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VfGH vom 07.03.1987, g108/86

VfGH vom 07.03.1987, g108/86

Sammlungsnummer

11282

Leitsatz

Prüfung der Verfassungsmäßigkeit genereller Normen (im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz) ist unabhängig davon, ob der Bf. als Ausländer das Gleichheitsrecht für sich in Anspruch nehmen kann; keine Bedenken dagegen, daß ein Mitglied der Grundverkehrsbehörde Fachmann auf dem Gebiet der Land- und Forstwirtschaft sein muß; Gleichheitsgebot erfordert nicht, bei Verfahren im Rahmen des Ausländergrundverkehrs eine verschiedene Zusammensetzung ein und derselben Behörde je nachdem vorzusehen, was jeweils Gegenstand des zu beurteilenden Rechtsgeschäftes ist; § 20 Abs 1 wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben

Spruch

Den Anträgen wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim VwGH sind neun Beschwerden gegen Bescheide der Grundverkehrslandeskommission Salzburg (betreffend von Ausländern beantragte Bewilligungen des Grunderwerbs) anhängig. Aus Anlaß von acht dieser Beschwerden hat der VwGH (zunächst) beantragt, im ersten Satz des § 20 Abs 1 des Salzburger Grundverkehrsgesetzes 1974, LGBl. 8, die Wendung "oder bei dem als Rechtserwerber ein Ausländer in Betracht kommt" als verfassungswidrig aufzuheben und hat dies wie folgt begründet:

"Die Grundverkehrslandeskommission (GVLK) entscheidet nach § 20 Abs 1 Salzburger Grundverkehrsgesetz 1974 in zwei verschiedenen Zusammensetzungen. Grundsätzlich besteht sie aus einem Richter als Vorsitzenden (dessen Stellvertreter) und aus zwei Beisitzern. Letztere müssen 'land- oder forstwirtschaftliche Fachmänner' sein. U.a. in Angelegenheiten des Ausländergrundverkehrs (§§12 ff) treten dazu noch drei von gesetzlichen Interessensvertretungen vorzuschlagende Beisitzer. Der GVLK gehören demnach immer zwei land- oder forstwirtschaftliche Fachmänner an. Dies gilt auch dann, wenn es im konkreten Fall um die Zustimmung zu einem Rechtserwerb an einem Grundstück geht, das nicht als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück im Sinne des § 1 zu qualifizieren ist. Der Rechtserwerb eines Ausländers an einem land- oder forstwirtschaftlichen Grundstück bedarf nach § 12 Abs 1 (arg. "unbeschadet") sowohl einer Bewilligung nach § 2 als auch einer Bewilligung nach § 12. Gegen die angefochtene Regelung, die im Hinblick auf die Zusammensetzung der GVLK bei Beschlußfassung über den angefochtenen Bescheid präjudiziell ist, hegt der VwGH aus nachstehenden Gründen unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes Bedenken:

Dem aus dem Gleichheitsgrundsatz abzuleitenden allgemeinen Sachlichkeitsgebot unterliegt der Gesetzgeber auch dann, wenn er die Zusammensetzung von Kollegialbehörden regelt. Auch die allenfalls vom Gesetzgeber geforderte Qualifikation von Mitgliedern einer solchen Behörde muß in einem sachlichen Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit in dieser Behörde stehen. Daß dies im land- oder forstwirtschaftlichen Grundverkehr in Ansehung der beiden Beisitzer, die land- oder forstwirtschaftliche Fachmänner zu sein haben, der Fall ist, bedarf keiner näheren Erörterung. Auch dagegen, daß in allen Fällen der Vorsitzende (bzw. sein Stellvertreter) ein Richter zu sein hat, bestehen keine Bedenken, da die Bundesverfassung die Mitwirkung von Richtern in kollegialen Verwaltungsbehörden oberster Instanz selbst vorsieht. Der VwGH vermag aber keine sachliche Rechtfertigung dafür zu sehen, daß die Beisitzer mit derselben Qualifikation als land- oder forstwirtschaftliche Fachmänner an der Entscheidung in Angelegenheiten mitzuwirken haben, bei denen gemäß § 12 Abs 1 ein Ausländer nicht ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück, sondern - wie im vorliegenden Beschwerdefall - etwa eine Eigentumswohnung in Bestand nehmen oder erwerben will. Zum Unterschied von den Zustimmungskriterien nach den §§4 ff im land- oder forstwirtschaftlichen Grundverkehr sind die Zustimmungskriterien im Ausländergrundverkehr nach § 13 auch dergestalt, daß es eines spezifischen Fachwissens um Belange der Land- oder Forstwirtschaft nicht bedarf. Dies würde nach Auffassung des VwGH zwar nicht ausschließen, daß der Gesetzgeber auch in jenen Fällen zur Wahrung allfälliger Interessen der Land- oder Forstwirtschaft bei Beurteilung der staatspolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen und kulturellen Interessen - neben den Vertretern der anderen im § 20 Abs 1 erster Satz genannten gesetzlichen Interessenvertretungen - auch Vertreter der zuständigen Landwirtschaftskammer in die Kommission beruft. Es würde sich dabei aber in erster Linie um die Vertretung von Interessen einer Bevölkerungsgruppe handeln. Die Erforderlichkeit eines spezifischen Fachwissens auf dem Gebiet der Land- oder Forstwirtschaft wird dadurch nicht gerechtfertigt. Dazu kommt, daß an die von der Landarbeiterkammer, der Kammer der gewerblichen Wirtschaft und der Arbeiterkammer vorzuschlagenden Mitglieder nach dem Gesetz auch keine besonderen fachlichen Anforderungen gestellt werden.

Der Gesetzgeber behandelt nach Auffassung des VwGH damit einerseits Ungleiches gleich, indem er ohne Rücksicht auf die rechtliche Qualität eines Grundstückes jedenfalls zwei Beisitzer vorsieht, die land- oder forstwirtschaftliche Fachmänner sind. Andererseits behandelt er Gleiches ungleich, indem er an einzelne Beisitzer fachliche Anforderungen stellt, sich bei anderen mit der formalen Nominierung durch bestimmte Stellen ohne weitere fachliche Qualifikation begnügt.

An der aufgezeigten Verfassungswidrigkeit vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß Ausländern durch den Gleichheitsgrundsatz keine subjektiven Rechte erwachsen, da mit der Zusammensetzung der GVLK als Berufungsbehörde in Ausländergrundverkehrssachen nicht ausschließlich subjektive Rechte von Ausländern berührt werden."

2. Mit acht Beschlüssen vom hat der VwGH seine Antragstellung wie folgt ergänzt und modifiziert:

"Die im genannten Beschluß angeführten verfassungsrechtlichen Bedenken richten sich nicht bloß gegen die angefochtene Wendung. Im Fall ihrer Aufhebung ergibt sich nämlich, daß die Grundverkehrslandeskommission in Angelegenheiten des Ausländergrundverkehrs nur mehr zwei Beisitzer aufzuweisen hätte, die beide 'land- oder forstwirtschaftliche Fachmänner' zu sein hätten. Damit wären aber - wie die Salzburger Landesregierung in ihrer an den VfGH gerichteten Äußerung vom zutreffend ausführt - die Bedenken des VwGH nicht beseitigt. Die nach Auffassung des VwGH gegebene Unsachlichkeit wäre im Gegenteil noch größer. Die Regelung der Zusammensetzung der Grundverkehrslandeskommission in Angelegenheiten des Ausländergrundverkehrs erscheint sprachlich vom übrigen Inhalt des ersten Satzes des § 20 Abs 1 nicht trennbar. Der VwGH sieht sich daher veranlaßt, seinen ursprünglichen Antrag dahin zu ergänzen, daß er nunmehr den ganzen ersten Satz des § 20 Abs 1 des Salzburger Grundverkehrsgesetzes 1974 zum Gegenstand seiner Anfechtung macht.

Im Hinblick auf die Erlassung des Salzburger Grundverkehrsgesetzes 1986, LGBl. Nr. 73, wird für den Fall, daß der VfGH über den Antrag des VwGH nach dessen Inkrafttreten (gemäß § 22 Abs 1 erster Satz offenbar mit ) entscheidet, die Feststellung beantragt, daß die angefochtene Bestimmung verfassungswidrig war.

Der VwGH stellt sohin den Antrag, den ersten Satz des § 20 Abs 1 des Salzburger Grundverkehrsgesetzes 1974 als verfassungswidrig aufzuheben, in eventu festzustellen, daß diese Bestimmung verfassungswidrig war."

3. Mit hat der VwGH aus Anlaß einer weiteren Beschwerde (mit gleicher Begründung) beantragt, der VfGH wolle feststellen, daß der erste Satz des § 20 Abs 1 leg.cit. verfassungswidrig war.

4. Die Salzburger Landesregierung hat in einer Äußerung begehrt, die Anträge des VwGH als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls ihnen nicht Folge zu geben.

II. Der VfGH hat über die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfahren erwogen:

1. Der erste Satz des § 20 Abs 1 des Salzburger Grundverkehrsgesetzes 1974, LGBl. 8, lautet wie folgt:

"Die Grundverkehrslandeskommission besteht aus einem Richter als Vorsitzenden bzw. einem Richter als dessen Stellvertreter sowie als Beisitzer aus zwei land- oder forstwirtschaftlichen Fachmännern, weiters in den Fällen, in denen es sich um ein Rechtsgeschäft handelt, das dazu abgeschlossen werden soll, um ein Grundstück anderen als land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken zu widmen oder bei dem als Rechtserwerber ein Ausländer in Betracht kommt, als Beisitzer zusätzlich aus je einem Vertreter der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Salzburg, der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg und der Landarbeiterkammer für Salzburg."

2. Nichts spricht gegen die Annahme, daß der VwGH diese Vorschrift über die Zusammensetzung der im Verfahren vor dem VwGH bel. Beh. in den Anlaßfällen anzuwenden haben wird.

Auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen sind gegeben:

Die Salzburger Landesregierung vermeint zwar in ihrer Äußerung, der VwGH sei nicht befugt, die angefochtene Bestimmung wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz zu bekämpfen, weil sämtliche Bf. Ausländer seien, auf welche sich das Gleichheitsrecht nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH nicht erstrecke. Die Landesregierung übersieht hiebei die Rechtsprechung des VfGH, wonach die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit genereller Normen unabhängig davon zu erfolgen hat, ob der Bf. als Ausländer das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz für sich in Anspruch nehmen kann (s. VfSlg. 9758/1983, S 618).

Auf eine weitere Einwendung der Salzburger Landesregierung gegen die Zulässigkeit der Anträge braucht nicht (mehr) eingegangen zu werden, weil sich diese Einwendung ihrem Inhalt nach nur auf ein angeblich verfassungswidriges Ergebnis bezieht, welches entstehen würde, wenn lediglich die vom VwGH ursprünglich angefochtene Wendung aus dem Rechtsbestand ausscheiden würde. Diesem Umstand hat der VwGH durch die Modifizierung seines Antrages Rechnung getragen.

3. Der Vorwurf des VwGH gegen die bekämpfte Regelung geht im Ergebnis dahin, der Gesetzgeber habe einerseits Ungleiches gleich behandelt, indem er ohne Rücksicht auf die rechtliche Qualität eines Grundstückes jedenfalls zwei land- oder forstwirtschaftliche Fachmänner als Beisitzer vorsehe; andererseits behandle der Gesetzgeber Gleiches ungleich, indem er an einzelne Beisitzer fachliche Anforderungen stelle, sich aber bei anderen mit der formalen Nominierung durch bestimmte Stellen ohne weitere fachliche Qualifikation begnüge.

Der VfGH hält in ständiger Rechtsprechung (vgl. zB VfSlg. 8544/1979, 8828/1980) den Umstand, daß ein Mitglied der Grundverkehrsbehörde Fachmann auf dem Gebiet der Land- und Forstwirtschaft sein muß, für verfassungsrechtlich unbedenklich, da die besondere Sachkunde wenigstens eines Mitgliedes gerade bei den Angelegenheiten des Grundverkehrs nahezu unentbehrlich ist. Es ist dem VwGH einzuräumen, daß die besondere Sachkunde auf diesen Gebieten beim Ausländergrundverkehr angesichts der Zustimmungskriterien nach § 13 des Salzburger Grundverkehrsgesetzes 1974 mitunter entbehrlich sein wird.

Diese Sachkunde ist aber - was der VwGH nicht in Abrede stellt - auch beim Grunderwerb durch Ausländer dann erforderlich, wenn es sich um ein Rechtsgeschäft über ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück handelt oder wenn die Qualifikation des Grundstückes als land- oder forstwirtschaftlich strittig ist. Das (zusätzliche) Fachwissen von zwei Mitgliedern der Grundverkehrslandeskommission ist nur bei einem Teil der von dieser Behörde im Rahmen der ihr zukommenden Zuständigkeit zu treffenden Entscheidungen nicht von Nutzen. Nach Auffassung des VfGH erfordert es das Gleichheitsgebot aber nicht, bei Verfahren im Rahmen des Ausländergrundverkehrs eine verschiedene Zusammensetzung ein und derselben Behörde (der Grundverkehrslandeskommission) je nachdem vorzusehen, was jeweils Gegenstand des zu beurteilenden Rechtsgeschäftes ist. Gerade diese Frage kann umstritten sein; dies würde aber - wenn man der Auffassung des VwGH folgt - dann die Konsequenz mit sich bringen, daß die Zusammensetzung der Behörde vom Ergebnis einer erst zu treffenden Entscheidung abhängt.

Beizufügen bleibt, daß weder aus dem Sachlichkeitsgebot noch sonst aus Bestimmungen der Verfassung ableitbar ist, daß Mitglieder von Kollegialbehörden (hier: die von Interessenvertretungen vorgeschlagenen) schlechthin eine besondere Sachkunde aufweisen müssen.

4. Den Anträgen ist daher nicht Folge zu geben.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.