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VfGH vom 01.03.2022, E4229/2021

VfGH vom 01.03.2022, E4229/2021

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten betreffend eine Staatsangehörige von Bangladesch mangels hinreichender Auseinandersetzung mit der Rückkehrsituation; Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens betreffend die Rückkehrentscheidung mangels hinreichender Auseinandersetzung mit der Trennung von Ehemann und Tochter bzw mit den Folgen einer gemeinsamen Rückkehr

Spruch

I.1. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK verletzt worden.

Das Erkenntnis wird, soweit damit die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und gegen die Festsetzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wird, aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

II.Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Die Beschwerdeführerin ist eine Staatsangehörige von Bangladesch, die in Österreich am einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Am heiratete sie in Österreich einen damals bengalischen Staatsangehörigen, der seit die österreichische Staatsangehörigkeit besitzt. Am wurde die gemeinsame Tochter geboren, die ebenfalls die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt.

2. Mit Bescheid vom  wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Beschwerdeführerin sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch als unbegründet ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Bangladesch zulässig ist, und setzte eine 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise.

3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom als unbegründet ab. Dies wird im Wesentlichen wie folgt begründet:

Es sei nicht auszuschließen, dass die Beschwerdeführerin durch eine Privatperson in ihrem Heimatort verfolgt werde. Ihr sei jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative in anderen Teilen des Herkunftslandes, etwa in der Hauptstadt Dhaka, zumutbar. Eine Verletzung in ihren Rechten nach Art2 und 3 EMRK sei nicht anzunehmen, weil die junge und arbeitsfähige Beschwerdeführerin in Bangladesch aufgewachsen sei, dort familiäre Unterstützung habe und durch Erwerbstätigkeit für ihren Lebensunterhalt sorgen können werde.

Zur Rückkehrentscheidung führt das Bundesverwaltungsgericht unter anderem aus, dass kein unzulässiger Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann und der gemeinsamen Tochter vorliege. Einerseits sei die tatsächliche Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrem Ehemann unklar geblieben. Andererseits könne die Beschwerdeführerin – für die Dauer eines allfälligen Verfahrens nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – gemeinsam mit ihrem Kind nach Bangladesch übersiedeln. Der Kontakt mit dem Ehemann könne über das Internet oder Besuche des Ehemanns aufrechterhalten werden. Der Ehemann könne sich im Übrigen auch um einen legalen Aufenthalt in Bangladesch bemühen. Ihm sei die Übersiedelung nach Bangladesch zumutbar, insbesondere, weil er dort die ersten 18 Jahre seines Lebens verbracht habe, die bengalische Sprache besser als Deutsch spreche, sich auch mit der Beschwerdeführerin auf Bengalisch unterhalte und momentan arbeitslos sei, weshalb er keine wesentlichen Härten in seiner beruflichen Entwicklung zu erwarten habe.

4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird. Die Beschwerdeführerin bringt insbesondere vor, dass die Rückkehrentscheidung sie auf Grund ihrer Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger und im Hinblick auf das gemeinsame Kind, das ebenfalls die österreichische Staatsbürgerschaft besitze, in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben nach Art8 EMRK verletze.

5. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

II. Erwägungen

A. Soweit sich die – zulässige – Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und die Festsetzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise richtet, ist sie auch begründet:

1. Zur Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten:

1.1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg cit gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

1.2. Ein derartiger, in die Verfassungssphäre reichender Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten unterlaufen:

1.2.1. Das Bundesverwaltungsgericht geht zunächst in seiner Begründung zur Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten davon aus, dass eine Verfolgung der Beschwerdeführerin in ihrer Heimatregion nicht ausgeschlossen werden könne, ihr jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative außerhalb ihrer Heimatregion, etwa in der Hauptstadt Dhaka, zumutbar sei. Im Rahmen der Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten führt das Bundesverwaltungsgericht ohne nähere örtliche Konkretisierung aus, dass die Beschwerdeführerin nach Bangladesch zurückkehren könne, und begründet dies insbesondere damit, dass die Beschwerdeführerin dort einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne. In der Begründung zur Rückkehrentscheidung geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer knapp acht Monate alten Tochter – wiederum ohne nähere örtliche Konkretisierung – nach Bangladesch zurückkehren werde und unter anderem bezüglich der Kinderbetreuung und der Gewährung einer vorübergehenden Unterkunft von ihren Verwandten unterstützt werden könne.

1.2.2. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, von welcher tatsächlichen Rückkehrsituation das Bundesverwaltungsgericht ausgeht. Die Annahme, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr eine Erwerbstätigkeit ausüben könne, steht in offensichtlichem Widerspruch zu der Annahme (siehe dazu auch unten Punkt 2.2.3.), dass sie mit ihrer knapp acht Monate alten Tochter zurückkehren werde, die sie betreuen muss. Daran ändert der Hinweis, dass die Beschwerdeführerin bei der Kinderbetreuung durch ihre Verwandten unterstützt werden könne, nichts, weil diese Annahme in Widerspruch dazu steht, dass die Beschwerdeführerin auf eine innerstaatliche Fluchtalternative außerhalb ihrer Heimatregion verwiesen wird. Zur Frage, ob und in welchem Ausmaß die Beschwerdeführerin auch außerhalb ihrer Heimatregion mit familiärer Unterstützung bei der Kinderbetreuung rechnen kann, enthält die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Feststellungen. Schon auf Grund der angesichts der dargelegten Widersprüche unklaren Sachlage hat das Bundesverwaltungsgericht die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht nachvollziehbar begründet und damit in diesem Punkt willkürlich entschieden.

2. Zur Rückkehrentscheidung:

2.1. Ein Eingriff in das durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich garantierte – unter Gesetzesvorbehalt stehende – Recht ist dann verfassungswidrig, wenn die ihn verfügende verwaltungsgerichtliche Entscheidung ohne jede Rechtsgrundlage ergangen ist, auf einer dem Art8 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruht oder wenn das Verwaltungsgericht bei Erlassung der Entscheidung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hat; ein solcher Fall liegt nur vor, wenn das Verwaltungsgericht einen so schweren Fehler begangen hat, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, oder wenn es der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen verfassungswidrigen, insbesondere einen dem Art8 Abs1 EMRK widersprechenden und durch Art8 Abs2 EMRK nicht gedeckten Inhalt unterstellt hat (vgl VfSlg 11.638/1988, 15.051/1997, 15.400/1999, 16.657/2002).

2.2. Ein derartiger, in die Verfassungssphäre reichender Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht auch bei seiner Entscheidung hinsichtlich der Erlassung einer Rückkehrentscheidung unterlaufen:

2.2.1. Das Bundesverwaltungsgericht begründet seine Entscheidung insbesondere damit, dass ein unzulässiger Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann und der gemeinsamen Tochter nicht vorliege, weil die Beschwerdeführerin – für die Dauer eines allfälligen Verfahrens nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – gemeinsam mit ihrem Kind nach Bangladesch umziehen könne. Der Kontakt mit dem Ehemann könne über das Internet oder Besuche des Ehemanns aufrechterhalten werden und der Ehemann könne sich im Übrigen auch um einen legalen Aufenthalt in Bangladesch bemühen. Ihm sei die Übersiedelung nach Bangladesch zumutbar, insbesondere, weil er dort die ersten 18 Jahre seines Lebens verbracht habe, die bengalische Sprache besser als Deutsch spreche, sich auch mit der Beschwerdeführerin auf Bengalisch unterhalte und momentan arbeitslos sei, weshalb er keine wesentlichen Härten in seiner beruflichen Entwicklung zu erwarten habe.

2.2.2. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich aus den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die knapp acht Monate alte Tochter der Beschwerdeführerin im Fall der Ausreise der Beschwerdeführerin dieser tatsächlich nach Bangladesch folgt. Dessen ungeachtet geht das Bundesverwaltungsgericht jedoch offensichtlich im Rahmen der Rückkehrentscheidung von einer gemeinsamen Rückkehr der Beschwerdeführerin mit ihrer Tochter aus. Sofern das Bundesverwaltungsgericht diese Annahme auf eine Unzumutbarkeit der Trennung der knapp acht Monate alten Tochter von ihrer Mutter – auf Grund der besonderen Bedürfnisse eines Kindes in der ersten Lebensphase (vgl ) – stützt, berücksichtigt es in keiner Weise, dass durch die Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin für ihre Tochter, welche die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, ein faktischer Zwang zur Ausreise geschaffen wird (vgl mwN und unter Bezug auf , Gerardo Ruiz Zambrano, Rz 43). Schon aus diesem Grund liegt keine nachvollziehbare Interessenabwägung nach Art8 EMRK vor.

Im Übrigen geht das Bundesverwaltungsgericht unter der Annahme einer Rückkehr der Beschwerdeführerin mit ihrer Tochter auch in keiner Weise auf die damit verbundene Trennung der Tochter von ihrem Vater, dem Ehemann der Beschwerdeführerin, ein. Mit dem bloßen Hinweis, dass die Beschwerdeführerin die hauptsächliche Bezugsperson der Tochter sei und der Kontakt der Tochter mit ihrem Vater über das Internet oder durch Besuche des Vaters aufrecht erhalten werden könne, hat das Bundesverwaltungsgericht auf die Beziehung zwischen Vater und Kind keinesfalls im erforderlichen Ausmaß Bedacht genommen und insbesondere die Auswirkungen der Entscheidung auf das Kindeswohl im Hinblick auf die Bedeutung der Bindung eines Vaters zum Kind in den ersten Lebensmonaten für die Entwicklung eines Kindes nicht berücksichtigt (vgl zur zu berücksichtigenden Beziehung zwischen Vater und Kind etwa ; , E4269/2019; , E4076/2020).

Soweit das Bundesverwaltungsgericht schließlich davon ausgeht, dass (auch) der Ehemann und damit letztlich die gesamte engere Familie der Beschwerdeführerin nach Bangladesch übersiedeln könne, unterlässt es die umfassende Interessenabwägung, die für die Annahme einer – im vorliegenden Fall für die Aufrechterhaltung des Familienlebens zwingenden – Ausreise österreichischer Staatsbürger geboten ist. Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Entscheidung in diesem Zusammenhang ausschließlich darauf, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin die ersten 18 Jahre seines Lebens in Bangladesch verbracht habe, die bengalische Sprache besser als Deutsch spreche und aktuell arbeitslos sei. Damit lässt es sämtliche Aspekte außer Acht, die für einen Verbleib der Familie in Österreich sprechen, und legt keine Argumente vor, die in ihrer Gesamtheit derart schwerwiegend wären, dass sie ohne Weiteres die Zumutbarkeit eines Familiennachzuges von österreichischen Staatsbürgern – dem Ehemann sowie der Tochter der Beschwerdeführerin – in den Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin zu begründen vermögen (vgl idS VfSlg 18.832/2009, 19.362/2011; ; , U128/12; , E2617/2015).

Indem das Bundesverwaltungsgericht die dargelegten Aspekte nicht berücksichtigt hat, hat es einen in die Verfassungssphäre reichenden Fehler bei der Interessenabwägung nach Art8 EMRK begangen.

B. Im Übrigen, soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung des Status der Asylberechtigten richtet, wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.

III. Ergebnis

1. Die Beschwerdeführerin ist somit durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch und gegen die daran anknüpfenden Spruchpunkte abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.

Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung und die daran anknüpfenden Spruchpunkte abgewiesen wird, auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK verletzt worden.

Das Erkenntnis ist daher im Umfang der Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch, der Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, der Rückkehrentscheidung, der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und der Festsetzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise aufzuheben.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 bzw §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen und diese insoweit dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art144 Abs3 B-VG zur Entscheidung abgetreten (zum System der Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof durch den Verfassungsgerichtshof nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 vgl VfSlg 19.867/2014).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten. Ein Ersatz der Eingabengebühr ist nicht zuzusprechen, weil die Beschwerdeführerin Verfahrenshilfe im Umfang des §64 Abs1 Z1 lita ZPO genießt.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2022:E4229.2021
Schlagworte:
Asylrecht, Privat- und Familienleben, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Rückkehrentscheidung, Kinder

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