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VfGH vom 10.03.2020, E4269/2019

VfGH vom 10.03.2020, E4269/2019

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch Erlassung einer Rückkehrentscheidung betreffend einen iranischen Staatsangehörigen; keine Berücksichtigung der Schwangerschaft der – ebenfalls aus dem Iran stammenden – asylberechtigten Lebensgefährtin und dem intensiven Eingriff in das Familienleben

Spruch

I.1. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, insoweit damit die Rückkehrentscheidung der belangten Behörde bestätigt wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK verletzt worden.

Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

II.Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der aus Teheran stammende Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Iran und stellte nach illegaler Einreise in Österreich am einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz in Österreich. Als Fluchtgrund brachte er zusammengefasst vor, sein Heimatland auf Grund seines Glaubenswechsels zum Christentum und der damit einhergehenden Gefahr verlassen zu haben.

Der Beschwerdeführer ist mit einer iranischen Staatsangehörigen, die seit den Status einer Asylberechtigten hat, verlobt. Die Verlobten erwarten im Jänner 2020 ihr erstes gemeinsames Kind, leben auf Grund von Schwierigkeiten beim Wechsel aus der Grundversorgung zweier unterschiedlicher Bundesländer und beim Auffinden einer geeigneten Wohnung jedoch (noch) nicht zusammen. Der geplanten Eheschließung stehen noch fehlende Dokumente entgegen.

Der Beschwerdeführer ist während seines Aufenthalts in Österreich immer wieder einer Beschäftigung nachgegangen (etwa aufgrund einer Beschäftigungsbewilligung als Erntearbeiter im Zeitraum von bis ). Aktuell ist er in einem Gestüt als Saisonkraft beschäftigt und sozialversichert.

2. Mit Bescheid vom wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Gewährung von Asyl und bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt. Darüber hinaus erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gleichzeitig setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine zweiwöchige Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

3. Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am mit Erkenntnis vom als unbegründet ab.

Zur Rückkehrentscheidung des Beschwerdeführers in die Islamische Republik Iran hält das Bundesverwaltungsgericht begründend zusammengefasst fest, dass diese zwar einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens darstelle, aber in Anbetracht der durchgeführten Interessenabwägung zulässig sei. Die Schutzbedürftigkeit der Interessen des Beschwerdeführers sah das Bundesverwaltungsgericht insbesondere dadurch gemindert, dass die Beziehung zur schwangeren Verlobten zu einem Zeitpunkt begonnen habe, in welchem dem Beschwerdeführer und auch seiner Freundin die Ungewissheit seines weiteren Aufenthalts bewusst sein hätte müssen. Der Beschwerdeführer habe sich zu diesem Zeitpunkt zwar bereits längere Zeit in Österreich aufgehalten, jedoch schon eine negative Erstentscheidung bekommen. Er lebe mit seiner Verlobten nicht zusammen und führe erst seit einigen Monaten mit ihr eine Beziehung. Die Schwangerschaft sei nicht vom Schutzumfang des Art 8 EMRK umfasst. Kinder würden erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie werden. Zu noch ungeborenen Kindern würde bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben vorliegen. Dem Beschwerdeführer sei – sofern er mit seiner Freundin die Beziehung weiterführen möchte bzw wenn er die Vaterschaft zum noch ungeborenen Kind anerkenne – zumutbar, vom Ausland einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel in Österreich zu stellen. Zudem könne er ein Visum für die Wiedereinreise und einen vorübergehenden Aufenthalt in Österreich beantragen. Der Kontakt könne zwischenzeitlich auch über moderne Medien aufrechterhalten werden. Es werde nicht verkannt, dass eine Weiterführung der Beziehung im Iran nicht möglich sei, da die Freundin den Status einer Asylberechtigten habe. Zusammengefasst würden die öffentlichen Interessen, die gegen einen Aufenthalt in Österreich sprechen (konkret: seine illegale Einreise, der unsichere Aufenthalt und die illegale Beschäftigung), das private Interesse des Beschwerdeführers (konkret: die Dauer des Aufenthalts, seine Deutschkenntnisse, die geleistete Arbeit, das Vorliegen einer Beschäftigungsbewilligung, die sozialen Anknüpfungspunkte und die Freundin in Österreich) an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen.

4.Gegen diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird. Überdies wird ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde sowie auf Abtretung gemäß Art 144 Abs 3 B-VG gestellt.

Begründend wird bezüglich der Rückkehrentscheidung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Verlobte des Beschwerdeführers sei schwanger. Die Annahme des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach eine Schwangerschaft nicht vom Schutzumfang des Art 8 EMRK umfasst sei, Kinder erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie würden und zu noch ungeborenen Kindern bis dahin noch kein schützenswertes Familienleben vorliege, sei unter Berücksichtigung höchstgerichtlicher Rechtsprechung unzutreffend. Das Bundesverwaltungsgericht habe auf die Beziehung zwischen Vater und (noch ungeborenem) Kind nicht ausreichend Bedacht genommen und es unterlassen, diese Beziehung zu würdigen und die Auswirkungen der Entscheidung auf das Kindeswohl ausreichend zu berücksichtigen. Dies obgleich sich daraus ergeben könnte, dass angesichts der besonderen Bedürfnisse eines Kindes in der ersten Lebensphase auch dem Vater des Kindes ein Aufenthalt zu ermöglichen sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich diesbezüglich mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Beantragung eines Aufenthaltstitels aus dem Ausland oder eines Visums für die Wiedereinreise und einen vorübergehenden Aufenthalt in Österreich begnügt. Diese Vorgehensweise sei aus näher dargelegten Überlegungen jedoch unrealistisch bzw unzumutbar. Auch verweise das Bundesverwaltungsgericht zwar auf die Rechtsprechung, wonach der Verweis auf Kommunikation über moderne Medien bei Kindern unzulässig sei, vermeint jedoch unzutreffender Weise, dass dies den Eltern im vorliegenden Fall zumutbar sei, da sich diese im Augenblick der Entstehung des Familienlebens des unsicheren Status bewusst sein mussten. Das Bundesverwaltungsgericht habe insbesondere nicht berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer selbst gemäß Art 8 EMRK ein Interesse daran habe, eine Beziehung zum (noch ungeborenen) Kind zu entwickeln und auch die Verlobte ein Interesse am Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich habe. Aber nicht nur die privaten Interessen des Beschwerdeführers seien bei der Interessenabwägung unzutreffend berücksichtigt worden, sondern auch die öffentlichen Interessen, die gegen einen Aufenthalt des Beschwerdeführers sprechen würden. Dies vor allem da der Beschwerdeführer gerade keiner illegalen Beschäftigung nachgegangen und der unsichere Aufenthalt hier nicht (erneut) zu berücksichtigen sei.

5.Das Bundesverwaltungsgericht legte die Gerichts- und Verwaltungsakten der belangten Behörde im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof vor und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat zur – zulässigen – Beschwerde erwogen:

1.Ein Eingriff in das durch Art 8 EMRK verfassungsgesetzlich garantierte – unter Gesetzesvorbehalt stehende – Recht ist dann verfassungswidrig, wenn die ihn verfügende verwaltungsgerichtliche Entscheidung ohne jede Rechtsgrundlage ergangen ist, auf einer dem Art 8 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruht oder wenn das Verwaltungsgericht bei Erlassung der Entscheidung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hat; ein solcher Fall liegt nur vor, wenn das Verwaltungsgericht einen so schweren Fehler begangen hat, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, oder wenn es der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen verfassungswidrigen, insbesondere einen dem Art 8 Abs 1 EMRK widersprechenden und durch Art 8 Abs 2 EMRK nicht gedeckten Inhalt unterstellt hat (vgl VfSlg 11.638/1988, 15.051/1997, 15.400/1999, 16.657/2002).

2.Dem Bundesverwaltungsgericht ist bei der gemäß Art 8 Abs 2 EMRK gebotenen Abwägung ein solcher in die Verfassungssphäre reichender Fehler vorzuwerfen:

2.1. Das Bundesverwaltungsgericht führt im Rahmen seiner Interessenabwägung aus, dass zugunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen sei, dass dieser bemüht gewesen sei, die deutsche Sprache zu erlernen, Bekannte in Österreich habe und einer Arbeit nachging. Es hält weiters fest, dass zusammengefasst die "Dauer des Aufenthalts, Deutschkenntnisse, Arbeit; Beschäftigungsbewilligung, soziale Anknüpfungspunkte, Freundin" für eine bestehende Integration und ein schützenswertes Familien- bzw Privatleben "der BF" (sic) sprechen. Jedoch würden folgende öffentliche Interessen, die gegen einen Aufenthalt "der BF" (sic) sprechen, überwiegen: "illegale Einreise, unsicherer Aufenthalt, illegale Beschäftigung".

2.2. Die vom Beschwerdeführer gerügte unzutreffende Berücksichtigung seiner privaten Interessen im Rahmen der Interessenabwägung – insbesondere des Umstandes seiner baldigen Vaterschaft und des Kindeswohls – ist aus nachfolgenden Überlegungen zumindest teilweise zutreffend:

2.2.1. So ist dem Bundesverwaltungsgericht zwar zuzustimmen, dass nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes der Umstand, dass die nunmehrige Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Verlobten zu einem Zeitpunkt eingegangen wurde, zu dem sich beide Partner des unsicheren Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers bewusst gewesen sein mussten, bei der nach Art 8 Abs 2 EMRK gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigen ist (vgl etwa VfSlg 18.223/2007 mwN). Jedoch führt dieser Umstand nicht dazu, dass eine aufenthaltsbeendende Maßnahme keinen Eingriff in das Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens darstellen würde (vgl etwa ; vgl auch , wonach die Aufnahme des Familienlebens während des Asylverfahrens gerade von jenen Fällen zu unterscheiden ist, in denen erst nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens das Familienleben im Bundesgebiet aufgenommen wird und deshalb eine geringere Schutzwürdigkeit besteht, sowie ).

2.2.2. Darüber hinaus ist zu beachten, dass – entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes – nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes im Lichte des Art 8 EMRK auch zu berücksichtigen ist, wenn die Lebensgefährtin oder Ehefrau eines Beschwerdeführers schwanger ist (vgl VfSlg 18.393/2008, 19.776/2013; ; , E3079/2018). Die Annahme des Bundesverwaltungsgerichtes, dass im Rahmen der Interessenabwägung auf ein ungeborenes Kind überhaupt nicht Bedacht zu nehmen bzw diesem Umstand keine Bedeutung beizumessen wäre, trifft demnach nicht zu (vgl idS auch ; ,Ra 2017/21/0119; , jeweils mwN).

Im Zeitpunkt der Bestätigung der gegenständlichen Rückkehrentscheidung durch das angefochtene Erkenntnis vom war es für das Bundesverwaltungsgericht absehbar, dass der Beschwerdeführer demnächst (Jänner 2020) Vater eines Kindes werden würde. Deshalb hätte das Bundesverwaltungsgericht eingehend begründen müssen, weshalb die Erlassung der Rückkehrentscheidung und die damit verbundene Trennung des Beschwerdeführers von seinem Kind im öffentlichen Interesse geboten erscheint (vgl etwa wiederum VfSlg 19.776/2013). Das Bundesverwaltungsgericht erwähnt unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes diesbezüglich zwar, dass der Verweis auf Kommunikation über moderne Medien bei Kindern unzulässig sei. Es führt jedoch daran anschließend aus, dass dies nicht für erwachsene Personen, welche sich auch der Konsequenzen ihrer Handlung bewusst sein mussten, gelte und verweist darüber hinaus lediglich auf die Möglichkeit der Beantragung eines Aufenthaltstitels vom Ausland aus. Mit diesen Ausführungen hat es auf die Beziehung zwischen Vater und Kind aber gerade nicht ausreichend Bedacht genommen und insbesondere die Auswirkungen der Entscheidung auf das Kindeswohl (und hier vor allem auch die Bedeutung der Bindung eines Vaters zum Kind in den ersten Lebensmonaten für die Entwicklung eines Kindes) nicht (ausreichend) berücksichtigt (vgl zur zu berücksichtigenden Beziehung zwischen Vater und Kind etwa mwN).

2.2.3. Weiters hat das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die Beziehung des Beschwerdeführers zur Verlobten lediglich festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit dieser nicht zusammen lebt. Es ist jedoch dabei nicht auf die Ausführungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, dass bzw warum dies aktuell (noch) nicht möglich sei, eingegangen. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer lediglich auf die Möglichkeit einer hypothetischen Erteilung eines Aufenthaltstitels in Österreich für den Beschwerdeführer bei neuerlicher Antragstellung aus dem Ausland bzw die Beantragung eines Visums für die Wiedereinreise verwiesen. Auf eine derartige Vermutung kann im Rahmen der Beurteilung der familiären Beziehungen im Rahmen einer im Lichte des Art 8 EMRK durchzuführenden Interessenabwägung aber keine Argumentation gestützt werden (vgl zur Unzulässigkeit der Betrachtung einer hypothetischen Erteilung eines Aufenthaltstitels etwa ).

Auch ist in diesem Zusammenhang noch zu berücksichtigen, dass das Bundesverwaltungsgericht – nach erfolgtem Hinweis auf die bestehende Möglichkeit der Kontaktaufnahme über elektronische Kommunikationswege – zwar festgehalten hat, dass die Verlobte rechtskräftig als Flüchtling iSd Genfer Flüchtlingskonvention in Bezug auf jenen Staat anerkannt ist, in den der Beschwerdeführer ausgewiesen wird, und daher eine Weiterführung der Beziehung im Iran nicht möglich sei. Wie bzw dass diese Tatsache im Zuge der Interessenabwägung entsprechend gewichtet worden wäre, geht aus der weiteren Begründung der angefochtenen Entscheidung jedoch gerade nicht hervor. Wie der Verfassungsgerichtshof aber bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl etwa VfSlg 19.220/2010; mwN) festgestellt hat, ergibt sich gerade aus diesem Umstand jedoch, dass der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das Recht auf Familienleben als besonders intensiv zu betrachten ist (zur Aufrechterhaltung des Familienlebens mittels elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten zu einem Kleinkind vgl bereits die Ausführungen zuvor).

2.3. Wenn in der Beschwerde gerügt wird, dass die öffentlichen Interessen, die gegen einen Aufenthalt des Beschwerdeführers sprechen würden, auf unzutreffende Weise in der Interessenabwägung berücksichtigt worden seien, so ist diesbezüglich zuzustimmen, dass in Hinblick auf den in der Begründung der angefochtenen Entscheidung angeführten Punkt der "illegale Beschäftigung" vom Bundesverwaltungsgericht keinerlei weiteren bzw sogar diesem Ergebnis entgegenstehende Feststellungen getroffen werden. So wird einerseits im angefochtenen Erkenntnis ausdrücklich mehrmals vom Vorliegen einer Beschäftigungsbewilligung gesprochen bzw dieses festgestellt (etwa wenn das Vorliegen einer Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Erntearbeiter im Zeitraum vom bis festgestellt wird) und andererseits gerade keine Feststellung dahingehend getroffen, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthalts in Österreich einer illegalen Beschäftigung nachgegangen wäre. Auch auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung mehrmals angab, aktuell legal als Saisonarbeiter auf einem Gestüt zu arbeiten, wird in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen.

2.4. Angesichts der soeben dargelegten Punkte ist dem Bundesverwaltungsgericht ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler bei der gemäß Art 8 EMRK gebotenen Abwägung vorzuwerfen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat bei der Abwägung zwischen dem subjektiven Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung seines Privat- und Familienlebens und dem öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung zum Ersten gebotene Kriterien außer Acht gelassen und zum Zweiten andere falsch bzw im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen nicht nachvollziehbar gewichtet. Dadurch hat das Bundesverwaltungsgericht das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK verletzt.

Die Entscheidung ist daher insoweit aufzuheben, als mit ihr die im angefochtenen Bescheid getroffene Rückkehrentscheidung bestätigt wird.

3.Die Behandlung der Beschwerde wird, insoweit damit die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten bzw des subsidiär Schutzberechtigten bekämpft wird, aus folgenden Gründen abgelehnt:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist. Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind. Soweit durch die angefochtene Entscheidung dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten bzw des subsidiär Schutz-berechtigten nicht zuerkannt wurde, wären die gerügten Rechtsverletzungen im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht ein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt hat bzw die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung in jeder Hinsicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht, nicht anzustellen. Demgemäß wurde beschlossen, in diesem Umfang von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen (§19 Abs 3 Z 1 iVm § 31 letzter Satz VfGG).

III.Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist durch die Bestätigung der Rückkehrentscheidung im angefochtenen Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK verletzt worden. Das angefochtene Erkenntnis wird daher insoweit aufgehoben.

2.Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen und diese gemäß Art 144 Abs 3 und 4 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG bzw § 19 Abs 3 Z 1 iVm § 31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie der Ersatz der Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2020:E4269.2019
Schlagworte:
Asylrecht, Privat- und Familienleben, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Rückkehrentscheidung

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