärer Eigentumserwerb bezieht, die gemäß Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG dem Zivilrechtswesen zugeordnet ist und deren Regelung in Gesetzgebung und Vollziehung ausschließlich Bundessache ist.

Die in Prüfung gezogene Bestimmung dürfte auch keine zulässige akzessorische Regelung zu einer landesgesetzlichen Hauptregelung sein, weil sie zur Hauptregelung des Landes betreffend den rechtsgeschäftlichen Grundverkehr nicht erforderlich scheint.

Der Tiroler Landesgesetzgeber dürfte damit eine Regelung im Rahmen des 'Zivilrechtswesens' treffen und daher gegen Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG verstoßen.

4. Die Ersitzung erfordert regelmäßigen 30 Jahre redlichen und echten Besitz (vgl. § 1460 ABGB); gegen die in § 1473 ABGB genannten Personen verlängert sich die Ersitzungszeit auf 40 Jahre.

Schon auf Grund der langen Ersitzungszeit und der zusätzlich geforderten Redlichkeit und Echtheit des Besitzes dürfte die Ersitzung für Umgehungshandlungen nicht geeignet sein. Fehlt es nämlich am redlichen oder am echten Besitz oder gar an beiden, kann nicht ersessen werden. Auch bei der Bauführung auf fremden Grund wird für den originären Eigentumserwerb gem. § 418 3. Satz ABGB Redlichkeit des Bauführers gefordert.

Bereits der Wortlaut scheint auszuschließen, die in Prüfung gezogene Bestimmung so zu verstehen, dass die Grundverkehrsbehörde lediglich von Amts wegen zu prüfen hat, ob ein originärer Eigentumserwerb (zB durch Ersitzung) stattgefunden hat, um allfälligen Rechtsmissbräuchen durch Vortäuschen eines originären Eigentumserwerbs vorzubeugen und ihr ein Durchgreifen auf das wahre genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäft zu ermöglichen."

5. Die Tiroler Landesregierung erstattete eine Äußerung, in welcher sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes in der Sache entgegentritt und mit näherer Begründung beantragt, die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Für den Fall einer Aufhebung beantragt die Tiroler Landesregierung, der Verfassungsgerichtshof wolle für das Außer-Kraft-Treten gemäß Art 140 Abs 5 dritter Satz B-VG eine Frist von einem Jahr setzen, um die erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.

Im Einzelnen tritt die Tiroler Landesregierung den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegen:

"II. Praktischer Hintergrund der zu prüfenden Gesetzesbestimmung

Hierzu ist einleitend zu bemerken, dass die Problematik von Ersitzungen im landwirtschaftlichen Grundverkehr und die damit zusammenhängenden - teils auch vor Gericht ausgetragenen - Streitigkeiten in der Praxis zumeist unklare Grenzverläufe zum Gegenstand haben. Die daraus resultierenden Änderungen im Eigentum betreffen in aller Regel keine großen Grundflächen und fallen somit unter die sog. 'Restflächenregelung' nach § 5 litd des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996; sie sind somit von der Genehmigungspflicht ausgenommen.

Ersitzungen ganzer, insbesondere größerer Grundstücke, die nicht unter die o.a. Restflächenregelung fallen, bei denen sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der Ersitzung (redlicher und echter Besitz über die gesetzlich geforderte Zeit von 30 bzw. 40 Jahren) vorliegen, kommen - soweit ersichtlich - in der Praxis so gut wie nicht vor. Vielmehr wird Ersitzung quasi als subsidiärer Eigentumserwerbsgrund nicht selten in jenen Fällen vorgebracht, in denen der Eigentumserwerb bzw. die Grundbuchseintragung aufgrund eines abgeschlossenen Vertrages zweifelhaft scheint (vgl. dazu etwa die dem Erk. des Verfassungsgerichtshofes vom , B1047/09, sowie den Erk. VfSlg. 18.425/2008 und 10.925/1986 zugrunde liegenden Sachverhalte).

Vor diesem Hintergrund mag es zwar auf den ersten Blick durchaus zutreffen, dass die Ersitzung aufgrund der langen Ersitzungszeit und der zusätzlich geforderten Redlichkeit und Echtheit des Besitzes keine besondere Eignung für Umgehungshandlungen aufweist, doch scheint der in Prüfung gezogene gesetzliche Genehmigungstatbestand dennoch im Interesse der Vermeidung von Umgehungshandlungen, insbesondere von Scheinprozessen (sog. 'fingierte Ersitzungsprozesse', die in der Regel in einem von den Parteien angestrebten Versäumungsurteil oder in einem gerichtlichen Vergleich enden), erforderlich. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass in den Fällen der Erlassung von Versäumungsurteilen, aber auch in jenen des Abschlusses gerichtlicher Vergleiche, das zuständige Gericht keine Möglichkeit hat, den Wahrheitsgehalt unwidersprochen gebliebener Parteibehauptungen zu untersuchen (vgl. zum Versäumungsurteil § 396 Abs 1 zweiter Satz ZPO, allenfalls i.V.m. Abs 2 leg.cit., sowie zum Prozessvergleich, insb. zu dessen Bereinigungs- und Prozessbeendigungswirkung - wobei sich für das Gericht inbesondere aus letzterer die Unmöglichkeit ergibt, den Wahrheitsgehalt von Parteibehauptungen zu prüfen, § 204 Abs 1 ZPO, Rechberger[/]Simotta, Zivilprozessrecht7 [2009], Rz. 625).

Dies trifft im Übrigen auch auf den Anlassfall zu: Die Beschwerdeführer hatten offenbar vor langer Zeit das in Frage stehende Grundstück erwerben wollen, hierfür aber - wohl wegen der mangels Landwirteeigenschaft nicht erreichbaren grundverkehrsbehördlichen Genehmigung - keinen schriftlichen Kaufvertrag geschlossen (vielmehr dürfte aus nicht näher nachvollziehbaren Gründen stattdessen ein Rechtserwerb von Todes wegen angestrebt worden sein). Dass ab einem bestimmten, längere Zeit zurückliegenden Zeitpunkt allenfalls eine den für die Ersitzung erforderlichen Besitz vermittelnde Nutzung des Grundstückes durch die weder als Landwirte tätigen noch über Liegenschaftsbesitz in der Nachbarschaft des Grundstückes verfügenden Beschwerdeführer stattgefunden hat, wurde im Zuge des Abschlusses des gerichtlichen Vergleiches naturgemäß ebenso wenig geprüft wie die Redlichkeit und Echtheit eines allfälligen Besitzes.

Angesichts dieser Ausgangslage ist bereits einleitend besonders hervorzuheben, dass die vom Landesgesetzgeber vorgenommene Ausdehnung der Genehmigungspflicht von Rechtsgeschäften unter Lebenden auf 'jeden Eigentumserwerb' ausweislich der Gesetzesmaterialien eine Reaktion auf Missbräuche darstellt, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes LGBl. Nr. 36/1962 in nicht geringer Zahl stattgefunden hatten (vgl. dazu das zit. Gesetz vom , mit dem das Grundverkehrsgesetz 1954 abgeändert und ergänzt wird, den Bericht und Antrag des Land- und Forstwirtschaftsausschusses und des Rechts- und Gemeindeausschusses hierzu, ZI. 68/62, sowie Jordan, Genehmigungspflicht originären Eigentumserwerbs zur Bekämpfung 'fingierter Ersitzungsprozesse' im Grundverkehr?, ZfV 2001/779, S. 374 ff, insb. S. 381 ff).

III. Erforderlichkeit einer zivilrechtlichen Begleitregelung

Nach Auffassung der Tiroler Landesregierung bedarf es im Bereich des genehmigungspflichtigen landwirtschaftlichen Grundverkehrs einer Begleitregelung, die gewährleistet, dass die Grundverkehrsbehörde Kenntnis von Ersitzungen land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke erlangt, und die Behörde diesbezüglich mit einer eigenständigen Prüfkompetenz ausstattet. Andernfalls könnten die Genehmigungspflichten des landwirtschaftlichen Grundverkehrs durch fingierte Prozesse bzw. gerichtliche Vergleiche derart einfach umgangen werden, dass die Ziele dieses Bereiches des Grundverkehrsrechts ernsthaft in Frage gestellt und das Regelungswerk insgesamt als unvollständig anzusehen wären, wie im Folgenden noch näher auszuführen sein wird.

Eine Regelung wie die nunmehr zu prüfende ist ohne Zweifel zivilrechtlicher Natur, sodass in der Folge zu prüfen ist, ob dem Landesgesetzgeber aufgrund des Art 15 Abs 9 B-VG eine Kompetenz zur Erlassung einer derartigen Begleitbestimmung zu den verwaltungsrechtlichen Beschränkungen des rechtsgeschäftlichen landwirtschaftlichen Grundverkehrs zukommt. Im Zentrum der Betrachtungen steht somit die Erforderlichkeit des § 4 Abs 2 litb des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996:

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist hierfür eine unerlässliche Verbindung der zivilrechtlichen Begleitregelung mit den bezughabenden Bestimmungen des Verwaltungsrechts erforderlich, wobei ein wesentliches Kriterium die Frage darstellt, ob bei Fehlen der Begleitregelung die Hauptregelung unvollständig schiene. Letzteres trifft wohl insbesondere dann zu, wenn in diesem Fall erhebliche, die Erreichung der insgesamt verfolgten Ziele in Frage stellende Umgehungsmöglichkeiten bestünden. Angesichts der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, wonach dem Landesgesetzgeber auch hier ein gewisser Entscheidungsspielraum einzuräumen ist, kann nach Auffassung der Tiroler Landesregierung davon ausgegangen werden, dass jede adäquate, angemessene und zur Vermeidung von Umgehungen der Genehmigungspflicht wirksame Begleitregelung zulässig und von der dem Landesgesetzgeber durch Art 15 Abs 9 B-VG eingeräumten eingeschränkten Kompetenz gedeckt ist (zur Annahme eines rechtspolitischen Entscheidungsspielraumes des Landesgesetzgebers auch in diesem Bereich vgl. Khakzadeh, Die 'Erforderlichkeit' als Rechtsbegriff, ZÖR 2003, S. 351-396 [365] sowie die Erk. VfSlg. 8989/1980, 9906/1983 und 10.097/1984). Dass neben der konkret vom Tiroler Landesgesetzgeber gewählten zivilrechtlichen Begleitregelung auch noch anders konzipierte Begleitregelungen denkbar und allenfalls auch zur Vermeidung von Umgehungsmöglichkeiten geeignet wären, scheint hingegen für das Bestehen einer Kompetenz nach Art 15 Abs 9 B-VG ohne Belang. Der Verfassungsgerichtshof hat diesbezüglich nämlich im Erk. VfSlg. 8989/1980 ausgesprochen, dass es für die Kompetenzfrage ohne Bedeutung sei, ob der Landesgesetzgeber in Ausnutzung der in Frage stehenden Gesetzgebungskompetenz und des ihm eingeräumten Gestaltungsspielraumes 'die zweckmäßigste Lösung gewählt' habe bzw. ob die gewählte Lösung dem allgemeinen Zivilrecht gut angepasst sei.

Zudem ergibt sich aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu einer weiteren Art des originären Eigentumserwerbes, nämlich jener durch Zuschlagserteilung bei Versteigerung, dass der Verfassungsgerichtshof bei der Beurteilung der Erforderlichkeit dieser zivilrechtlichen Begleitregelungen zu grundverkehrsrechtlichen Bestimmungen gerade dem - auch vorliegend zentralen - Interesse der Vermeidung von Möglichkeiten zur Gesetzesumgehung einen hohen Stellenwert zuerkennt: So hat der Verfassungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom , B78/09, betreffend ein grundverkehrsbehördliches Genehmigungsverfahren infolge einer gerichtlichen Zwangsversteigerung keinerlei Bedenken gegen die im Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 vorgesehene Genehmigungspflicht des originären Rechtserwerbs durch Zuschlag erhoben. Im Detail führte er unter Hinweis auf die Vorjudikatur (teils auch zu vergleichbaren Regelungen in den Grundverkehrsgesetzen anderer Länder; vgl. diesbezüglich etwa die Erk. VfSlg. 11.690/1988, 10.447/1985, 8216/1977, 7819/1976, 7563/1975, 6343/1970, 2820/1955) aus, dass eine auf den rechtsgeschäftlichen Verkehr beschränkte Regelung [...] Stückwerk und nicht geeignet [wäre], den Gesetzeszweck zu erreichen.' In der soeben zit. Judikatur hat der Verfassungsgerichtshof weiters dargetan, dass die in Frage stehenden Regelungen einerseits exekutionsrechtlicher Natur und somit dem Zivilrechtswesen (Art10 Abs 1 Z. 6 B-VG) zuzurechnen, andererseits aber auch im Sinne des Art 15 Abs 9 B-VG erforderlich bzw. unerlässlich sind. Zusammenfassend geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass das Zwangsversteigerungsverfahren in die grundverkehrsbehördlichen Regelungen einzubeziehen ist und dass die betreffenden Genehmigungsvorschriften im Wesentlichen nicht weniger streng sein könnten als die sonstigen den Rechtserwerb an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken reglementierenden Normen (VfSlg. 11.690/1988).

Diese Überlegungen scheinen in ihrer Gesamtheit auf die durchaus vergleichbare Fragestellung der Erforderlichkeit der Genehmigungspflicht hinsichtlich der Ersitzung übertragbar, handelt es sich hierbei doch ebenfalls um einen originären Eigentumserwerb und geht es hier ebenso um die wirksame Vermeidung von Umgehungsmöglichkeiten. Nicht zuletzt wird aber auch die vom Verfassungsgerichtshof im soeben erläuterten Regelungszusammenhang geforderte rechtliche Gleichbehandlung des originären mit dem derivativen Eigentumserwerb verwirklicht.

Vergleicht man die insbesondere im bereits genannten Erkenntnis B78/09 geprüfte und als denkmöglich anerkannte Umgehung des Tiroler Grundverkehrsgesetzes durch eine vom Grundstückseigentümer und einem potenziellen Käufer initiierte Zwangsversteigerung als Umgehungshandlung mit der hier gegenständlichen Umgehungsmöglichkeit durch Klage und nachfolgende Anerkennung der Ersitzung durch den Veräußerer, so stellt letztere sogar eine erheblich größere Gefahr für die Erreichung der Ziele des landwirtschaftlichen Grundverkehrs dar: Für eine derart vorgetäuschte Ersitzung sind nämlich weder Redlichkeit und Echtheit des Besitzes des angeblich Ersitzenden noch der Ablauf der Ersitzungsdauer, ja nicht einmal Besitz des Erwerbers, sondern lediglich eine Einigung des Grundstückseigentümers mit diesem, als Rechtstitel eine Ersitzung anzugeben (zur fehlenden Überprüfungsmöglichkeit durch das Gericht siehe schon oben in Punkt II.), erforderlich. Die Herbeiführung eines gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahrens ist dagegen finanziell deutlich aufwendiger und wesentlich langwieriger als die Bewerkstelligung eines gerichtlichen Vergleiches bzw. Versäumungsurteiles über eine behauptete Ersitzung. Eine fingierte Ersitzung birgt für die daran Beteiligten auch nicht das einer Zwangsversteigerung innewohnende Risiko, dass ein anderer als der gewünschte Erwerber durch Abgabe des Meistbotes das Grundstück erwirbt (zu den Risiken einer derartigen Umgehungshandlung siehe das ausführliche diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführer im verfassungsgerichtlichen Verfahren B707/87, VfSlg. 11.690/1988).

Nach ha. Auffassung steht die grundverkehrsbehördliche Genehmigungspflicht originärer Rechtserwerbe daher in unerlässlichem Zusammenhang mit den grundverkehrsgesetzlichen Beschränkungen des rechtsgeschäftlichen Verkehrs mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken und wäre der Zweck dieser Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 ohne entsprechende zivilrechtliche Begleitregelungen nicht zu erreichen. § 4 Abs 2 litb leg.cit. ist daher nach Auffassung der Tiroler Landesregierung erforderlich im Sinn des Art 15 Abs 9 B-VG."

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des TirGVG 1996, LGBl. 61 idF LGBl. 85/2005, lauten (die in Prüfung gezogene Bestimmung ist hervorgehoben):

"1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

§1

Geltungsbereich

(1) Dieses Gesetz gilt für den Erwerb von Rechten


Tabelle in neuem Fenster öffnen
a)
an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken,
b)
- c) ...

(2) ...

...

2. Abschnitt

Rechtserwerbe an land- oder
forstwirtschaftlichen Grundstücken

§4

Genehmigungspflicht

(1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb des Eigentums;

b) - h) ...

(2) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen weiters:

a) ...

b) jeder originäre Erwerb des Eigentums an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken.

...

§6

Genehmigungsvoraussetzungen

(1) Die Genehmigung nach § 4 darf nur erteilt werden, wenn

a) der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forst- wirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht,

b) - d) ...

(2) - (9) ...

§24

Feststellung von Ausnahmen von der Genehmigungspflicht,
Entscheidung über den Geltungsbereich

(1) Ist ein Rechtserwerb an einem land- oder forstwirtschaftlichen Grundstück oder durch einen Ausländer nach § 5 bzw. § 12 Abs 2 von der Genehmigungspflicht ausgenommen, so hat bei Rechtserwerben an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken der Vorsitzende der Bezirks-Grundverkehrskommission in deren Namen, bei Rechtserwerben durch Ausländer die Grundverkehrsbehörde mit Bescheid festzustellen, dass der betreffende Rechtserwerb keiner grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedarf.

(2) Anzeigen über genehmigungspflichtige Rechtserwerbe an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken sind der Bezirks-Grundverkehrskommission vorzulegen. Im Zweifelsfall hat der Vorsitzende der Bezirks-Grundverkehrskommission in deren Namen darüber zu entscheiden, ob ein Grundstück ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück ist.

(3) Bestehen Zweifel darüber, ob ein Rechtserwerb an einem Grundstück in den Geltungsbereich nach § 1 dieses Gesetzes fällt, so hat bei Rechtserwerben an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken der Vorsitzende der Bezirks-Grundverkehrskommission in deren Namen, in allen anderen Fällen die Grundverkehrsbehörde auf Antrag des Rechtserwerbers oder von Amts wegen mit Bescheid darüber zu entscheiden.

(4) Bei Vorliegen eines begründeten Interesses hat auf Antrag der Vorsitzende der Bezirks-Grundverkehrskommission in deren Namen darüber zu entscheiden, ob ein Grundstück ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück ist, und die Grundverkehrsbehörde darüber, ob ein Grundstück ein Baugrundstück ist.

(5) Bescheide nach den Abs 1 bis 4 sind auch dem Landesgrundverkehrsreferenten zuzustellen, der dagegen Berufung erheben kann.

§35

Feststellungsklage bei Schein- oder Umgehungsgeschäften

(1) Der Landesgrundverkehrsreferent kann bei dem nach § 81 der Jurisdiktionsnorm zuständigen Gericht Klage auf Feststellung erheben, daß ein Rechtsgeschäft nichtig ist, insbesondere weil es ein Schein- oder Umgehungsgeschäft ist.

(2) Die Erhebung einer Klage nach Abs 1 ist auf Antrag des Landesgrundverkehrsreferenten im Grundbuch anzumerken. Die Anmerkung hat zur Folge, daß die gerichtliche Entscheidung auch gegen Personen ihre volle Wirksamkeit äußert, die erst nach dem Zeitpunkt des Einlangens des Antrages auf Anmerkung beim Grundbuchsgericht bücherliche Rechte erlangt haben.

(3) Wird der Klage stattgegeben, so hat das Grundbuchsgericht eine bereits durchgeführte Eintragung des betreffenden Rechtes zu löschen und den früheren Grundbuchsstand wiederherzustellen. § 34 ist anzuwenden. Der Landesgrundverkehrsreferent hat dem Grundbuchsgericht die Entscheidung des Gerichtes über die Feststellung der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes unverzüglich mitzuteilen."

III. Erwägungen

1. Prozessvoraussetzungen

Das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig. Den vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes, dass das Beschwerdeverfahren, das Anlass zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens gegeben hat, zulässig ist und dass der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Beschwerde die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung anzuwenden hätte, wurde nicht entgegengetreten. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. In der Sache

Das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, dass dem Landesgesetzgeber keine Kompetenz zur Erlassung des § 4 Abs 2 litb TirGVG 1996 zukomme, konnte im Gesetzesprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:

2.1. Die Ersitzung ist eine Form des originären - und nicht des rechtsgeschäftlichen - Eigentumserwerbs. Der originäre Eigentumserwerb ist eine vom Gesetz selbst beim Zutreffen bestimmter Tatbestandsmerkmale angeordnete Rechtsfolge. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben, tritt der Eigentumserwerb ipso iure ein (siehe zB Klang in Klang, Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch2, Bd. 6, 1951, Vorbemerkungen zu §§1498 bis 1502, II.2.; F. Bydlinski, Unbedingte Pflichten aus behördlich genehmigungsbedürftigen Verträgen, FS Ostheim, 1990, 58).

Regelungen, durch die der Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken im Interesse der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines lebensfähigen Bauernstandes verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterworfen wird, sind gemäß ArtVII B-VG-Novelle 1974, BGBl. 444, der Landesgesetzgebung vorbehalten. Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 11.777/1988 zum "Ausländergrundverkehr" ausgesprochen hat, ist unter einem Verkehr mit Grundstücken grundsätzlich der rechtsgeschäftliche Verkehr zu verstehen (dazu, dass sich diese Überlegungen in VfSlg. 11.777/1988 auch auf den land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehr übertragen lassen, Lienbacher, Grundverkehr und Raumplanung - Zusammenhänge und Wechselwirkungen, ZfV 1996, 331 (332); Schneider, Handbuch österreichisches Grundverkehrsrecht, 1996, 24). Der Verfassungsgerichtshof beurteilt demzufolge grundverkehrsgesetzliche Regelungen in Zusammenhang mit Zwangsversteigerungsverfahren als Regelungen exekutionsrechtlicher Natur und somit dem Zivilrechtswesen zugehörig, womit solche Vorschriften allenfalls auf Grund des Art 15 Abs 9 B-VG vom Landesgesetzgeber erlassen werden dürfen (siehe VfSlg. 11.690/1988; zum TirGVG 1996 ).

Auch die Tiroler Landesregierung bestreitet nicht, dass Regelungen über die Ersitzung grundsätzlich als solche über originären Eigentumserwerb gemäß Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG dem Zivilrechtswesen zuzuordnen sind. Die Tiroler Landesregierung vermeint aber, dass es sich bei § 4 Abs 2 litb TirGVG 1996 um eine zur Hintanhaltung von Umgehungsmöglichkeiten erforderliche Begleitbestimmung zu den verwaltungsrechtlichen Beschränkungen des rechtsgeschäftlichen landwirtschaftlichen Grundverkehrs handle, zu deren Regelung der Landesgesetzgeber gemäß Art 15 Abs 9 B-VG befugt sei. Wie bei der Regelung eines grundverkehrsbehördlichen Genehmigungsverfahrens infolge einer gerichtlichen Zwangsversteigerung sei auch hier die Genehmigung gemäß § 4 Abs 2 litb TirGVG 1996 notwendig, um Umgehungen des Gesetzes hintanzuhalten.

Die Auslegung des Art 15 Abs 9 B-VG betreffend hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung den Grundsatz vertreten, dass der Landesgesetzgeber nur solche zivilrechtlichen Bestimmungen erlassen darf, die "in einem unerlässlichen Zusammenhang mit anderen Bestimmungen, die den Hauptinhalt des jeweiligen Gesetzes bilden", stehen (VfSlg. 8989/1980, 10.097/1984). Er hat weiters ausgeführt, dass ein innerer, "rechtstechnischer" Zusammenhang der zivilrechtlichen Regelung mit einer konkreten Bestimmung öffentlich rechtlichen Inhalts des Gesetzes bestehen und dass die jeweilige Bestimmung zivilrechtlichen Inhalts eine notwendige Ergänzung einer bestimmten Regelung der Verwaltungsmaterie darstellen muss (VfSlg. 13.322/1992). In diesem Sinn hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass der Landesgesetzgeber im Rahmen der Regelung des Grundverkehrs auch Bestimmungen exekutionsrechtlichen Inhalts erlassen könne, sofern diese zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind. Als nicht erforderlich hat er im Zusammenhang mit Zwangsversteigerungen eine Bestimmung erachtet, die nicht bloß nicht geeignete Personen vom Eigentumserwerb ausschließt, sondern die es der Behörde ermöglicht, anstelle des Meistbietenden einer anderen (bestimmten) Person den Zuschlag zu erteilen (VfSlg. 7563/1975). Demgegenüber hatte der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken ob der Erforderlichkeit des § 7 Abs 1 litg TirGVG 1996 im Hinblick auf Art 15 Abs 9 B-VG, weil diese Bestimmung nur den (für den Eigentumserwerb maßgeblichen) Zuschlag an einen Meistbietenden vorerst nicht wirksam werden lässt und bei Versagung der Genehmigung das Exekutionsgericht auf Antrag eine erneute Versteigerung anzuordnen hat ().

Auch die Tiroler Landesregierung geht in ihrer Äußerung davon aus, dass § 4 Abs 2 litb TirGVG 1996 eine "Genehmigungspflicht hinsichtlich der Ersitzung" regle. Damit bestätigt sie die Annahme des Verfassungsgerichtshofes im Prüfungsbeschluss, dass diese Regelung die Grundverkehrsbehörde nicht lediglich ermächtigt, von Amts wegen zu prüfen, ob ein originärer Eigentumserwerb (zB durch Ersitzung) stattgefunden hat, um allfälligen Rechtsmissbräuchen durch Vortäuschen eines originären Eigentumserwerbes vorzubeugen und ihr ein Durchgreifen auf das wahre genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäft zu ermöglichen (derartige "Negativbestätigungen" in Bezug auf nicht dem Grundverkehrsrecht unterliegende Rechtserwerbe werden in der Literatur im Hinblick auf Art 15 Abs 9 B-VG für zulässig erachtet, siehe Schneider aaO, 25); vielmehr beseitigt die (Versagung der) Genehmigung hier die vom Gesetz angeordnete (zivilrechtliche) Rechtsfolge, dass der Eigentumserwerb unmittelbar aufgrund des Gesetzes eintritt.

Daher hat die Regelung des § 4 Abs 2 litb TirGVG 1996 keinen ergänzenden Inhalt zu einer Verwaltungsvorschrift des Landes, sondern sie enthält eine rechtstechnisch selbständige Regelung der Rechtsfolge des Eintritts eines originären Eigentumserwerbs. Hätte der Landesgesetzgeber bloß eine entsprechende Prüfungszuständigkeit der Grundverkehrsbehörde, ob ein originärer Eigentumserwerb überhaupt stattgefunden hat, anordnen wollen, hätten andere Möglichkeiten bestanden: So hätte der Landesgesetzgeber etwa nach dem Vorbild des § 24 TirGVG 1996 im Rahmen der Regelung des rechtsgeschäftlichen Grundverkehrs Ausnahmen von der Genehmigungspflicht vorsehen oder die Bekämpfung "fingierter Ersitzungsprozesse" durch die Regelung entsprechender Klagsbefugnisse, vergleichbar derjenigen in § 35 TirGVG 1996, bewirken können. § 4 Abs 2 litb TirGVG 1996 stellt daher keine zulässige akzessorische Regelung zu einer landesgesetzlichen Hauptregelung dar, weil diese Bestimmung zur Hauptregelung des Landes betreffend den rechtsgeschäftlichen Verkehr mit land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken nicht iSd Art 15 Abs 9 B-VG erforderlich ist.

Der Tiroler Landesgesetzgeber hat damit in § 4 Abs 2 litb TirGVG 1996 eine Regelung im Rahmen des "Zivilrechtswesens" getroffen und daher gegen Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG verstoßen.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. § 4 Abs 2 litb des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996, LGBl. für Tirol Nr. 61 idF LGBl. Nr. 85/2005, ist sohin als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Die Bestimmung einer Frist für das Außer-Kraft-Treten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B-VG.

3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

4. Die Verpflichtung des Tiroler Landeshauptmannes zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG, § 64 Abs 2 VfGG und § 2 Abs 1 liti Tiroler Landes-Verlautbarungsgesetz.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.