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VfGH vom 28.02.2014, G105/2013, V65/2013

VfGH vom 28.02.2014, G105/2013, V65/2013

19848

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit einer Regelung des Sbg Landes-BeamtenG 1987 betreffend die Möglichkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinarbehörde in Abwesenheit des Beschuldigten wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip und den Gleichheitsgrundsatz; Gesetzwidrigkeit der als Verordnung zu qualifizierenden Geschäftseinteilung der Senate der Disziplinarkommission für Salzburger Landesbeamte/innen für das Jahr 2013 mangels gehöriger Kundmachung

Spruch

I. 1. § 55 Abs 1 Z 2 Salzburger Landes-Beamtengesetz 1987, LGBl für Salzburg Nr 1, in der Fassung LGBl für Salzburg Nr 39/2013, war verfassungswidrig.

2. Der Landeshauptmann von Salzburg ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

II. 1. Die Verordnung "Geschäftseinteilung der Senate der Disziplinarkommission für Salzburger Landesbeamte/innen beim Amt der Landesregierung (§40 Salzburger Landes-Beamtengesetz 1987, LGBl 1/1987, idgF) Kalenderjahr 2013" war gesetzwidrig.

2. Die Salzburger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl B1012/2013 eine auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

2. Der Beschwerdeführer im Anlassverfahren steht als Beamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Salzburg. Mit Bescheid vom wurde gegen den Beschwerdeführer ein Disziplinarverfahren eingeleitet und unter einem auf Grund laufender polizeilicher Ermittlungen unterbrochen. Mit Bescheid vom wurde über den Beschwerdeführer die Suspendierung verfügt und für die Dauer der Suspendierung die Monatsbezüge unter Ausschluss der Kinderzulage auf zwei Drittel des Bezuges gekürzt.

2.1. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 5 Waffengesetz und des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach §§2, 88 Abs 1 und 4 zweiter Fall (§81 Abs 1 Z 1) StGB schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von zehn Wochen, bedingt auf zwei Jahre nachgesehen, verurteilt.

2.2. Mit Disziplinarerkenntnis des Amtes der Salzburger Landesregierung als Disziplinarbehörde erster Instanz vom wurde der Beschwerdeführer nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung schuldig gesprochen, gegen seine Dienstpflichten verstoßen zu haben und zu einer Geldbuße in der Höhe von 40% des Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage verurteilt. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

2.3. Die Disziplinarkommission für Salzburger Landesbeamte/innen beim Amt der Salzburger Landesregierung (im Folgenden: Disziplinarkommission) erließ am einen – an den Beschwerdeführer ergangenen – Beschluss, in dem sie eine mündliche Verhandlung für den in Abwesenheit des Beschuldigten anberaumte. Als Rechtsgrundlage wird in diesem Bescheid – neben anderen Bestimmungen – ausdrücklich § 55 Abs 1 Z 2 Salzburger Landes-Beamtengesetz 1987, LGBl 1, idF LGBl 39/2013, (im Folgenden: Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987) angeführt.

3. Bei der Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde gemäß Art 144 B VG sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 55 Abs 1 Z 2 Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987 sowie der Gesetzmäßigkeit der Bestimmungen über den Senat 1/Verwendungsgruppe A der "Geschäftseinteilung der Senate der Disziplinarkommission für Salzburger Landesbeamte/innen beim Amt der Landesregierung (§40 Salzburger Landes-Beamtengesetz 1987, LGBl 1/1987, idgF) Kalenderjahr 2013" (im Folgenden: Geschäftseinteilung der Senate der Disziplinarkommission für Salzburger Landesbeamte/innen beim Amt der Landesregierung für das Jahr 2013) entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am beschlossen, diese Bestimmungen von Amts wegen auf ihre Verfassungs- bzw. Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

4. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"[…] Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass eine derartige Regelung [gemeint ist § 55 Abs 1 Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987] dem Rechtsstaatsprinzip widerspricht:

[…] § 55 Abs 1 Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987 sieht vor, dass die mündliche Verhandlung ungeachtet eines Parteienantrages in Abwesenheit des Beschuldigten durchgeführt werden kann, wenn zum einen der Beschuldigte trotz ordnungsgemäß zugestellter Ladung nicht erschienen ist (§55 Abs 1 Z 1 leg.cit.) und wenn zum anderen der Sachverhalt nach der Aktenlage oder infolge Bindung an die im Spruch eines rechtskräftigen Urteiles eines Strafgerichtes oder eines Straferkenntnisses eines Unabhängigen Verwaltungssenates zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen hinreichend geklärt ist (§55 Abs 1 Z 2 leg.cit.). In den Erläuterungen (RV 383 BlgLT 11. GP) wird dazu ausgeführt, dass § 55 Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987 dem § 125a Abs 1 BDG 1979 entspreche; im Interesse der Verfahrenskonzentration sei durch diese Bestimmung die Möglichkeit erweitert worden, die mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten durchzuführen. Nach Absatz 2 der Bestimmung ist dem Beschuldigten in diesen Fällen vor der Erlassung eines Disziplinarerkenntnisses Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

[…] Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass durch die genannte Bestimmung eine mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten auch dann stattfinden kann, wenn der Sachverhalt 'infolge Bindung an die im Spruch eines rechtskräftigen Urteiles eines Strafgerichtes zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen' hinreichend geklärt ist.

[…] Es scheint aber den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren zu widersprechen, wenn eine mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten, aber in Anwesenheit des die Disziplinaranzeige vertretenden Disziplinaranwaltes stattfindet, nur weil der Sachverhalt nach der Aktenlage oder infolge der Bindung an ein rechtskräftiges Urteil eines Strafgerichtes hinreichend geklärt ist. Eines der Wesenszüge eines rechtsstaatlichen Verfahrens scheint es zu sein, dass jeder Partei Gelegenheit eingeräumt werden muss, ihren Fall einschließlich aller Beweise unter solchen Bedingungen präsentieren zu können, die keinen wesentlichen Nachteil gegenüber ihrem Gegner bedeuten.

[…] Wenn eine mündliche Verhandlung durchgeführt wird, dürfte es das Rechtsstaatsprinzip in einem Disziplinarverfahren erfordern, dass die – in einem solchen Verfahren – einander gegenüberstehenden und gegenteilige Interessen verfolgenden Parteien (Beschuldigter einerseits und Disziplinaranwalt andererseits) verfahrensrechtlich grundsätzlich gleichgestellt sind. Auch wenn der Sachverhalt – wie im vorliegenden Fall – durch ein rechtskräftigen Urteil[…] eines Strafgerichtes geklärt ist, müsste dem Beschuldigten in einem solchen Fall die Möglichkeit zur Teilnahme ebenso gewährt sein wie die Möglichkeit, zu allen in der Verhandlung angesprochenen Punkten Stellung zu nehmen, Beweisanträge zu stellen und auf den Schlussantrag des Disziplinaranwaltes zu replizieren. So könnten sich – auch wenn der Sachverhalt geklärt ist – beispielsweise bei der Beurteilung der disziplinären Verantwortung oder bei der Frage der Strafbemessung noch relevante Argumente zB hinsichtlich der Milderungsgründe auftun, zu denen der Beschuldigte – wie auch der Disziplinaranwalt – Stellung nehmen können muss. Der zwingende Ausschluss des Beschuldigten von der Verhandlung scheint damit nicht vereinbar zu sein.

[…] An diesen Überlegungen scheint auch § 55 Abs 2 Salzburger Landes Beamtengesetz 1987 nichts zu ändern, der normiert, dass dem Beschuldigten vor der Erlassung eines Disziplinarerkenntnisses Gelegenheit zu geben ist, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Ein rechtsstaatliches Verfahren dürfte es erfordern, dass in einem Disziplinarverfahren der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt gleichberechtigt in einer mündlichen Verhandlung ihre Argumente darlegen können müssen, um auch dem in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Unmittelbarkeit Rechnung zu tragen (vgl. auch Kucsko-Stadlmayer , Neuerungen im Beamtendisziplinarrecht, ZfV 1997, 700 f.).

[…] Eine verfassungskonforme Interpretation scheint nicht möglich zu sein: Eine solche Auslegung ist nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nämlich ausgeschlossen, wenn sich aus der offenkundigen Absicht des Gesetzgebers kein Zweifel am Inhalt der Norm ergibt (vgl. VfSlg 11.036/1986). Die dargelegten Überlegungen dürften zur Folge haben, dass die Disziplinarbehörde von ihrer Ermessensentscheidung, eine mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten durchzuführen, wenn der Sachverhalt auf Grund eines rechtskräftigen Strafurteiles geklärt ist, nie Gebrauch machen könnte. Somit bliebe aber für die Bestimmung des § 55 Abs 1 Z 2 Sbg. Landes Beamtengesetz kein Raum, weshalb die Grenze der zulässigen verfassungskonformen Interpretation überschritten scheint.

[…] Weiters hegt der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass § 55 Abs 1 Z 2 Salzburger Landes-Beamtengesetz 1987 dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht:

[…] Es scheint vorderhand kein sachlicher Grund ersichtlich zu sein, warum der Beschuldigte generell dann von der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen sein soll, wenn der Sachverhalt zwar nach der Aktenlage oder infolge der Bindung an ein rechtskräftiges Urteil eines Strafgerichtes hinreichend geklärt ist, eine mündliche Verhandlung aber durchgeführt wird. Dies vor allem deshalb, weil der die Anklage vertretende Disziplinaranwalt an der mündlichen Verhandlung teilnimmt und zu den in der mündlichen Verhandlung angesprochen Punkten gehört wird, hingegen der Beschuldigte lediglich die Möglichkeit hat, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

[…] Bei der Behandlung der Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof darüber hinaus Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Bestimmungen über den Senat 1/Verwendungsgruppe A der […]Geschäftseinteilung entstanden.

[…] Die in Rede stehende Geschäftseinteilung der Senate der Disziplinarkommission für Salzburger Landesbeamte/innen beim Amt der Landesregierung für das Jahr 2013 dürfte als Rechtsverordnung zu qualifizieren sein (vgl. zB das Erkenntnis VfSlg 17.771/2006 und den zugrunde liegenden Prüfungsbeschluss , das Erkenntnis VfSlg 18.287/2007 und den zugrunde liegenden Prüfungsbeschluss , das Erkenntnis VfSlg 19.072/2010 und den zugrunde liegenden Prüfungsbeschluss , sowie das Erkenntnis VfSlg 19.230/2010 und den zugrunde liegenden Prüfungsbeschluss ).

[…] Diese Geschäftseinteilung dürfte auch Eingang in die Rechtsordnung gefunden haben; so scheint sie insbesondere durch die Weiterleitung an die Mitglieder der Disziplinarkommission ein gewisses Mindestmaß an Publizität erlangt zu haben.

[…] Weiters geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass er die im Spruch genannten Regelungen bei Überprüfung des angefochtenen Bescheides (in Beurteilung der Frage, ob der Senat 1 der Disziplinarkommission zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständig war) anzuwenden hätte; daher dürften diese Bestimmungen hier präjudiziell in der Bedeutung des Art 139 Abs 1 B-VG sein.

[…] In der Sache hegt der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass die in Prüfung gezogenen Regelungen mangelhaft kundgemacht worden sind:

[…] Als Rechtsverordnung der Vorsitzenden der Disziplinarkommission hätte die in Rede stehende Geschäftseinteilung – da besondere Kundmachungsvorschriften im Gesetz nicht enthalten sind – ortsüblich kundgemacht werden müssen (vgl. , und den zugrunde liegenden Prüfungsbeschluss ; ; zur erforderlichen 'gehörigen' Kundmachung von Verordnungen bei Fehlen gesetzlicher Kundmachungsvorschriften zB VfSlg 4865/1964; 16.281/2001; 18.323/2007), dh. in einer solchen Art, dass alle Adressaten von der Verordnung Kenntnis erhalten können (vgl. VfSlg 3714/1960; , und den zugrunde liegenden Prüfungsbeschluss ; ). Eine solche Kundmachung dürfte nicht erfolgt sein, weil lediglich die Übermittlung des Verordnungstextes an ausgewählte Empfänger mit dem Wesen der Kundmachung einer generellen Norm nicht vereinbar sein dürfte, zumal die im vorliegenden Fall gewählte Vorgangsweise auch nicht geeignet war, alle Normadressaten (die Landesbeamten) vom Inhalt der Verordnung in Kenntnis zu setzen (vgl. VfSlg 19.230/2010 und den zugrunde liegenden Prüfungsbeschluss mwH)

[…] Weiters dürften die in Prüfung gezogenen Regelungen deshalb gesetzwidrig sein, weil ihre Kundmachung keinen Hinweis darauf enthält, dass sie von der Vorsitzenden der Disziplinarkommission erlassen worden sind.

[…] Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist die Nennung des verordnungserlassenden Organs ein Essential einer ordnungsgemäßen Kundmachung einer Verordnung (vgl. zB VfSlg 7281/1974; 7903/1976; 16.591/2002 und den dem Erkenntnis , zugrunde liegenden Prüfungsbeschluss ). Es muss nämlich aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit dem Normunterworfenen auf Grund der Kundmachung einer Verordnung möglich sein, die Einhaltung der Zuständigkeitsvorschriften zu kontrollieren (vgl. VfSlg 6555/1971 und den dem Erkenntnis , zugrunde liegenden Prüfungsbeschluss sowie VfSlg 19.230/2010 und den zugrunde liegenden Prüfungsbeschluss ). Dass die Vorsitzende am Schreiben an die Mitglieder der Disziplinarkommission, mit dem die Geschäftseinteilung verteilt wurde, aufscheint, dürfte nicht ausreichen, zumal die dem Schreiben angeschlossenen Geschäftseinteilung selbst keine Fertigungsklausel enthält, aus der entnommen werden könnte, wer sie erlassen hat, und auch aus dem Titel der Geschäftseinteilung das erlassende Organ nicht entnommen werden kann."

5. Die Salzburger Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie zum einen beantragt, das Verfahren in Ansehung des § 55 Abs 1 Z 2 Sbg. Landes Beamtengesetz 1987 sowie der Gesetzmäßigkeit der Bestimmungen über den Senat 1/Verwendungsgruppe A der Geschäftseinteilung der Senate der Disziplinarkommission für Salzburger Landesbeamte/innen beim Amt der Landesregierung für das Jahr 2013 einzustellen, und im Übrigen den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegentritt:

"1. Zu § 55 Abs 1 Z 2 L-BG:

Die in Salzburg geltenden Bestimmungen über die Durchführung mündlicher Disziplinarverhandlungen in Abwesenheit der oder des Beschuldigten entsprechen nahezu wortgleich dem bundesrechtlichen Regelungsvorbild des § 125a BDG 1979 in der durch das Gesetz BGBl I Nr 61/1997 (und zwar konkret mit der 1. BDG-Novelle 1997) hergestellten Fassung. In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (631 BlgNR XX. GP) wird die Erweiterung der Möglichkeit in Abwesenheit der oder des Beschuldigten zu verhandeln, mit dem Hinweis auf Aspekte der Verfahrenskonzentration begründet. Entsprechend den auch vom Verfassungsgerichtshof zitierten Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Gesetzes LGBl Nr 71/1998 (383 BlgLT 11. GP) war dieser Gesichtspunkt auch für den Landesgesetzgeber ausschlaggebend. Daneben war aber im Hinblick auf das damals noch geltende dienstrechtliche Homogenitätsgebot auch die Angleichung an bundesrechtliche Änderungen ein Regelungsmotiv für den Landesgesetzgeber (vgl. den einleitenden Satz im Allgemeinen Teil der Erläuterungen: 'Hauptinhalt der Novelle ist die Übernahme jener Änderungen, die durch das Gesetz BGBl I Nr 61/1997 für Bundesbedienstete bewirkt worden sind, in das landesrechtlich geregelte Dienstrecht.').

Ebenfalls nahezu wortgleich aus dem Bundesrechtsbestand übernommen wurde § 37 Abs 2 L-BG, der ebenso wie § 95 Abs 2 BDG 1979 die Bindung der Disziplinarbehörde an die von Strafgerichten oder Verwaltungsgerichten getroffene Tatsachenfeststellungen anordnet. Eine davon abweichende Beurteilung des Sachverhalts durch die Disziplinarbehörde ist daher nicht möglich, darauf abzielende Beweisanträge der Parteien wären daher in jedem Fall abzulehnen. Der gerichtlich festgestellte Sachverhalt kann zusammen mit der Aktenlage im Einzelfall durchaus ausreichen, um auch die im Disziplinarverfahren zusätzlich zu klärenden Fragen, wie etwa diejenige des disziplinären Überhangs oder der allfälligen für die Strafbemessung maßgeblichen Gründe abschließend beurteilen zu können, dies umso mehr, als § 35 Abs 1 L-BG (ebenso wie § 19 Abs 2 VStG) hinsichtlich der Milderungs- und Erschwerungsgründe auf die im StGB getroffenen Bestimmungen verweist und ein strafgerichtliches Erkenntnis (wie im vorliegenden Fall) daher in der Regel auch dazu die erforderlichen Tatsachenfeststellungen enthalten muss. Die weiters für die Strafbemessung relevanten Gesichtspunkte der persönlichen Verhältnisse und der wirtschaftlichen Verhältnisse sind dem Dienstgeber auf Grund der bestehenden Meldepflichten (§10b L BG) im Regelfall bekannt, so dass auch hier in einem konkreten Fall kein Bedarf nach weiteren Ermittlungsschritten mehr gesehen werden kann.

Nur bei Vorliegen der oben dargestellten Voraussetzungen, also nur dann, wenn die Disziplinarbehörde zur Überzeugung gelangt, alle für das Disziplinarverfahren erforderlichen Sachverhaltselemente (d.h. einschließlich des Vorliegens eines disziplinären Überhangs und der Strafbemessung) abschließend beurteilen zu können und kein Erfordernis für das Erheben weiterer Beweise sieht, kann die mündliche Verhandlung gemäß § 55 Abs 1 Z 2 L-BG in Abwesenheit der oder des Beschuldigten durchgeführt werden. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen sind also äußerst restriktiv und werden wohl nur gegeben sein, wenn zB die Frage der Beeinträchtigung des Vertrauens der Allgemeinheit in die Verwaltung (§9 Abs 2 L-BG) durch die Aktenlage oder durch bei der Behörde offenkundige Tatsachen (zB Medienberichterstattung) gemäß § 45 Abs 1 AVG als geklärt anzusehen ist. Besteht auch nur eine geringfügige Unklarheit in einem für das Disziplinarverfahren wesentlichen Sachverhaltselement, muss eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit der oder des Beschuldigten durchgeführt werden, wenn nicht der Fall des § 55 Abs 1 Z 1 L-BG eintritt.

Daneben ist auch noch zu beachten, dass das Disziplinarverfahren für Landesbeamte keinen Anklagegrundsatz kennt, so dass dem Disziplinaranwalt eine völlig andere Stellung zukommt als dem Staatsanwalt im gerichtlichen Strafverfahren. So ist etwa die Disziplinaranzeige nicht vom Disziplinaranwalt, sondern von der oder dem unmittelbaren Vorgesetzten der oder des Beschuldigten zu erstatten (§46 Abs 1 L-BG). Über die Einleitung des Disziplinarverfahrens, den weiteren Gang und allenfalls dessen Einstellung entscheidet die Disziplinarbehörde alleine, ohne an Anträge des Disziplinaranwaltes gebunden zu sein (§§49 und 51 L-BG). Die eher neutrale Stellung des Disziplinaranwaltes kommt auch im § 41 Abs 1 L BG zum Ausdruck, der als Aufgabe des Disziplinaranwaltes die Vertretung der dienstlichen Interessen (und nicht zB die Vertretung der in der Disziplinaranzeige enthaltenen Vorwürfe) vorsieht. Diese dienstlichen Interessen können aber auch darin liegen, allenfalls zu Unrecht erhobene Vorwürfe zu entkräften und so durchaus auch im Interesse der oder des Beschuldigten zu handeln. Die Bezeichnung des Disziplinaranwaltes als 'Gegner' der oder des Beschuldigten trifft daher nach ha Auffassung nicht den Wesenskern des von der Inquisitionsmaxime geprägten Disziplinarverfahrens.

Die vom Verfassungsgerichtshof gesehenen Bedenken werden also im Ergebnis nicht geteilt. Die geschilderten strengen Voraussetzungen für die Verhandlung in Abwesenheit der oder des Beschuldigten lassen aber natürlich Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung entstehen. Dies hat den Bundesgesetzgeber dazu veranlasst, bereits mit der 1. Dienstrechts-Novelle 1998, BGBl I Nr 123/1998, für den geschilderten Fall überhaupt das Absehen von der Durchführung einer Verhandlung zu ermöglichen. Begründet wurde diese neuerliche Änderung des Verfahrensrechtes mit der Vermeidung von Verfahrensverzögerungen (1258 BlgNR XX.GP). Da in der Landesverwaltung jährlich nur eine äußerst geringe Zahl von Disziplinarverfahren durchzuführen ist, ist diesen Aspekten der Verwaltungsvereinfachung und Verfahrensstraffung nicht die vom Bundesgesetzgeber gesehene große Bedeutung zugemessen und die bisherige Regelung unverändert beibehalten worden.

2. Zur Geschäftseinteilung:

[…] Damit eine Norm nach Art 139 Abs 1 B-VG in Prüfung gezogen werden kann, muss es sich um eine Verordnung handeln. Eine solche liegt nicht vor, wenn eine generell-abstrakte Enuntiation einer Behörde nicht ein Mindestmaß an Publizität erreicht, welches sicherstellt, dass sie in die Rechtsordnung Eingang findet (vgl zB VfSlg 19.230/2010, 19.072/2010, 19.058/2010 uva). Um ein solches Mindestmaß an Publizität annehmen zu können, muss der zur Debatte stehende behördliche Akt in einer Form kundgemacht werden, die eine Kenntnisnahme durch die Normadressaten ermöglicht (vgl zB VfSlg 16.875/2003, 9535/1982, 2828/1955). Wenn die Geschäftseinteilung einer Disziplinarkommission lediglich ihren Mitgliedern bekannt gegeben wird, kann von dieser Voraussetzung für die Verordnungsqualität keine Rede sein, zumal Normadressaten alle vom Salzburger Landes-Beamtengesetz 1987 erfassten Landesbeamtinnen und Landesbeamten sind, und im Fall einer ausschließlichen Bekanntgabe der Geschäftseinteilung gegenüber den anderen Mitgliedern des Kollegialorgans dieser Mitteilung jegliche Außenwirksamkeit fehlt.

Dennoch ist der Gerichtshof dann von einer hinreichenden Publizität und somit von einem tauglichen Prüfungsgegenstand im Sinn des Art 139 Abs 1 B-VG ausgegangen, wenn darüber hinaus – also neben der Übermittlung der Geschäftseinteilung an die Mitglieder des Kollegialorgans – zusätzlich der Beschwerdeführer im Anlassfall nach Art 144 Abs 1 B-VG den Rechtsakt offenbar kannte, weil er ihn im verfassungsgerichtlichen Verfahren vorgelegt hat (vgl VfSlg 18.287/2007, 17.771/2006). Nicht ausreichend ist es demgegenüber, wenn die Geschäftseinteilung nur dem Beschwerdeführer oder dessen Rechtsvertreter im Zuge des Verwaltungsverfahrens bekannt geworden ist (VfSlg 19.058/2010, 16.875/2003).

In casu wurde die Geschäftseinteilung von der sie erlassenden Vorsitzenden der DiszipIinarkommission nur ihren Mitgliedern bekanntgegeben. Der Beschwerdeführer erlangte von ihr keine Kenntnis. Auch war es anderen Personen als den Mitgliedern der Disziplinarkommission nicht möglich, von der Geschäftseinteilung Kenntnis zu erlangen, weil eine Auflage zur Einsicht oder eine Mitteilung an andere Organe wie etwa die Personalabteilung oder die Personalvertretung – was für die Qualifikation als Verordnung von Bedeutung ist (vgl zB VfSlg 12.382/1990, 14.985/1997, 17.137/2004) – unterblieb. Zwar nahm der Gerichtshof im Prüfungsbeschluss zu VfSlg 19.527/2011 vorläufig an, dass auch die bloße Mitteilung der Geschäftseinteilung an die Mitglieder der NÖ Disziplinarkommission schon das für die Verordnungsqualität erforderliche Mindestmals an Publizität gewährleistet, doch verschlägt dies hinsichtlich der hier vertretenen – gegenteiligen – Sichtweise nichts, zumal sich im Rahmen des weiteren Verfahrens zu VfSlg 19.527/2011 ergab, dass die Geschäftseinteilung auch der Personalabteilung, der Landespersonalvertretung und dem Zentralbetriebsrat der NÖ Landeskrankenanstalten zur Kenntnis gebracht wurde.

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die hier in Frage stehende Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Amt der Salzburger Landesregierung nur für das Jahr 2013 galt, in der sie lediglich in drei Fällen Anwendung fand. Auch von einer 'dauernden Anwendung', die ebenfalls für die Wertung eines Aktes als Verordnung eine Rolle spielen kann (VfSlg 12.382/1990, 16.875/2003), ist somit nicht auszugehen.

Mangels erforderlichen Mindestmaßes an Publizität hat die gegenständliche Geschäftseinteilung nicht in die Rechtsordnung Eingang gefunden. Sie ist nicht als Verordnung zu qualifizieren und kann daher nicht nach Art 139 Abs 1 B-VG geprüft werden. Das diesbezügliche Verordnungsprüfungsverfahren ist somit unzulässig."

II. Rechtslage

1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Salzburger Landes-Beamtengesetzes 1987 lauten wie folgt (die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung ist hervorgehoben):

"Disziplinarbehörden

§38

(1) Disziplinarbehörde erster Instanz ist das Amt der Landesregierung. Sie ist zuständig für die Suspendierung, für die Erlassung von Disziplinarverfügungen und zur Erlassung von Disziplinarerkenntnissen. Soweit im folgenden nicht abweichendes bestimmt wird, bezieht sich die Bezeichnung "Disziplinarbehörde" auf die Disziplinarbehörde erster Instanz.

(2) Disziplinarbehörde zweiter Instanz ist die Disziplinarkommission, die beim Amt der Landesregierung eingerichtet ist.

Disziplinaranwalt

§41

(1) Zur Vertretung der dienstlichen Interessen im Disziplinarverfahren sind von der Dienstbehörde Disziplinaranwälte und die erforderliche Anzahl von Stellvertretern zu bestellen.

[…]

Parteien

§43

Parteien im Disziplinarverfahren sind der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt. Die Stellung als Partei kommt ihnen mit dem Zeitpunkt der Zustellung der Disziplinaranzeige zu.

Mündliche Verhandlung

§52

(1) Ist nach Durchführung der notwendigen Ermittlungen der Sachverhalt ausreichend geklärt, hat die Disziplinarbehörde die mündliche Verhandlung anzuberaumen und zu dieser die Parteien sowie die in Betracht kommenden Zeugen und Sachverständigen zu laden. Die mündliche Verhandlung ist so anzuberaumen, daß zwischen der Zustellung der Ladung und dem Tag der Verhandlung ein Zeitraum von mindestens zwei Wochen liegt.

(2) In der Ladung sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen. Gegen die Ladung ist kein Rechtsmittel zulässig.

(3) Auf Verlangen des Beschuldigten dürfen bei der mündlichen Verhandlung bis zu drei Beamte als Vertrauenspersonen anwesend sein. Die mündliche Verhandlung ist ansonsten nicht öffentlich.

(4) Die mündliche Verhandlung hat mit der Verlesung der Ladung zu beginnen. Sodann ist der Beschuldigte zu vernehmen.

(5) Nach der Vernehmung des Beschuldigten sind die Beweise in der von der Disziplinarbehörde bestimmten Reihenfolge aufzunehmen. Die Parteien haben das Recht, Beweisanträge zu stellen. Über die Erledigung dieser Anträge hat die Disziplinarbehörde zu entscheiden. Gegen diese Entscheidung ist kein abgesondertes Rechtsmittel zulässig.

(6) Der Beschuldigte darf zur Beantwortung der an ihn gestellten Fragen nicht gezwungen werden.

(7) Nach Abschluß des Beweisverfahrens ist dem Disziplinaranwalt das Wort zu erteilen. Der Disziplinaranwalt hat hierauf die Ergebnisse der Beweisführung zusammenzufassen sowie seine Anträge zu stellen und zu begründen.

(8) Nach dem Disziplinaranwalt ist dem Beschuldigten das Wort zu erteilen. Findet der Disziplinaranwalt hierauf etwas zu erwidern, so hat der Beschuldigte jedenfalls das Schlußwort.

(9) Unmittelbar nach dem Ende der mündlichen Verhandlung ist das Erkenntnis samt den wesentlichen Gründen mündlich zu verkünden.

(10) Über die mündliche Verhandlung ist eine Verhandlungsschrift aufzunehmen. Sie ist vor der Verkündung des Erkenntnisses zu verlesen, wenn die Parteien nicht darauf verzichtet haben. Die Verhandlungsschrift kann in Kurzschrift oder auf Schallträger aufgenommen werden, wenn dagegen kein Einwand erhoben wird. Vor der Verkündung des Erkenntnisses ist die in Kurzschrift aufgenommene Verhandlungsschrift zu verlesen oder die Aufnahme des Schallträgers wiederzugeben, wenn die Parteien nicht darauf verzichtet haben. Aufnahmen in Kurzschrift oder auf Schallträger sind innerhalb längstens einer Woche in Vollschrift zu übertragen. Der Schallträger ist mindestens drei Monate ab der Übertragung aufzubewahren.

(11) Einwendungen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Verhandlungsschrift sind bis spätestens unmittelbar nach der Verlesung (Wiedergabe) zu erheben. Wenn den Einwendungen nicht Rechnung getragen wird, sind diese in die Verhandlungsschrift als Nachtrag aufzunehmen. Die Verkündung des Erkenntnisses gemäß Abs 9 ist am Ende der Verhandlungsschrift zu protokollieren. Auf die Verhandlungsschrift ist § 14 Abs 3, 4 letzter Satz und 5 AVG nicht anzuwenden.

Wiederholung der mündlichen Verhandlung

§53

Die Disziplinarbehörde ist berechtigt, bei Vorliegen besonderer Gründe die mündliche Verhandlung zu unterbrechen oder zu vertagen. Wurde die Verhandlung vertagt, sind bei der Wiederaufnahme der Verhandlung die wesentlichen Vorgänge der vertagten Verhandlung nach dem Protokoll und den sonst zu berücksichtigenden Akten mündlich vorzutragen. Die Verhandlung ist jedoch zu wiederholen, wenn seit der Vertagung mehr als sechs Monate verstrichen sind.

Mündliche Verhandlung vor der Disziplinarkommission

§54

Für die Anberaumung und Durchführung einer Verhandlung vor der Disziplinarkommission gelten die Bestimmungen der §§52 und 53 sinngemäß mit folgenden Maßgaben:

1. Der Anberaumung der mündlichen Verhandlung muß ein Beschluß der Kommission zugrunde liegen (Verhandlungsbeschluß). Gegen den Verhandlungsbeschluß ist kein Rechtsmittel zulässig.

2. Die Beratungen und Abstimmungen des Senates sind vertraulich. Über die Beratungen des Senates ist ein Beratungsprotokoll aufzunehmen, das vom Vorsitzenden zu unterfertigen ist.

3. Über die Reihenfolge der Beweisaufnahmen und die Erledigung der Beweisanträge entscheidet der Vorsitzende. Die übrigen Mitglieder des Senates haben jedoch das Recht, eine Beschlußfassung des Senates über die Erledigung der Beweisanträge zu verlangen.

4. Nach Schluß der mündlichen Verhandlung hat sich der Senat zur Beratung zurückzuziehen. Das Erkenntnis ist samt den wesentlichen Gründen unmittelbar nach dem Beschluß des Senates zu verkünden.

5. Die Verhandlungsschrift ist vom Vorsitzenden des Senates zu unterfertigen.

6. Die Entscheidung, ob eine Verhandlung gemäß § 53 zu unterbrechen ist, obliegt dem Vorsitzenden.

7. Die Verhandlung ist jedenfalls zu wiederholen, wenn sich die Zusammensetzung des Senates geändert hat.

Mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten

§55

(1) Die mündliche Verhandlung kann ungeachtet eines Parteienantrages in Abwesenheit des Beschuldigten durchgeführt werden, wenn

1. der Beschuldigte trotz ordnungsgemäß zugestellter Ladung nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, wenn er nachweislich auf diese Säumnisfolge hingewiesen worden ist; oder

2. der Sachverhalt nach der Aktenlage oder infolge Bindung an die im Spruch eines rechtskräftigen Urteiles eines Strafgerichtes oder eines Straferkenntnisses eines Unabhängigen Verwaltungssenates zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen hinreichend geklärt ist.

(2) Dem Beschuldigten ist in diesen Fällen vor der Erlassung eines Disziplinarerkenntnisses Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Absehen von der mündlichen Verhandlung

§56

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinarkommission kann ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn

1. die Berufung zurückzuweisen ist;

2. die Angelegenheit an die erste Instanz zu verweisen ist; oder

3. ausschließlich über eine Berufung gegen die Auferlegung eines Kostenersatzes zu entscheiden ist.

Disziplinarerkenntnis

§57

(1) Die Disziplinarbehörde hat bei ihrer Entscheidung nur auf das, was in der mündlichen Verhandlung vorgekommen ist, sowie auf eine allfällige Stellungnahme gemäß § 55 Abs 2 Rücksicht zu nehmen. Dies gilt auch für die Disziplinarkommission, wenn eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden ist.

[…]"

2. Die Geschäftseinteilung der Senate der Disziplinarkommission für Salzburger Landesbeamte/innen beim Amt der Landesregierung für das Jahr 2013 lautet wie folgt (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

" SENAT I/Verwendungsgruppe A

Vorsitzende: Mag. K[…] R[…]

Stellvertreter: Hofrat DDr. S[…] H[…] Bezirkshauptmann Mag. H[…] W[…] Mag. E[…] S[…]

Mitglieder: Mag. H[…] L[…] (LReg) Mag. P[…] T[…] (ZA)

Ersatzmitglieder: Dr. K[…] D[…] (ZA) Mag. R[…] K[…] (ZA) Dr. W[…] M[…] (ZBR) C[…] V[…] (ZBR) Mag. Dr. O[…] D[…] (LReg) BHF Hofrätin Dr. R[…] D[…] (LReg) Dr. M[…] H[…] (LReg) Dr. K[…] K[…] (LReg)

SENAT II/Verwendungsgruppe B

Vorsitzender: Hofrat DDr. S[…] H[…]

Stellvertreter: Bezirkshauptmann Mag. H[…] W[…] Mag. E[…] S[…] Mag. K[…] R[…]

Mitglieder: Dr. B[…] S[…] (LReg) Mag. M[…] R[…] (ZA)

Ersatzmitglieder: Mag. M[…] S[…] (ZA) W[…] S[…] (ZA) M[…] B[…] (ZBR) Dipl. Hauptschwester M[…] B[…] (ZBR) DI A[…] B[…] (LReg) Dr. M[…] H[…] (LReg) Mag. S[…] K[…] (LReg) Mag. K[…] K[…] (LReg)

SENAT III/Verwendungsgruppe C

Vorsitzender: Bezirkshauptmann Mag. H[…] W[…]

Stellvertreter: Mag. E[…] S[…] Mag. K[…] R[…] Hofrat DDr. S[…] H[…]

Mitglieder: C[…] M[…] (LReg) G[…] A[…] (ZA)

Ersatzmitglieder: Mag. M[…] R[…] (ZA) W[…] S[…] (ZA) M[…] B[…] (ZBR) Dr. W[…] M[…] (ZBR) R[…] G[…] (LReg) Mag. S[…] K[…] (LReg) Mag. H[…] S[…] (LReg) Mag. R[…] K[…] (LReg)

SENAT IV/Verwendungsgruppe D

Vorsitzender: Mag. E[…] S[…]

Stellvertreter: Mag. K[…] R[…] Hofrat DDr. S[…] H[…] Bezirkshauptmann Mag. H[…] W[…]

Mitglieder: DI C[…] C[…] (LReg) W[…] S[…](ZA)

Ersatzmitglieder: Dipl. Hauptschwester M[…] B[…] (ZBR) E[…] S[…] (ZBR) G[…] A[…] (ZA) K[…] G[…] (ZA) G[…] R[…] (ZA) DI A[…] B[…] (LReg) Mag. O[…] D[…] (LReg) Mag. R[…] K[…] (LReg) Mag. S[…] K[…] (LReg)"

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

1.1. Im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität des § 55 Abs 1 Z 2 Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987 zweifeln ließe.

1.2. Die Salzburger Landesregierung zieht in ihrer Äußerung die Qualifikation der Geschäftseinteilung der Senate der Disziplinarkommission für Salzburger Landesbeamte/innen beim Amt der Landesregierung für das Jahr 2013 als Rechtsverordnung mit der Begründung in Zweifel, dass die Geschäftseinteilung mangels Erfüllung des erforderlichen Mindestmaßes an Publizität nicht Eingang in die Rechtsordnung gefunden habe.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kommt es für die Qualifikation einer behördlichen Enuntitation als Verordnung im Sinne des Art 139 B VG u.a. auf ihre rechtsgestaltende Außenwirkung an: Die Enuntiation muss die Rechtssphäre eines unbestimmten Adressatenkreises gestalten (vgl. zB die Erkenntnisse VfSlg 11.467/1987, 13.632/1993, 17.244/2004, 17.806/2006, 18.495/2008) und ein solches Maß an Publizität aufweisen, dass der betreffende Akt Eingang in die Rechtsordnung findet (vgl. zB die Erkenntnisse VfSlg 19.484/2011 und 19.527/2011, jeweils mwN). Diese von Art 139 B-VG geforderte Publizität ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichthofes gegeben, wenn die Normadressaten Kenntnis vom Inhalt der rechtsgestaltenden behördlichen Enuntiation erlangen können (vgl. zB VfSlg 2828/1955, 9535/1982, 16.875/2003) oder diese Enuntiation anderen Behörden (Ämtern) übermittelt wurde (vgl. VfSlg 18.495/2008).

Zur Erlassung der in Prüfung gezogenen Geschäftseinteilung war alleine die Vorsitzende der Disziplinarkommission berufen (vgl. § 40 Abs 1 dritter Satz Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987). Diese hat mit Schreiben vom die Geschäftseinteilung den Mitgliedern der Disziplinarkommission zur Kenntnis übermittelt. Damit hat die Geschäftseinteilung die "Sphäre" der sie erlassenden Vorsitzenden der Disziplinarkommission verlassen und ist den Mitgliedern der Disziplinarkommission zur Kenntnis gebracht worden. Dieses Nach-Außen-Treten der von der Vorsitzenden erlassenen Geschäftseinteilung bewirkt somit, dass das geforderte Mindestmaß an Publizität erreicht und die Geschäftseinteilung als Verordnung im Sinne des Art 139 B-VG zu qualifizieren ist.

1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Verfassungsmäßigkeit des § 55 Abs 1 Z 2 Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987 haben sich als zutreffend erwiesen:

2.1.1. Gemäß § 55 Abs 1 Z 2 Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987 kann eine mündliche Verhandlung ungeachtet eines Parteienantrages in Abwesenheit des Beschuldigten durchgeführt werden, wenn der Sachverhalt nach der Aktenlage oder infolge der Bindung an die im Spruch eines rechtskräftigen Urteiles eines Strafgerichtes oder eines Straferkenntnisses eines Unabhängigen Verwaltungssenates zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen hinreichend geklärt ist.

2.1.2. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner im Prüfungsbeschluss vertretenen Auffassung, dass es den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren widerspricht, wenn eine mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten, aber in Anwesenheit des die Disziplinaranzeige vertretenden Disziplinaranwaltes stattfindet, nur weil der Sachverhalt nach der Aktenlage oder infolge der Bindung an die im Spruch eines rechtskräftigen Urteiles eines Strafgerichtes oder eines Straferkenntnisses eines Unabhängigen Verwaltungssenates zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen hinreichend geklärt ist.

Einer der Wesenszüge eines rechtsstaatlichen Verfahrens ist es, dass jeder Partei Gelegenheit einzuräumen ist, ihren Fall einschließlich aller Beweise unter solchen Bedingungen präsentieren zu können, die keinen wesentlichen Nachteil gegenüber ihrem Gegner bedeuten. Daran ändert auch der Einwand der Salzburger Landesregierung nichts, dass die mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten gemäß § 55 Abs 1 Z 2 Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987 nur dann durchgeführt werden dürfe, wenn die Disziplinarbehörde zur Überzeugung gelange, dass alle für das Disziplinarverfahren erforderlichen Sachverhaltselemente – einschließlich des disziplinären Überhangs und der Strafbemessung – abschließend geklärt seien und kein Erfordernis weiterer Beweise bestehe. Selbst unter dieser Annahme ist jedoch die Ungleichbehandlung von Disziplinaranwalt und Beschuldigtem hinsichtlich der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung nicht zu rechtfertigen. Die Festlegung enger Voraussetzungen für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten kann nämlich keinen Ausgleich dafür bieten, dass dem Beschuldigten, wenn im Vergleich dazu eine mündliche Verhandlung tatsächlich durchgeführt wird, die Möglichkeit genommen wird, zu allen in der Verhandlung behandelten Fragen Stellung zu nehmen, Beweisanträge zu stellen und auf den Schlussantrag des Disziplinaranwaltes zu replizieren.

Soweit die Salzburger Landesregierung ausführt, dass dem Disziplinaranwalt eine "eher neutrale Stellung" zur Vertretung dienstlicher Interessen zukomme und dieser nicht die in der Disziplinaranzeige enthaltenen Vorwürfe vertrete, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten: Parteien im Disziplinarverfahren sind nur der Disziplinaranwalt und der Beschuldigte (vgl. § 43 Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987). Der Disziplinaranwalt ist gemäß § 41 Abs 1 Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987 ausdrücklich zur Vertretung dienstlicher Interessen und damit zur Vertretung anderer Interessen als der des Beschuldigten berufen. Daran ändert weder § 55 Abs 2 Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987 etwas, wonach dem Beschuldigten vor Erlassung des Disziplinarerkenntnisses Gelegenheit zu geben ist, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen, noch § 57 Abs 1 Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987, der die Rücksichtnahme auf diese Stellungnahme bei der Entscheidung in der Disziplinarsache vorschreibt. Diese Regelungen vermögen es nicht auszugleichen, dass nur eine Partei des Disziplinarverfahrens – nämlich der Disziplinaranwalt – berechtigt ist, in der durch den Grundsatz der Unmittelbarkeit gekennzeichneten mündlichen Verhandlung (vgl. § 57 Abs 1 Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987) ihre Argumente darzulegen. Der zwingende Ausschluss des Beschuldigten von einer mündlichen Verhandlung ist jedenfalls mit der durch das Rechtsstaatsprinzip gebotenen grundsätzlichen Gleichstellung von einander gegenüberstehenden und gegenteilige Interessen verfolgenden Parteien nicht vereinbar.

2.1.3. Auch die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich eines Widerspruches von § 55 Abs 1 Z 2 Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987 gegen den Gleichheitsgrundsatz konnten nicht zerstreut werden. Mit Blick auf oben stehende Ausführungen ist kein sachlicher Grund ersichtlich, den Beschuldigten generell von der Teilnahme an der anberaumten mündlichen Verhandlung auszuschließen, wenn der Sachverhalt nach der Aktenlage oder infolge der Bindung an die im Spruch eines rechtskräftigen Urteiles eines Strafgerichtes oder eines Straferkenntnisses eines Unabhängigen Verwaltungssenates zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen hinreichend geklärt ist. Namentlich ist es sachlich nicht zu rechtfertigen, dem die dienstlichen Interessen vertretenden Disziplinaranwalt (vgl. § 41 Abs 1 Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987) die Möglichkeit zur Darlegung seiner Argumente in der mündlichen Verhandlung einzuräumen, den Beschuldigten aber von der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung auszuschließen und auf die Möglichkeit zur nachträglichen Kenntnisnahme und Stellungnahme gemäß § 55 Abs 2 Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987 zu verweisen.

2.2. Überdies haben sich die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Gesetzmäßigkeit der Geschäftseinteilung der Senate der Disziplinarkommission für Salzburger Landesbeamte/innen beim Amt der Landesregierung für das Jahr 2013 als zutreffend erwiesen:

2.2.1. Die in Rede stehende Geschäftseinteilung ist nach Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes als Rechtsverordnung zu qualifizieren (vgl. zB die Erkenntnisse VfSlg 17.771/2006, 18.287/2007, 19.072/2010, 19.230/2010). Als Rechtsverordnung hätte die Geschäftseinteilung – da besondere Kundmachungsvorschriften im Gesetz nicht enthalten sind – ortsüblich kundgemacht werden müssen (vgl. VfSlg 19.072/2010, 19.527/2011; ; zur erforderlichen "gehörigen" Kundmachung von Verordnungen bei Fehlen gesetzlicher Kundmachungsvorschriften vgl. zB VfSlg 4865/1964, 16.281/2001, 18.323/2007), dh. in einer solchen Art, dass alle Adressaten von der Verordnung Kenntnis erhalten können (vgl. VfSlg 3714/1960, 19.072/2010; ).

2.2.2. Eine solche Kundmachung, die geeignet ist, alle Normadressaten – nämlich die Landesbeamten – vom Inhalt der Verordnung in Kenntnis zu setzen, ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Gemäß den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakten und der Äußerung der Salzburger Landesregierung ist die in Rede stehende Geschäftseinteilung ausschließlich den Mitgliedern der Disziplinarkommission zur Kenntnis gebracht worden; eine darüber hinausgehende ortsübliche Kundmachung ist nicht erfolgt. Die Geschäftseinteilung der Senate der Disziplinarkommission für Salzburger Landesbeamte/innen beim Amt der Landesregierung für das Jahr 2013 erweist sich daher schon aus diesem Grund als gesetzwidrig, ohne dass den übrigen im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken nachgegangen werden muss.

IV. Ergebnis

1. § 55 Abs 1 Z 2 Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987, LGBl 1, idF LGBl 39/2013, wurde mit der Novelle LGBl 106/2013 geändert. Es ist daher auszusprechen, dass § 55 Abs 1 Z 2 Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987, LGBl 1, idF LGBl 39/2013, verfassungswidrig war.

Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Salzburg zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches gründet sich auf Art 140 Abs 5 zweiter Satz B VG.

2. Die Disziplinarkommission gemäß § 38 Abs 2 Sbg. Landes-Beamtengesetz 1987 wurde mit Ablauf des aufgelöst; die Zuständigkeit zur Weiterführung anhängiger Verfahren ist von Verfassungs wegen auf das Landesverwaltungsgericht übergegangen (Art151 Abs 51 Z 8 B VG). Die in Prüfung gezogene Verordnung verfügt somit über keinen Anwendungsbereich mehr, weshalb auszusprechen ist, dass sie gesetzwidrig war.

Gemäß Art 139 Abs 4 iVm Art 139 Abs 3 Z 3 B VG ist aus den unter III.2.2. dargelegten Gründen auszusprechen, dass die Verordnung "Geschäftseinteilung der Senate der Disziplinarkommission für Salzburger Landesbeamte/innen beim Amt der Landesregierung (§40 Salzburger Landes-Beamtengesetz 1987, LGBl 1/1987, idgF) Kalenderjahr 2013" zur Gänze gesetzwidrig war.

Die Verpflichtung der Salzburger Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches gründet sich auf Art 139 Abs 5 zweiter Satz B VG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2014:G105.2013