VfGH vom 10.03.1992, g103/90
Sammlungsnummer
13026
Leitsatz
Keine Gleichheitswidrigkeit der Bestimmung des ASVG über die auf den Versicherungsfall des Alters beschränkte Anerkennung von neutralen Zeiten; sachliche Rechtfertigung der Nichteinbeziehung der Versicherungsfälle der geminderten Arbeitsfähigkeit aufgrund der komplizierteren Feststellbarkeit der Anspruchsvoraussetzungen sowie der Möglichkeit, durch Hinausschieben der Antragstellung die Feststellbarkeit (zusätzlich) zu erschweren; vernachlässigbare atypische Fälle
Spruch
Den Anträgen, die Wortfolge "aus dem Versicherungsfall des Alters" in § 234 Abs 1 Z 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, als verfassungswidrig aufzuheben, wird keine Folge gegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Der Oberste Gerichtshof beantragt aus Anlaß bei ihm zu
Z 10 Ob S 10/90 und 10 Ob S 9/90 anhängiger Verfahren die Aufhebung der Wortfolge "aus dem Versicherungsfall des Alters" in § 234 Abs 1 Z 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, wegen Verfassungswidrigkeit.
2. § 234 Abs 1 Z 2 und 3 ASVG idF BGBl. Nr. 31/1973 - die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben - lautet:
"Neutrale Monate.
§234. (1) Als neutral sind folgende Zeiten anzusehen, die nicht Versicherungszeiten sind:
1. ...
2. Zeiten, während derer der Versicherte einen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf
a) eine Leistung aus einem Versicherungsfall des Alters nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz oder aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit nach diesem Bundesgesetz bzw. aus dem Versicherungsfall der dauernden Erwerbsunfähigkeit nach dem Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz oder dem Bauern-Pensionsversicherungsgesetz,
b) eine Versehrtenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf Grund einer Erwerbsfähigkeitseinbuße von mindestens 50 v.H.,
c) eine Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, dem Heeresversorgungsgesetz oder dem Opferfürsorgegesetz auf Grund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 70 v.H.
hatte, es sei denn, daß der Anspruch nach lita oder b wegen Verbüßung einer Freiheitsstrafe oder einer Anhaltung im Sinne des § 89 Abs 1 Z. 1 dieses Bundesgesetzes bzw. des § 37 Abs 1 Z. 1 des Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetzes bzw. des § 33 Abs 1 Z. 1 des Bauern-Pensionsversicherungsgesetzes ruhte;
3. die Zeit, die zwischen der Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Leistung aus dem Versicherungsfall des Alters und der Antragstellung auf die Leistung liegt;
4. ..."
3. Der Oberste Gerichtshof bringt vor, daß der jeweilige Kläger in den Anlaßprozessen die Zuerkennung einer Invaliditätspension begehre, daß die Unterinstanzen die Klagebegehren abgewiesen haben und daß er über die jeweils an ihn gerichtete Revision nicht entscheiden könne, weil er gegen die Anwendung des in § 236 ASVG bezogenen § 234 Abs 1 Z 3 leg.cit. aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken habe. Er hält die angegriffene Wortfolge der zitierten Bestimmung aus folgenden Gründen für verfassungswidrig:
"Nach den EB der ... RV zu § 234 (S 76) soll die gegenüber der bisherigen Rechtslage des 1. Sozialversicherungs-NeuregelungsG BGBl 86 (1. SV-NG) neue Z 3 'vorbeugen, daß in gewissen Grenzfällen durch Verspätung der Antragstellung auf die Altersrente kein Nachteil eintreten kann'.
Neutrale Monate (§234) blieben nach Abs 3 des die Anrechenbarkeit der Versicherungsmonate regelnden § 233 des Stammgesetzes bei Anwendung des Abs 1 dieser Bestimmung außer Betracht. Sie waren nach § 237 Abs 1 und 2 des Stammgesetzes aus den für die Dritteldeckung bzw Dreivierteldeckung erforderlichen Zeiten auszuschalten. Dadurch wurden die Anrechenbarkeit der Versicherungsmonate und die damalige zweite allgemeine Voraussetzung der Leistungsansprüche, nämlich die Dritteldeckung, erleichtert.
Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialrechts4 Rz 65 führt zu den neutralen Zeiten aus, der Gesetzgeber habe sich bei einigen vom Versicherten nicht beeinflußbaren Unterbrechungen zwar nicht zur Anerkennung als Versicherungszeit bereitgefunden, wohl aber angeordnet, daß diese Zeiten zugunsten des Versicherten nicht als schädliche Unterbrechung angesehen werden sollten. Neutrale Zeiten würden bei der Ermittlung der Wartezeit, aber auch bei der Berechnung der Pensionshöhe ausgeschieden.
Nach Teschner in Tomandl, SV-System 4. ErgLfg 378 sind die neutralen Zeiten keine Versicherungszeiten und daher nicht leistungswirksam. Der Gesetzgeber habe solche Zeiten anerkannt, wenn dafür berücksichtigungswürdige Gründe vorgelegen hätten, die nicht so gravierend erschienen seien, daß eine Zuordnung zu den Ersatzzeiten erforderlich gewesen wäre. Als neutral erklärte Zeiten verlängerten insbesondere den Rahmenzeitraum, innerhalb dessen die Wartezeit erfüllt sein müsse, und erleichterten damit die Erfüllung dieser Voraussetzung.
Daraus, daß § 234 Abs 1 Z 3 von der Zeit zwischen der Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Leistung und der Antragstellung auf die Leistung spricht, ergibt sich, daß unter den erstgenannten Voraussetzungen nur die materiellen Leistungsvoraussetzungen, nicht aber auch die formelle Leistungsvoraussetzung des Leistungsantrages zu verstehen sind.
Daß als neutral iS der zit. Gesetzesstelle nur die Zeit anzusehen ist, die zwischen der Erfüllung der (dh aller, also sowohl der allgemeinen als auch der besonderen materiellen) Voraussetzungen für den Anspruch und der Antragstellung liegt, bedeutet, daß eine solche neutrale Zeit zwischen dem Entstehen des Leistungsanspruches und der Antragstellung liegen muß.
Die Ansprüche auf die Leistungen aus der Pensionsversicherung entstehen nach § 85 nämlich in dem Zeitpunkt, in dem die im Vierten Teil des ASVG hierfür vorgesehenen Voraussetzungen, zu denen der im Siebenten Teil dieses Bundesgesetzes geregelte Leistungsantrag nicht zählt, erfüllt sind (zB Teschner-Fürböck in MGA ASVG 46. ErgLfg 516 FN 1).
Wären die Monate zwischen der Erfüllung der materiellen Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Leistung und der Antragstellung auf die(se) Leistung nicht als neutral anzusehen, dann könnte das, wenn der Antrag auf eine Leistung aus den Versicherungsfällen des Alters oder geminderter Arbeitsfähigkeit erst nach Eintritt des Versicherungsfalles gestellt wird (§223 Abs 2 Satz 2) dazu führen, daß der beim Eintritt des Versicherungsfalles entstandene Leistungsanspruch am durch die spätere Antragstellung ausgelösten Stichtag nicht mehr besteht, weil dann die Wartezeit nicht mehr erfüllt sein könnte.
In einem solchen Fall würden die Pensionen aus den Versicherungsfällen des Alters und der geminderten Arbeitsfähigkeit, die nicht binnen einem Monat nach Erfüllung der materiellen Anspruchsvoraussetzungen beantragt wurden, nicht nur erst mit dem späteren Stichtag anfallen (§86 Abs 3 Z 2), sondern der Versicherte würde durch die verspätete Antragstellung seinen bereits entstandenen, also erworbenen Pensionsanspruch wieder verlieren.
Einen solchen schwerwiegenden Nachteil wollte der Gesetzgeber durch § 234 Abs 1 Z 3 - allerdings nur beim Versicherungsfall des Alters - verhindern (so auch OLG Wien SVSlg 23.234 und SVSlg 29.294).
Diese Einschränkung auf den Versicherungsfall des Alters erscheint dem erkennenden Senat verfassungsrechtlich bedenklich, weil das Gesetz hier wesentlich Gleiches ohne ausreichenden sachlichen Grund ungleich behandelt.
Der Gesetzgeber ist nämlich durch den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz verpflichtet, an (im wesentlichen) gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen (VfSlg 2956, 5727). Er darf Gruppen von Normadressaten nicht verschieden behandeln, wenn zwischen ihnen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, die eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Unterschiedliche Regelungen, die nicht durch entsprechende Unterschiede im Tatsächlichen begründet sind, sind daher verfassungswidrig (VfSlg 7947, 8600).
Versicherte, die ihren einmal entstandenen Anspruch auf eine Leistung aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit verlieren würden, weil wegen der verspäteten Antragstellung die Wartezeit nicht mehr erfüllt wäre, erscheinen insoweit nicht weniger schutzwürdig wie vergleichbare Versicherte mit einem schon entstandenen Anspruch auf eine Alterspension."
4. Die klagende Partei in dem beim Obersten Gerichtshof anhängigen Verfahren zu Z 10 Ob S 10/90 hat als Beteiligte des Gesetzesprüfungsverfahrens eine Äußerung erstattet, in der sie die Verfassungswidrigkeit der in Prüfung gezogenen Wortfolge behauptet.
5. Die Bundesregierung hat von der Erstattung einer meritorischen Äußerung zunächst Abstand genommen.
6. Nachdem der Verfassungsgerichtshof mit Aufforderungsschreiben vom ersucht hatte, zu den Fragen
"1. Könnte die rückwirkende Feststellung der Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen in anderen Fällen als solchen, in denen die Leistung von der Erreichung eines bestimmten Alters abhängig ist, in der Praxis besondere Schwierigkeiten bereiten? Ergibt sich hiezu etwas aus den im Zusammenhang mit der Anwendung des § 223 ASVG gemachten praktischen Erfahrungen?
2. Würden - nach Aufhebung der angegriffenen Wortfolge in § 234 Abs 1 Z 3 ASVG - Zeiten (die nicht Versicherungszeiten sind) auch im Hinblick auf andere Leistungen als jene aus dem Versicherungsfall des Alters als neutral gelten: Wie würde sich dies auf weitere Leistungen, insbesondere jene wegen Versicherungsfällen des Alters, auswirken?"
Stellung zu nehmen, äußerte sich die Bundesregierung wie folgt:
"Zu Frage 1:
Die Feststellung, ob etwa die medizinischen und die berufsspezifischen Voraussetzungen für den Anspruch auf Invaliditätspension vorliegen, gestaltet sich in der Praxis in Fällen, in denen der Zeitpunkt, zu dem dies zu erfolgen hat, längere Zeit zurückliegt, als äußerst kompliziert und aufwendig. Bei Aufhebung der angefochtenen Wortfolge in § 234 Abs 1 Z 3 ASVG müßte unter Umständen die Feststellung des Eintrittes des Versicherungsfalles zu einem weit vor der Antragstellung liegenden Tag erfolgen, ohne daß medizinische Feststellungen durch den Versicherungsträger vorliegen. Die 'Rückverlagerung' eines Gesundheitszustandes, der im Zeitpunkt der Antragstellung besteht, ist aber praktisch nur in jenen Fällen möglich, in denen die Invalidität auf ein eindeutiges Ereignis (plötzlich einwirkende Ursachen) zurückzuführen ist.
Gemäß § 223 Abs 1 lita ASVG gilt der Versicherungsfall im Falle dauernder Invalidität mit deren Eintritt, wenn aber dieser Zeitpunkt nicht feststellbar ist, mit der Antragstellung als eingetreten. Aus dieser Regelung ergeben sich in der Praxis derzeit keine Schwierigkeiten. Wenn es jedoch notwendig wird, festzustellen, wann die geminderte Arbeitsfähigkeit eingetreten ist, um zu überprüfen, ob zu diesem Zeitpunkt die übrigen Voraussetzungen noch erfüllt sind, dann verliert die zitierte Bestimmung, die schwierige Beweisprobleme hintanhalten soll, ihren Regelungsinhalt.
Zu Frage 2:
Besteht bis zur Vollendung des 65. bzw. 60. Lebensjahres Anspruch u.a. auf Invaliditätspension, so gebührt diese gemäß § 253 Abs 2 ASVG ab diesem Zeitpunkt als Alterspension, und zwar in dem bis zu diesem Zeitpunkt bestandenen Ausmaß. Auf die zitierte Bestimmung könnten sich nach Aufhebung der angefochtenen Wortfolge in § 234 Abs 1 Z 3 ASVG Personen berufen, die trotz Erreichen des Anfallsalters für eine Alterspension die Wartezeit für die Alterspension nicht erfüllen und daher versuchen, die (kürzere) Wartezeit für eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit zu erfüllen. Im Falle einer Antragstellung auf Invaliditätspension könnte damit unter Umständen durch neutrale Monate die Erfüllung der Wartezeit erreicht werden.
Was andere Versicherungsfälle anlangt, so ist unter Hinweis auf verfahrensrechtliche Probleme in erster Linie der Versicherungsfall des Todes hervorzuheben. Stirbt ein Versicherter und bringt ein anspruchsberechtigter Hinterbliebener vor, daß der Verstorbene bereits längere Zeit hindurch invalid war, dann muß die komplizierte Feststellung, wann zum letzten Mal die Wartezeit erfüllt war und ob Invalidität bestanden hat bzw. ob sie auch früher bestanden hat, ebenfalls durchgeführt werden. In diesen Fällen wäre man zur Gänze auf ärztliche Aussagen, Befunde bzw. Krankenhausberichte angewiesen, denen man, abgesehen davon, daß sie in der Mehrzahl der Fälle nicht ausreichend vorliegen, auch nicht die gleiche Aussagekraft und Glaubwürdigkeit einräumen kann, wie etwa Aussagen von gerichtsärztlichen Sachverständigen."
7. Der Oberste Gerichtshof nahm zu diesen Fragen wie folgt Stellung:
"Die rückwirkende Feststellung der Leistungsvoraussetzungen spielt schon bisher in den Fällen der vorübergehenden Invalidität oder Berufsunfähigkeit eine nicht unbedeutende Rolle, ohne daß dies im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit zu besonderen Schwierigkeiten geführt hätte. Im Falle vorübergehender Invalidität oder Berufsunfähigkeit gilt gemäß § 223 Abs 1 Z 1 litb ASVG der Versicherungsfall erst mit dem Ablauf der 26.Woche ihres Bestandes als eingetreten. Anspruch auf Invaliditätspension bzw Berufsunfähigkeitspension hat der Versicherte bei vorübergehender Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit ab der 27. Woche ihres Bestandes (§§254 Abs 1 Z 2 bzw 271 Abs 1 Z 2 ASVG). Ab wann vorübergehende Invalidität oder Berufsunfähigkeit vorliegt, muß jeweils aufgrund der Gutachten der Sachverständigen beurteilt werden, wobei der Versicherte beweispflichtig ist. Es kommt dabei öfters vor, daß die Sachverständigen den die Invalidität oder Berufsunfähigkeit begründenden Gesundheitszustand des Versicherten bereits für einen Zeitpunkt sechs Monate vor der Antragstellung und naturgemäß noch viel längere Zeit vor der Untersuchung durch die Sachverständigen für gegeben erachten. Dabei können sie sich häufig auf länger zurückliegende Befunde oder auf Krankengeschichten stützen.
Nach Aufhebung der angegriffenen Wortfolge im § 234 Abs 1 Z 3 ASVG würden auch Zeiten zwischen dem Eintritt der Invalidität oder Berufsunfähigkeit und der Antragstellung als neutral gelten. Dies hätte zur Folge, daß sich der für die Erfüllung der Wartezeit gemäß § 236 Abs 2 Z 1 bestimmte Zeitraum, in welchen die erforderliche Mindestzahl von Versicherungsmonaten fallen muß, um diese neutralen Zeiten verlängert. Auf Leistungen aus dem Versicherungsfall des Alters würde die Aufhebung der Wortfolge gegenüber der bisherigen Regelung keine Auswirkung haben."
8. Die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter äußerte sich über Einladung des Verfassungsgerichtshofes folgendermaßen:
"Die bei Aufhebung der angegriffenen Wortfolge zu erwartenden Auswirkungen auf die Pensionsfeststellungsverfahren würden ihre Grundlage in mehreren pensionsversicherungsrechtlichen Bestimmungen haben. Dabei handelt es sich einerseits um die Voraussetzungen bezüglich Vorliegen von Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit sowie andererseits um die allgemeine Anspruchsvoraussetzung der Wartezeit sowie die Bedeutung, die der Bestimmung über die neutralen Zeiten dabei zukommt.
Was die Tatbestände betrifft, die nach der Bestimmung des § 234 ASVG zu neutralen Monaten führen, muß die antragsgegenständliche Bestimmung im Zusammenhang mit § 234 Abs 1 Z. 2 ASVG gesehen werden.
Auf Grund dieser Bestimmung führen unter anderem bescheidmäßig zuerkannte Leistungsansprüche aus eigener Pensionsversicherung zu neutralen Zeiten. Die Begründung für diese Bestimmung kann darin gesehen werden, daß derjenige, der sich der grundsätzlichen Intention des Sozialversicherungsrechtes, neben dem Leistungsbezug aus Anlaß eines Versicherungsfalles keiner sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachzugehen, gemäß verhält, durch diese vom Gesetzgeber primär gewünschte Vorgangsweise grundsätzlich keinen Nachteil bei einem späteren Versicherungsfall erleiden soll.
Zu dieser Bestimmung stellt die antragsgegenständliche Bestimmung des § 234 Z. 3 ASVG insofern eine Erweiterung dar, als sie die Zeit zwischen der Erfüllung der Voraussetzungen (Eintritt des Versicherungsfalles, Vorliegen der allgemeinen und besonderen Anspruchsvoraussetzung) und der Antragstellung zur neutralen Zeit erklärt. Neben dem ebenfalls eindeutig feststellbaren Bezug einer Leistung aus eigener Versicherung wird also der Eintritt des Versicherungsfalles des Alters, der lediglich in der Erreichung des Anfallsalters liegt, als Anknüpfungspunkt für eine (weitere) neutrale Zeit genommen. Die Versicherungsfälle des Alters unterscheidet von den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit (Invalidität und Berufsunfähigkeit), daß sie unmittelbar vom Gesetz festgelegt sind und sich im Vorliegen lediglich einer Voraussetzung erschöpfen. Demgegenüber gilt bei den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit, wenn deren Eintritt nicht feststellbar ist, der Versicherungsfall erst mit dem Zeitpunkt der Antragstellung als eingetreten (§223 Abs 1 Z. 2 lita ASVG), und handelt es sich bei Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit um zusammengesetzte Rechtsbegriffe.
Die Feststellung, ob einer der Versicherungsfälle der geminderten Arbeitsfähigkeit eingetreten ist, ist daher Ergebnis einer rechtlichen Beurteilung, welche neben medizinischen Grundlagen auch die Berufsausbildung des(der) Versicherten sowie die Anforderungen am allgemeinen Arbeitsmarkt einbeziehen muß. Anders als bei der Alterspension, bei der ein einziges Ereignis (Erreichung des Lebensalters), welches durch das Gesetz ausdrücklich festgelegt und auch nicht durch Disposition verrückbar ist, eintreten muß, stellt sich Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit als Produkt mehrerer Variablen dar.
Ob ein bestimmter gesundheitlicher Zustand geeignet ist, Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit zu begründen, hängt nämlich in der Regel davon ab, ob mit den bei dem (der) Versicherten festgestellten medizinischen Einschränkungen eine ihm (ihr) zumutbare Beschäftigung noch ausgeübt werden kann. Auch die Feststellung einer 'völligen' Arbeitsunfähigkeit beinhaltet nämlich die rechtliche Beurteilung, daß den festgestellten medizinischen Einschränkungen keine zumutbare Verweisungstätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt entspricht.
Die nachstehenden Ausführungen gelten grundsätzlich für den von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter anzuwendenden Invaliditätsbegriff. Da Arbeiter im verstärkten Ausmaß ins Angestelltenverhältnis übernommen werden, hat auch die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten zunehmend den Invaliditätsbegriff anzuwenden. Mit gewissen Einschränkungen gelten die Ausführungen auch für den Begriff der Berufsunfähigkeit, wobei sich diese von Invalidität dadurch unterscheidet, daß bei Angestellten (die tatsächlich Angestelltentätigkeiten verrichten) in sämtlichen Fällen von einem Berufsschutz auszugehen ist.
Erfordert ein Beruf, den ein(eine) Versicherte(r) erlernt oder angelernt hat, ein weitergehendes Leistungskalkül als bei dem (der) Versicherten festgestellt, dann liegt Invalidität vor, wenn der (die) Versicherte diesen erlernten oder angelernten Beruf in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate der letzten 180 Kalendermonate vor dem Stichtag ausgeübt hat. Liegt kein erlernter oder angelernter Beruf oder keine überwiegende Ausübung eines solchen Berufes vor, dann muß sich der (die) Versicherte auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen und es liegt Invalidität nur dann vor, wenn es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine dem (der) Versicherten zumutbare Beschäftigung gibt.
Überwiegt die qualifizierte Berufsausübung die unqualifizierte Tätigkeit (Tätigkeit nicht im erlernten oder angelernten Beruf bzw. Zeit der Anlernung) bei Eintritt des Versicherungsfalles z.B. im Verhältnis von 91 zu 89 Monaten, kann eine Verschiebung um einen Monat den Wegfall des Berufschutzes bewirken. Liegen die medizinischen Voraussetzungen jedoch nur zu diesem Zeitpunkt vor, vermag eine Invaliditätspension nicht anzufallen bzw. keine neutralen Monate zu bewirken, da der Versicherungsfall zu diesem Zeitpunkt nicht eingetreten war.
Wie von der Bundesregierung ausgeführt, gestaltet sich die Feststellung, ob die medizinischen und berufsspezifischen Voraussetzungen vorliegen, in jenen Fällen, in denen der Zeitpunkt, zu dem dies erfolgen muß, in der Vergangenheit liegt, als sehr kompliziert und aufwendig. Anders als bei einem Pensionsantrag, dem jedenfalls nach kurzer Zeit eine Untersuchung folgt, müßte bei Aufhebung der angegriffenen Wortfolge unter Umständen die Feststellung des Eintrittes des Versicherungsfalles zu einem weit vor Antragstellung liegenden Tag erfolgen, ohne daß medizinische Feststellungen durch den Versicherungsträger vorliegen.
Ergibt nämlich die Überprüfung der Wartezeit, daß z.B. die Wartezeit zum letzten Mal vor fünf Jahren erfüllt war, müßte weiters geprüft werden, ob bei Vorliegen von neutralen Zeiten ab diesem 'fiktiven' Stichtag die Wartezeit erhalten werden kann. Könnte durch ununterbrochene neutrale Zeiten die ursprüngliche Wartezeit erhalten werden, muß anschließend geprüft werden, ob im Zeitpunkt der Antragstellung vorliegende medizinische Einschränkungen in diesem Umfang auch bereits vor fünf Jahren vorgelegen haben.
Dabei muß es sich wegen des Wortlautes der nach Aufhebung der angegriffenen Wortfolge übrigbleibenden Bestimmung des § 234 Abs 1 Z. 3 ASVG um eine ununterbrochene Invalidität handeln.
Die Notwendigkeit des Vorliegens von ununterbrochener Invalidität seit dem fiktiven Stichtag, die, falls sich die Invaliditätsursachen zeitlich überschneiden, auch auf verschiedenen Leidenszuständen beruhen kann, ergibt sich aus dem Wortlaut der bei Aufhebung der angegriffenen Wortfolge übrig bleibenden Bestimmung des § 234 Abs 1 Z. 3 ASVG.
Da auch nach allfälliger Aufhebung die Bestimmung des § 234 Abs 1 Z. 3 ASVG Versicherte nicht besser stellen sollte, als jene, die ihre Leistungsansprüche realisieren, müßte nicht nur geprüft werden, ob zu dem in Betracht kommenden fiktiven Stichtag Invalidität vorgelegen hat, sondern für welchen Zeitraum diese bestanden hat. Medizinische Unterlagen, daß vor fünf Jahren aus anderen Gründen als dem bei Antragsstellung vorliegenden - für einen mehr als sechs Monate dauernden Zeitraum - Invalidität bestanden hat (z.B. wegen Totalendoprothese) würden daher, falls sich die auf diesen Ursachen beruhende Invalidität nicht mit einer Invalidität aufgrund anderer Leidenszustände zeitlich überschneiden würde, keine Beweiskraft besitzen. Eine zum früheren fiktiven Stichtag unbefristet zuerkannte Invaliditätspension wäre nämlich bei Wegfall der medizinischen Voraussetzungen durch den Versicherungsträger entzogen worden.
Bei einem danach eintretenden weiteren Versicherungsfall hätten sämtliche Voraussetzungen zu dem sich aus der Antragstellung ergebenden Stichtag erfüllt sein müssen, wobei neutrale Monate gemäß § 234 Abs 1 Z. 2 ASVG nur für den davor liegenden Leistungsbezug festgestellt hätten werden können. Durchgehend neutrale Monate hätten, da § 234 Abs 1 Z. 3 ASVG auch nach Aufhebung der angegriffenen Wortfolge weiter auf die Zeit zwischen der Erfüllung der Voraussetzung für eine Leistung und der Antragstellung auf die Leistung abstellen würde, auch zu diesem weiteren - durch einen anderen Versicherungsfall ausgelösten - fiktiven Stichtag nicht vorgelegen.
Die Tatsache, daß jene bei den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit möglichen, aufeinanderfolgenden, sich jedoch nicht überschneidenden Invaliditätszeiträume mangels Fortdauer bis zur Antragstellung nicht durch neutrale Monate erfaßt werden könnten, während bei tatsächlicher Antragstellung neutrale Monate in den Zeiträumen des Leistungsbezuges vorgelegen wären, muß darauf zurückgeführt werden, daß § 234 Abs 1 Z. 3 ASVG eben nur auf den mit Erreichung des Anfallsalters eintretenden Versicherungsfall des Alters (bei Schaffung des ASVG gab es nur einen einzigen Versicherungsfall des Alters) zugeschnitten war und sich daher auch nach Aufhebung der angegriffenen Wortfolge nicht so interpretieren ließe, daß jene Zeiträume, die bei Antragstellung und Leistungsbezug zu neutralen Zeiten geführt hätten, solche neutrale Zeiten gemäß § 234 Abs 1 Z. 3 ASVG darstellen.
In diesem Zusammenhang ist auch die Unterscheidung zwischen dauernder und vorübergehender Invalidität von Bedeutung, wobei bei Vorliegen von vorübergehender Invalidität sowie weiterer Voraussetzungen (nur) der Versicherungsträger auch eine zeitliche Befristung aussprechen kann (§256 ASVG). Ein die Invalidität begründender Zustand muß - eindeutig im Konnex mit dem gesetzlichen Mindestanspruch auf Krankengeld - mehr als 26 Wochen andauern, damit ein Leistungsanspruch entstehen kann. Bei der Erhebung des Gesundheitszustandes für zurückliegende Zeiträume wäre daher auch diese Bestimmung zu beachten und zu überprüfen, ob für den Fall, daß eine Antragstellung erfolgt wäre, diese Bestimmung angewendet hätte werden müssen. Bejahendenfalls wäre der Versicherungsfall erst nach Ablauf von 26 Wochen eingetreten und es wäre auch der fiktive Stichtag auf Grund dieser medizinischen Einschätzung bestimmt worden. Bei Vorliegen von vorübergehender Invalidität wäre daher die Leistung entweder befristet worden oder bei Wegfall der Voraussetzungen entzogen worden. Jedenfalls hätte ein Anfall erst nach Ablauf von mehr als 26 Wochen erfolgen können. Was die Feststellung des zeitlichen Überschneidens verschiedener Invaliditätsursachen betrifft, so ist darauf hinzuweisen, daß der Eintritt des Versicherungsfalles in der überwiegenden Zahl der Fälle auf einem Zusammenwirken mehrerer Leidenszustände, deren Intensität und Dauer ebenfalls jeweils getrennt festzustellen wäre, beruht.
Eine Feststellung, daß medizinische Einschränkungen, die im Zeitpunkt der Antragstellung bestehen, auch bereits vor längerer Zeit bestanden haben, ist aber mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit tatsächlich nur in jenen Fällen möglich, in denen Invalidität Folge einer eindeutig feststellbaren Ursache (Arbeitsunfall und ähnlich plötzlich einwirkende Ereignisse) ist. Bei Vorliegen eines Arbeitsunfalles, der Invalidität bewirkt, entfällt aber gemäß § 235 Abs 3 lita ASVG ohnedies das Erfordernis der Wartezeit. Ist dies nicht der Fall, weil sich die medizinische Beurteilung als Resultat mehrerer Fachgebiete darstellt, dann könnte, ohne daß eindeutige medizinische Unterlagen vorliegen, die nicht nur den Rang von Privatgutachten besitzen, eine solche Aussage mit der notwendigen hohen Wahrscheinlichkeit selten getroffen werden.
Bewirken bei einem (einer) Versicherten, dem (der) zum Stichtag Berufsschutz zukam, festgestellte Leidenszustände weder im Zeitpunkt der Antragstellung noch in der Vergangenheit völlige Arbeitsunfähigkeit, was aber ebenfalls nur unter Zugrundelegung auch anderer als medizinischer Grundlagen feststellbar ist, müßte das Vorliegen des Berufschutzes auch zu dem in der Vergangenheit liegenden fiktiven Stichtag erfolgen. Gestaltet es sich bereits in sehr vielen Fällen als äußerst kompliziert, die überwiegende qualifizierte Tätigkeit in den letzten 15 Kalenderjahren vor dem Stichtag zu erheben, so müßte die Prüfung dann auch für diesen zurückliegenden Zeitpunkt angestellt werden. Wäre es trotz der dargestellten Schwierigkeiten möglich, eine Feststellung über den Eintritt des Versicherungsfalles auch zu dem genannten fiktiven Stichtag zu treffen, so würde eine solche Feststellung das Verfahren nur dann beenden, wenn sie positiv wäre. Für den Fall, daß der Gesundheitszustand nämlich in einem solchen Ausmaß, daß der Beruf nicht mehr ausgeübt werden konnte, bereits vor diesem fiktiven Stichtag, zu dem die Wartezeit zum letztenmal erfüllt war, bestanden hat, muß dieser nochmals zeitlich zurückverlegt werden und weiters geprüft werden, ob zu dem sich daraus ergebenden Zeitpunkt die Wartezeit erfüllt war, sowie die medizinischen und berufsrechtlichen Voraussetzungen vorgelegen haben. Abschließend müßte festgestellt werden, ob durch ununterbrochene Invalidität die Wartezeit zum aktuellen Stichtag erfüllt sein könnte.
Es wäre daher eine nochmalige Zurückverlegung denkbar, sodaß jener fiktive Stichtag, zu dem der(die) Versicherte zum letztenmal die Wartezeit erfüllt hat, nicht unbedingt der einzige Prüfungszeitpunkt sein müßte. Auch könnte die Tatsache, daß der (die) Versicherte in diesem Zeitraum gearbeitet hat, keinerlei Kriterium für diese Entscheidung sein, da er (sie) einerseits auf Kosten der Gesundheit gearbeitet haben könnte und andererseits nicht in seinem(ihrem) erlernten/angelernten Beruf tätig gewesen sein muß, jedoch auf den erlernten/angelernten Beruf bei Prüfung, ob auch zum fiktiven Stichtag die Voraussetzungen des § 255 Abs 1 bzw. Abs 2 ASVG erfüllt gewesen waren, abzustellen wäre.
Für den Fall, daß bei einem (einer) Versicherten, dem (der) zum Stichtag kein Berufschutz (mehr) zukommt, auch Invalidität gemäß § 255 Abs 3 ASVG nicht vorliegt, wären die genannten Prüfungsschritte zur Feststellung von neutralen Zeiten mangels Eintritt des Versicherungsfalles zum Stichtag nicht durchzuführen. Das Vorliegen von neutralen Zeiten, welche bei isolierter Anwendung der Bestimmungen über die Wartezeit festzustellen wären, könnte also dieses primäre Erfordernis keinesfalls ersetzen. Obwohl bei diesen Versicherten unter Umständen ebenfalls bereits längere Zeit vor dem Stichtag Invalidität gemäß § 254 Abs 1 bzw. 2 ASVG besteht, gereicht es diesen Versicherten zum Nachteil, daß sie - wahrscheinlich aufgrund der bestehenden Leidenszustände - nicht mehr qualifiziert tätig waren, gleichzeitig aber noch nicht so weit medizinisch eingeschränkt sind, daß keine Verweisbarkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt vorliegt. Erst mit dem Eintritt von Invalidität gemäß § 255 Abs 3 ASVG kann es bei diesen Versicherten zum nächsten Schritt der Wartezeitfeststellung kommen, während bei Versicherten, bei denen die qualifizierte Ausübung auch vor dem aktuellen Stichtag überwiegt, lediglich Invalidität gemäß § 255 Abs 1 bzw. 2 ASVG vorliegen muß.
Bei Aufhebung der angegriffenen Wortfolge käme es also bei gleicher Ausgangsposition - gleichzeitiges Vorliegen von Berufschutz und Invalidität gemäß § 255 Abs 1 bzw. 2 ASVG zum fiktiven Stichtag - insofern zu einer unterschiedlichen Behandlung, als bei jenen Versicherten, bei denen zum aktuellen Stichtag Berufsschutz nicht mehr vorliegt, trotz Fortbestehens medizinischer Einschränkungen ein engerer Invaliditätsbegriff (§255 Abs 3) zur Anwendung käme. Erst wenn die Voraussetzungen dieser Bestimmungen erfüllt sind, könnte die Wartezeit überprüft werden und wäre für diese Voraussetzung auch bei diesen Versicherten der Invaliditätsbegriff des § 255 Abs 1 bzw. 2 ASVG zum fiktiven Stichtag anzuwenden.
Während es Leistungsbeziehern nicht schadet, wenn die berufsrechtlichen Voraussetzungen während des Leistungsbezuges wegfallen, müßte bei diesen Versicherten jedenfalls zum aktuellen Stichtag der Versicherungsfall, der sich bei ihnen ausschließlich aus der Anwendung des § 255 Abs 3 ergibt, vorliegen und es hätte darauf die Bestimmung des § 234 Abs 1 Z. 3 ASVG auch nach allfälliger Aufhebung der angegriffenen Wortfolge wegen ihres auf die Erfüllung der Wartezeit beschränkten Regelungscharakters keinen Einfluß.
Dabei könnte der Anwendung des § 255 Abs 1 ASVG zu einem fiktiven Stichtag auch in den Fällen, in denen zum aktuellen Stichtag Berufschutz (noch) vorliegt, überdies entgegengehalten werden, daß § 255 ausdrücklich den Stichtag gem. § 223 Abs 2 ASVG als Prüfungszeitpunkt normiert und daher eine Anwendung dieser Bestimmung zu einem fiktiven Stichtag, der mit diesem nicht ident ist, grundsätzlich ausgeschlossen ist.
Was die als Maßstab anzuwendenden berufsausbildungsrechtlichen Vorschriften sowie die Anforderungen am allgemeinen Arbeitsmarkt betrifft, so sind diese einem ununterbrochenem Wandel unterworfen, sodaß ein Zustand, der vor einigen Jahren keine Invalidität begründet hätte, diesen nunmehr begründen kann und umgekehrt. Da vom Stand der genannten Vorschriften bzw. Anforderungen im Zeitpunkt der Antragstellung auszugehen ist, müßte die zu diesem Zeitpunkt geltende Sach- und Rechtslage ebenfalls zurückverlagert werden. Die gleiche Problematik betrifft jedoch auch den Stand der medizinischen Wissenschaft. Ein Leidenszustand kann nach dem derzeitigen Stand einer Behandlung zugänglich sein und er wäre daher wegen der Zumutbarkeit der Behandlung nicht mehr zu berücksichtigen, sodaß Invalidität nicht vorliegt, während derselbe Zustand vor einigen Jahren noch keiner erfolgversprechenden und zumutbaren Behandlung zugänglich war und daher vorübergehende oder dauernde Invalidität begründet hätte.
Zu den sich aus der Anwendung des § 223 ASVG ergebenden Erfahrungen ist auf die Stellungnahme der Bundesregierung hinzuweisen, die zutreffend ausgeführt hat, daß die Bestimmung des § 223 Abs 1 Z. 2 lita ASVG schwierige und derzeit mangels Auswirkung auf den Anfall der Leistung sowie die versicherungsrechtlichen Bestimmungen unfruchtbare Beweisfragen abschneiden soll. Sollte der Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles exakt festgestellt werden müssen, um abschließend über das Vorliegen der Wartezeit eine Aussage treffen zu können, würden die Grenzen des Beweisverfahrens durch die berufsausbildungsrechtliche Beurteilbarkeit des Sachverhaltes gezogen werden.
Verfahrensrechtliche Probleme würden sich bei Aufhebung der angegriffenen Wortfolge weiters auch bei Leistungen aus dem Versicherungsfall des Todes ergeben. Bringt ein(e) anspruchsberechtigte(r) Hinterbliebene(r) vor, daß der(die) verstorbene Versicherte bereits längere Zeit invalid bzw. berufsunfähig war, dann müßte bei Aufhebung der angegriffenen Wortfolge die oben kurz dargestellte Vorgangsweise ebenfalls angewandt werden, ohne daß eine aktuelle Untersuchung des(der) Versicherten durch den Versicherungsträger oder nach Klagserhebung durch das Arbeits- und Sozialgericht, der eine gewisse Indizwirkung für die Vergangenheit zukommt, stattfinden könnte. Ebenso wäre eine Erhebung des Gesundheitszustandes bzw. des Berufsverlaufes unter Zuhilfenahme der Angaben des Versicherten sowie das Beweismittel der Parteieneinvernahme ausgeschlossen. Anders würde sich dies nur in jenen Fällen darstellen, in denen ein Unfall oder ein ähnlich eindeutig feststellbares Ereignis für den Eintritt der Invalidität verantwortlich gewesen ist. In einem solchen Fall entfällt aber, wie oben ausgeführt, ohnedies das Erfordernis der Wartezeit.
Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, daß die Beschränkung des § 234 Abs 1 Z. 3 ASVG auf den Versicherungsfall des Alters sich in jenen Fällen, in denen der(die) Versicherte nach Erfüllung der Voraussetzungen stirbt, ohne einen Antrag gestellt zu haben, sich auch derzeit insofern nicht nachteilig für die Hinterbliebenen auswirkt, als auch in diesem Fall die Zeit zwischen Erfüllung der Voraussetzungen und der Antragstellung (auf die Hinterbliebenenleistung) als neutrale Zeit angesehen wird.
Wenn auch die vom Gesetzgeber offensichtlich angenommene weitgehende Identität in den Gewährungsgründen von Alterspension einerseits und Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitspension andererseits Grund für die Angleichung der Wartezeitbestimmungen dieser Pensionen war, so würde der(die) Versicherte durch Antragstellung auf die Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitspension zwar entsprechend mehr neutrale Zeiten erhalten können, falls sich Erfüllung der Wartezeit sowie Vorliegen von Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit bereits zeitlich wesentlich früher überschneiden würden, ein Aussetzen der monatlichen Erhöhung der Wartezeit gemäß § 236 (1) litb ASVG damit jedoch nicht herbeiführen können. Die nach diesen Bestimmungen zu dem durch die Antragstellung ausgelösten Stichtag anzuwendende Wartezeit könnte zwar in einem um neutrale Monate verlängerten Zeitraum erworben werden, wäre jedoch durch das Vorliegen von Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit nicht in ihrer vom Alter abhängigen monatlichen Erhöhung gehemmt. Eine zum fiktiven Stichtag erfüllt gewesene Wartezeit würde dadurch anders als in den Fällen eines über Antragstellung realisierten Leistungsanspruches auch durch ununterbrochene neutrale Zeiten nicht erhalten werden, da die monatliche Erhöhung am Stichtag und nicht am Eintritt des Versicherungsfalles anknüpft.
Bei Erfüllung der Wartezeit auf Grund der Aufhebung der angegriffenen Wortfolge würde die Leistung aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit mit Erreichung des Anfallsalters für die Alterspension als Alterspension gebühren.
Aus der für die Erfüllung der sogenannten ewigen Anwartschaft (§236 Abs 4) erforderlichen Anzahl von 180 Beitragsmonaten, welche als qualifizierte Erfüllung der Wartezeit auch bei den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit Anwendung findet, könnte überdies geschlossen werden, daß nach dem Willen des Gesetzgebers eine Sicherung der Wartezeit vor Eintritt einer der Versicherungsfälle des Alters nur jenen Versicherten möglich sein soll, die diese Voraussetzung erfüllen."
9. Der Oberste Gerichtshof hat von der vom Verfassungsgerichtshof eingeräumten Möglichkeit, zu diesen Ausführungen Stellung zu nehmen, nicht Gebrauch gemacht.
10. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
10.1. Die Anträge sind zulässig. Der Verfassungsgerichtshof erachtet sich nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung ein antragstellendes Gericht an eine bestimmte Gesetzesauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung des Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher der Antrag des Gerichtes wegen mangelnder Präjudizialität nur dann zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß das - angefochtene - Gesetz eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (vgl. zB VfSlg. 7999/1977, 9811/1983, 10296/1984, 11565/1987); davon kann hier nicht die Rede sein. Auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen liegen offenkundig vor.
10.2. Die vom Obersten Gerichtshof vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken treffen nicht zu:
10.2.1. Die in § 234 ASVG enthaltenen neutralen Zeiten sind keine Versicherungszeiten und daher nicht leistungswirksam. Der Gesetzgeber hat Zeiten als neutrale Zeiten anerkannt, wenn dafür berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen, die nicht so gravierend erscheinen, daß eine Zuordnung zu den Ersatzzeiten erforderlich wäre.
Als neutral erklärte Zeiten verlängern insbesondere den Rahmenzeitraum, innerhalb dessen die Wartezeit (§§235, 236 ASVG) erfüllt sein muß, und führen damit zu einer Erleichterung bei der Erfüllung dieser Voraussetzung (vgl. Teschner in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, 5. Erg-Lfg, S. 382, 383).
Die angefochtene Bestimmung anerkennt lediglich für Ansprüche aus dem Versicherungsfall des Alters Zeiten, die zwischen der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen und der Antragstellung auf Leistung liegen, als neutral, nicht aber bei anderen Versicherungsfällen.
Der Gleichheitssatz verbietet dem Gesetzgeber, Differenzierungen zu schaffen, die sachlich nicht begründbar sind; sachlich begründbare - also nicht sachfremde - Differenzierungen vorzunehmen, ist dem Gesetzgeber durch das Gleichheitsgebot nicht verwehrt (vgl. die ständige Rechtsprechung zB VfSlg. 6638/1972, 6884/1972).
Es ist daher zu untersuchen, ob eine sachliche Rechtfertigung dafür vorliegt, daß die nach § 234 Abs 1 Z 3 ASVG vorgesehene Begünstigung nur in den Fällen einer Alterspension gewährt wird, nicht aber auch in Fällen eines Anspruches auf eine andere Art von Leistung aus der Pensionsversicherung. Die Pensionsversicherung trifft Vorsorge insbesondere für die Versicherungsfälle des Alters, der geminderten Arbeitsfähigkeit (Invaliditäts-, Berufsunfähigkeits-, Dienstunfähigkeitspension) und des Todes, von denen aus der Sicht der vom antragstellenden Obersten Gerichtshof erhobenen Bedenken - nur in deren Rahmen ist der Verfassungsgerichtshof zur Prüfung berechtigt - ausschließlich die Fälle der geminderten Arbeitsfähigkeit beachtlich sind.
10.2.2. Die erklärte Absicht der seit der Stammfassung unveränderten Bestimmung des § 234 Abs 1 Z 3 ASVG liegt - so die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (599 BlgNR VII.GP, 76) - darin, dem Umstand vorzubeugen,
"daß in gewissen Grenzfällen durch Verspätung der Antragstellung auf die Altersrente kein Nachteil eintreten kann."
Eine Begründung dafür, warum dieser Vorteil nur den Beziehern einer Alterspension zugute, nicht aber auch im Falle des Anspruches auf eine andere Art von Leistung aus der Pensionsversicherung zum Tragen kommen soll, wird in diesem Zusammenhang nicht gegeben.
Aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungsbereiche der Alterspension und der Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit läßt sich im Hinblick auf § 234 Abs 1 Z 3 ASVG systematisch und teleologisch jedoch folgendes sagen:
Die Regelung der Versicherungsfälle des Alters unterscheidet sich von der Regelung der Versicherungsfälle der geminderten Arbeitsfähigkeit dadurch, daß die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere das Alter, bei jenen tatbestandlich präzise festgelegt sind. Für die Feststellung, ob einer der Versicherungsfälle der geminderten Arbeitsfähigkeit eingetreten ist, müssen neben der gesundheitlichen Situation auch die Berufsausbildung des Versicherten sowie die Anforderungen am allgemeinen Arbeitsmarkt in die rechtliche Beurteilung mit einbezogen werden (vgl. dazu die die Begriffe der Invalidität, Berufsunfähigkeit und Dienstunfähigkeit betreffenden §§255, 273 und 278 ASVG).
Von Bedeutung ist insbesondere auch der Umstand, daß die Feststellung, ob die medizinischen und berufsspezifischen Voraussetzungen zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt vorlagen, im Gegensatz zur Feststellung des Alters komplizierter und aufwendiger ist. Daß sich der Gesetzgeber dieses Umstandes bewußt sein mußte, zeigt schon § 223 Abs 1 Z 2 lita ASVG, der den Eintritt des Versicherungsfalles im Falle dauernder Invalidität, Berufsunfähigkeit oder Dienstunfähigkeit mit deren Eintritt, wenn aber der Zeitpunkt nicht feststellbar ist, mit Antragstellung, festlegt.
Der Gesetzgeber knüpft bei den Versicherungsfällen des Alters an die Erreichung des Anfallsalters an und damit an ein Ereignis, auf dessen eindeutige und unproblematische Feststellbarkeit ein "Hinausschieben durch spätere Antragstellung" keinen Einfluß hat. Dies gilt auch für die zusätzlichen Erfordernisse der vorzeitigen Versicherungsfälle des Alters.
Dazu kommt, daß der Stand der Medizin einem ununterbrochenen Wandel unterworfen ist, und daß auch die maßgebliche Situation am Arbeitsmarkt sich nicht unwesentlich verändern kann. Die Feststellung des "fiktiven Stichtages" ist aber insbesondere auch wegen dieser Umstände wichtig, handelt es sich doch beim Stand der Medizin und der Situation am Arbeitsmarkt um für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen maßgebliche Faktoren. Bei einem Hinausschieben der Antragstellung wird die Feststellung des Zeitpunktes, in dem die Minderung der Erwerbsfähigkeit eingetreten war, schon an sich erschwert.
Diese Erwägungen gewinnen noch an Gewicht, wenn man unterstellt, daß die Frage auftreten könnte, wie Zeiten, in denen die Invalidität (Berufsunfähigkeit oder Dienstunfähigkeit) unterbrochen war (vorübergehende Besserung oder interimistische Änderung sonst maßgeblicher Umstände) oder eine Überlagerung verschiedener Leidenszustände vorliegt, in die Betrachtung einzubeziehen wären.
Soweit aber ein (sowohl im Hinblick auf die medizinischen als auch die sonstigen Vorausssetzungen) eindeutig feststellbares Ereignis einer geminderten Arbeitsfähigkeit zugrunde liegt, handelt es sich dabei im Regelfall um einen Arbeitsunfall; für diesen aber entfällt ohnedies gemäß § 235 Abs 3 ASVG das Erfordernis einer Wartezeit. Es ist nun wohl nicht auszuschliessen, daß es aufgrund besonderer Umstände in einzelnen Fällen möglich sein kann, daß ähnlich klare Verhältnisse vorliegen, wie sie für die Versicherungsfälle des Alters typisch sind. Für die Versicherungsfälle der geminderten Arbeitsfähigkeit ist dies aber atypisch, sodaß sie mit Härtefällen vergleichbar sind. Solche machen die Regelung aber nicht verfassungswidrig (vgl. die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zB VfSlg. 10276/1984, Erk. vom , B1123/88).
10.3. Aus den dargelegten Erwägungen treffen die geltend gemachten Gleichheitsbedenken nicht zu.
Den Anträgen des Obersten Gerichtshofes auf Aufhebung der im Spruch wiedergegebenen Wortfolge des § 234 Abs 1 Z 3 ASVG war daher nicht stattzugeben.
10.4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.