VfGH vom 29.06.2001, g108/01
Sammlungsnummer
16245
Leitsatz
Keine Verletzung der Verfahrensgarantien und Anforderungen hinsichtlich der Nachprüfung von Entscheidungen durch ein übergeordnetes Gericht in der Europäischen Menschenrechtskonvention durch Ausschluß eines Rechtsmittels für die Wiederaufnahme bewilligende Beschlüsse eines Bezirksgerichts in der Strafprozeßordnung; keine unsachliche, die Waffengleichheit verletzende Differenzierung zwischen Ankläger und Angeklagtem;
Verstoß der geprüften Regelung gegen das Rechtsstaatsprinzip;
Verletzung des Grundsatzes "ne bis in idem" aufgrund möglicher Durchführung einer neuen Hauptverhandlung infolge der Wiederaufnahme;
einseitige Belastung des Rechtsschutzsuchenden mit den Folgen einer potentiell rechtswidrigen Entscheidung auch nicht vorübergehend zulässig
Spruch
Der dritte Satz des § 480 Strafprozeßordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im BGBl. I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit Antrag vom begehrt das Landesgericht Ried im Innkreis (im folgenden: LG) die Aufhebung des dritten Satzes des § 480 Strafprozeßordnung, BGBl. Nr. 631/1975 (im folgenden kurz: StPO).
§ 480 StPO, BGBl. Nr. 631/1975 idF BGBl. Nr. 762/1996, lautet wie folgt (der angefochtene Satz ist hervorgehoben):
"§480. Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens richtet sich nach den im XX. Hauptstück aufgestellten Grundsätzen. Über die Zulassung der Wiederaufnahme entscheidet das Bezirksgericht. Gegen die Verweigerung der Wiederaufnahme steht nur die Beschwerde an den Gerichtshof erster Instanz offen, die binnen vierzehn Tagen beim Bezirksgericht anzubringen ist."
Mit der Novelle BGBl. Nr. 762/1996 entfiel der zweite Absatz sowie die Absatzbezeichnung "(1)"; die Novelle änderte jedoch nichts an der Textierung des dritten Satzes des § 480 StPO.
2. Zum Sachverhalt des beim LG behängenden Verfahrens führt das antragstellende Gericht aus, daß es über die Beschwerde eines rechtskräftig Freigesprochenen gegen die stattgebende Entscheidung des Erstgerichtes, das Strafverfahren gegen den Freigesprochenen wieder aufzunehmen, zu entscheiden hätte. Die angefochtene Bestimmung des § 480 StPO stünde einer meritorischen Behandlung der Beschwerde entgegen, da ein entsprechendes Rechtsmittel nur bei einer abweisenden Entscheidung über den Wiederaufnahmsantrag gesetzlich vorgesehen sei.
Gegen den Ausschluß eines Rechtsmittels bei einem die Wiederaufnahme im bezirksgerichtlichen Verfahren verfügenden Beschluß bringt das antragstellende LG folgende Bedenken vor:
"Art2 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK (BGBl. Nr. 628/1988) normiert das Recht, das Urteil entsprechend dem Gesetz durch eine höhere Instanz nachprüfen zu lassen. Ausnahmen von diesem Recht sind nur für strafbare Handlungen geringfügiger Art, oder in Fällen möglich, in denen das Verfahren gegen eine Person in erster Instanz vor dem Obersten Gericht stattgefunden hat oder in denen sie nach einem gegen ihren Freispruch eingelegten Rechtsmittel verurteilt worden ist. Nach unbestrittener Lehre und Rechtsprechung gelten die Garantien des Art 6 Abs 3 litb) EMRK auch für den Instanzenzug.
Nun ist im vorliegenden Fall natürlich nicht von einem noch nicht in Rechtskraft erwachsenen verurteilenden erstinstanzlichen Strafurteil auszugehen, auf das die genannte Bestimmung primär abstellt. Es ist aber wohl kraft eines Größensschlusses eindeutig, dass die erwähnten Verfahrensgarantien um so mehr jemanden zustehen, der vom Gericht bereits rechtskräftig freigesprochen und damit die Unschuldsvermutung des Art 6 Abs 2 EMRK durch einen Hoheitsakt bekräftigt wurde. Außerdem sind die im Art 6 Abs 3 EMRK enthaltenen Verfahrensgarantien in jedem einzelnen Fall zu gewährleisten (VfGH Erkenntnis vom , G151/99).
Nun wird nicht verkannt, dass im angefochtenen Beschluss noch nicht (neuerlich) endgültig über den Strafantrag abgesprochen wird. Ein Beschluss, mit dem die Wiederaufnahme des rechtskräftig mit Freispruch abgeschlossenen Strafverfahrens, demgemäß auch die Aufhebung des Freispruches, angeordnet wird, stellt aber einen derart massiven Eingriff in die durch die EMRK normierten Verteidigungsrechte des Beschuldigten dar, dass eine Ausnahme vom Recht auf Erhebung eines Rechtsmittels bzw. Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens im Sinn der Z 2 des Art 2 des 7. Zusatzprotokolles zur EMRK nicht vorliegen kann. Nach heutiger Auffassung sind (entgegen den bezüglichen Ausführungen in KH 2031) wohl alle den Bezirksgerichten zur Verhandlung und Entscheidung überlassenen Strafsachen von einem derartigen Gewicht, dass eine Überprüfung durch ein ordentliches Rechtsmittel stets möglich sein muss. Diese Verfahrensgarantien sind aber hinfällig, wenn, wie vorliegend, ein in Rechtskraft erwachsener Freispruch durch einen Beschluss des Bezirksgerichtes aufgehoben wird und die Bewilligung dieser Wiederaufnahme zu Lasten des Beschuldigten nicht angefochten werden kann.
Damit im Zusammenhang ist auch das aus der Bundesverfassung abzuleitende Rechtsstaatsprinzip durch die erwähnte Bestimmung des § 480, 3. Satz StPO verletzt. Der Verfassungsgerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung (VfSlg. 15.218/19(9)8), dass Rechtsschutzeinrichtungen ihrer Zweckbestimmung nach ein bestimmtes Mindestmaß an faktischer Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen müssen. Daraus ist abzuleiten, dass dem negativ beschiedenen Rechtsschutzsuchenden gewährleistet wird, sein Rechtsmittel in einer Weise auszuführen, die der anzufechtenden Entscheidung tatsächlich und rechtlich adäquat ist. Dieses Mindestmaß an faktischer Effizienz ist vor allem dann nicht gegeben, wenn es dem rechtskräftig Freigesprochenen gänzlich benommen ist, einen zu seinen Ungunsten gefassten Wiederaufnahmebeschluss zu bekämpfen. So wie es im öffentlichen Interesse liegt, dass strafgerichtliche Verurteilungen eingehend auf Verfahrens- und sonstige Rechtsfehler überprüft und nicht allenfalls Unschuldige verurteilt werden, liegt es auch im öffentlichen Interesse, ein rechtskräftig zugunsten eines Beschuldigten mit Freispruch abgeschlossenes Strafverfahren nur unter den strengen Voraussetzungen des § 355 StPO wiederaufzurollen und vor allem eine die Bewilligung der Wiederaufnahme aussprechende Entscheidung des Bezirksgerichtes einer Überprüfung durch ein Rechtsmittelgericht aufgrund eines Rechtsmittels zu ermöglichen.
Letztlich liegt aber auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor. Nach der vom VfGH entwickelten Prüfungsformel gestattet der Gleichheitssatz nur sachlich gerechtfertigte Differenzierungen; eine solche setzt relevante Unterschiede im Tatsachenbereich (objektive Unterscheidungsmerkmale) voraus. Nach ständiger Judikatur muss der Gesetzgeber an gleich Tatbestände gleich Rechtsfolgen knüpfen (Mayer B-VG² Anmerkung III. 1 zu Art 2 StGG).
Nun erscheint es in auffallendem Maß unsachlich, dem (Privat-)Ankläger ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Bezirksgerichtes, mit der sein Wiederaufnahmeantrag nach erfolgtem Freispruch abgewiesen wurde, einzuräumen, nicht aber dem Freigesprochenen gegen die Entscheidung, mit der aufgrund des Wiederaufnahmeantrages eines Anklägers der Freispruch aufgehoben wird (Siehe auch Erkenntnis VfSlg. 7786: Gleichheitswidrigkeit bei Beschwerdemöglichkeit an VwGH gegen Entscheidungen der Rundfunkkommission nur für den ORF, nicht aber für den Beschwerdeführer). Im Übrigen ist auch dieses Gleichheitsmaß vor dem Hintergrund der im Art 6 EMRK eingeräumten Verteidigungsrechte zu sehen. Die Unsachlichkeit der zitierten gesetzlichen Regelung zeigt sich auch darin, dass der Freigesprochene wohl gegen den Beschluss, mit dem der Pauschalbeitrag zu den Kosten der Verteidigung gemäß § 393a StPO geringer, als seinem Begehren entsprechend, bestimmt wurde, ein Rechtsmittel erheben kann; ihm hingegen gegen den bewilligenden Wiederaufnahmebeschluss, mit dem ja viel schwerwiegender in seine Rechtsposition eingegriffen wird, kein Rechtsmittel zusteht."
3. Die Bundesregierung bestreitet zunächst die Zulässigkeit des vorliegenden Antrags:
"I. Zur Zulässigkeit der Beschwerde (des Antrages):
Nach Ansicht der Bundesregierung erweist sich der Umfang der Anfechtung als zu weit gehend. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt eingenommen, der Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen sei derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden werde, als zur Beseitigung der zulässigerweise geltend gemachten Rechtsverletzung erforderlich ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt. Die Grenzen der Aufhebung müssten so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle() i(n) untrennbaren Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden. Dies trifft sowohl auf von Amtswegen als auch auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren zu (vgl. etwa VfSlg. 13739/1994, 13964/1994).
Der gegenständliche Antrag erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Um die von dem antragstellenden Gericht behauptete Verfassungswidrigkeit zu beseitigen, wäre es nämlich ausreichend gewesen, in § 480 3. Satz StPO die Wortfolge 'Verweigerung der' anzufechten. Bei Beseitigung dieser Wortfolge wäre der verbleibende Rest so interpretierbar gewesen, dass sowohl die Verweigerung als auch die Stattgebung der Wiederaufnahme des Strafverfahrens durch Rechtsmittel bekämpfbar ist. Es erweist sich daher der gegenständliche Antrag als zu weit gehend und daher als unzulässig."
Im folgenden tritt die Bundesregierung den vom LG vorgebrachten Bedenken mit folgenden Argumenten entgegen:
"2. Zu den vorgebrachten Bedenken im Hinblick auf Art 2
7. ZPEMRK: Der Auffassung des Landesgerichtes Ried im Innkreis, dass
§480 dritter Satz StPO gegen Art 2 7. ZPEMRK verstoße, kann nicht
gefolgt werden. Diese Bestimmung normiert, dass derjenige, der von
einem Gericht wegen einer strafbaren Handlung verurteilt worden ist,
das Recht hat, dieses Urteil von einem übergeordneten Gericht
nachprüfen zu lassen. Wie bereits ein Blick auf die englische und
französische Sprachfassung bestätigt, bezieht sich dieses Recht
eindeutig auf die Überprüfung des Schuldspruches und d(er) darauf
aufbauende(n) Verhängung einer Strafe ('... shall have the right to
have his conviction or sentence reviewed...'; '... a le droit de
faire examiner ... la declaration de culpabilite ou la
condamnation...").
Dieses Recht wird aber durch die der Gesetzesprüfung unterzogene Bestimmung in keiner Weise angetastet, vielmehr ist für den Fall einer Wiederaufnahme in § 359 Abs 5 StPO (im bezirksgerichtlichen Verfahren iVm. § 480 1. Satz StPO) ausdrücklich geregelt, dass gegen das im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene neue Erkenntnis dieselben Rechtsmittel wie gegen jedes andere Urteil offen stehen. Der vom antragstellenden Gericht angestrengte 'Grössenschluss' lässt sich nicht nachvollziehen, weil auch die durch Art 6 Abs 2 EMRK garantierte Unschuldsvermutung von der Wiederaufnahme unberührt bleibt; würde man die Überlegungen des antragstellenden Gerichts auf Art 6 Abs 2 EMRK übertragen, so müsste man zwangsläufig die Unzulässigkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens zu Lasten des Beschuldigten annehmen.
Allerdings hat der zuständige Richter auch im wiederaufgenommenen Verfahren die Bestimmungen der §§258 Abs 2 und § 259 Z 3 StPO (freie Beweiswürdigung und Zweifelsgrundsatz) anzuwenden und gegebenenfalls einen (neuerlichen) Freispruch zu fällen. § 68 Abs 3 StPO sichert durch die Ausschließung von Richtern, die in derselben Sache als Untersuchungsrichter tätig gewesen sind oder an der früheren Hauptverhandlung teilgenommen haben, von der Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme sowie von der Mitwirkung und Entscheidung in der neuen Hauptverhandlung überdies die Unvoreingenommenheit des Richters im wiederaufgenommenen Verfahren.
Der behauptete 'massive Eingriff in die durch die EMRK normierten Verteidigungsrecht' (bloß) durch die Bewilligung einer Wiederaufnahme des Strafverfahrens nach rechtskräftigem Freispruch ist nicht ersichtlich. Die endgültige Entscheidung über den Anklagevorwurf wird auch im wiederaufgenommenen Verfahren erst nach Durchführung eines prozessordnungsgemäßen Verfahrens getroffen, in welchem dem Beschuldigten dieselben Verteidigungsrechte und Rechtsmittel zur Verfügung stehen wie im ursprünglichen Verfahren.
Auch die bisherige Judikatur der Straßburger Konventionsorgane zu Art 2 7. ZPEMRK dürfte für einen 'Grössenschluss' aus dieser Bestimmung keinen Raum lassen (vgl. etwa Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom , BNr. 37604/97, Sjöö gegen Schweden).
Im Übrigen geht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art 2 7. ZPEMRK davon aus, dass den Vertragsstaaten ein weiter Ermessenspielraum überlassen ist, indem diese ermächtigt sind, die Ausübung des garantierten Rechts einschließlich der Rechtsmittelbegründung gesetzlich zu regeln (Frowein-Peukert, Europäische MenschenRechtsKonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage, RZ 2 zu Art 2 7. ZPEMRK). Wie bereits ausgeführt, besteht aber in der Folge ein Rechtsmittel gegen eine allfällige das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Verurteilung des Beschuldigten.
3. Zu den vorgebrachten Bedenken im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip:
Das Landesgericht Ried im Innkreis vermeint weiters, die Abschneidung einer Möglichkeit zur Ergreifung eines Rechtsmittels gegen die Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens durch den einmal rechtskräftig Freigesprochenen stelle eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzip(es) dar, weil ein Mindestmaß an faktischer Effizienz des Rechtsschutzes fehle.
Das rechtsstaatliche Prinzip verlangt, dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar in der Verfassung begründet sein müssen und ein System von Rechtsschutzeinrichtungen die Gewähr dafür bietet, dass nur solche Akte in ihrer rechtlichen Existenz dauernd gesichert erscheinen, die in Übereinstimmung mit den sie bedingenden Akten höherer Stufe erlassen wurden. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes darf der Rechtsschutzsuchende nicht generell solange einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung belastet werden, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist. In diesem Zusammenhang sind aber nicht nur die Position des Rechtsschutzsuchenden, sondern auch Zweck und Inhalt der Regelung, die Interessen Dritter sowie das öffentliche Interesse zu berücksichtigen. Bei der Schaffung eines Ausgleiches zwischen solchen Interessen ist die Einschränkung eines Rechtsbehelfes aus sachlich gebotenen, triftigen Gründen durchaus zulässig (VfSlg. 11.196/1986). Gesetzliche Regelungen, die sachlicherweise dazu führen, dass ein behördliches Fehlverhalten vorläufig hingenommen werden muss, müssen so ausgestaltet sein, dass daraus - wenn irgendwie vermeidbar - keine endgültigen Belastungen entstehen (VfSlg. 13.182/1992).
Zweifellos wäre dieses Prinzip (ebenso wie Art 2 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK) verletzt, wenn ein (verurteilendes) Erkenntnis, mit welchem im wiederaufgenommenen Verfahren über den Anklagevorwurf abgesprochen wird, nicht mit einem Rechtsmittel bekämpft werden könnte, weil damit eine endgültige (neuerliche) Entscheidung über die Berechtigung des Schuldvorwurfes getroffen würde.
Der Ausschluss des Beschwerderechtes gegen die Bewilligung der Wiederaufnahme im bezirksgerichtlichen Verfahren erscheint jedoch unter dem Gesichtspunkt einer Entlastung der Berufungsinstanz und dem vorbereitenden Charakter des Wiederaufnahmeverfahrens vertretbar, da der endgültigen Entscheidung über die Anklage ohnehin nicht vorgegriffen wird und in die Zuständigkeit der Bezirksgerichte auch nur solche Strafverfahren fallen, in welchen (verhältnismäßig) weniger wichtige Rechtsfolgen drohen als im Gerichtshofverfahren (vgl. § 9 StPO).
Ein Grundsatz, dass gegen jedwede behördliche Entscheidung ein Rechtsmittel offen stehen müsse, lässt sich aber aus der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Rechtsstaatsprinzip in keiner Weise ableiten: Im Gegenteil hat der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 15106/1998 das Fehlen eines Rechtsschutzes in Teilen eines Bereiches nur deswegen für verfassungswidrig erklärt, weil er davon ausging, dass der Gesetzgeber ansonsten für diesen Bereich Rechtsschutz für notwendig erachtet habe. Damit hat aber der Verfassungsgerichtshof anerkannt, dass - selbstverständlich innerhalb von aus der Verfassung ableitbaren Grenzen - der Gesetzgeber einen gewissen Beurteilungsspielraum hat, in welchen Fällen er Rechtsschutz für notwendig erachtet. Jedenfalls ergibt sich daraus, dass nicht gegen jede Entscheidung einer Behörde ein Rechtsmittel gegeben sein muss.
Führt man sich nochmals vor Augen, dass die Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens kein endgültiger Akt ist, sondern, dass damit erst ein Strafverfahren wieder in Gang gesetzt wird, das sehr wohl auch wieder mit Freispruch enden kann, so kann diese Beurteilung des Gesetzgebers, dass ein Rechtsmittel nicht erforderlich ist, nicht als Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip gesehen werden.
4. Zu den vorgebrachten Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz: Wie bereits das antragstellende Gericht ausführt, sind aufgrund des in der Verfassung verankerten Gleichheitssatzes nur sachlich gerechtfertigte Differenzierungen durch den Gesetzgeber zulässig. Demnach sind an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpften; wesentliche Unterschiede im Tatsachenbereich müssen zu entsprechend unterschiedlichen Regelungen führen (vgl. Walter-Mayer, Bundesverfassungsrecht, 9. Auflage, RZ 1347).
Die unterschiedlich Regelung der Zulässigkeit der Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Wiederaufnahme einerseits und gegen dessen Bewilligung andererseits ist aus den bereits unter dem Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit ausgeführten Gründen gerechtfertigt. Der Argumentation des Landesgerichtes Ried im Innkreis, die Unsachlichkeit der der Prüfung unterzogenen Bestimmung zeige sich auch darin, dass dem Freigesprochenen zwar ein Rechtsmittel gegen einen Beschluss, mit welchem der Pauschalbeitrag zu den Kosten der Verteidigung unter dem begehrten Betrag festgesetzt wird, offen steht, ihm ein solches gegen den (wesentlich schwerwiegenderen) die Wiederaufnahme bewilligenden Beschluss (im bezirksgerichtlichen Verfahren) jedoch verwehrt bleibt, ist entgegenzuhalten, dass im ersten Fall eine abschließende Entscheidung über die Höhe eines Beitrags des Bundes zu den Kosten der Verteidigung getroffen werden soll, während im zweiten erst im wiederaufgenommenen Verfahren (neuerlich endgültig) über den Strafanspruch des Staates verhandelt wird.
Selbiges gilt auch für den Unterschied zwischen der Tatsache, dass gegen die Verweigerung der Wiederaufnahme ein Rechtsmittel offen steht, gegen ihre Bewilligung jedoch nicht. Im ersten Fall handelt es sich dabei um eine endgültige Entscheidung, im zweiten Fall wird dadurch erst ein neues Verfahren in Gang gesetzt. Diese unterschiedliche Konsequenz der Gerichtsentscheidung rechtfertigt auch eine unterschiedliche Ausgestaltung des Rechtsschutzes.
Im Übrigen ist auch dem Eindruck, der durch den Antrag vermittelt wird, wonach durch diese unterschiedliche Regelung der Beschuldigte gegenüber dem Ankläger benachteiligt werde, entgegenzutreten. Auch im umgekehrten Fall, dass nämlich ein Wiederaufnahmeantrag eines Verurteilten abgewiesen wird, steht ihm ein Rechtsmittel offen, wo hingegen bei Bewilligung eines solchen Wiederaufnahmeantrages dem Ankläger ein solches Rechtsmittel nicht offen steht. Die Frage, ob gegen einen Wiederaufnahmeantrag ein Rechtsmittel zulässig ist, hat daher nichts damit zu tun, ob das Rechtsmittel von Ankläger oder Beschuldigtem erhoben wird, sondern nur damit(,) ob es gegen die Verweigerung oder gegen die Stattgebung der Wiederaufnahme gerichtet ist. Aus diesem Grund geht daher auch der Verweis des antragstellenden Gerichtes auf Art 6 EMRK, welcher offenkundig auf den Grundsatz der Waffengleichheit gerichtet ist, ins Leere."
Die Bundesregierung beantragt daher den Antrag zurückzuweisen, in eventu auszusprechen, daß der dritte Satz des § 480 StPO nicht als verfassungswidrig aufzuheben ist.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zur Zulässigkeit:
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art 140 B-VG bzw. des Art 139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (z.B. VfSlg. 9811/1983, 10.296/1984, 11.565/1987, 12.189/1989).
1.2. Das antragstellende Gericht hat über eine Beschwerde gegen die Bewilligung der Wiederaufnahme im bezirksgerichtlichen Verfahren zu entscheiden; die Anwendung der dafür einschlägigen Bestimmung des § 480 StPO ist daher denkmöglich.
1.3. Der vorliegende Antrag ist aber auch nicht deshalb unzulässig, weil das antragstellende Gericht den Antrag zu weit gefaßt hat:
In von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren hat der Gerichtshof den Standpunkt eingenommen, er habe den Umfang der zu prüfenden und im Fall ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden könnten, habe der Verfassungsgerichtshof in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt. Die Grenzen der Aufhebung einer in Prüfung stehenden Gesetzesbestimmung müßten - wie der Gerichtshof weiters darlegte - so gezogen werden, daß einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und daß andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfaßt werden; dies treffe sowohl auf von Amts wegen als auch auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren zu (siehe die zitierten Erk. VfSlg. 8155/1977, 8461/1978, 12465/1990, 13739/1994).
Der Verfassungsgerichtshof hält an dieser Judikatur fest. Sie beruht auf dem Gedanken, daß ein Gesetzesprüfungsverfahren dazu führen soll, die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit - wenn sie tatsächlich vorliegt - zu beseitigen, daß aber der nach Aufhebung verbleibende Teil des Gesetzes möglichst nicht mehr verändert werden soll, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist, daß also keine oder möglichst wenige Regelungen aufgehoben werden sollen, gegen die sich die vorgebrachten Bedenken richten.
Der Antrag des anfechtenden LG hält sich jedoch innerhalb dieser Schranken; zur Bereinigung der Rechtslage im Falle der Aufhebung ist die Prüfung des gesamten dritten Satzes jedenfalls erforderlich, da gerade dieser Satz bewirkt, daß das gem. § 481 StPO ansonsten gegen Entscheidungen des Bezirkgerichtes, gegen die nicht berufen werden kann, zustehende Rechtsmittel der Beschwerde ausgeschlossen ist.
Im übrigen weist der Verfassungsgerichtshof darauf hin, daß bei Aufhebung der Wortfolge "Verweigerung der" der solcherart verbleibende dritte Satz des § 480 StPO vor dem Hintergrund der Regelung des § 481 StPO eine mißverständliche Bedeutung hätte.
1.4. Da auch sonst keine Prozeßhindernisse vorliegen, erweist sich der Antrag des LG daher insgesamt als zulässig.
2. In der Sache:
2.1. Der Verfassungsgerichtshof geht - in Übereinstimmung mit dem antragstellenden Gericht - davon aus, daß zwar gem. § 481 StPO "den Beteiligten" gegen Entscheidungen des Bezirksgerichtes, insofern sie der Berufung nicht unterliegen, das Rechtsmittel der Beschwerde an den Gerichtshof erster Instanz binnen vierzehn Tagen zusteht, der zur Prüfung gestellte dritte Satz des § 480 StPO diesen Grundsatz in Wiederaufnahmssachen jedoch auf Beschlüsse einschränkt, mit denen die Wiederaufnahme verweigert wird (vgl. auch die Erl. zu §§480 und 481 StPO in: Foregger/Kodek, Die österreichische Strafprozeßordnung, Kurzkommentar, 1994).
2.2. Der Verfassungsgerichtshof vermag zunächst das Bedenken des antragstellenden Gerichtes, § 480 dritter Satz StPO sei wegen des Widerspruches zu Art 2 des 7. ZP zur EMRK bzw. zu Art 6 EMRK verfassungswidrig, nicht zu teilen:
Nach Art 6 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, daß seine Sache von einem unabhängigen und unparteiischen Gericht gehört wird, das über zivilrechtliche Ansprüche bzw. die Stichhaltigkeit einer strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Gem. Art 2 des 7. ZP zur EMRK hat, wer von einem Gericht wegen einer strafbaren Handlung verurteilt worden ist, das Recht, dieses Urteil von einem übergeordneten Gericht nachprüfen zu lassen.
Schon der Wortlaut dieser beiden Verfassungsbestimmungen schließt somit ihre Anwendbarkeit auf ein Verfahren, in dem über die Wiederaufnahme eines bereits abgeschlossenen Verfahren entschieden wird, aus: In einem Wiederaufnahmeverfahren wird nämlich - wie das antragstellende Gericht auch nicht verkennt - nicht über die bereits entschiedene "Sache" geurteilt, sondern nur darüber entschieden, ob das schon beendete Verfahren neu durchzuführen ist. Die im abgeschlossenen Verfahren behandelte Sache wird durch die Bewilligung der Wiederaufnahme nur insofern berührt, als die angefochtene Entscheidung außer Kraft tritt und das Verfahren neu durchgeführt wird. Über die "Sache" des Verfahrens - di in diesem Fall die Stichhaltigkeit der gegen den bereits einmal Freigesprochenen erhobenen Anklage - wird im Verfahren über die Wiederaufnahme nicht entschieden; die Lösung dieser "Hauptfrage" bleibt vielmehr völlig offen. Der neu durchzuführende Prozeß hat den Garantien der EMRK zu entsprechen. Für die Annahme einer Lücke, die einen Größenschluß im Sinne der Anwendbarkeit der Art 6 EMRK und 2 des 7. ZP zur EMRK auch auf ein Wiederaufnahmeverfahren erlauben würde, gibt es keinen Anhaltspunkt. Die Europäische Menschenrechtskommission hat daher wiederholt ausgesprochen, daß Art 6 EMRK auf Wiederaufnahmeverfahren nicht zur Anwendung kommt (ÖJZ 1990/6 MRK 216 mwN; vgl. auch VfSlg. 14076/1995). Gleiches muß mutatis mutandis auch für Art 2 des 7. ZP zur EMRK gelten.
Der Ausschluß eines Rechtsmittels für die Wiederaufnahme bewilligende Beschlüsse eines Bezirksgerichtes widerspricht daher nicht den Anforderungen bzw. Verfahrensgarantien der EMRK.
2.3. Die Bundesregierung weist auch mit Recht darauf hin, daß die geltend gemachte Gleichheitswidrigkeit des angefochtenen dritten Satzes des § 480 StPO nicht vorliegt:
Die Differenzierung des Gesetzgebers erfolgt nämlich nicht in unsachlicher, die Waffengleichheit verletzender Weise zwischen (Privat-)Ankläger und Angeklagten (Freigesprochenen) im Strafprozeß, sondern zwischen der jeweiligen Entscheidung des Bezirksgerichtes:
Bei Beschlüssen, mit denen ein Antrag auf Wiederaufnahme abgewiesen wurde, steht demjenigen, der eine neuerliche Durchführung des Strafprozesses anstrengt, das Rechtsmittel der Beschwerde zu - dies kann sowohl der (Privat-)Ankläger bei erfolgtem Freispruch, als auch der Verurteilte sein, der einen Freispruch erwirken möchte. Im gegenteiligen Fall, nämlich der Bewilligung der Wiederaufnahme, ist aber sowohl dem (Privat-)Ankläger, als auch dem bereits Freigesprochenen, dessen Verfahren wiederholt werden soll, das Rechtsmittel der Beschwerde an den übergeordneten Gerichtshof verwehrt.
Auch "vor dem Hintergrund des Art 6 EMRK" sind beim Verfassungsgerichtshof keine Bedenken ob der Unsachlichkeit des Ausschlusses eines Rechtsmittels gegen die Wiederaufnahme bewilligende Beschlüsse aus dem Grund der vom anfechtenden Gericht geltend gemachten Differenzierung zwischen dem (Privat-)Ankläger und dem Freigesprochenen entstanden.
Die Regelung des § 393a StPO, dem Freigesprochenen gegen den Beschluß, mit dem der Pauschalbeitrag zu den Kosten der Verteidigung geringer als seinem Begehren entsprechend bestimmt wurde, ein Rechtsmittel einzuräumen, vermag den Rechtsmittelausschluß des § 480
3. Satz StPO ebenfalls nicht unsachlich erscheinen zu lassen:
Beschlüsse, die einen Pauschalbeitrag festsetzen sind Entscheidungen in der Hauptsache, die nach dem Willen des Gesetzgebers einem Rechtszug unterworfen sein sollen; im Verfahren über die Wiederaufnahme wird hingegen nicht über den staatlichen Strafanspruch entschieden, sondern nur darüber, ob ein solches Verfahren wiederholt werden soll. Die unterschiedliche Ausgestaltung des Rechtsschutzes der §§393a und 480 3. Satz StPO bewirkt, da dem nochmals Angeklagten gegen das Urteil in der Hauptsache ja alle Rechtsschutzmöglichkeiten offenstehen, keine Unsachlichkeit des Rechtsmittelausschlusses in § 480 3. Satz StPO.
2.4. Das LG ist jedoch mit seinem Vorwurf, der Ausschluß eines Rechtsmittels gegen einen die Wiederaufnahme bewilligenden Beschluß des Bezirksgerichtes sei ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip, im Recht:
2.4.1. Der Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, der Sinn des rechtsstaatlichen Prinzips liege darin, daß alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen und ein System von Rechtsschutzeinrichtungen die Gewähr dafür bietet, daß nur solche Akte in ihrer rechtlichen Existenz als dauernd gesichert erscheinen, die in Übereinstimmung mit den sie bedingenden Akten höherer Stufe erlassen wurden. Es geht nicht an, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung solange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang allerdings nicht nur seine Position, sondern auch Zweck und Inhalt der Regelung, ferner die Interessen Dritter sowie schließlich das öffentliche Interesse. Der Gesetzgeber hat unter diesen Gegebenheiten einen Ausgleich zu schaffen, wobei aber dem Grundsatz der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfs der Vorrang zukommt und dessen Einschränkung nur aus sachlich gebotenen Gründen zulässig ist; auf welche Weise dieser Ausgleich vom Gesetzgeber vorgenommen werden muß, läßt sich nicht allgemein sagen (VfSlg. 11196/1986, 12683/1991, 13305/1992, 14671/1996, 15218/1998, 15511/1999).
2.4.2. Für die Beantwortung der Frage, ob die in Rede stehende Rechtsmittelbeschränkung im bezirksgerichtlichen Strafverfahren verfassungsrechtlich zulässig ist, kann zunächst die weitere Frage, ob ein nach rechtswidrig erfolgter Wiederaufnahme im wiederaufgenommenen Verfahren ergehendes, verurteilendes Erkenntnis nichtig wäre (und ein solches Urteil daher mit Berufung wegen Nichtigkeit erfolgreich angefochten werden könnte) aus folgenden Gründen außer Betracht bleiben:
a) Nach Art 4 Z 1 des 7. ZP zur EMRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden. Nach Art 4 Z 2 leg. cit. schließt Z 1 die Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des betreffenden Staates nicht aus, falls neue oder neu bekannt gewordene Tatsachen vorliegen oder das vorangegangene Verfahren schwere, den Ausgang des Verfahrens berührende Mängel aufweist.
b) Die Verfassungsrang genießende Bestimmung des Art 4 Z 1 des
7. ZP zur EMRK verbietet somit nicht nur, jemanden nach Verurteilung oder Freispruch neuerlich zu verurteilen, sondern bereits ihn vor Gericht zu stellen, wenn nicht die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne der Z 2 vorliegen.
2.4.3. Die Prüfung der Frage des Vorliegens von Wiederaufnahmsgründen nach rechtskräftigem Freispruch (Art4 Z 2 7. ZP zur EMRK) berührt somit das Grundrecht des Art 4 Z 1 des 7. ZP zur EMRK (zum Zusammenhang zwischen Wiederaufnahme und dem Verfahrensgrundsatz "ne bis in idem" vgl. auch schon und , 12 Os 123/77 = JBl. 1978, 102; sowie Zl. 97/14/0069) Im Lichte der genannten Verfassungsnorm, die bereits ein nochmaliges "vor Gericht stellen" verbietet, würde regelmäßig schon die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung das genannte Grundrecht verletzen, wenn ein zureichender Wiederaufnahmsgrund nicht vorliegt, und zwar unabhängig davon, ob im wiederaufgenommenen Verfahren ein Freispruch erfolgt oder ob ein Schuldspruch wegen fehlerhafter Wiederaufnahme im Rechtsmittelwege beseitigt werden kann.
a) Der VfGH hat sich schon im Erkenntnis VfSlg. 9535/1982, u. a. den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte angeschlossen, wonach die Europäische Menschenrechtskonvention nicht bestimmt ist, theoretische oder illusorische Rechte zu garantieren, sondern Rechte zu gewährleisten, die konkret sind und Wirksamkeit entfalten (so auch VfSlg. 10291/1984).
Sind die in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten verletzt worden, so hat der Verletzte gem. Art 13 EMRK das Recht, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einzulegen.
b) Wenn daher - wie im Falle der Wiederaufnahme eines bezirksgerichtlichen Strafverfahrens - ein Grundrecht in der oben geschilderten Weise betroffen ist und - gegebenenfalls - schon durch die Verfügung der Wiederaufnahme eines bezirksgerichtlichen Strafverfahrens (wegen der möglichen Folge der Durchführung einer neuerlichen Hauptverhandlung in derselben Sache) seine Verletzung "vertretbarer Weise behauptet werden kann" (vgl. EGMR , Klass, EuGRZ 1979,278; , Silver, EuGRZ 1984, 147), so muß dem solcherart (potentiell) Verletzten eine wirksame Beschwerde eingeräumt sein, worunter eine Beschwerde zu verstehen ist, mit welcher die behauptete Grundrechtsverletzung sachlich geprüft und ihr gegebenenfalls abgeholfen kann.
2.4.4. Wenn also - wegen der besonderen Grundrechtsbezogenheit des § 480 StPO - das Grundrecht anders nicht effektiv gewährleistet wäre, so geht es aber auch unter (vom antragstellenden Gericht in diesem Zusammenhang ausschließlich bezogenen) rechtsstaatlichen Gesichtspunkten, wie in der vorzitierten ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes in anderem Zusammenhang ausgesprochen wurde, nicht an, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit den Folgen einer potentiell rechtswidrigen gerichtlichen Entscheidung auch nur vorübergehend zu belasten (unter Hinweis auf die erwähnte Rechtsprechung des VfGH den engen Zusammenhang der Grundrechtsgarantie des Art 13 EMRK mit dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip im Sinne "ein(es) integrale(n) Bestandteil(s) des durch das B-VG gewährleisteten Rechtsschutzsystems" betonend: Berka, Die Grundrechte, Rz 873).
2.4.5. Es vermag daher auch das Argument der Bundesregierung, daß es bei Ausschluß eines solchen Rechtsmittels zu einer Entlastung der Gerichtshöfe erster Instanz komme, die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Bestimmung nicht darzutun, abgesehen davon, daß in einer Überprüfung der Wiederaufnahmsverfügung auf das Vorliegen im Lichte des Art 4 Z 2 des 7. ZP zur EMRK zureichender Wiederaufnahmsgründe auch ein übermäßiger Verfahrensaufwand für die Gerichtshöfe erster Instanz nicht erblickt werden kann. Auch dem Argument der Bundesregierung, daß im bezirksgerichtlichen Verfahren ohnehin nur "weniger wichtige Rechtsfolgen" drohen, kann nicht beigepflichtet werden, da auch im bezirkgerichtlichen Verfahren Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr verhängt werden können (§9 Abs 1 Z 1 StPO) und die Verfahrensgarantien der EMRK im gerichtlichen Strafverfahren ohne Einschränkung auf bestimmte Verfahrensarten zu gewährleisten sind.
3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
4. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz
5. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VerfGG.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.