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VfGH vom 02.12.2016, G105/2015

VfGH vom 02.12.2016, G105/2015

Leitsatz

Abweisung des - zulässigen - Individualantrags eines privaten Bestatters auf Aufhebung von Bestimmungen des Wr Leichen- und BestattungsG über die verpflichtende Unterbringung von Leichen in der Leichenkammer einer Bestattungsanlage sowie den Aufbahrungsort für die Dauer der Trauerzeremonie; kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und die Erwerbsausübungsfreiheit; Regelungen im öffentlichen Interesse gelegen; keine Überschreitung des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers; Zurückweisung des Antrags hinsichtlich von Bestimmungen betreffend die Errichtung und Gestaltung von Bestattungsanlagen

Spruch

I. Soweit sich der Antrag gegen die Wortfolge "einer Bestattungsanlage" in § 10 Abs 1, gegen die Wortfolge "einer Bestattungsanlage" im ersten Satz des § 10 Abs 2 und gegen den ganzen zweiten Satz des § 10 Abs 2 sowie gegen § 10 Abs 3 bis 6 Wiener Leichen- und Bestattungsgesetz – WLBG, jeweils in der Stammfassung LGBl 38/2004, richtet, wird er abgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag und Vorverfahren

1. Der Antragsteller betreibt ein privates Bestattungsunternehmen. Er bringt im Kern vor, die von ihm angefochtenen Bestimmungen des Wiener Leichen- und Bestattungsgesetzes – WLBG, jeweils in der Stammfassung LGBl 38/2004, bewirkten, indem sie die Unterbringung in Leichenkammern und Aufbahrung von Leichnamen (dies abgesehen von Ausnahmen) nur im Rahmen einer Bestattungsanlage erlaubten, für ihn als Unternehmer ein entsprechendes Verbot, weswegen er das Bedenken eines Verstoßes gegen das Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung (Art6 StGG) und das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B VG) hegt. Er beantragt daher gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litc B VG, sämtliche nachfolgende Bestimmungen des WLBG als verfassungswidrig aufzuheben:

 Die Wortfolge "einer Bestattungsanlage" in § 10 Abs 1,

 die Wortfolge "einer Bestattungsanlage" in § 10 Abs 2 erster Satz,

 § 10 Abs 2 zweiter Satz,

 § 10 Abs 3 bis 6,

 § 22 Abs 5 zweiter Satz,

 § 22 Abs 6 dritter Satz,

 § 22 Abs 7 zweiter Satz.

In mehreren Eventualanträgen begehrt der Antragsteller, jeweils nur einen Teil der angeführten Bestimmungen zu beseitigen.

2. Die Wiener Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken entgegentritt und beantragt, den Gesetzesprüfungsantrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu diesen abzuweisen.

3. Der Antragsteller replizierte auf die Äußerung der Wiener Landesregierung und legte in der Folge noch weitere Beweismittel und Schriftsätze vor.

II. Rechtsvorschriften

1. §§10 und 22 Wiener Leichen- und Bestattungsgesetz – WLBG, LGBl 38/2004, lauten (die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben):

"Vorgehen nach der Totenbeschau

§10. (1) Leichen sind nach Vornahme der Totenbeschau unverzüglich in einer Leichenkammer einer Bestattungsanlage unterzubringen.

(2) Für die Dauer der Trauerzeremonie hat die Aufbahrung in einem Aufbahrungsraum einer Bestattungsanlage zu erfolgen. Wenn kein Aufbahrungsraum in der Bestattungsanlage, in der die Bestattung erfolgen soll, vorhanden ist, kann die Aufbahrung auch in der dieser Bestattungsanlage nächstgelegenen Kirche oder in einem anderen Sakralbau sowie in einem Aufbahrungsraum einer anderen Bestattungsanlage erfolgen.

(3) Die Bestimmung des Abs 2 findet keine Anwendung, wenn die Aufbahrung von Leichen ehrenhalber von:

1. einer Gebietskörperschaft,

2. einer gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft,

3. einer Ordensgemeinschaft,

veranlasst wird .

(4) Die Aufbahrung nach Abs 3 ist dem Magistrat unverzüglich nach Vornahme der Totenbeschau schriftlich anzuzeigen.

Die Anzeige hat zu enthalten:

1. Vor- und Zuname des Verstorbenen,

2. letzter Wohnort des Verstorbenen,

3. genaue Bezeichnung des Aufbahrungsortes,

4. Tag und Tageszeit der Aufbahrung,

5. Art des Sarges.

(5) Der Anzeige nach Abs 4 ist die Todesbescheinigung anzuschließen.

(6) Der Magistrat hat eine Aufbahrung nach Abs 3 unter Vorschreibung von Aufträgen im erforderlichen Ausmaß, die nach gesundheitlichen Anforderungen unbedingt notwendig sind, zu genehmigen.

(7) Nach der Aufbahrung ist die Leiche unverzüglich einer Erd- oder Feuerbestattung zuzuführen."

"Grundsätzliche Bestimmungen über Bestattungsanlagen

§22. (1) Die Errichtung von Bestattungsanlagen darf nur in den Gebieten erfolgen, in denen dies der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan vorsieht.

(2)-(3) [...]

(4) In jeder Bestattungsanlage müssen die nach der Größe, Lage und Widmung der Anlage erforderlichen Betriebsgebäude, sanitären Anlagen, Abfallplätze, Versorgungsleitungen und Wasserentnahmestellen vorhanden sein. Falls Leichen gewaschen oder thanatopraktisch behandelt werden, muss noch zusätzlich ein Leichenwaschraum vorhanden sein.

(5) In jeder Bestattungsanlage muss eine Leichenkammer zur Unterbringung der Leichen bis zur Bestattung vorhanden sein. Das Vorhandensein einer Leichenkammer ist nicht erforderlich, wenn die Unterbringung der Leichen in einer Leichenkammer einer anderen Bestattungsanlage möglich ist.

(6) Jede Leichenkammer hat über eine Kühlanlage zu verfügen. Der Fassungsraum der Kühlanlage hat entsprechend der Größe der Bestattungsanlage dem voraussichtlichen Bedarf zu entsprechen. Die Einrichtung einer Kühlanlage in der Leichenkammer ist dann nicht erforderlich, wenn in der Bestattungsanlage nur eine geringe Anzahl von Bestattungen von Leichen zu erwarten ist. In diesem Fall müssen die Leichen bis zum Tag der Bestattung in einer mit einer Kühlanlage versehenen Leichenkammer einer anderen Bestattungsanlage untergebracht werden.

(7) In jeder Bestattungsanlage muss ein Aufbahrungsraum zur Vornahme von Trauerzeremonien vorhanden sein. Das Vorhandensein eines Aufbahrungsraumes ist nicht erforderlich, wenn die Aufbahrung in einem Aufbahrungsraum einer anderen Bestattungsanlage möglich ist.

(8) Aufbahrungsräume und Leichenkammern haben den Anforderungen der Pietät zu entsprechen."

2.1. § 94 Gewerbeordnung 1994, BGBl 194, idgF lautet (auszugsweise):

"1. Reglementierte Gewerbe

§94. Folgende Gewerbe sind reglementierte Gewerbe:

1.-5. [...]

6. Bestattung

7.-82. [...]"

2.2. § 1 Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über Standesregeln für Bestatter, BGBl II 476/2004, (im Folgenden: Bestatter-Verordnung) lautet:

"Anwendungsbereich

§1. (1) Diese Verordnung ist anzuwenden auf:

1. die dem reglementierten Gewerbe der Bestattung (§94 Z 6 GewO 1994) vorbehaltenen Tätigkeiten (Abs2);

2. sonstige Tätigkeiten, zu denen die Bestatter berechtigt sind (Abs3 und 4).

(2) Die dem reglementierten Gewerbe der Bestattung vorbehaltenen Tätigkeiten sind:

1. die Durchführung von gesetzlich zugelassenen Bestattungen (Erde, Feuer und andere), die Beisetzung von Urnen und Exhumierungen (Enterdigungen) unter Berücksichtigung der jeweils geltenden landesrechtlichen Vorschriften;

2. die Durchführung von Totenaufbahrungen, insbesondere

a) das Reinigen und Ankleiden der Toten,

b) das Einsargen der Toten,

c) das Schließen (zB Verlöten, Verschrauben) des Sarges unter Berücksichtigung der jeweils geltenden landesrechtlichen Bestimmungen,

d) die Thanatopraxie, das sind insbesondere die Verzögerung der Autolyse (Verwesung) und die rekonstruktiven Arbeiten zB an einem Unfalltoten sowie die Wiederherstellung der optisch-ästhetischen Erscheinung von Verstorbenen zum Zweck der pietätvollen Abschiednahme unter Berücksichtigung der jeweils geltenden landesrechtlichen Vorschriften;

3. die Organisation und Durchführung von Totenfeierlichkeiten unter Berücksichtigung der verschiedenen religiösen und weltanschaulichen Gebräuche sowie die Beratung der Hinterbliebenen in diesen Angelegenheiten;

4. die Durchführung von Totenüberführungen, das ist die Beförderung von Toten oder die Übernahme/Übergabe zur Beförderung durch befugte Unternehmen vom Sterbeort zum Bestimmungsort.

(3) Unbeschadet der Rechte anderer Gewerbetreibender sind die Bestatter zur Herstellung, Beistellung, Lieferung und zum Verkauf der erforderlichen Einrichtungen und Gegenstände (wie zB Särge, Urnen, Sargausstattung, Trauerdekoration) zur Durchführung der in Abs 2 genannten Tätigkeiten berechtigt.

(4) Weiters stehen den Bestattern noch folgende Rechte zu:

1. die Besorgung der Grabstelle;

2. der Aushub sowie das Verschließen der Grabstelle;

3. die Beschaffung der erforderlichen Urkunden;

4. die Erstellung von Trauerdrucksorten;

5. die Aufgabe von Zeitungsanzeigen;

6. die Besorgung der Parten;

7. die Besorgung bzw. Vermittlung von Blumenspenden."

III. Erwägungen

1. Bekämpfte Rechtslage

1.1. Gemäß § 10 Abs 1 WLBG sind Leichen nach Vornahme der Totenbeschau unverzüglich in einer Leichenkammer einer Bestattungsanlage unterzubringen. Für die Dauer der Trauerzeremonie hat die Aufbahrung gemäß § 10 Abs 2 WLBG in einem Aufbahrungsraum einer Bestattungsanlage zu erfolgen. Wenn in der Bestattungsanlage, in der die Bestattung erfolgen soll, kein Aufbahrungsraum vorhanden ist, kann die Aufbahrung auch in der dieser Bestattungsanlage nächstgelegenen Kirche oder in einem Sakralbau sowie in einem Aufbahrungsraum einer anderen Bestattungsanlage erfolgen.

Die Vorschrift des § 10 Abs 2 WLBG über die Aufbahrung findet gemäß Abs 3 keine Anwendung, wenn sie ehrenhalber von einer Gebietskörperschaft, einer gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft oder einer Ordensgemeinschaft veranlasst wird; für diesen Fall enthalten § 10 Abs 4 bis 6 WLBG nähere Vorschriften.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof schließt im Wesentlichen im Einklang mit dem Vorbringen des Antragstellers aus diesen Bestimmungen, dass Leichen zwischen der Totenbeschau und der Bestattung – mit Ausnahme der Obduktion und des Transports – grundsätzlich in Leichenkammern einer Bestattungsanlage unterzubringen sind; die Unterbringung in Leichenkammern, die nicht zu einer Bestattungsanlage gehören, oder an einem anderem Ort (mit Ausnahme einer zulässigen Aufbahrung) ist verboten. Ebenso muss die Aufbahrung – mit den unter 1.1. geschilderten Ausnahmen – in einem Aufbahrungsraum einer Bestattungsanlage erfolgen.

1.3. Soweit der Antragsteller sein Vorbringen darauf stützt, dass der Großteil der Bestattungsanlagen (46) von Gesellschaften der Stadt Wien, die übrigen (9) von "Glaubensgemeinschaften" betrieben werde sowie dass die Errichtung einer Bestattungsanlage von der (derzeit nicht absehbaren) Verfügbarkeit eines im Flächenwidmungsplan entsprechend gewidmeten Grundstückes abhänge, ist zu betonen, dass dies nicht so gesetzlich vorgesehen ist. Nach der Gesetzeslage ist es vielmehr zulässig, dass auch Private diesem Zweck genügende Leichenkammern einrichten, sofern dies im Rahmen einer Bestattungsanlage geschieht.

2. Zulässigkeit

2.1. Gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litc B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt. Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

2.2. Der Antragsteller ist Bestatter und behauptet, dass die gesetzlichen Vorschriften betreffend die Unterbringung von Leichen und deren Aufbahrung, soweit sie diese auf Bestattungsanlagen beschränkten, seine unternehmerische Handlungsfreiheit unverhältnismäßig einschränkten und nachteilig in seine subjektive Rechtssphäre eingriffen.

Es besteht kein Zweifel, dass das gesetzliche Verbot, Leichen anders als in Leichenkammern von Bestattungsanlagen unterzubringen bzw. diese grundsätzlich in deren Rahmen aufzubahren, unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers als Bestatter eingreift.

Das alleinige Aufbewahren von Toten in Leichenkammern zählt zwar nicht zu den Tätigkeiten eines Bestatters. Zu den gemäß § 1 Abs 2 Z 2 Bestatter-Verordnung dem reglementierten Gewerbe der Bestattung vorbehaltenen Tätigkeiten zählt aber die Durchführung von Totenaufbahrungen iSd Bestatter-Verordnung, insbesondere das Reinigen und Ankleiden der Toten, das Einsargen, das Schließen des Sarges und die Thanatopraxie. Das WLBG enthält zwar keine spezielle Vorschrift, die bestimmt, dass diese Tätigkeiten in Räumlichkeiten einer Bestattungsanlage durchzuführen sind. Aus dem Gebot des § 10 Abs 1 WLBG, dass Leichen unverzüglich in einer Leichenkammer einer Bestattungsanlage unterzubringen sind, erschließt sich in Zusammenschau mit den Vorschriften, dass für den Fall, dass Leichen gewaschen oder thanatopraktisch behandelt werden, zusätzlich ein Leichenwaschraum in der Bestattungsanlage vorhanden sein muss (§22 Abs 4 WLBG) und dass im WLBG (nur) die Rechtsträger einer Bestattungsanlage zu hygienischen Maßnahmen und zur Erstellung eines Hygieneplans verpflichtet sind (§33 WLBG) und der Aufsicht des Magistrats unterliegen (§26 WLBG), zweifelsfrei, dass die genannten Tätigkeiten der Bestatter ausschließlich in Räumlichkeiten einer Bestattungsanlage durchzuführen sind. Das bedeutet, dass Bestatter diese Tätigkeiten an anderen Orten – beispielsweise in ihren eigenen Räumlichkeiten – nicht ausüben dürfen. Die Wortfolge "einer Bestattungsanlage" des § 10 Abs 1 WLBG greift daher – hinsichtlich dieser Tätigkeiten – unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers als Bestatter iSd § 94 Z 6 Gewerbeordnung 1994 ein (VfSlg 13.363/1993).

Auch § 10 Abs 2 und 3 WLBG greift unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers ein: Bestatter sind zur Organisation und Durchführung von Totenfeierlichkeiten gemäß § 1 Abs 2 Z 3 Bestatter-Verordnung berechtigt. In die dadurch geschaffene Rechtssphäre wird durch die in § 10 Abs 2 und 3 WLBG gesetzlich festgelegten Beschränkungen des möglichen Aufbahrungsorts von Leichen für die Dauer der Trauerzeremonie (ein Aufbahrungsraum einer Bestattungsanlage, unter bestimmten Voraussetzungen eine Kirche oder ein anderer Sakralbau sowie im Fall einer Ehrenaufbahrung ein anderer Ort – in der Regel der Ort des Wirkens des Verstorbenen –, aber nicht eine sonstige Räumlichkeit [eines Bestatters] außerhalb einer Bestattungsanlage) unmittelbar eingegriffen.

2.3. Allerdings ist der Antrag nur hinsichtlich eines Teils der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen zulässig:

2.3.1. Die Grenzen der Aufhebung müssen auch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (vgl. VfSlg 13.965/1994, 16.542/2002, 16.911/2003). Diese Rechtsprechung beruht auf dem Grundgedanken, dass im Normenprüfungsverfahren nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist (vgl. VfSlg 17.220/2004, 19.933/2014).

Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrags nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.933/2014).

Unzulässig ist ein Antrag aber dann, wenn der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl. zB VfSlg 19.824/2013 mwN, 19.933/2014).

Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit die unmittelbare und aktuelle Betroffenheit durch alle vom Antrag erfassten Bestimmungen gegeben ist oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl. , V68/2013 ua.; zu auf Art 140 Abs 1 Z 1 lita B VG gestützten Anträgen von Gerichten, die, soweit die Präjudizialität für den gesamten Antrag gegeben ist, im Fall der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen im übrigen Teil abzuweisen sind, vgl. VfSlg 19.746/2013, 19.905/2014). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die den Antragsteller nicht unmittelbar und aktuell in seiner Rechtssphäre betreffen, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrages (vgl. ; VfSlg 19.942/2014; , V104/2014; , G282/2015; , G20/2015, G281/2015; , G606/2015 ua.).

2.3.2. Der Antragsteller meint (letztlich klarstellend in seiner Replik), dass "im Hinblick auf den unmittelbaren Zusammenhang mit § 10 Abs 1 und 2 WLBG bzw der darin enthaltenen Worfolge 'einer Bestattungsanlage' (auch) die Anfechtung" der Abs 5 bis 7 des § 22 WLBG erforderlich gewesen sei. Er führt in seinem Antrag dazu aus:

"Die Bekämpfung des jeweils zweiten Satzes des § 22 Abs 5, 6 und 7 WLBG [es ist offensichtlich der dritte Satz des Abs 6 gemeint] ist deshalb erforderlich, weil durch die darin genannten Ausnahmen die Verknüpfung zwischen 'einer Bestattungsanlage' sowie einer Leichenkammer bzw einem Aufbahrungsraum, wie sie § 10 Abs 1 und 2 erster Satz WLBG vornehmen, quasi 'aufgeweicht' bzw unterlaufen wird, indem diese eine räumliche Trennung zwischen der Leichenkammer bzw dem Aufbahrungsraum, in dem ein/e Verstorbene/r (zunächst) untergebracht wird und der Bestattungsanlage, in der er/sie in weiterer Folge bestattet wird, ermöglichen [...]."

2.3.3. Der Verfassungsgerichtshof vermag diesen untrennbaren Zusammenhang zwischen den das "Vorgehen nach der Totenbeschau" regelnden Bestimmungen des § 10 WLBG und den angefochtenen (Ausnahme-)Bestimmungen betreffend die Errichtung und Ausgestaltung von Bestattungsanlagen der § 22 Abs 5 bis 7 WLBG nicht zu erkennen: Einerseits bleibt die Regelung des § 10 WLBG, dass ein Verstorbener – von den Fällen des § 10 Abs 2 zweiter Satz und Abs 3 WLBG abgesehen – in einer Leichenkammer einer Bestattungsanlage untergebracht bzw. in einem Aufbahrungsraum einer Bestattungsanlage aufgebahrt werden muss, auch bei Wegfall der angefochtenen Ausnahmebestimmungen des § 22 WLBG sinnvoll und anwendbar. Umgekehrt würden aber auch im Fall einer Aufhebung der Wortfolge "einer Bestattungsanlage" in § 10 Abs 1 und Abs 2 erster Satz WLBG – mit der Konsequenz der Möglichkeit der Unterbringung und Aufbahrung von Leichen auch außerhalb von Bestattungsanlagen – wegen der in § 21 WLBG festgelegten Verpflichtung der Stadt Wien zur Errichtung und zum Betrieb von ausreichenden Bestattungsanlagen die Bestimmungen des § 22 WLBG ihre Bedeutung nicht verlieren.

Da der behauptete untrennbare Zusammenhang zwischen den angefochtenen Bestimmungen des § 10 und denen des § 22 WLBG nicht besteht, ist der Antrag hinsichtlich sämtlicher angefochtenen Teile des § 22 WLBG zurückzuweisen.

2.3.4. Die angefochtenen Bestimmungen des § 10 Abs 3 bis 6 WLBG stehen im Regelungszusammenhang mit den bekämpften Teilen des § 10 Abs 1 und 2 WLBG, die jedenfalls den Hauptsitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers bilden. Sie enthalten Ausnahmen zu dem vom Antragsteller als verfassungswidrig erachteten Regelungsgehalt. Es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass ihre Aufhebung im Falle des Zutreffens der Bedenken des Antragstellers erforderlich sein könnte; ihre Anfechtung ist daher nicht unzulässig.

3. In der Sache

3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob eine angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrags dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

3.2. Der Antragsteller sieht durch die in Pkt. I.1. genannten Bestimmungen des § 10 WLBG das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs. 1 B VG) und das Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung (Art6 StGG) verletzt.

3.2.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s. etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002).

Im Erkenntnis VfSlg 19.904/2014 hat der Verfassungsgerichtshof bereits festgestellt, dass angesichts der mit einem geordneten Leichen- und Bestattungswesen verbundenen öffentlichen Interessen dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt (s.a. VfSlg 11.503/1987; , Adolf Truley GmbH/Bestattung Wien GmbH , Rz 56 f.).

3.2.2. Nach der ständigen Judikatur zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art 6 StGG (s. zB VfSlg 10.179/1984, 12.921/1991, 15.038/1997, 15.700/1999, 16.120/2001, 16.734/2002 und 17.932/2006) sind gesetzliche, die Erwerbs(ausübungs)freiheit beschränkende Regelungen auf Grund des diesem Grundrecht angefügten Gesetzesvorbehaltes nur dann zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind.

Auch gesetzliche Regelungen, die die Berufsausübung beschränken, sind auf ihre Übereinstimmung mit der verfassungsgesetzlich verbürgten Freiheit der Erwerbsbetätigung zu prüfen und müssen dementsprechend durch ein öffentliches Interesse bestimmt und auch sonst sachlich gerechtfertigt sein. Das bedeutet, dass Ausübungsregeln bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein müssen. Es steht jedoch dem Gesetzgeber bei Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf (den Erwerbsantritt) beschränken, weil und insoweit durch solche die Ausübung einer Erwerbstätigkeit regelnden Vorschriften der Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Rechtssphäre weniger gravierend ist, als durch Vorschriften, die den Zugang zum Beruf überhaupt behindern (s. etwa VfSlg 13.704/1994 und die dort zitierte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.024/2000 und 16.734/2002).

Durch die zu prüfenden Rechtsvorschriften wird die berufliche Tätigkeit der Bestatter teilweise örtlich beschränkt: Bestimmte Tätigkeiten (Reinigen und Ankleiden der Toten, Einsargen, Schließen des Sarges, Thanatopraxie) müssen im Rahmen von Bestattungsanlagen durchgeführt werden. Ebenso ist die Durchführung von Totenfeierlichkeiten, soweit sie in Anwesenheit des aufgebahrten Leichnams stattfinden, auf Bestattungsanlagen bzw. auf die sonstigen in § 10 WLBG umschriebenen Örtlichkeiten beschränkt. Es sind dies Regelungen, die nicht den Zugang zum Erwerbsantritt beschränken, sondern solche der Berufsausübung. Daher hat der Gesetzgeber auch im Hinblick auf Art 6 StGG einen größeren rechtspolitischen Gestaltungsspielraum.

3.3. Zur verpflichtenden Unterbringung der Leiche in der Leichenkammer einer Bestattungsanlage (§10 Abs 1 WLBG):

3.3.1. Mit Erkenntnis VfSlg 19.904/2014 hat der Verfassungsgerichtshof den Antrag einer Wiener Landesbürgerin, die Wortfolge "einer Bestattungsanlage" in § 10 Abs 1 WLBG wegen Verstoßes gegen Art 8 EMRK (Achtung des Privat- und Familienlebens) und Art 7 Abs 1 B VG (Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz) aufzuheben, abgewiesen.

3.3.2. Im vorliegenden Fall ist der Antragsteller ein privater Bestatter, der die Verletzung des Art 6 StGG (Freiheit der Erwerbsbetätigung) und ebenfalls des Art 7 B VG (mit schwerpunktmäßig anderen Argumenten, als im Verfahren zu VfSlg 19.904/2014 vorgebracht wurden) durch diese Wortfolge behauptet. Er bringt vor, dass gemäß § 10 Abs 1 WLBG Leichen nach Vornahme der Totenbeschau unverzüglich in einer Leichenkammer einer Bestattungsanlage unterzubringen seien. Der Zutritt zu den Leichenkammern sei ihm aber nur während der – äußerst eingeschränkten – Öffnungszeiten möglich. Außerhalb der Öffnungszeiten bleibe ihm nur die Möglichkeit, die Verstorbenen in die Leichenkammer Favoriten zu verbringen. Selbiges gelte auch dann, wenn der Bestimmungsort noch unbekannt sei oder über keine Kühlanlage verfüge oder außerhalb von Wien gelegen sei oder dann, wenn in weiterer Folge den Angehörigen eine Urne übergeben werden solle. Dies verursache eine Vielzahl an Zusatztransporten und führe in der Praxis zu beträchtlichen Engpässen. Die Leichenkammer Favoriten sei in einem kritischen Zustand. Teure (Eichen-)Särge müssten auf dem Boden abgestellt werden, was aus hygienischer Sicht äußerst problematisch sei. Die maroden Regale seien eine Sicherheitsgefahr. Es gebe Maden-Befall auf dem Fussboden. Die Privatbestatter hätten keinen Zutritt zu Personalräumlichkeiten und keinen Zugriff auf das vor Ort befindliche Inventar. Letztlich seien € 65,– für die Unterbringung jedes Leichnams zu bezahlen.

Begründend führt er weiter aus, dass die räumliche Nähe der Leichenkammer zu einer Bestattungsanlage kein sachliches Argument sein könne, und bringt sein Anliegen mit folgenden Worten auf den Punkt:

"Warum soll es möglich und zulässig sein, Verstorbene in einer Leichenkammer einer (beliebigen) Bestattungsanlage unterzubringen und diese in einer anderen Bestattungsanlage zu bestatten, jedoch einem Privatbestatter nicht gestattet sein, diese in seiner eigenen Leichenkammer aufzubewahren, bevor diese in einer Bestattungsanlage bestattet werden? 'Unerwünschte Totentransporte', die von den Augen der Bevölkerung fernzuhalten sind, können angesichts der oben erwähnten Regelungen nicht ausschlaggebend sein und bilden daher keine taugliche Rechtfertigungsgrundlage. Allfällige sonstige Ziele, nämlich dass die Leichenkammern über eine bestimmte Ausstattung oä verfügen müssen, können schon mit Hilfe gelinderer Mittel erreicht werden, zumal etwa § 22 Abs 8 WLBG – unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Bestattungsanlage – ohnedies vorsieht, dass Aufbahrungsräume und Leichenkammern den Anforderungen der Pietät zu entsprechen haben."

Ergänzend merkt der Antragsteller an, dass auch die möglichen Gesundheitsgefahren bzw. Gründe der Pietät keine sachliche Rechtfertigung "für die Regelung des § 10 Abs 3 WLBG im Verhältnis zu Abs 1 und 2 leg cit bieten" würden und verweist auch auf § 22 Abs 7 zweiter Satz WLBG, der ebenfalls eine räumliche Trennung zwischen dem Ort der Aufbahrung und dem der anschließenden Bestattung ermögliche, was in der Praxis auch (zusätzliche) Leichentransporte bedeute.

3.3.3. Die Wiener Landesregierung hält dem entgegen, dass der Gesetzgeber verhindern habe wollen, dass Leichen an verschiedensten Orten aufbewahrt und beliebig oft und unkontrolliert weitertransportiert würden. Aus sanitären Gründen sollten Leichen rasch aus privaten Bereichen entfernt, die Transportwege kurz gehalten und den hygienischen Anforderungen entsprechend gelagert werden. Durch die "Konzentration" der zu kontrollierenden Räumlichkeiten könnten sowohl eine hohe Frequenz der Hygienekontrollen als auch ein besonders hoher Qualitätsstandard sichergestellt werden. Vor allem bei einem Todesfall zu Hause müsse der Leichnam nach der Totenbeschau rasch in eine Kühlkammer gebracht werden. Dieser Transport sei durch die Totenbeschauärztin bzw. den Totenbeschauarzt anzuordnen. Da trete oft der Fall ein, dass mit dem unverzüglichen Transport in eine Leichenkammer und den Trauerfeierlichkeiten unterschiedliche Unternehmen betraut würden. Im Fall der Unterbringung in einer "privaten" Leichenkammer würde die dann notwendige "Übergabe des Leichnams" wesentlich erschwert. Im Hinblick darauf, dass in Wien 20 Bestattungsunternehmen tätig seien, wäre oft nicht klar, in welcher privaten Leichenkammer der Leichnam liege. Die angefochtene Bestimmung sei – neben den im öffentlichen Interesse gelegenen Zielen der Sicherstellung der Hygiene und der "Konzentration" der Unterbringung von Leichen an dafür prädestinierten Orten – mittelbar auch zur Sicherstellung ausreichender Infrastruktur an weniger frequentierten Friedhöfen notwendig, wozu die Stadt Wien gemäß § 21 WLBG verpflichtet sei.

3.3.4. Die behauptete Verfassungswidrigkeit der Wortfolge "einer Bestattungsanlage" in § 10 Abs 1 WLBG liegt nicht vor:

3.3.4.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg 11.503/1987 ausgeführt:

"Die Ordnung der Leichenbestattung auf eine den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechende Weise liegt – dies bedarf keiner weiteren Erörterung – aus mehreren Gründen in besonderem Maß im öffentlichen Interesse. Sie muß unter allen Umständen gewährleistet sein. Würden die Leistungen nicht von privaten Unternehmern erbracht, so müßte die öffentliche Hand (so etwa die Gemeinde) dafür vorsorgen (vgl. § 238 Abs 2 GewO 1973; § 14 Abs 4 und § 18 des Kärntner Leichenbestattungsgesetzes, LGBl 61/1971). Es liegt auch im öffentlichen Interesse, Werbe- und sonstige Konkurrenzstrategien auf diesem Gebiet auszuschalten. So ist es unerwünscht, daß in der Zeit zwischen Ableben und Begräbnis sich die Angehörigen des Verstorbenen, die in der Regel in einer sie psychisch stark belastenden Ausnahmesituation sind, durch die Bestattungsunternehmen belästigt oder bedrängt fühlen. Die im § 240 GewO 1973 vorgesehenen Verbote können nicht das ganze Spektrum denkbarer Werbemöglichkeiten erfassen."

3.3.4.2. Gemäß § 6 Abs 3 WLBG sind Leichen grundsätzlich im Anschluss an die erfolgte Totenbeschau aus den Wohnstätten zu entfernen. Sie sind gemäß § 10 Abs 1 WLBG unverzüglich in einer Leichenkammer einer Bestattungsanlage unterzubringen. Die Feststellung des Verfassungsgerichtshofs in VfSlg 11.503/1987, es sei unerwünscht, dass in der Zeit zwischen Ableben und Begräbnis sich die Angehörigen des Verstorbenen durch die Bestattungsunternehmen belästigt oder bedrängt fühlen, trifft – in noch verstärktem Ausmaß – auf die Zeit unmittelbar nach der Feststellung des eingetretenen Todes durch die Totenbeschau bis zum Abtransport des Verstorbenen zu. Es ist den Angehörigen in dieser Situation nicht zumutbar, sich für eines von konkurrierenden Bestattungsunternehmen entscheiden zu müssen. In vielen Fällen ist – als einziger Anhaltspunkt – absehbar, dass eine Erdbestattung in einer Grabstelle, beispielsweise in einem Familiengrab, in einer konkreten Bestattungsanlage mit hoher Wahrscheinlichkeit vorgenommen werden wird. Eine Regelung, die die Unterbringung des Verstorbenen in der Leichenkammer dieser Bestattungsanlage vorsieht, ist daher nicht unsachlich. Dass fallweise – etwa, wenn die Bestattungsanlage noch nicht feststeht, wenn die mögliche Bestattungsanlage über keine Kühlanlage verfügt oder außerhalb von Wien liegt oder wenn den Angehörigen eine Urne übergeben werden soll (in solchen Fällen erfolgt anscheinend die Erstunterbringung zumeist in der Leichenkammer Favoriten) – diese Annahme nicht zutrifft, vermag daran nichts zu ändern, dass bei einer Durchschnittsbetrachtung und der darauf aufbauenden Beurteilung der Sachlichkeit die gesetzliche Regelung die Verfolgung der dargestellten öffentlichen Interessen zu unterstützen vermag.

3.3.4.3. Auch der Umstand, dass das WLBG nicht gestattet, Leichen nach deren Unterbringung in der Leichenkammer einer Bestattungsanlage zum Reinigen und Ankleiden, Einsargen, Verschließen des Sarges und für die Thanatopraxie in Leichenkammern außerhalb von Bestattungsanlagen zu verbringen, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Diese Regelung hat die Konsequenz, dass diese Tätigkeiten, die einem Bestatter iSd § 94 Z 6 Gewerbeordnung 1994 gemäß Bestatter-Verordnung vorbehalten sind, dieser in (unmittelbarer Nähe) einer Leichenkammer einer Bestattungsanlage vornehmen muss. Auch insofern verstößt § 10 Abs 1 WLBG weder gegen Art 7 B VG noch gegen Art 6 StGG: Es ist nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber, dem angesichts der mit einem geordneten Leichen- und Bestattungswesen verbundenen öffentlichen Interessen ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt (s. Pkt. III.3.2.), anordnet, dass zur Vornahme dieser Tätigkeiten nicht die Leiche zum Bestatter verbracht wird, sondern der Bestatter sich dafür in die Räumlichkeiten einer Bestattungsanlage begibt, zumal dadurch auch zusätzliche Leichentransporte vermieden werden. Gemäß § 22 Abs 4 WLBG muss auch in jeder Bestattungsanlage ein Leichenwaschraum vorhanden sein, falls Leichen gewaschen oder thanatopraktisch behandelt werden.

3.3.4.4. Die Unterbringung in der Leichenkammer einer Bestattungsanlage liegt im öffentlichen Interesse eines geordneten Leichenwesens, sie ist, da die Leichenkammern von Bestattungsanlagen gemäß § 22 Abs 6 WLBG über eine Kühlanlage verfügen müssen und auch der gesundheitlichen Aufsicht der Behörde unterliegen, zur Zielerreichung – das primäre Ziel der Bestimmung ist, den von Leichen ausgehenden Infektionsgefahren zu begegnen – geeignet. Die (nur) die Ausübung (und nicht den Antritt) einer Erwerbstätigkeit mittelbar beeinträchtigende Vorschrift ist adäquat und nicht unsachlich. Sie liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und verletzt daher auch nicht das Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung.

3.3.4.5. Aus dem Vorbringen des Antragstellers hinsichtlich der zeitlichen Zutrittsbeschränkungen zu Leichenkammern, des von ihm behaupteten und kritisierten Zustands der Leichenkammern und der dort behaupteter Weise mangelhaften Abfallentsorgung – der Antragsteller behauptet, er müsse im Zuge der Behandlung der Leichen anfallende Exkremente und medizinische Abfallprodukte auf lange Transporte mitnehmen – ist für das Gesetzesprüfungsverfahren nichts zu gewinnen. Sollten derartige Probleme bestehen, handelte es sich lediglich um Fragen des rechtmäßigen Vollzugs der Gesetzesvorschriften (vgl. insb. § 22 Abs 4 und 8 WLBG).

3.4. Zur Aufbahrung für die Dauer der Trauerzeremonie (§10 Abs 2 bis 6 WLBG):

3.4.1. Der Antragsteller behauptet weiters die Verletzung des Art 6 StGG und des Art 7 B VG durch näher bezeichnete Bestimmungen des § 10 Abs 2 bis 6 WLBG, die insbesondere auch den Ort der Aufbahrung des Leichnams für die Dauer der Trauerzeremonie regeln. Er sieht in dem Ausschluss der Möglichkeit, die Zeremonie in seinen eigenen Räumlichkeiten zu veranstalten, eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung von Privatbestattern und meint, dass der politisch motivierte Hintergrund dieser Regelung darin bestehe, der Stadt Wien als Rechtsträgerin der überwiegenden Anzahl der Bestattungsanlagen eine bevorzugte Sonderstellung einzuräumen. Der Antragsteller meint auch, dass für die in § 10 Abs 3 bis 6 WLBG eingeräumte Sonderlösung der Ehrenaufbahrung kein wesentlicher Unterschied im Tatsächlichen bestehe und auch kein relevanter sachlicher Grund erkennbar sei, warum bei bestimmten Verstorbenen, für die eine Aufbahrung ehrenhalber veranlasst werde, hygienebezogene bzw. sanitätspolizeiliche Erwägungen keine Rolle spielten. Letztlich bringt der Antragsteller vor, dass auch eine ihn in seiner Erwerbsausübungsfreiheit weniger beeinträchtigende gesetzliche Regelung möglich wäre:

"Im Übrigen stünden dem Gesetzgeber weniger eingriffsintensive Maßnahmen, sohin gelindere Mittel zur Verfügung, um denselben Effekt zu erzielen, sohin ein geordnetes Bestattungswesen sowie einen bestimmten Hygiene- und Pietätsstandard oder die Erfüllung allfälliger sonstiger Kriterien zu gewährleisten. In Form konkreter Aufträge und Auflagen für die Aufbahrung bzw Unterbringung von Leichen in einer Leichenkammer könnten – losgelöst von der Definition der Bestattungsanlage, die eine entsprechende Flächenwidmung etc erfordert – bestimmte Anforderungen an die Räumlichkeiten, in denen diese jeweils erfolgen, gestellt werden. Dass dies eine mögliche (und jedenfalls weniger eingriffsintensive) Variante ist, die offenkundig auch der Gesetzgeber selbst als ausreichend effiziente Maßnahme erachtet, ergibt sich schon aus § 10 Abs 6 WLBG. Darin ist geregelt, dass der Magistrat (dem eine Aufbahrung ehrenhalber anzuzeigen ist, vgl Abs 4 leg cit) eine Aufbahrung nach Abs 3 unter Vorschreibung von Aufträgen im erforderlichen Ausmaß, die nach gesundheitlichen Anforderungen unbedingt notwendig sind, zu genehmigen hat." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

3.4.2. Soweit der Antragsteller dem Gesetzgeber im Ergebnis unterstellt, mit der bekämpften Regelung private Bestatter benachteiligen zu wollen, übersieht er, dass das "Haus- und Kirchenaufbahrungsverbot" jedenfalls auch schon in § 2 der Verordnung des Wiener Magistrates (Beisetzung in Leichenkammern und Aufbahrung von Leichen im Stadtgebiet von Wien) vom – die Bestimmung verbot die "Aufbahrung einer Leiche in einem anderen als dem auf einem Friedhof (einer Leicheneinäscherungsanlage) oder in einer Bezirksleichenkammer für diesen Zweck bestimmten Raum [...]; dies [galt] auch dann, wenn die Aufbahrung nur zum Zweck und für die Dauer religiöser Zeremonien (Einsegnung) stattfinden" sollte – geregelt war (VfSlg 3710/1960). Zu dieser Zeit gab es in Wien keine privaten Bestattungsunternehmen. Anscheinend wurde auch schon damals davon ausgegangen, es bestehe der Wunsch der Bevölkerung, die Konfrontation mit dem Tod und die mit diesem verbundenen Trauerfeierlichkeiten und Riten auf jene Orte zu beschränken, die dem Totengedenken vorbehalten und in besonderer Weise ausgestattet sind. Letzten Endes obliegt es dem demokratisch gewählten Gesetzgeber, derartige kulturelle Fragen zu entscheiden, sodass die von ihm gewählte Ausgestaltung als im öffentlichen Interesse gelegen anzusehen ist.

Durch die Aufbahrung Verstorbener in Aufbahrungshallen von Bestattungsanlagen, die gemäß § 22 WLBG den Anforderungen der Pietät zu entsprechen haben, wird nicht nur die ungewollte "Begegnung mit dem Tod" von Passanten durch im öffentlichen Raum lozierte Aufbahrungsräumlichkeiten abgewendet und werden Totentransporte im öffentlichen Straßenbild tendenziell reduziert, sondern auch – möglicherweise pietätlos ablaufende – Konfliktsituationen, etwa mit benachbarten Einrichtungen (zB Inhabern von Geschäftslokalen), von vornherein ausgeschlossen. Diese Überlegungen treffen auch für den Fall des § 10 Abs 2 zweiter Satz WLBG zu, wenn also ausnahmsweise die Aufbahrung in der nächstgelegenen Kirche oder in einem anderen Sakralbau erfolgt, weil auch diese Anlagen traditionell u.a. für das Totengedenken bestimmt sind und der Gesetzgeber insofern von gesellschaftlichen Erwartungshaltungen ausgehen konnte.

Der Verfassungsgerichtshof vermag auch unter diesem Gesichtpunkt keine Unsachlichkeit der Ausnahmeregelungen betreffend Ehrenaufbahrungen (§10 Abs 3 bis 6 WLBG) – gewöhnlich im Stephansdom, in sonstigen Kirchen, im Parlament, Rathaus, Burgtheater und an ähnlichen Orten – zu erkennen. Der Wiener Landesgesetzgeber, dem auch hier ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt, schafft die gesetzlichen Voraussetzungen, dass einer breiten Öffentlichkeit Gelegenheit geboten werden kann, ihren Dank gegenüber einer besonders verdienstvollen Persönlichkeit am Ort ihres Wirkens Ausdruck zu verleihen und ebendort Abschied zu nehmen. Der Gesetzgeber konnte zulässigerweise von einem öffentlichen Interesse an solchen Ehrenaufbahrungen, die zahlenmäßig jedenfalls die Ausnahme sind, ausgehen. Dass solche Aufbahrungen – traditionell – auch von gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften und insbesondere auch von Ordensgemeinschaften veranlasst werden können, ist durch die besondere Verbundenheit dieses Personenkreises mit ihrem Bethaus sachlich gerechtfertigt.

Die Behauptung des Antragstellers, dass dabei hygienebezogene bzw. sanitätspolizeiliche Erwägungen keine Rolle spielten, ist nicht richtig. In § 10 Abs 4 bis 6 werden spezielle Anordnungen für Ehrenaufbahrungen getroffen. Diese bedürfen einer speziellen Genehmigung (Abs6), wobei den gesundheitlichen Anforderungen entsprechende Aufträge erteilt werden können. Weiters ist auch die Behauptung des antragstellenden Bestatters, er habe bis jetzt niemals eine derartige Aufbahrung vorzunehmen gehabt, nicht mit zwei dem Antrag als Beilage D angeschlossenen Bescheiden des Magistrats der Stadt Wien (ZMA40 GR 808.994/2014, MA40 GR 798.920/2014) vereinbar, die die Beteiligung des Antragstellers an zwei Kirchenaufbahrungen belegen, was auch die Schwere des Eingriffs durch § 10 Abs 3 bis 6 WLBG relativiert.

Die mit den in § 10 Abs 2 bis 6 WLBG getroffenen Regelungen hinsichtlich des Aufbahrungsorts für die Dauer der Trauerzeremonie verbundene Beschränkung der Freiheit der Erwerbsausübung privater Bestatter ist nicht so gravierend, dass dadurch der rechtspolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers überschritten wäre. Diese Beschränkung ist im öffentlichen Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen. Sie widerspricht nicht Art 7 Abs 1 B VG und nicht Art 6 StGG.

IV. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher hinsichtlich der Wortfolge "einer Bestattungsanlage" in Abs 1, der Wortfolge "einer Bestattungsanlage" im ersten Satz des Abs 2, des zweiten Satzes des Abs 2 sowie der Abs 3 bis 6 jeweils des § 10 WLBG abzuweisen.

2. Hinsichtlich Abs 5 zweiter Satz, Abs 6 dritter Satz und Abs 7 zweiter Satz des § 22 WLBG ist der Antrag zurückzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2016:G105.2015