zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VfGH vom 11.10.2006, G109/06

VfGH vom 11.10.2006, G109/06

Sammlungsnummer

17969

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit landesrechtlicher Regelungen betreffend Pauschalgebühren im Vergabeverfahren unter Hinweis auf die Vorjudikatur zum Bundesvergabegesetz 2002

Spruch

I. Die Wortfolge "1 und" sowie die Wortfolge "sowie für Anträge gemäß § 23 Abs 1" in § 30 Abs 1 und die Wortfolge "Bauaufträge ... 2 500 €" im Anhang des Wiener Vergaberechtsschutzgesetzes, LGBl. für Wien Nr. 25/2003, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Landeshauptmann von Wien ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

II. Im Übrigen wird der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verwaltungsgerichtshof ist unter der Zl. 2004/04/0212 die Beschwerde gegen einen Bescheid des Vergabekontrollsenates des Landes Wien (im Folgenden: VKS) anhängig, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung der für einen Antrag auf Nachprüfung und auf einstweilige Verfügung entrichteten Pauschalgebühr gemäß § 30 des Wiener Vergaberechtsschutzgesetzes, LGBl. für Wien Nr. 25/2003 (im Folgenden: WVRG), abgewiesen wurde. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe für ihre Anträge eine Pauschalgebühr in Höhe von insgesamt € 5.000,-- einbezahlt, obwohl für sie unklar gewesen sei, ob es sich beim Gegenstand der Nachprüfung um ein Vergabeverfahren betreffend einen Bauauftrag im Unterschwellenbereich, sodass eine Pauschalgebühr von € 2.500,-- pro Antrag zu entrichten wäre, oder ob es sich nicht eher um einen Lieferauftrag im Oberschwellenbereich, womit der Tarifsatz € 1.600,-- betrage, handle. Da die Beschwerdeführerin zum Ergebnis gekommen sei, dass ein Lieferauftrag im Oberschwellenbereich vorliege und daher nur eine Pauschalgebühr von € 1.600,-- zu entrichten sei, stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Rückerstattung des ihrer Meinung nach zu viel bezahlten Betrags. Der VKS teilte die Ansicht der Beschwerdeführerin nicht und wies den Rückzahlungsantrag ab.

Aus Anlass dieses Verfahrens stellte der Verwaltungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung des § 30 Abs 1 und 2 sowie der Wortfolge "Bauaufträge ... 2.500 Euro" in der fünftletzten Zeile des Anhanges zum WVRG als verfassungswidrig.

2. Beim Verfassungsgerichtshof ist ebenfalls eine Beschwerde gegen einen Bescheid des VKS anhängig, mit dem eine Bieterin, die eine Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung für einen Bauauftrag im Unterschwellenbereich begehrte, u.a. verpflichtet wurde, die Pauschalgebühr für einen zurückgewiesenen Antrag auf Verlängerung der einstweiligen Verfügung in Höhe von € 2.500,-- an das Land Wien zu überweisen.

Aus Anlass der dagegen erhobenen Beschwerde nach Art 144 B-VG sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "sowie für Anträge gemäß § 23 Abs 1" in § 30 Abs 1 sowie der Wortfolge "Bauaufträge ... 2 500 €" im Anhang des WVRG entstanden, weshalb der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen eingeleitet hat.

II. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

Die Bestimmung des § 30 des Wiener Vergaberechtsschutzgesetzes, LGBl. für Wien Nr. 25/2003, ordnet in Abs 1 die Pflicht zur Entrichtung einer Pauschalgebühr für einen Antrag auf Nichtigerklärung gemäß § 13 Abs 1, für einen Antrag auf Feststellung nach § 13 Abs 2 sowie für einen Antrag auf einstweilige Verfügung gemäß § 23 Abs 1 WVRG an. Im Anhang des WVRG sind die nach Art der Vergabeverfahren, nach Aufträgen und Auftragswerten abgestuften Pauschalsätze festgelegt. § 30 sowie der Anhang des WVRG in der eben zitierten Stammfassung lauten folgendermaßen (die in Prüfung gezogenen und angefochtenen Wortfolgen sind durch Fettdruck hervorgehoben):

"Gebühren und Gebührenersatz

§30. (1) Für Anträge gemäß § 13 Abs 1 und 2 sowie für Anträge gemäß § 23 Abs 1 hat der Antragsteller jeweils eine Pauschalgebühr an das Land Wien zu entrichten.

(2) Die Höhe der Pauschalgebühr gemäß Abs 1 richtet sich nach dem vom Auftraggeber durchgeführten Verfahren und ist gemäß den im Anhang zu diesem Landesgesetz ausgewiesenen Sätzen bei Antragstellung zu entrichten.

(3) Für Anträge auf Teilnahme am Nichtigerklärungs- oder Feststellungsverfahren gemäß § 16 Abs 2 und 4 ist jeweils eine Pauschalgebühr in der Höhe von 50% von den im Anhang zu diesem Landesgesetz genannten Sätzen bei Antragstellung zu entrichten. Die Höhe der Pauschalgebühr richtet sich nach dem vom Auftraggeber durchgeführten Verfahren.

(4) Die Pauschalgebühren sind durch Barzahlung oder durch Einzahlung mit Erlagschein zu entrichten. Nach Maßgabe der beim Vergabekontrollsenat bestehenden technischen und organisatorischen Möglichkeiten kann die Bezahlung auch mittels Bankomatkarte, mittels Kreditkarte oder durch andere bargeldlose elektronische Zahlungsformen erfolgen.

(5) Der vor dem Vergabekontrollsenat - wenn auch nur teilweise - obsiegende Antragsteller (§§13 oder 16) hat Anspruch auf Ersatz seiner gemäß Abs 1 oder 3 entrichteten Gebühren durch seinen Antragsgegner (Auftraggeber bzw. Antragsteller gemäß § 13).

(6) Wird der Antrag bzw. ein Teilnahmeantrag (§16 Abs 2 oder 4) zurückgezogen oder gilt ein Antrag auf Nichtigerklärung gemäß § 15 Abs 3 oder ein Teilnahmeantrag gemäß § 16 Abs 5 als zurückgezogen, bevor ein diesbezüglicher Bescheid des Vergabekontrollsenates erlassen worden ist, ist dem jeweiligen Antragsteller bzw. den jeweiligen Antragstellern vom Land Wien die Hälfte der jeweils entrichteten Pauschalgebühr zurückzuerstatten.

(7) Für Anträge auf Feststellung gemäß § 27 Abs 1 ist keine Gebühr nach diesem Landesgesetz zu entrichten.

[...]

Anhang

Gebühren für die Inanspruchnahme des Vergabekontrollsenates gemäß § 30

Direktvergaben 200 €

Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung

(§26 Abs 3 und 4 des Bundesvergabegesetzes 2002):

Bauaufträge 400 €

Liefer- und Dienstleistungsaufträge 300 €

Geistig-schöpferische Dienstleistungen 350 €

Nicht offene Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung

(§26 Abs 1 des Bundesvergabegesetzes 2002):

Bauaufträge 600 €

Liefer- und Dienstleistungsaufträge 350 €

Sonstige Verfahren im Unterschwellenbereich

(§§9 Abs 2 bzw. 10 Abs 2 des Bundesvergabegesetzes

2002):

Bauaufträge 2 500 €

Liefer- und Dienstleistungsaufträge 800 €

Verfahren im Oberschwellenbereich (§9 Abs 1 Z 2, 3, 5

bzw. 7 bzw. § 10 Abs 1 des Bundesvergabegesetzes 2002):

Bauaufträge 5 000 €

Liefer- und Dienstleistungsaufträge 1 600 €"

III. 1. Der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes

1.1 Zur Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass er bei Überprüfung des angefochtenen Bescheides § 30 Abs 1 sowie die angefochtene Wortfolge des Anhanges des WVRG anzuwenden habe, da ein Rückzahlungsanspruch nur insoweit dem Grunde und der Höhe nach bestehen könne, als die Beschwerdeführerin zur Entrichtung der jeweiligen Pauschalgebühr verpflichtet war.

1.2 Zur Geltendmachung seiner Bedenken verweist der Verwaltungsgerichtshof nach Darstellung der Rechtslage auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , B1510/04, in dem gemäß Art 140 Abs 1 B-VG die Verfassungsmäßigkeit des § 18 Abs 1 und Abs 2 zweiter Satz des steiermärkischen Vergabenachprüfungsgesetzes sowie gemäß Art 139 Abs 1 B-VG die Gesetzmäßigkeit des § 1 Abs 1 Z 7 der steiermärkischen Pauschalgebührenverordnung von Amts wegen in Prüfung gezogen wurden. In diesem Beschluss habe der Verfassungsgerichtshof auf das zum Bundesvergabegesetz 2002 ergangene Erk. vom , G154/05, V118/05, Bezug genommen und jene Gründe, die dort zur Verfassungs- bzw. Gesetzwidrigkeit der Bundesregelungen geführt haben, als Bedenken gegen die steiermärkischen Regelungen angeführt. Nach Wiedergabe der verfassungsgerichtlichen Ausführungen begründet der Verwaltungsgerichtshof seine Anträge gemäß Art 140 Abs 1 B-VG damit, dass er die selben Bedenken, die den Verfassungsgerichtshof zur Prüfung des § 18 Abs 1 und Abs 2 zweiter Satz des steiermärkischen Vergabenachprüfungsgesetzes sowie des § 1 Abs 1 Z 7 der steiermärkischen Pauschalgebührenverordnung geleitet haben, auch gegen die von ihm nunmehr angefochtenen Bestimmungen hege.

2. Der Einleitungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes

2.1 Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem Prüfungsbeschluss vorläufig davon aus, dass die Beschwerde zulässig ist und er bei Überprüfung des angefochtenen Bescheides die in Prüfung genommenen Bestimmungen anzuwenden hätte.

2.2 Seine Bedenken begründete der Verfassungsgerichtshof ebenfalls mit dem Verweis auf das zum Bundesvergabegesetz 2002 ergangene Erk. vom , G154/05, V118/05, und ging vorläufig davon aus, dass sich die in Prüfung gezogenen Regelungen des WVRG inhaltlich nicht von jenen des Bundesvergabegesetzes 2002 in wesentlichem Ausmaß unterschieden, weshalb der Gerichtshof gegen die Bestimmungen des WVRG vorläufig jene Bedenken hegte, die im Erk. vom , G154/05, V118/05, zum Ausdruck kommen.

Mit diesem Erk. vom hat der

Verfassungsgerichtshof erkannt, dass die Wortfolge "und 175 Abs 1" in

§177 Abs 1 sowie die Wortfolge "Bauaufträge ... 2 500 €" in der

fünftletzten Zeile des Anhanges X jeweils des Bundesvergabegesetzes,

BGBl. I Nr. 99/2002, verfassungswidrig waren. Ferner hat er die

Wortfolge "Bauaufträge ... 2 500 €" in der fünftletzten Zeile des § 1

der Verordnung der Bundesregierung betreffend die Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes, BGBl. II Nr. 324/2002, als gesetzwidrig erkannt.

Seine Entscheidung begründete er wie folgt:

"2.1 Die Festsetzung einer Pauschalgebühr in gleicher Höhe für jeden der in § 177 Abs 1 BVergG genannten Anträge ist unsachlich:

[...]

Die Bedenken richteten sich [...] dagegen, dass die (im Anlassverfahren präjudizielle) Pauschalgebühr für Bauaufträge im Unterschwellenbereich vom Antragsteller nicht nur einmal (etwa für einen Nachprüfungsantrag gemäß § 163 Abs 1 BVergG), sondern in gleicher Höhe auch für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sowie für jeden weiteren Antrag auf Verlängerung der einstweiligen Verfügung (solche werden oft befristet gewährt und können ohne Verlängerung noch vor Entscheidung in der Hauptsache ablaufen) und weiters noch für einen allenfalls nachfolgenden Feststellungsantrag zu entrichten ist. Im Anlassfall etwa hatte der Beschwerdeführer auch den Feststellungsantrag gemäß § 175 Abs 1 BVergG in gleicher Höhe wie den bereits vergebührten Nachprüfungsantrag, der durch den späteren Widerruf der angefochtenen Ausschreibung durch den Auftraggeber unzulässig wurde, erneut zu vergebühren. Der Gerichtshof nahm in seinem Prüfungsbeschluss vorläufig an, dass diese mehrfache Gebührenpflicht für Anträge betreffend dieselbe Vergabe in keinem auch nur annähernden Verhältnis zum jeweiligen Verfahrensaufwand, der zur Entscheidung über die Anträge erforderlich ist, steht.

Die Vergebührung eines Feststellungsantrages nach § 175 Abs 1 BVergG kann mit der Vergebührung eines Nachprüfungsantrages und eines Antrages auf Erlassung oder Verlängerung einer einstweiligen Verfügung kumulieren. Verstärkt kommt es zu einer Kumulierung beim Widerruf der Ausschreibung, der nicht ganz selten bei ein und derselben Auftragsvergabe mehrfach erfolgt, was dann zu mehreren Vergabekontrollverfahren und damit zu einem neuerlichen Anfallen der Pauschalgebühr führt.

Zu einer weiteren Kumulierung führt auch das System gesondert anfechtbarer Entscheidungen. Der Gerichtshof teilt zwar die Ansicht der Bundesregierung, dass das System gesondert anfechtbarer Entscheidungen regelmäßig zu einer raschen Abwicklung von Rechtsschutzverfahren im Vergabewesen dient. Er folgt auch dem Argument der Bundesregierung, dass die jeweils angefochtenen Entscheidungen einen eigenen Verfahrensgegenstand betreffen, sodass im Prinzip auch eine Vergebührung jedes der Anträge an sich sachlich ist.

Der Umstand, dass Entscheidungen des Auftraggebers aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht bloß gemeinsam mit der Anfechtung der Zuschlagsentscheidung bekämpft werden können, ändert aber nichts daran, dass der Antragsteller mehrfach hohe Pauschalgebührensätze bei derselben Auftragsvergabe zu entrichten hat, ohne dass die Multiplizierung der Gebühr einer vergleichbaren Multiplizierung des Aufwandes gegenübersteht, weil bei jedem weiteren Verfahrensschritt in der Regel auf vorherige Verfahrensschritte zumindest teilweise zurückgegriffen werden kann, was sich etwa zeigt, wenn auf ein Nachprüfungsverfahren ein Feststellungsverfahren folgt. Gerade im Unterschwellenbereich stehen die kumulierten Gebühren häufig in einem groben Missverhältnis zu der erwarteten Gewinnspanne, sodass die Gebühren im Ergebnis zu einer Beeinträchtigung der Effizienz des Rechtsschutzes führen. Auch erhöht sich das Nutzenäquivalent, also das wirtschaftliche Interesse des Unternehmers an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens, nicht mit der Notwendigkeit mehrfacher Antragstellung.

2.2 Die Bundesregierung versucht dieses System damit zu rechtfertigen, dass es der Hintanhaltung völlig aussichtsloser oder mutwilliger Anträge diene.

Nun ist dem Gesetzgeber an sich überlassen, ein Gebührensystem so zu gestalten, dass dem rechtspolitisch legitimen Ziel der Schaffung einer angemessenen Verfahrensbarriere Rechnung getragen wird. Dabei darf aber nicht gleichzeitig das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit und der Effizienz des Rechtsschutzes verletzt werden.

Die Bundesregierung versucht das Bedenken ferner zu entkräften, indem sie auf die Möglichkeit eines Gebührenersatzes im Falle des Obsiegens verweist. Der Verfassungsgerichtshof bestätigt seine bereits in seinem Prüfungsbeschluss vertretene Auffassung, dass ein möglicher Gebührenersatz weder die Unsachlichkeit einer jedenfalls vorläufig zu bestreitenden (und allenfalls auch endgültig zu tragenden) Gebühr zu rechtfertigen vermag, noch die durch eine hohe Verfahrensgebühr beeinträchtigte Effektivität des Rechtsschutzes wiederherstellt. Ein verfassungswidriges Gebührensystem wird nicht dadurch verfassungsmäßig, dass die Gebühr letztlich unter Umständen von einer anderen Partei zu tragen ist.

Im Übrigen tritt der den Rechtsschutz beeinträchtigende Effekt einer Gebühr bereits mit der vorläufigen Entrichtung der hohen Gebühren ein. Jeder Bieter und Rechtsschutzwerber hat - nicht nur bei aussichtslosen oder mutwilligen Prozessführungen - ein Verfahrensrisiko zu kalkulieren. Der Erfolg eines Rechtsmittels ist fast nie mit absoluter Gewissheit vorhersehbar, sodass jeder Rechtsmittelwerber das Risiko der Tragung auch der Gebühr der (allenfalls obsiegenden) Gegenpartei in Betracht zu ziehen hat. Dabei wird er das Gebührenrisiko und den möglichen Nutzen (erzielbare Gewinnspanne) gegeneinander abwägen. Gerade bei Vergaben im Unterschwellenbereich, an denen sich auch kleinere Unternehmen beteiligen, wird diese Abwägung bei sorgfältiger kaufmännischer Überlegung zum Verzicht auf einen (vielleicht durchaus aussichtsreichen) Rechtsschutz führen.

Der Umstand, dass es Fälle gibt, in denen der Antragsteller die ausgelegte Pauschalgebühr nicht ersetzt erhält, obwohl er nicht als Unterliegender anzusehen ist, verstärkt nur noch die Wirkung der Gebührenhöhe. Soweit die Bundesregierung meint, dass derartige Konstellationen nicht vorkommen, sei darauf hingewiesen, dass beim Verfassungsgerichtshof derartige Fälle anhängig sind.

Die Möglichkeit des Ersatzes einer vorläufig zu bestreitenden hohen Verfahrensgebühr verhindert also nicht deren Wirkung als Verfahrensbarriere, selbst bei aussichtsreichen Anträgen von der Inanspruchnahme des Rechtsschutzes abzuhalten.

Auch das von der Bundesregierung zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2004/04/0081, vermag ihren Prozessstandpunkt nicht zu stützen. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof seine verfassungsrechtliche Beurteilung ausdrücklich aus der Sicht des zugrunde liegenden Verfahrens vorgenommen und die Existenz einer Gebührenersatzregelung lediglich als einen (für die Frage der Effizienz des Rechtsschutzes) weiteren hinzutretenden Aspekt gewürdigt, nicht aber als einzig entscheidenden Umstand gewertet.

2.3 Zum Vorbringen der Bundesregierung, dass die Einnahmen aus der Entrichtung von Pauschalgebühren den Aufwand des BVA im Jahr 2005 nur zu einem Drittel gedeckt haben, sei darauf hingewiesen, dass es keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz gibt, wonach Rechtsschutz nur dann gewährt werden muss, wenn die Parteien dessen Kosten zu tragen gewillt sind. Im Gegenteil: Das gesetzgeberische Anliegen der Deckung des durchschnittlichen Verfahrensaufwandes darf jedenfalls nicht dazu führen, dass die Effektivität des Rechtsschutzes beeinträchtigt wird.

3. Die Bedenken haben sich als gerechtfertigt erwiesen. Die Kumulierung und Multiplizierung der (hohen) Gebühren ist unsachlich und behindert die Effizienz des Rechtsschutzes."

3. Die Wiener Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Abweisung des Antrages des Verwaltungsgerichtshofes sowie die Feststellung, dass die vom Verfassungsgerichtshof in Prüfung genommenen Wortfolgen nicht verfassungswidrig sind, beantragt. Dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes tritt die Wiener Landesregierung nur hinsichtlich des Anfechtungsumfanges entgegen, den sie als "überschießend" erachtet. Ferner teilte die Wiener Landesregierung mit, dass bereits nach Bekanntwerden des Erk. vom , G154/05, V118/05, eine den darin enthaltenen Erwägungen entsprechende Anpassung der Rechtslage in Angriff genommen worden sei, die möglichst am in Kraft treten solle. Deshalb beantragte die Wiener Landesregierung auch eine Frist für den Fall der Aufhebung der in Prüfung genommenen Bestimmungen "bis zumindest ".

Die Beschwerdeführerin des verwaltungsgerichtlichen Anlassverfahrens erstattete als beteiligte Partei eine Äußerung, in der sie sich den Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes anschließt. Darüber hinaus verweist sie auf den Umstand, dass ein trotz Aufforderung nicht ordnungsgemäß vergebührter Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückzuweisen ist, wobei das Risiko, eine zu niedrige Gebühr entrichtet zu haben, den Antragsteller treffe, da die Behörde selbst bei ihrem Verbesserungsauftrag keinen exakten Betrag vorschreibe, sondern nur ein Merkblatt übermittle. Schwierigkeiten hinsichtlich der Ermittlung der richtigen Gebührenhöhe würden - wie im vorliegenden Fall - aber insbesondere dann auftreten, wenn der Auftraggeber entweder keine oder gar eine falsche Qualifikation des ausgeschriebenen Auftrags vorgenommen habe. Dieses unkalkulierbare Risiko dürfe von Verfassungs wegen nicht auf den Antragsteller übergewälzt werden.

IV. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

In von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg. 7376/1974, 9374/1982, 11.506/1987, 16.195/2001).

Die Grenzen der Aufhebung müssen auch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (VfSlg. 6674/1972, 8155/1977, 9374/1982, 11.455/1987, 13.965/1994 mwN, 16.542/2002).

1.1 Zur Zulässigkeit des Antrages des Verwaltungsgerichtshofes

Der Verwaltungsgerichtshof hat beantragt, § 30 Abs 1 WVRG als Ganzes zur Bereinigung der Rechtslage aufzuheben. Mit dieser Bestimmung wird - worauf auch die Wiener Landesregierung in ihrer Äußerung aufmerksam gemacht hat - nicht nur die Gebührenpflicht eines Nichtigerklärungsantrages gemäß § 13 Abs 1 sowie eines Antrages auf einstweilige Verfügung gemäß § 23 Abs 1 angeordnet, sondern auch eines Feststellungsantrages nach § 13 Abs 2 WVRG. Da die Beschwerdeführerin im Vergabekontrollverfahren einen Nachprüfungsantrag sowie einen Antrag auf einstweilige Verfügung gestellt und die Pauschalgebühren für diese beiden Anträge Gegenstand des vom VKS abgewiesenen Rückerstattungsantrages waren, würde die Aufhebung des gesamten ersten Absatzes des § 30 auch die normierte Gebührenpflicht für einen Feststellungsantrag beseitigen und damit mehr aus dem Rechtsbestand ausscheiden, als Voraussetzung für den Anlassfall ist (vgl. bereits , V118/05). Dies gilt auch für den mitangefochtenen § 30 Abs 2 WVRG, sodass der Antrag in diesem Umfang zurückzuweisen war.

Da die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes im verbleibenden Umfang zulässig.

1.2 Zur Zulässigkeit des Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes

Das Gesetzesprüfungsverfahren hat nicht ergeben, dass die vorläufige Annahme des Gerichtshofes, er habe die in Prüfung gezogenen Bestimmungen anzuwenden, unzutreffend wäre. Da auch sonst kein Prozesshindernis hervorgekommen ist, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. In der Sache:

Im Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren ist nichts hervorgekommen, was die oben wiedergegebenen Bedenken zerstreut hätte.

Soweit die Wiener Landesregierung hervorhebt, dass nach dem WVRG Anträge auf Nichtigerklärung, Feststellung und auf Erlassung sowie Verlängerung einer einstweilige Verfügung zu vergebühren seien, nicht jedoch - anders als nach dem Bundesvergabegesetz 2002 - ein auf "Überleitung" des unzulässig gewordenen Nichtigerklärungs- in ein Feststellungsverfahren gerichteter Antrag, so fällt dieser Unterschied nicht derart ins Gewicht, dass der Verfassungsgerichtshof zu einem anderen Ergebnis käme. Dass - wie die Wiener Landesregierung anmerkt - Auseinandersetzungen zwischen am Markt rivalisierenden Unternehmen durch die Erhebung von Rechtsmitteln "am Rücken der vergebenden Stelle ungehemmt ausgelebt werden" könnten und auch die gesellschaftsrechtliche Verantwortung der Unternehmensleitung dazu führe, sämtliche Rechtsmöglichkeiten auszuschöpfen, vermag den Bedenken der Gerichtshöfe nichts entgegen zu setzen: Der Verfassungsgerichtshof hat in seinen Erkenntnissen zum Pauschalgebührensystem des Bundesvergabegesetzes 2002 wiederholt betont, dass die Pflicht zur Entrichtung von Verfahrensgebühren auch die Funktion einer Verfahrensbarriere gegen völlig aussichtslose Anträge zukommen dürfe, dass aber die Gefahr auch rechtsmissbräuchlich erhobener Rechtsmittel nicht die mangelnde Effektivität des Rechtsschutzes überhaupt rechtfertigen könne.

Da sich sohin die Bedenken des Verwaltungs- und des Verfassungsgerichtshofes als zutreffend erwiesen haben, waren die in Prüfung genommenen bzw. angefochtenen Bestimmungen wegen Verstoßes gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz und gegen das rechtsstaatliche Gebot der faktischen Effektivität des Rechtsschutzes als verfassungswidrig aufzuheben.

V. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

Dem Antrag der Wiener Landesregierung, eine Frist zu setzen, war nicht stattzugeben. Angesichts des Umstands, dass legistischer Handlungsbedarf - wie die Landesregierung in ihrer Äußerung selbst einräumt - spätestens seit dem Erk. vom erkennbar war, war dem Interesse an der Herstellung einer dem Gebot der faktischen Effektivität des Rechtsschutzes entsprechenden Rechtslage der Vorzug zu geben.

Die Verpflichtung des Landeshauptmannes zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.