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VfGH vom 11.12.2018, E3717/2018

VfGH vom 11.12.2018, E3717/2018

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Feststellung des Verlusts der österreichischen Staatsbürgerschaft; nicht authentische "Wählerevidenzliste" kein taugliches Beweismittel für einen Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit; Mitwirkungspflicht der Partei entbindet die Behörde nicht von ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts

Spruch

I.Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II.Das Land Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.Der Beschwerdeführer wurde 1960 in der Türkei geboren und lebt seit seinem elften Lebensjahr in Österreich. Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom wurde ihm die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 20 StbG für den Fall zugesichert, dass binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband nachgewiesen wird. Nach Vorlage einer Bewilligungsurkunde zur Entlassung aus dem türkischen Staatsverband wurde dem Beschwerdeführer mit Wirkung vom die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Schließlich verlor der Beschwerdeführer die türkische Staatsangehörigkeit mit Ausstellung der Entlassungsurkunde am .

2.Am übermittelte der Freiheitliche Parlamentsklub dem Bundesministerium für Inneres einen Datenträger, auf dem sich Excel-Tabellen mit persönlichen Daten von – wie sich aus der Gegenschrift der Wiener Landesregierung im verfassungsgerichtlichen Verfahren ergibt – insgesamt 95.984 Personen befanden. Mit Schreiben vom übermittelte der Klub der Wiener Freiheitlichen Landtagsabgeordneten und Gemeinderäte – laut angefochtenem Erkenntnis – eine Kopie dieser Tabellen mit persönlichen Daten von 66.382 Personen der Wiener Landesregierung und ersuchte darum, zu der "uns zugespielte[n] türkische[n] 'Wählerevidenzliste' mit rund 100.000 Personen […] so rasch wie möglich eine Überprüfung in die Wege zu leiten." Der dem Verfassungsgerichtshof vorliegende Verwaltungsakt enthält ein als "Auszug aus der vom Freiheitlichen Parlamentsklub am übermittelten 'türkischen Wählerevidenzliste'" betiteltes Blatt mit persönlichen Daten des Beschwerdeführers in einer Zeile mit zwölf Spalten, deren Bezeichnungen von der "Behörde zur einfacheren Lesbarkeit ergänzt" worden seien.

Mit Schreiben vom beantwortete der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres nach Abstimmung mit der österreichischen Botschaft Ankara und deren Vertrauensanwälten einen Fragenkatalog der Verbindungsstelle der Bundesländer (in dem dem verwaltungsgerichtlichen Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Verwaltungsakt liegt dieses Antwortschreiben ein). Im Wesentlichen geht aus dieser Stellungnahme zur Möglichkeit für türkische Staatsangehörige und ehemalige türkische Staatsangehörige, einen Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister (Nüfus Kayıt Örneği) mit staatsangehörigkeitsrelevanten Eintragungen (im Folgenden: Nüfus-Auszug) zu erlangen, hervor, dass die Behörden gemäß Art 44 litg des der Stellungnahme im Original und in einer auszugsweisen Arbeitsübersetzung der Botschaft beigelegten (im Verwaltungsakt aber nicht einliegenden) türkischen Gesetzes über das Personenstandswesen Nr 5490 verpflichtet seien, einer betroffenen Person einen Auszug aus dem Personenstandsregister auszustellen. Personenstandsurkunden könnten sowohl in der Türkei als auch bei einer Vertretungsbehörde im Ausland beantragt und von dieser ausgefolgt werden. Die Antragstellung sei außerdem online bei der türkischen Inlandsbehörde möglich, wobei die notwendigen Zugangscodes u.a. bei den türkischen Postämtern erhältlich seien. Die Botschaft sei regelmäßig mit der Behauptung konfrontiert, dass ein (ehemaliger) türkischer Staatsangehöriger keinen Nüfus-Auszug erhalte. Nach entsprechendem Insistieren werde dieser dann aber nachgereicht. Die Unmöglichkeit, einen Nüfus-Auszug zu erlangen, sei in keinem Fall nachgewiesen. Sollte die türkische Vertretungsbehörde in Österreich die Ausstellung eines Nüfus-Auszuges verweigern, seien der Botschaft keine (Hinweise auf das Bestehen von) Bestimmungen bekannt, die einer Ausstellung durch eine Personenstandsbehörde direkt in der Türkei entgegenstünden.

Zu türkischen Wählerevidenzlisten und dazu, wer Einsicht in bzw Zugriff auf diese hat, wird insbesondere ausgeführt, dass die Auslandswählerliste den "Zentralen der (wahlwerbenden?) Parteien in der Türkei" elektronisch zur Verfügung stehe. Das Datenformat, das Vorhandensein von Kopierschutzmaßnahmen und der Grad der Datensicherheit entzögen sich jedoch der Kenntnis der Botschaft. Auslands- und Inlandswähler könnten online über die Seiten der Hohen Wahlkommission jeweils nur den eigenen Eintrag einsehen und gegebenenfalls Einspruch erheben. Darüber, dass sie als Wähler registriert seien, würden Auslandswähler von den türkischen Vertretungsbehörden im Ausland nicht aktiv informiert.

Am erstellte das von einem Abteilungsleiter des Bundesministeriums für Inneres beauftragte Bundeskriminalamt einen Bericht über die IT-forensische Untersuchung zweier via E-Mail erhaltener Dateien mit den Dateinamen "WEV_Salzburg.xlsx" und "WEV_Wien.xlsx". Das Bundeskriminalamt kommt darin zu dem Ergebnis, dass die gestellten Fragen zu Alter, Entstehung, Ort und Art der Daten sowie nach deren Bearbeitern und allfälliger Manipulation nicht oder nur teilweise beantwortet werden könnten, "da der Originaldatenträger nicht für eine forensisch korrekte Untersuchung zur Verfügung stand und auf die im Mailweg überliefer[te]n Dateien bereits schreibend zugegriffen wurde".

Am richtete die Tiroler Landesregierung mehrere Fragen an den Freiheitlichen Parlamentsklub, der auch dem Landeshauptmann von Tirol eine Kopie des dem Bundesministerium für Inneres übermittelten Datenträgers zukommen hatte lassen. Konkret danach gefragt, aus welcher Quelle die darauf gespeicherten Daten stammten, wie der Freiheitliche Parlamentsklub in den Besitz der Daten gelangt sei, auf Grund welcher Umstände der Freiheitliche Parlamentsklub annehme, dass es sich dabei um ein Verzeichnis der in Österreich wahlberechtigten Personen mit türkischer Staatsangehörigkeit handle, wie aktuell die Daten seien bzw für welche türkische Wahl das Verzeichnis erstellt worden sei sowie ob es Personen gebe, die die Herkunft, die Echtheit und die Richtigkeit der Daten bezeugen könnten, antwortete der damalige Klubobmann des Freiheitlichen Parlamentsklubs mit Schreiben vom wie folgt: "Der Datenträger wurde meiner Partei anonym zugespielt. Eine detaillierte Beantwortung Ihrer Fragen ist daher nicht möglich."

3.Mit Schreiben vom teilte die Wiener Landesregierung dem Beschwerdeführer mit, dass bekannt geworden sei, dass er nun wieder im Besitz der türkischen Staatsangehörigkeit sein solle. Um einen möglichen Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft vermeiden zu können, werde der Beschwerdeführer ersucht, einen vollständigen Nüfus-Auszug zu beschaffen und sich dazu an das türkische Generalkonsulat Wien oder das zuständige Ministerium in Ankara zu wenden.

Ebenfalls am wurde das türkische Generalkonsulat Wien um dringende Mitteilung darum gebeten, ob der Beschwerdeführer die türkische Staatsangehörigkeit besitze bzw ob er in den türkischen Evidenzen verzeichnet sei. Dieses Schreiben blieb unbeantwortet.

Der Beschwerdeführer übermittelte in der Folge einen Auszug aus dem Geburtseintrag, den er von der türkischen Botschaft Wien erhalten habe. Angaben zur Staatsangehörigkeit gehen daraus nicht hervor. Laut einem Aktenvermerk vom habe der Beschwerdeführer in einer persönlichen Vorsprache angegeben, von der Botschaft noch ein weiteres Mal eine Geburtsurkunde erhalten zu haben. Bei einer dritten Vorsprache in der Botschaft, gemeinsam mit seiner Tochter, sei dem Beschwerdeführer die Auskunft erteilt worden, dass er und seine Tochter als ehemals türkische Staatsangehörige keinen Nüfus-Auszug erhalten würden.

Mit Schriftsatz vom erklärte der Beschwerdeführer, dass er entgegen der Annahme, dass er die türkische Staatsangehörigkeit angenommen haben soll, weder einen Antrag gestellt noch eine Erklärung abgegeben oder zugestimmt habe, eine fremde Staatsangehörigkeit anzunehmen. Die unkritische Übernahme von Informationen anhand einer Namensliste könne keine Grundlage für einen Bescheid darstellen, zumal die Quelle nicht einmal verifizierbar sei. Die Echtheit und Richtigkeit der zugespielten Liste werde bestritten.

Mit Schreiben vom teilte die Wiener Landesregierung dem Beschwerdeführer mit, dass sie davon ausgehe, dass er zu einem unbekannten Zeitpunkt, jedoch spätestens mit Wirkung vom , die österreichische Staatsbürgerschaft durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit verloren habe.

In seiner Stellungnahme vom bestreitet der Beschwerdeführer dies erneut. Dem Beschwerdeführer sei es nicht möglich, das verlangte Dokument beizubringen, weil es ihm als (ausschließlich) österreichischem Staatsbürger schlichtweg nicht ausgestellt werde. Wenn die Wiener Landesregierung angebe, dass ehemaligen türkischen Staatsangehörigen nach entsprechendem Insistieren regelmäßig ein Nüfus-Auszug ausgestellt werde, entspreche dies – völlig unabhängig von der tatsächlichen türkischen Rechtslage – nicht der Realität. Das türkische Generalkonsulat Wien habe dem Beschwerdeführer nunmehr auch schriftlich mitgeteilt, dass ihm kein Nüfus-Auszug ausgestellt werde. In der beigelegten Bestätigung des türkischen Generalkonsulates Wien vom findet sich folgende Passage: "Nach der Mavi Kart (Blaue Karten-) Rechtsverordnung wird der Personenstand, der aus dem türkischen Staatsverband ausgebürgerten Personen, nicht mehr im Personenstandregister, sondern im 'Blaue Karten Register' (Mavi Kartlılar Kütüğü) geführt. Aus diesem Grund darf den ausgebürgerten Personen kein Personenstandregisterauszug ausgestellt werden."

4.Mit Bescheid vom stellte die Wiener Landesregierung gemäß § 39 und § 42 Abs 3 StbG von Amts wegen fest, dass der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs 1 StbG durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit spätestens mit Wirkung vom verloren hat und nicht österreichischer Staatsbürger ist.

Begründend wird insbesondere Folgendes ausgeführt: Es sei davon auszugehen, dass es sich bei dem am eingelangten Datensatz mit den Personendaten von mehreren zehntausenden Personen um eine bzw einen Teil einer authentischen türkischen Wählerevidenzliste handle. Die Wiener Landesregierung habe auf deren Basis bis dato etwa 3.800 Feststellungsverfahren eingeleitet, wobei dem in jedem Einzelfall eine Identitätsprüfung in der Form vorausgegangen sei, dass die in der übermittelten Aufstellung angeführten persönlichen Daten (insbesondere Geburtsdatum und -ort) mit den vorhandenen Datenapplikationen ZSR/ZPR abgeglichen worden seien. Diese Daten hätten in nahezu sämtlichen Fällen übereingestimmt. Im Zuge des Feststellungsverfahrens würden die übrigen Daten – insbesondere die Namen der Eltern – mit dem Einbürgerungsakt verglichen. Auch dieser Abgleich habe bislang in nahezu allen Fällen eine Übereinstimmung ergeben. Da die wesentlichen Angaben in den ca. 3.800 bisher überprüften Fällen richtig seien, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass auch die übrigen ca. 62.500 Personen mit den korrekten Personendaten wiedergegeben würden. Das führe zwingend zu dem Schluss, dass es sich um eine authentische Aufzeichnung einer türkischen Behörde handle. Eine – inhaltlich richtige – Personendatensammlung von derartigem Ausmaß setze behördliche, mit staatlichem Imperium ausgestattete Strukturen voraus, sodass es geradezu ausgeschlossen sei, dass der Datensatz von einer privaten Person(engruppe) herrühre. Auf welchem Weg der Datensatz die behördliche Sphäre verlassen habe, ändere nichts an seinem offenkundigen staatlichen Ursprung und seiner inhaltlichen Richtigkeit. Die in dem Datensatz aufgelisteten Personen seien zwischen und geboren. Die jüngste Person sei seit dem volljährig und somit wahlberechtigt. Vor dem Hintergrund, dass in der Türkei im Jahr 2015 zwei Wahlen zur Großen Nationalversammlung stattgefunden hätten, erscheine es durchaus plausibel, dass es sich um eine Auflistung von wahlberechtigten türkischen Staatsangehörigen mit österreichischem Wohnsitz handle. Dies ergebe sich auch daraus, dass die Angaben auf der Liste mit jenen, die auf Wählerevidenzlisten enthalten seien, im Wesentlichen übereinstimmten. Da der Beschwerdeführer auf dieser Liste aufscheine, sei davon auszugehen, dass er zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem die türkische Staatsangehörigkeit erworben habe.

Ungeachtet der behördlichen Verpflichtung zur amtswegigen Feststellung des Sachverhaltes seien die Parteien eines Verwaltungsverfahrens verpflichtet, durch substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhaltes beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedürfe. Das sei dann anzunehmen, wenn der behördlichen Ermittlung faktische Grenzen gesetzt seien. Soweit einzelne Sachverhaltselemente ihre Wurzel im Ausland hätten, sei die Mitwirkungspflicht der Partei in dem Maß höher, als die Pflicht der Behörden zu amtswegigen Erhebungen wegen des Fehlens entsprechender Möglichkeiten geringer sei. Der Beschwerdeführer sei der Aufforderung zur Vorlage eines vollständigen Nüfus-Auszuges nicht nachgekommen. Andere geeignete Unterlagen zum Nachweis, dass er nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht wieder in den türkischen Staatsverband aufgenommen worden sei, habe er nicht vorgelegt. Angesichts des bestehenden Rechtsanspruches von aktuellen und ehemaligen türkischen Staatsangehörigen auf Ausstellung eines Nüfus-Auszuges und der im vorliegenden Fall offenkundigen Unmöglichkeit, von Amts wegen personenbezogene Auskünfte von türkischen Behörden zu erhalten, sei das Vorbringen des Beschwerdeführers als bloße Schutzbehauptung zu werten.

5.Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien moniert insbesondere eine nach Auffassung des Beschwerdeführers unrichtige, unschlüssige und nicht nachvollziehbare Beweiswürdigung sowie, dass der Sachverhalt nicht ordnungsgemäß bzw ausreichend ermittelt worden sei. Der Beschwerdeführer sei seiner Mitwirkungspflicht jedenfalls nachgekommen.

Mit Schreiben vom ersuchte das Verwaltungsgericht Wien die österreichische Botschaft Ankara zwecks Klärung entscheidungsrelevanter Tatsachen um Beantwortung mehrerer Fragen zur sogenannten Kimlik-Nummer, über die der Beschwerdeführer verfüge, obwohl er vor der Einführung dieser elfstelligen Identifikationsnummer im Jahr 2000 die türkische Staatsangehörigkeit verloren habe. Die Botschaft äußerte sich in der Anfragebeantwortung vom dahingehend, dass keine eindeutige gesetzliche Regelung der nachträglichen Vergabe der Kimlik-Nummer bestehe, wobei die türkische Personenstandsbehörde einräume, dass eine solche in Fällen denkbar wäre, in denen der Staat ein Interesse an der Beseitigung einer Rechtsunsicherheit hätte, zB bei offenen Fragen zum Grundeigentum. Von der nachträglichen Vergabe einer "echten" Kimlik-Nummer könne nicht zwangsläufig auf das Vorliegen einer türkischen Staatsangehörigkeit geschlossen werden, allerdings könne es sich dabei um ein starkes Indiz handeln.

Am führte das Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer war in der Ladung zur Verhandlung aufgefordert worden, seine gültigen und abgelaufenen Reisepässe, einen Mavi Kart-Registerauszug und – soweit vorhanden – die Mavi Kart vorzulegen. Der Beschwerdeführer legte einen österreichischen Reisepass, Papierausdrucke türkischer E-Visa sowie das Original der Mavi Kart vom vor. Dazu gab er an, er habe abgelaufene Reisepässe bereits entsorgt. Der aktuelle sei sein dritter Reisepass. Er sei vor der Verhandlung mehrmals beim türkischen Generalkonsulat Wien vorstellig gewesen, habe aber ohne Angabe von Gründen keinen Mavi Kart-Registerauszug erhalten. Im Übrigen führte der Beschwerdeführer aus, dass er nie einen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt habe. Sein Vater sei 2004 gestorben. Der Anteil des Beschwerdeführers am Erbe sei sehr klein gewesen. Er sei als Miteigentümer an einem Feld in einem Dorf eingetragen worden. Es sei möglich, dass er damals Unterschriften leisten habe müssen. Er habe aber anlässlich der Abwicklung des Erbes seines verstorbenen Vaters nie ein Schriftstück unterschrieben, womit er die türkische Staatsangehörigkeit annehmen hätte können. Weitere Amts- oder Rechtsgeschäfte habe der Beschwerdeführer in der Türkei nicht zu erledigen gehabt. Bei der Einreise in die Türkei habe der Beschwerdeführer immer elektronische Visa beantragt. Am Schluss der Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer eine Frist für die Vorlage eines vollständigen Nüfus-Auszuges bis zum eingeräumt.

Mit Schreiben vom übermittelte der Beschwerdeführer die Kopie eines Mavi Kart-Registerauszuges vom und gab dazu an, dass er nach der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien extra in die Türkei gereist sei, um das vom Gericht geforderte Dokument einzuholen, das ihm das türkische Generalkonsulat Wien wiederholt nicht ausgestellt habe. Sämtliche Reisekosten habe der Beschwerdeführer dabei selbst tragen müssen. Der Beschwerdeführer sei bei zwei Personenstandsbehörden vorstellig gewesen. Obwohl er vehement darum ersucht habe, sei ihm das verlangte Dokument mit der Begründung, dass er ausschließlich fremder (österreichischer) Staatsangehöriger sei, nicht ausgestellt worden. Da er jedoch eine Mavi Kart habe, habe man ihm einen Mavi Kart-Registerauszug ausgestellt. Aus diesem Dokument gehe klar hervor, dass der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger sei.

Mit Schreiben vom äußerte sich der Beschwerdeführer insbesondere zur Vergabe der Kimlik-Nummer. Gemäß den – nicht schriftlich bestätigten – Informationen des türkischen Generalkonsulates Wien sei nach Einführung dieser Identifikationsnummer allen als türkische Staatsangehörige geborenen Personen automatisch eine Kimlik-Nummer zugewiesen worden. So habe man beispielsweise selbst dem im Jahr 1968 verstorbenen Bruder des Beschwerdeführers – einem türkischen Staatsangehörigen, dessen Nüfus-Auszug der Stellungnahme beigelegt wurde – eine Kimlik-Nummer zugewiesen. In einer weiteren Stellungnahme vom bemängelte der Beschwerdeführer u.a., dass nicht nachvollziehbar sei, warum die Bestätigung des türkischen Generalkonsulates Wien für die Behörde nicht glaubhaft sei. Das türkische Generalkonsulat kenne die türkische – also die eigene – Rechtslage wohl am besten.

6.Mit Erkenntnis vom wies das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde als unbegründet ab.

Seiner Entscheidung legte es – neben den sich aus dem (früheren) Einbürgerungsakt des Beschwerdeführers ergebenden Tatsachen – folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerdeführer habe nie einen Antrag auf Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall des Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit gestellt. Er verfüge über einen österreichischen Reisepass und eine Mavi Kart für ehemalige türkische Staatsangehörige, die nicht zur Teilnahme an türkischen Wahlen berechtige. Er habe einen Mavi Kart-Registerauszug sowie eine Bestätigung des türkischen Generalkonsulates Wien vorgelegt, wonach ihm kein Nüfus-Auszug ausgestellt werden dürfe. Der Beschwerdeführer habe keine abgelaufenen Reisepässe vorlegen können, ebenso keinen Nüfus-Auszug und keine Negativbescheinigung in der Form, dass keine Auskunft seitens der in der Türkei aufgesuchten Standesämter erteilt werde. Der Beschwerdeführer sei "in der vom Freiheitlichen Parlamentsklub überreichten 'Wählerevidenzliste'" mit persönlichen Angaben verzeichnet, die mit den aus seiner Mavi Kart und dem Mavi Kart-Registerauszug hervorgehenden übereinstimmten.

Begründend führt das Verwaltungsgericht Wien im Wesentlichen Folgendes aus: Das türkische "Staatsangehörigkeitsgesetz Nr 403 vom in der Fassung vor 2003" ermögliche den erneuten Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit ohne das Erfordernis des Aufenthaltes in der Türkei nur über einen entsprechenden Antrag. Die Wiener Landesregierung habe beweiswürdigend angenommen, dass der Beschwerdeführer spätestens mit Wirkung vom , dem "Tag der Übermittlung der 'Wählerevidenzliste' an das BM.I", die türkische Staatsangehörigkeit wiedererworben habe. Dies stütze die Behörde auf die ihr übermittelte "Kopie einer 'Wählerevidenzliste'", welche die Personendaten von 66.382 Personen, darunter auch die des Beschwerdeführers, enthalte. Im Hinblick auf die Tatsache, dass nur türkische Staatsangehörige aktives Wahlrecht besäßen, habe die Wiener Landesregierung angenommen, der Beschwerdeführer habe die türkische Staatsangehörigkeit zu einem unbestimmten Zeitpunkt wiedererworben, "zumal er auf einer türkischen Wählerevidenzliste aufscheine". Im Hinblick auf diese Liste, welche seitens des Bundeskriminalamtes forensisch untersucht worden sei, ließen sich keine Schlüsse auf ihre Authentizität, Herkunft, den Zeitpunkt der Entstehung sowie die Richtigkeit der darin enthaltenen Daten ziehen. Die Richtigkeit der Personendaten des Beschwerdeführers auf der Liste sei jedoch gegeben und von diesem auch nicht bestritten worden. Obwohl "die Authentizität dieser Liste (im Hinblick auf die Annahme es handelt sich hierbei um eine Wählerevidenzliste für den Amtsbereich des türkischen Generalkonsulats in Wien) nicht festgestellt werden konnte", sei der Annahme der belangten Behörde zu folgen, wenn sie meine, dass es sich hiebei um die Aufzeichnung einer türkischen Behörde handle, zumal eine inhaltlich richtige Personendatensammlung von derartigem Ausmaß behördliche, mit staatlichem Imperium ausgestattete Strukturen voraussetze, sodass es geradezu ausgeschlossen sei, dass der Datensatz von einer privaten Person(engruppe) herrühre.

Ein weiteres Indiz für die Annahme, der Beschwerdeführer habe die türkische Staatsangehörigkeit wieder angenommen, stelle die Tatsache dar, dass er über eine Kimlik-Nummer verfüge. Im Fall des Beschwerdeführers käme eine nachträgliche Vergabe der Kimlik-Nummer nicht in Frage, zumal er laut eigener Angabe keine Amts- und Rechtsgeschäfte in der Türkei zu erledigen gehabt habe. Vielmehr spreche die Aktenlage dafür, dass der Beschwerdeführer nach dem Austritt aus dem türkischen Staatsverband die türkische Staatsangehörigkeit wiedererworben habe und ihm eine Kimlik-Nummer, welche nur an türkische Staatsangehörige vergeben werde, zugeteilt und in der Folge auch auf seine Mavi Kart übertragen worden sei. Die Angaben des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom "vermögen an der Ansicht des erkennenden Gerichtes keine Änderung herbeizuführen, zumal der Beschwerdeführer nicht substantiell nachweisen konnte, dass ihm die 'Kimlik-Nummer' – ohne eine Wiederannahme der türkischen Staatsbürgerschaft – nachträglich vergeben wurde". Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer nunmehr über eine Mavi Kart verfüge, bedeute nicht, dass er seit der Entlassung aus dem türkischen Staatsverband 1996 durchgehend die türkische Staatsangehörigkeit nicht innegehabt habe, da es ihm möglich gewesen sei, auch nach erfolgter Wiederannahme der Staatsangehörigkeit diese wieder aufzugeben und so zu einer Mavi Kart zu gelangen. Dafür spreche, dass ihm die Mavi Kart erst am ausgestellt worden sei und er nicht nachweisen habe können, dass ihm auch zuvor Mavi Karten ausgestellt worden seien. Der Nachweis türkischer E-Visa vermöge daran nichts zu ändern, da diese nur den Besitz eines österreichischen Reisepasses und die Einzahlung der Gebühren voraussetzten.

Im Hinblick auf das Vorbringen, wonach die Vorlage eines Nüfus-Auszuges für ehemalige türkische Staatsangehörige nicht möglich sei, sei festzuhalten, dass Informationen zur Staatsangehörigkeit in der Türkei nur durch den Betroffenen beantragt werden könnten. Daher stünden einer amtswegigen Ermittlung faktische (und rechtliche) Hindernisse entgegen, weswegen der Beschwerdeführer einen Nüfus-Auszug verlangen und vorlegen hätte müssen, wozu er auch aufgefordert worden sei. Er habe zwar Nachweise darüber erbracht, dass er in die Türkei gereist sei, jedoch nicht dazu, dass er sich dort tatsächlich um die Ausstellung des geforderten Dokumentes bemüht habe. Die Angabe in der Bestätigung des türkischen Generalkonsulates Wien vom , der zufolge ausgebürgerten Personen kein Nüfus-Auszug ausgestellt werden könne, sei "nicht nachvollziehbar angesichts der aktenkundigen Äußerung des BMEIA vom , wonach ein Rechtsanspruch von aktuellen und ehemaligen türkischen Staatsangehörigen auf Ausstellung eines Personenstandsregisterauszug[es] gemäß Gesetz Nr 5490 zum Personenstandswesen existiert." Abgesehen davon, dass "die Angabe des türkischen Generalkonsulats der geltenden türkischen Rechtslage widerspricht", erscheine das Vorbringen des Beschwerdeführers als bloße Schutzbehauptung, zumal in anderen Feststellungsverfahren Nüfus-Auszüge vorgelegt worden seien. Für die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers spreche auch, dass er zunächst behauptet habe, die Ausstellung des Mavi Kart-Registerauszuges sei ihm verweigert worden, er diesen aber schließlich doch vorgelegt habe.

Es werde im Rahmen der freien Beweiswürdigung davon ausgegangen, dass es sich bei der "Wählerevidenzliste" um eine offizielle Aufzeichnung einer türkischen Behörde handle, dass jemand nur nach entsprechendem Antrag wieder türkischer Staatsangehöriger werden könne und dass dem Beschwerdeführer nach dem Jahr 2000 als einem türkischen Staatsangehörigen eine Kimlik-Nummer erteilt worden sei. Das Verwaltungsgericht sei befugt, auch für den Beschwerdeführer negative Schlüsse zu ziehen. Wenn es der Behörde rechtlich und faktisch nicht möglich sei, personenbezogene Daten eines anderen Staates zu erhalten, das betreffende Staatsangehörigkeitsrecht für den Erwerb der Staatsangehörigkeit einen Antrag verlange und der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei, dürfe davon ausgegangen werden, dass dem Erwerb der Staatsangehörigkeit auch ein Antrag zugrunde gelegen sei. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt habe der Beschwerdeführer auf Grund eines Antrages frühestens am und spätestens am die türkische Staatsangehörigkeit wieder erworben. Weil ihm zuvor die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht genehmigt worden sei, habe er im angeführten Zeitraum gemäß § 27 Abs 1 StbG ex lege die österreichische Staatsbürgerschaft verloren.

7.Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art 7 Abs 1 B-VG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.

Das Verwaltungsgericht habe § 27 Abs 1 StbG in denkunmöglicher Weise angewendet und in einem entscheidenden Punkt jede Ermittlungstätigkeit völlig unterlassen. Es liege nicht nur eine qualifizierte Rechtswidrigkeit, sondern Willkür vor: Bei jedem Verlust der Staatsbürgerschaft sei zu prüfen, ob der Verlust auch der Unionsbürgerschaft verhältnismäßig sei (, Rottmann). Hierzu seien weder Ermittlungstätigkeiten noch die erforderliche Prüfung durchgeführt worden. Infolge des Anwendungsvorranges des Unionsrechts sei das angefochtene Erkenntnis in denkunmöglicher Weise auf § 27 Abs 1 StbG gestützt worden.

Das Vorliegen einer auf den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gerichteten positiven Willenserklärung und der tatsächlichen Erlangung der türkischen Staatsangehörigkeit iSd § 27 Abs 1 StbG begründe das Verwaltungsgericht lediglich mit einer angeblichen "Wählerevidenzliste", dem Umstand, dass kein Nüfus-Auszug vorgelegt und somit die Mitwirkungspflicht verletzt worden sei, und der auf der Mavi Kart des Beschwerdeführers angeführten Nummer. Es liege aber kein einziger Beweis vor, dass der Beschwerdeführer nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft wieder die türkische Staatsangehörigkeit angenommen habe. Es handle sich um bloße Mutmaßungen. Aus besagter Liste, deren Spaltenüberschriften im Original nicht vorhanden seien, lasse sich nicht erkennen, dass der Beschwerdeführer türkischer Staatsangehöriger sei. Der Titel der zweitletzten Spalte, in der übersetzt "Republik Österreich" stehe, könne auch "Staatsbürgerschaft" und nicht "Aufenthaltsstaat" lauten. Es entbehre jeglicher rechtsstaatlicher Grundlage, auf Grund des bloßen Aufscheinens auf einer Liste, deren Zweck, Echtheit, Richtigkeit, Herkunft, Urheber und Erstellungsdatum völlig unklar seien, vom Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit auszugehen. Besorgniserregend sei auch der Umstand, dass es, wie vom Bundeskriminalamt in seinem Bericht ausgeführt, mehrere schreibende Zugriffe auf diese Excel-Liste gegeben habe. Es sei daher jedenfalls nicht auszuschließen, dass diese Liste bearbeitet, ergänzt oder verfälscht worden sei. Allein aus diesem Grund könne eine solche Liste in einem Rechtsstaat niemals als Beweis dafür dienen, dass der Beschwerdeführer die türkische Staatsangehörigkeit angenommen habe. Soweit das Verwaltungsgericht Wien seine Feststellungen auf die Stellungnahme des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres stütze, sei es unzulässig, einfach für wahr zu erachten, was in einer auf Informationen anonymer Vertrauensanwälte beruhenden Stellungnahme wiedergegeben werde. Im Zusammenhang mit den vermeintlichen "Wählerevidenzlisten" würde diese Stellungnahme die Echtheit, Richtigkeit und Aussagekraft der Liste als "Wählerevidenzliste" allerdings sogar widerlegen. Es seien in ihr Daten angeführt, die "auf einer authentischen und offiziellen Wählerevidenzliste gemäß dem Gesetz Nr 298 über die Wahlen und Wählerevidenzlisten offensichtlich nichts zu suchen haben", wie zB der Name der Mutter, der Geburtsort und der Aufenthaltsstaat.

Im Hinblick auf die Erfüllung der Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers habe das Verwaltungsgericht nur jene Indizien bzw Mutmaßungen herangezogen, die angeblich dafür sprächen, dass der Beschwerdeführer einen Nüfus-Auszug erhalten könne. Mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers setze es sich gar nicht bzw nur unzureichend auseinander. Der Beschwerdeführer sei seiner Mitwirkungspflicht umfassend nachgekommen. Vom türkischen Generalkonsulat Wien sei dem Beschwerdeführer eine öffentliche Urkunde vom ausgefolgt worden, auf der festgehalten werde, dass sich der Beschwerdeführer mit der Bitte um Ausstellung eines Nüfus-Auszuges an das türkische Generalkonsulat Wien gewendet habe, ihm als österreichischem Staatsbürger dieser jedoch nicht ausgestellt werden könne. Zweifel des Verwaltungsgerichtes Wien an der Richtigkeit dieser öffentlichen Urkunde seien nicht nachvollziehbar. Dem nicht genug, sei der Beschwerdeführer eigens in die Türkei gereist und habe zwei türkische Personenstandsbehörden aufgesucht. Bis auf mündliche Aussagen sei es geradezu unmöglich nachzuweisen, dass man sich dabei um Ausstellung eines Dokumentes bemüht habe. Dass der Beschwerdeführer von einer fremden Behörde in der Türkei keine schriftliche Bestätigung für das Bemühen um Ausstellung erhalte, sei nicht überraschend. Selbst wenn der Beschwerdeführer nach dem Gesetz über das Personenstandswesen Nr 5490 – das ihm von der Behörde in einer Übersetzung vorgelegt worden sei, seiner Ansicht nach gemäß dessen Art 2 aber nicht auf ihn anwendbar sei – Anspruch auf Ausstellung eines Nüfus-Auszuges hätte, werde dem Beschwerdeführer dieses Dokument von einer "Institution" eines fremden Staates nachweislich schlichtweg nicht ausgestellt. Etwaige gegenteilige (vereinzelte) Beispiele änderten daran nichts. Das Verwaltungsgericht Wien verkenne völlig, dass nicht nur amtswegigen Ermittlungen faktische Grenzen gesetzt seien, sondern auch dem Beschwerdeführer.

Zur Kimlik-Nummer, die das Verwaltungsgericht Wien als Indiz für die Annahme, er habe die türkische Staatsangehörigkeit wieder angenommen, heranziehe, sei anzumerken, dass diese Argumentation des Verwaltungsgerichtes Wien auf verbalen Informationen, welche der Vertrauensanwalt der österreichischen Botschaft Ankara eingeholt habe, beruhe, wobei die Person des Vertrauensanwaltes völlig verschwiegen werde und kein fundiertes, auf tatsächlichen Rechtsrecherchen basierendes Gutachten vorliege. Auch aus diesen Ausführungen ergebe sich aber, dass eine nachträgliche Vergabe der Kimlik-Nummer in Fällen denkbar wäre, in welchen der Staat ein Interesse an der Beseitigung einer Rechtsunsicherheit hätte, zB bei offenen Fragen zum Grundeigentum. Dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung angegeben habe, hinsichtlich seines Erbanteils Amts- bzw Rechtsgeschäfte getätigt zu haben, lasse das Verwaltungsgericht Wien völlig außer Acht.

Zudem gehe das Verwaltungsgericht Wien im Zusammenhang mit der Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers sowie des Beweises der öffentlichen Urkunde von einer falschen Rechtsansicht aus. Die Mitwirkungspflicht gehe keinesfalls so weit, dass sich die Behörde die Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens sparen könne, zu der sie gemäß § 39 Abs 2 AVG von Amts wegen verpflichtet sei. Die Behörde könne die Beweislast nicht auf die Parteien überwälzen. Den Behörden und auch den Verwaltungsgerichten komme die Pflicht zu, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen. Der Beschwerdeführer sei nur im Rahmen seiner tatsächlichen Möglichkeiten zur Mitwirkung verhalten. Das Nichtbestehen von Tatsachen beweisen zu müssen widerspreche jeglichem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. Die vom türkischen Generalkonsulat Wien am ausgestellte öffentliche Urkunde sei gemäß Art 204 Abs 2 "Gesetz Nr 6100 betreffend dem türkischen Verfahrensrecht" ebenso wie Auszüge von Eintragungen im türkischen Personenstandsregister nach türkischem Recht als Strengbeweismittel (kesin delil) in Bezug auf den dokumentierten Sachverhalt anzusehen, sofern nicht das Gegenteil bewiesen werde. Der Verwaltungsgerichtshof habe in Bezug auf Auszüge aus dem Personenstandsregister bereits ausgesprochen, dass derartigen öffentlichen Urkunden erheblicher Beweiswert zukomme (). Das Verwaltungsgericht Wien habe sich mit dem Thema der öffentlichen Urkunde und deren Beweiswert nicht einmal auseinandergesetzt.

8.Die Wiener Landesregierung hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der den Beschwerdebehauptungen im Wesentlichen wie folgt entgegengetreten wird:

Gemäß § 27 Abs 1 StbG trete der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft ex lege ein und bedürfe keiner (zwingenden) bescheidmäßigen Feststellung. In einer solchen Konstellation sei kein Raum für eine Verhältnismäßigkeitsabwägung, weil die Behörde lediglich die Tatsache des Verlustes deklarativ feststelle. Der Beschwerdeführer verkenne, dass auch der VwGH in seiner Rechtsprechung davon ausgehe, dass für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne der vom EuGH in der Rechtssache Rottmann aufgestellten Kriterien bei einer Feststellung (des Verlustes) der Staatsbürgerschaft kein Raum bleibe (; , Ra 2015/01/0192; , Ra 2018/01/0337).

Die Bezeichnung der Spalten der Liste basiere auf einem Vergleich mit dem Einbürgerungsakt. Der überwiegende Anteil der auf der Liste befindlichen Personen besitze die türkische Staatsangehörigkeit und halte sich in Österreich mittels eines Aufenthaltstitels auf. Somit sei für die Behörde klar, dass mit "AVUSTURYA CUMHURIYETI" der Aufenthaltsstaat "Republik Österreich" und keinesfalls die Staatsbürgerschaft gemeint sei. Dass mit Erhebungen des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres in Auslandsverfahren die jeweiligen Vertrauensanwälte – die keineswegs geheim, sondern auf der Homepage des Ministeriums ausgewiesen seien – mit Ermittlungen beauftragt würden, sei üblich.

Da auf Grund laufender Ermittlungen neue Erkenntnisse gewonnen worden seien, werde noch einmal dargelegt, wieso die vorliegende Liste für eine authentische Wählerevidenzliste gehalten werde: Es seien bis dato 17.987 Feststellungsverfahren eingeleitet worden. In ca. 5.000 Fällen, in welchen bereits alle Daten abgeglichen und geprüft worden seien, seien die wesentlichen Angaben richtig. Dass die persönlichen Daten auch der übrigen ca. 61.380 Personen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vollumfänglich korrekt seien, führe zwingend zu dem Schluss, dass es sich um eine authentische Aufzeichnung einer türkischen Behörde handle. Es wäre in Österreich nicht möglich, diese Daten aus den vorhandenen Datenapplikationen, etwa aus dem ZMR, dem ZSR und dem IZR, zu generieren. Die türkische Identifikationsnummer könne keinesfalls in einem österreichischen Register erfasst sein. Selbst in den Einbürgerungsakten schienen diese oft nicht auf. Es wäre somit weder einer österreichischen Behörde noch einer österreichischen Privatperson möglich, die in der Liste enthaltenen Daten zu eruieren. Da gemäß Art 44 des Gesetzes über das Personenstandswesen Nr 5490 vom Privatpersonen nur ihren eigenen Eintrag, den des Ehegatten, des gesetzlichen Vertreters, von Vormündern, Verwandten in auf- oder absteigender Linie oder Personen, von denen sie bevollmächtigt worden seien, einsehen könnten, könne die Liste auch unmöglich von einer türkischen Privatperson bzw privaten Personengruppe stammen. Die in dem Datensatz aufgelisteten Personen seien zwischen und geboren. Die jüngste Person sei folglich seit dem volljährig und somit wahlberechtigt. Am habe in der Türkei die vorgezogene Wahl zur 26. Großen Nationalversammlung stattgefunden. Im Amtsbereich des türkischen Generalkonsulates Wien seien zu dieser Wahl 66.382 Personen aktiv wahlberechtigt gewesen. Diese Anzahl entspreche exakt "der Anzahl der in der vom Bundesministerium an die Landesregierungen übermittelten Liste aufscheinenden Personen". Der dem Bundesministerium für Inneres übermittelte Datenstick habe "neben der Wählerevidenzliste für Wien auch die Wählerevidenzliste der im Amtsbereich des Generalkonsulats Salzburg wahlberechtigten Personen" enthalten, in dem zu dieser Wahl 29.602 Personen aktiv wahlberechtigt gewesen seien. Auch diese Anzahl entspreche der Anzahl an Personen auf der den Landesregierungen übermittelten Liste.

Angemerkt werde, dass die Homepage, über die die offiziellen Wählerzahlen abgerufen werden könnten, der Behörde erst nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien bekannt geworden sei. Daraus, dass sich die veröffentlichten Wählerzahlen von Wahl zu Wahl geändert hätten, könne darauf geschlossen werden, dass Wählerlisten in Vorbereitung auf die jeweils bevorstehenden Wahlen aktualisiert würden. Die Angaben, welche auf den vorliegenden Listen enthalten seien, stimmten im Wesentlichen mit jenen auf Wählerlisten überein, würden jedoch zum Teil von den gesetzlichen Bestimmungen abweichen. Es sei nicht klar, ob Auslandswählerlisten die gleichen Angaben enthielten wie Inlandswählerlisten und ob das türkische Gesetz neben den "Mindestanforderungen" weitere Einträge zulasse. Es sei durchaus plausibel, dass die Zuständigkeit des türkischen Generalkonsulates aufscheine, an die die Auslandswählerliste übermittelt werden müsste. Ebenfalls nachvollziehbar sei, dass bei einer Auslandswählerliste keine Wohnadresse angegeben sei. Die türkischen Behörden könnten die Wohnadressen gar nicht selbst ermitteln, wogegen in der Türkei die Ermittlung der Wohnadressen (wohl) über eine Registerabfrage möglich sein werde.

In Bezug auf die Mitwirkungspflicht würden zahlreiche Stellungnahmen (zuletzt die beiliegende Stellungnahme vom ) des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres darlegen, dass auch ehemalige türkische Staatsangehörige einen Nüfus-Auszug erhalten könnten. Diese Stellungnahmen stützten sich auf die gesetzlichen Grundlagen (Gesetz über das Personenstandswesen Nr 5490) bzw auf Erfahrungen des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres und anderer österreichischer Behörden und enthielten Ausführungen dazu, wo ein Nüfus-Auszug beantragt werden könne. Die bei der Wiener Landesregierung aufliegenden (und der Gegenschrift beigelegten) Informationen zur türkischen Rechtslage bestätigten diese Ansicht. Für die Wiener Landesregierung sei mittlerweile der Eindruck entstanden, dass Personen vor allem in jenen Fällen den Personenstandsregisterauszug vorlegten, in denen dies einen Vorteil für sie bedeute. Die Wiener Landesregierung sei des Weiteren "überzeugt davon, dass vor allem die Konsulate in Österreich solche Auszüge bewusst an Personen wie den Beschwerdeführer nicht ausstellen wollen". Dies ergebe sich daraus, dass fast alle vorgelegten Auszüge direkt von den Behörden in der Türkei ausgestellt würden. Ein Auszug könne u.a. über ein E-Government-Portal online beantragt werden, wofür ein zB bei der türkischen Post erhältlicher Code erforderlich sei. Der Beschwerdeführer hätte bei seinem Türkeiaufenthalt einen solchen Code besorgen und eine Onlineabfrage tätigen können.

Zu dem vorgelegten Mavi Kart-Registerauszug sei anzumerken, dass als "Registrierungsdatum" (TESCIL TARIHI) der angegeben sei. Somit sei der Beschwerdeführer erst ca. drei Monate, nachdem er von der Behörde erstmals von dem Verdacht der Wiederannahme der türkischen Staatsangehörigkeit erfahren habe, in das Mavi Kart-Register eingetragen worden. Die Bestätigung vom sei ebenfalls erst ca. drei Monate, nachdem der Beschwerdeführer erstmals beim türkischen Generalkonsulat Wien vorgesprochen habe, ausgestellt worden. Nach der Erfahrung der Behörde – und in der Anfragebeantwortung der österreichischen Botschaft Ankara vom werde diese bestätigt – sei das genau der Zeitraum, welcher benötigt werde, um erneut aus dem türkischen Staatsverband entlassen zu werden. Es liege also nahe, dass der Beschwerdeführer bei seiner ersten Vorsprache im türkischen Generalkonsulat Wien eine neuerliche Entlassung beantragt habe und erst im Zuge dessen in das Mavi Kart-Register übertragen worden sei.

Soweit der Beschwerdeführer vermeine, dass das Gesetz über das Personenstandswesen Nr 5490 für ehemalige türkische Staatsangehörige nicht anwendbar sei, könne dies trotz des Wortlautes des Art 2 leg.cit. nicht der Fall sein, da in diesem Gesetz auch die Mavi Kart und das dazugehörige Register geregelt würden (Art3 litm und n, Art 8/A leg.cit.). Fraglich sei, ob dieses Gesetz im Lichte des Art 28 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr 5901 vom zu lesen sei und die ehemaligen türkischen Staatsangehörigen in diesem Gesetz wie türkische Staatsangehörige behandelt würden. Ehemalige türkische Staatsangehörige würden durch die Mavi Kart umfassende Rechte in der Türkei genießen und seien türkischen Staatsangehörigen (bis auf wenige Ausnahmen) gleichgestellt. Insofern seien die türkischen Behörden für den Beschwerdeführer nicht gänzlich "fremd". Die vorgelegte Bestätigung des türkischen Generalkonsulates Wien vom sei nicht glaubwürdig.

Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes Wien, wonach der Beschwerdeführer eine Kimlik-Nummer besitze, seien schlüssig. In der vorgelegten Geburtsurkunde, ausgestellt am , werde die Personenstandsnummer des Beschwerdeführers ausdrücklich als Kimlik-Nummer und nicht als Mavi Kart-Nummer bezeichnet. Soweit sich der Beschwerdeführer an den lediglich mündlichen Informationen des Vertrauensanwaltes stoße, sei dem zu entgegnen, dass der Vertrauensanwalt keineswegs als Sachverständiger iSd § 52 AVG bestellt sei, sondern versuche, die Rechtslage und Verwaltungspraxis, hier Letzteres, aufzuarbeiten. Der Beschwerdeführer behaupte, beim türkischen Generalkonsulat eine andere Information erhalten zu haben, habe allerdings keine Bestätigung darüber vorlegen können. Zudem könnten weder die Wiener Landesregierung noch das Verwaltungsgericht Wien "derzeit den Informationen des türkischen Generalkonsulats trauen".

Von einer Überwälzung der Beweislast könne keine Rede sein: "Entgegen dieses Vorwurfes hat die Behörde sehr wohl ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durchgeführt. Am Ende dieses hat die Behörde im Wesentlichen festgestellt, dass der Beschwerdeführer auf einer türkischen Wählerliste aufscheint, in der Türkei nur Staatsbürger wählen dürfen und für die Verleihung einer Staatsbürgerschaft ein Antrag Voraussetzung ist. Die Behörde hat somit bewiesen, dass der Beschwerdeführer die türkische Staatsangehörigkeit angenommen hat. Dem Beschwerdeführer wäre es frei gestanden durch seine Mitwirkung Beweismittel vorzulegen, welche die gezogenen Schlüsse der belangten Behörde entkräften hätten können."

Im Hinblick auf die Beweiskraft der vorgelegten Urkunde des türkischen Generalkonsulates Wien vom seien die Voraussetzungen gemäß § 293 Abs 2 ZPO dafür, dass eine ausländische Urkunde, die am Ort ihrer Errichtung als öffentliche Urkunde gelte, auch in Österreich die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde genieße, nicht geklärt. Zu bemerken sei aber, dass sowohl bei inländischen als auch bei ausländischen öffentlichen Urkunden der Gegenbeweis zulässig sei. Hier sei richtigerweise davon ausgegangen worden, dass diese Bestätigung nicht den Tatsachen bzw der aktuellen türkischen Rechtslage entspreche. Zum einen werde der Beschwerdeführer als österreichischer Staatsbürger bezeichnet. Zu dieser Feststellung sei die türkische Behörde unzweifelhaft nicht befugt. Zum anderen entspreche es nicht der geltenden türkischen Rechtslage, dass ehemaligen türkischen Staatsangehörigen kein Nüfus-Auszug ausgestellt werden könne.

In einer (der Gegenschrift beigelegten) Stellungnahme vom habe das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres schließlich bestätigen können, dass auch aus der (dem Verfassungsgerichtshof mit der Gegenschrift übermittelten) "Mavi Kart Rechtsverordnung" nicht hervorgehe, dass dem Inhaber einer Mavi Kart kein Nüfus-Auszug ausgestellt werden dürfe. Eine Mitarbeiterin der österreichischen Botschaft Ankara und Inhaberin einer Mavi Kart habe sich einen Nüfus-Auszug online ausstellen lassen können. Somit stehe fest, dass die Bestätigung des türkischen Generalkonsulates Wien vom nicht die geltende türkische Rechtslage widerspiegle.

9.Das Verwaltungsgericht Wien hat die Gerichtsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.

10.Über Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes haben die Wiener Landesregierung und das Verwaltungsgericht Wien Äußerungen in Bezug auf fehlende Aktenteile im Verwaltungsakt erstattet. Im Wesentlichen führt die Wiener Landesregierung aus, dass darauf verzichtet worden sei, manche Beilagen zu Stellungnahmen zum Akt zu nehmen, deren Inhalt der Behörde bereits bekannt gewesen sei. Auf Verlangen der Partei seien diese aber zur Einsicht bereitgehalten worden. Dem Verfassungsgerichtshof seien sie bereits mit der Gegenschrift vorgelegt worden bzw würden sie nunmehr nachgereicht.

11.Über Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes hat die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres eine Äußerung erstattet, in der Folgendes vorgebracht wird:

Das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres habe bereits anlässlich einer vom Bundesministerium für Inneres einberufenen Koordinierungssitzung am eine Befassung türkischer Behörden mit der sogenannten Wählerevidenzliste "im Hinblick auf allfällige negative Konsequenzen als außenpolitisch bedenklich und nicht opportun abgelehnt". Gleichzeitig habe es sich erboten, in allenfalls einzuleitenden Feststellungsverfahren der Landesregierungen im Wege der Amtshilfe die einschlägige türkische Rechts- und Sachlage durch Erhebungen der österreichischen Botschaft Ankara abzuklären, woraufhin im Mai 2017 das gemeinsame Länderersuchen ergangen sei. In einer weiterführenden Rückfrage sowohl der Wiener als auch der Niederösterreichischen Landesregierung seien dem Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres im Juli 2017 Bestätigungen des türkischen Generalkonsulates Wien übermittelt worden, denen zufolge – im Widerspruch zu der von der österreichischen Botschaft Ankara erhobenen Rechtslage – Inhaber einer Mavi Kart gemäß dem "Mavi Kart (Blaue Karte) Gesetz vom " keinen Rechtsanspruch auf einen Nüfus-Auszug hätten, sondern lediglich auf einen Mavi Kart-Registerauszug. Die noch im Juli 2017 damit befasste österreichische Botschaft Ankara habe daraufhin nach Einschaltung des Vertrauensanwaltes und direkter Vorsprache bei der türkischen Generaldirektion für Melde- und Staatsangehörigkeitswesen festgehalten: "Seitens der ÖB konnte das zitierte Gesetz nicht aufgefunden werden. Der VA bestätigte, dass es kein eigenes Mavi-Kart-Gesetz aus 2013 gibt".

Im Hinblick auf diese eindeutige Diskrepanz sei die türkische Botschaft in Wien per Verbalnote vom um Zurverfügungstellung dieses Gesetzes ersucht worden. Trotz mündlicher und schriftlicher Urgenz sei bislang keine Antwort erfolgt. Auch eine Vorsprache der österreichischen Botschaft Ankara sei erfolglos geblieben. In der Zwischenzeit seien die Bestätigungen des Generalkonsulates dahingehend geändert worden, dass nur mehr von einer "Mavi-Rechtsverordnung" ohne Datum die Rede sei. Die Erhebungen der österreichischen Botschaft Ankara hätten in diesem Zusammenhang ergeben: "Es ist der MAVI-Kart-Verordnung nicht zu entnehmen, dass für diesen Personenkreis kein Personenstandsregisterauszug/Nüfus ausgestellt werden dürfte."

Die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres hält weiters fest, dass keinerlei rechtliche Grundlagen für die Bestätigungen des türkischen Generalkonsulates Wien gefunden und sämtliche diesbezügliche Anfragen von den türkischen Behörden nicht schlüssig beantwortet worden seien. Gäbe es eine derartige Rechtsgrundlage, wäre es den türkischen Behörden ein Leichtes gewesen, diese dem Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres zukommen zu lassen. Sowohl den Inlandsbehörden als auch der österreichischen Botschaft Ankara lägen Nüfus-Auszüge von Personen vor, die laut den Bestätigungen des türkischen Generalkonsulates Wien gar nicht ausgestellt werden dürften. In zumindest einem Fall habe zudem bejaht werden können, dass eine selektive Wiedergabe von personenstandsrechtlich relevanten Vorfällen in Nüfus-Auszügen möglich sei. Trotz intensiver Bemühungen hätte man von den türkischen Stellen seit März 2018 überhaupt keine weiteren Auskünfte erhalten. Ersuchen seien mit dem Hinweis abgelehnt worden, dass derartige Fragen anlässlich einer zukünftigen bilateralen Konsularkonsultation erörtert werden könnten.

Aus den genannten Gründen komme die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres zu dem Ergebnis, dass eine Befassung der türkischen Behörden auf diplomatischer Ebene zur Klärung der Authentizität der sogenannten Wählerevidenzliste nicht zielführend und auch im Hinblick auf allfällige negative Konsequenzen außenpolitisch bedenklich und daher nicht opportun wäre. Im Lichte des Ersuchens des Verfassungsgerichtshofes sei die österreichische Botschaft Ankara aber angewiesen worden, einen zusammenfassenden Bericht über die "Thematik Wählerevidenzlisten" zu erstellen. Im Lichte der nunmehr eingelangten Ergänzungen der österreichischen Botschaft Ankara erläutert die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres im Wesentlichen, welche generellen Wahlen in der Türkei seit 2014 stattgefunden hätten, wie viele Personen in den jeweiligen Amtsbereichen der türkischen Generalkonsulate in Bregenz, Salzburg und Wien bei zwei Wahlen im Jahr 2015 wahlberechtigt gewesen seien, dass jeden im Ausland lebenden türkischen Staatsangehörigen eine Verpflichtung treffe, eine Änderung seiner Wohnadresse zu melden, und Staatsangehörige mit einer Wohnadresse im Ausland automatisch in die entsprechende Auslandswählerevidenz aufgenommen würden, sowie wie das elektronische Wahldatenverarbeitungssystem ausgestaltet sei und wie es eine kontinuierliche Aktualisierung durch automatische Übernahme von Daten aus anderen Datenverarbeitungssystemen, insbesondere dem Personenstandsregister, ermögliche.

Auf Basis welcher rechtlichen Grundlage sich die Diskrepanz zwischen den in der vorliegenden Liste aufscheinenden Daten und den nach den gesetzlichen Bestimmungen erforderlichen Angaben auf Inlands- und Auslandswählerlisten erklären ließe, habe auch nach mehrmaligem Nachfragen beim Vertrauensanwalt nicht eruiert werden können. Die zur betreffenden Wahl zugelassenen Parteien hätten auf Antrag Zugriff auf die finalisierten Auslandswählerlisten, wobei diese auf elektronischem Wege oder als Hardcopy zur Verfügung gestellt werden könnten.

12.Auf Rückfrage durch den Verfassungsgerichtshof legte die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres eine kompilierte Version des türkischen Gesetzes über das Personenstandswesen mit den seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am erfolgten Novellierungen in einer auszugsweisen Arbeitsübersetzung vor und erstattete nach neuerlicher Befassung eines Vertrauensanwaltes der österreichischen Botschaft Ankara eine ergänzende Äußerung, in der insbesondere Folgendes ausgeführt wird:

Der in Art 2 des Gesetzes über das Personenstandswesen definierte Geltungsbereich sei im Zuge der Novellierung des Gesetzes 2012 und im Hinblick auf die Einführung von Art 8A leg.cit. betreffend das Mavi Kart-Register dahingehend präzisiert worden, dass nun ausdrücklich auch gebürtige türkische Staatsangehörige, die aus dem Staatsverband entlassen wurden, sowie deren direkte Nachkommen in den Anwendungsbereich des Gesetzes fielen. Dieser Personenkreis sei aber insofern bereits zuvor erfasst gewesen, als zB Art 14 leg.cit. vorgesehen habe und weiterhin vorsehe, dass das Register bei Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit geschlossen werde, grundsätzlich aber bestehen bleibe, da es bei Wegfall des ursprünglichen Schließungsgrundes, etwa bei einem Wiedererwerb der Staatsangehörigkeit, wieder geöffnet werde und alle bis dahin stattgefundenen Personenstandsereignisse nachzutragen seien. Aus Art 44 Abs 1 leg.cit. sei nicht ersichtlich, dass eine Person zum Antrags- oder Ausstellungszeitpunkt eines sie betreffenden Nüfus-Auszuges noch im Besitz der türkischen Staatsangehörigkeit sein müsse. Eine ehemals türkische Staatsangehörige und Mitarbeiterin der österreichischen Botschaft Ankara habe einen Nüfus-Auszug erhalten. Dieser zeige in solchen Fällen den Vermerk "Register geschlossen".

13.Der Beschwerdeführer hat eine Äußerung erstattet, in der er den Ausführungen der Wiener Landesregierung in ihrer Gegenschrift entgegentritt.

II.Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 – StbG), BGBl 311/1985 (WV), gelten in der Stammfassung und lauten wie folgt:

"ABSCHNITT III

VERLUST DER STAATSBÜRGERSCHAFT

§26. Die Staatsbürgerschaft wird verloren durch

1. Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit (§§27 und 29);

[…]

Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit

§27. (1) Die Staatsbürgerschaft verliert, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist.

[…]

ABSCHNITT IV

BEHÖRDEN UND VERFAHREN

[…]

§42. […]

[…]

(3) Ein Feststellungsbescheid kann von Amts wegen erlassen werden, wenn ein öffentliches Interesse an der Feststellung besteht."

III.Erwägungen

Die – zulässige – Beschwerde ist begründet:

1.Gemäß § 27 Abs 1 StbG verliert die österreichische Staatsbürgerschaft, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung – also einer positiven Willenserklärung – eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist. Ob eine fremde Staatsangehörigkeit tatsächlich () gültig erworben wurde, ist dabei nach der fremden Rechtsordnung zu beurteilen (Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 1990, 299; vgl auch bereits VwSlg 3653 A/1955), der darauf gerichtete Erwerbswille nach österreichischem Recht (EB zur RV 497 BlgNR 10. GP, 29). Liegen die Voraussetzungen des § 27 Abs 1 StbG vor, tritt der Verlust der Staatsbürgerschaft ex lege ein, ohne dass es dafür einer behördlichen Entscheidung bedarf.

Das Interesse des Staates, nicht darüber im Zweifel zu sein, ob eine bestimmte Person Staatsangehörige ist, stellt ein öffentliches Interesse dar, das gemäß § 42 Abs 3 StbG die amtswegige Erlassung eines Feststellungsbescheides rechtfertigen kann (zB ).

Das B-VG misst, wie insbesondere Art 6 Abs 1, Art 7 Abs 1 Satz 1 und Art 26 Abs 4 B-VG zeigen, der Staatsbürgerschaft verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Der Verfassungsgerichtshof geht daher in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der in Art 7 Abs 1 B-VG gewährleistete Gleichheitsgrundsatz auf Fallkonstellationen, in denen es um die rechtliche Klärung des Status der österreichischen Staatsbürgerschaft für bestimmte Personen geht, unabhängig davon anwendbar ist, ob der betreffenden Person am Ende dieser Status auch tatsächlich zukommt (siehe die mit VfSlg 7161/1973 beginnende Rechtsprechung, zuletzt jeweils mwN etwa VfSlg 19.704/2012, 19.765/2013, 19.842/2014).

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) unter anderem dann vor, wenn das Verwaltungsgericht der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat. Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt dabei etwa in einem gehäuften Verkennen der Rechtslage oder im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

Eine willkürliche Verweigerung oder ein willkürlicher Verlust der Staatsangehörigkeit können nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte unter Berücksichtigung der konkreten Konsequenzen – zu beachten sind insbesondere die Folgen der Staatenlosigkeit und des unrechtmäßigen Aufenthaltes – zudem eine Konventionsverletzung begründen. Denn Art 8 EMRK erfasst – über Konstellationen hinaus, in denen sich die Staatsangehörigkeit auf die Abstammung von den Eltern gründet (dazu EGMR , Fall Genovese, Appl 53.124/09, Z 33 f., und VfSlg 19.704/2012, 19.745/2013, 19.842/2014) – Fragen der Staatsangehörigkeit als wesentlichen Teil der sozialen Identität eines Menschen und damit seines Privatlebens (EGMR , Fall Ramadan, Appl 76.136/12, Z 62 und 84 f.; sowie insbesondere auch EGMR , Fall Karassev, Appl 31.414/96; [GK], Fall Slivenko ua, Appl 48.321/99, Z 77; Fall Genovese, Z 30).

Das Verfahren gemäß § 42 Abs 3 iVm § 27 Abs 1 StbG, das den Verlust der Staatsbürgerschaft zum Gegenstand hat, ist dadurch gekennzeichnet, dass das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 27 Abs 1 StbG von Amts wegen zu ermitteln ist. Diesen aus § 37 AVG erfließenden Grundsatz der materiellen Wahrheit in Verbindung mit der in § 39 Abs 2 AVG normierten Offizialmaxime hat der Verfassungsgerichtshof etwa dann in einer in die Verfassungssphäre reichenden Weise für verletzt erachtet, wenn die Behörde in Verkennung ihrer Ermittlungspflicht unzulässig eine Umkehr der formellen Beweislast angenommen hat (VfSlg 18.929/2009) oder wenn in unzulässiger Weise aus dem Unterbleiben der Übermittlung von Belegen zum Beweis einer bestimmten Tatsache die Fiktion abgeleitet wurde, dass diese Tatsache nicht gegeben ist (VfSlg 19.546/2011).

2.Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht Wien im vorliegenden Fall seine Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes in qualifizierter, in die Verfassungssphäre reichender Art und Weise verletzt. Die angefochtene Entscheidung ist im Hinblick auf Art 7 Abs 1 B-VG und Art 8 EMRK nicht geeignet, die Feststellung des Verlustes der Staatsbürgerschaft durch Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit gemäß § 27 Abs 1 StbG in Bezug auf den Beschwerdeführer zu tragen:

2.1.Wenn das Verwaltungsgericht Wien die entscheidende Feststellung, dass der Beschwerdeführer die türkische Staatsangehörigkeit wieder angenommen hat, auf die Vermutung der Authentizität eines elektronischen Datensatzes als türkische "Wählerevidenzliste" gründet, zu dem im Verfahren aber ausdrücklich festgestellt wurde, dass er gerade nicht authentisch und beliebig veränderbar ist, fehlt dieser Feststellung eine taugliche Beweisgrundlage:

Das Verwaltungsgericht Wien stützt seine Feststellung, dass der Beschwerdeführer auf Grund seines Antrages frühestens am , spätestens jedenfalls am die türkische Staatsangehörigkeit wieder erworben habe, zunächst darauf, dass bestimmte persönliche Daten des Beschwerdeführers (darunter eine elfstellige Identitätsnummer, Vor- und Familiennamen, Vornamen von Mutter und Vater, Geschlecht, Geburtsort und Geburtsdatum) in einem Datensatz enthalten sind, der nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes Wien die Aufzeichnungen einer türkischen Behörde über jene türkischen Staatsangehörigen wiedergibt, die in Österreich und darunter konkret auch im Zuständigkeitsbereich des türkischen Generalkonsulates Wien zur Teilnahme an bestimmten türkischen Wahlen berechtigt waren, wobei die Wahlberechtigung die Staatsangehörigkeit voraussetzt. Dieser sogenannten Wählerevidenzliste misst das Verwaltungsgericht inhaltliche Richtigkeit zu, obwohl "die Authentizität dieser Liste (im Hinblick auf die Annahme es handelt sich hierbei um eine Wählerevidenzliste für den Amtsbereich des türkischen Generalkonsulats in Wien) nicht festgestellt werden konnte". Unstrittig hat eine im Auftrag des Bundesministeriums für Inneres erfolgte Untersuchung dieses Datensatzes durch das Bundeskriminalamt, deren Ergebnisse in den Verfahrensakten festgehalten sind, ergeben, dass Ursprung und Authentizität der Daten nicht ermittelt werden könnten, da "der Originaldatenträger nicht für eine forensisch korrekte Untersuchung zur Verfügung stand und auf die im Mailweg überliefer[te]n Dateien bereits schreibend zugegriffen wurde". So entstand die Bezeichnung der Spalten der Liste unstrittig (erst) durch eine Bearbeitung der (österreichischen) "Behörde".

Es steht somit auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes Wien fest, dass es sich bei dem fraglichen Datensatz ("Wählerevidenzliste") um kein authentisches Dokument einer in irgendeiner Weise für Angelegenheiten des türkischen Wahlrechts oder der türkischen Staatsangehörigkeit zuständigen Behörde handelt. Dessen ungeachtet schließt das Verwaltungsgericht Wien aus der von der Wiener Landesregierung anhand einer ihrer Auffassung nach repräsentativen, stichprobenartigen Ermittlung und eines daraus gezogenen Größenschlusses angenommenen Richtigkeit der enthaltenen Daten darauf, dass der Datensatz eine Aufzeichnung einer dafür zuständigen türkischen Behörde wiedergebe, die zum Zweck der Erfassung der bei bestimmten türkischen Wahlen wahlberechtigten Personen mit Wohnsitz in Österreich bzw im Zuständigkeitsbereich des türkischen Generalkonsulates Wien erstellt worden sei. Damit stehe auf Grund dieses Datensatzes auch fest, dass es sich bei den in diesen Datensatz aufgenommenen Personen um türkische Staatsangehörige handle.

Das Verwaltungsgericht Wien geht also davon aus, dass der fragliche Datensatz den Inhalt einer türkischen "Wählerevidenzliste" im Hinblick auf in Österreich bzw in Wien Wahlberechtigte und damit türkische Staatsangehörige wiedergibt. Welchen Inhalt und welche Form (zB Excel-Datei) eine solche Wählerevidenzliste der zuständigen türkischen Behörden gegebenenfalls aufweisen würde, ist für das Verwaltungsgericht, wie insbesondere die im Zuge des Ermittlungsverfahrens eingeholten Stellungnahmen des Bundesministers bzw der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres ergeben, nicht feststellbar und somit unbekannt. Die Annahme, dass der dem Verwaltungsgericht zur Verfügung stehende Datensatz den Inhalt einer Liste mit entsprechender Funktion ("Wählerevidenzliste") wiedergebe, beruht somit ausschließlich auf einer Vermutung. Damit wird aber ein Ergebnis des Verfahrens unterstellt (der Ursprung des Datensatzes als authentische türkische "Wählerevidenzliste"), das im Verfahren gerade nicht geklärt werden konnte. Vielmehr ergibt das Verfahren unstrittig, dass der Datensatz nicht authentisch und hinsichtlich seiner Herkunft und des Zeitpunktes seiner Entstehung nicht zuordenbar ist. Die mangelnde Authentizität und die ungeklärte Herkunft der Inhalte dieses Datensatzes, die festgestelltermaßen dem schreibenden Zugriff von wem auch immer offen standen, schließen es von vornherein aus, dass dieser Datensatz für die Zwecke des § 27 Abs 1 StbG im Hinblick auf den Beschwerdeführer ein taugliches Beweismittel darstellt.

2.2.Das Verwaltungsgericht begründet seine Feststellung gemäß § 27 Abs 1 StbG weiters mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer über eine erst ab dem Jahr 2000 und grundsätzlich an türkische Staatsangehörige vergebene Identifikationsnummer, die sogenannte Kimlik-Nummer, verfüge, was dieser nicht bestreitet. Soweit das Verwaltungsgericht daraus ableitet, der Beschwerdeführer habe die türkische Staatsangehörigkeit wieder angenommen, liegt dem eine aktenwidrige Beurteilung des Sachverhaltes zugrunde:

Im Hinblick auf eine Stellungnahme der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres vom dazu, dass es keine eindeutige gesetzliche Regelung der nachträglichen Vergabe der Kimlik-Nummer gebe, eine solche aber in Fällen denkbar wäre, in denen der türkische Staat – zB bei offenen Fragen zum Grundeigentum – ein Interesse an der Beseitigung einer Rechtsunsicherheit hätte, wird im angefochtenen Erkenntnis Folgendes ausgeführt: "Im Falle des Beschwerdeführers kam daher eine nachträgliche Vergabe der 'Kimlik-Nummer' (ab dem Jahr 2000) nicht in Frage, zumal er laut eigener Angabe keine Amts- oder Rechtsgeschäfte in der Türkei zu erledigen hatte." Im Widerspruch dazu stehen die (niederschriftlich im Akt dokumentierten) Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien am zu einem Türkeiaufenthalt anlässlich der Abwicklung einer Erbschaft: "Mein Vater ist im Jahre 2004 gestorben und mein Anteil am Erbe war ganz klein. Es handelt sich hierbei um ein Feld in unserem Dorf wo ich als Miteigentümer eingetragen wurde." Mit dem weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers zur Vergabe von Kimlik-Nummern, das er durch die Vorlage des Nüfus-Auszuges seines bereits im Jahr 1968 verstorbenen Bruders untermauert, setzt sich das Verwaltungsgericht Wien mit dem Verweis darauf, dass "der Beschwerdeführer nicht substantiell nachweisen konnte, dass ihm die 'Kimlik-Nummer' – ohne eine Wiederannahme der türkischen Staatsbürgerschaft – nachträglich vergeben wurde", überhaupt nicht auseinander.

2.3.Das Verwaltungsgericht Wien sieht eine Begründung für die Feststellung iSd § 27 Abs 1 StbG schließlich darin, dass es der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht unterlassen habe, einen Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister vorzulegen, aus dem hervorgehe, dass er im fraglichen Zeitraum die türkische Staatsangehörigkeit nicht wiedererworben habe (Nüfus-Auszug). Das Verwaltungsgericht Wien erachtet den Beschwerdeführer auf Grund seiner Mitwirkungspflicht im amtswegigen Feststellungsverfahren gemäß § 42 Abs 3 iVm § 27 Abs 1 StbG für verpflichtet, einen von der Behörde geäußerten Verdacht, der Beschwerdeführer habe die türkische Staatsangehörigkeit wieder angenommen, dadurch zu entkräften, dass er von den türkischen Behörden, gegebenenfalls vor Ort in der Türkei, die Ausstellung von Dokumenten erwirke, die belegen, dass er die türkische Staatsangehörigkeit im fraglichen Zeitraum nicht wieder angenommen habe. Indem das Verwaltungsgericht damit davon ausgeht, der Beschwerdeführer habe der Behörde zu beweisen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 27 Abs 1 StbG für den Verlust der Staatsbürgerschaft nicht vorliegen, unterstellt es § 42 Abs 3 iVm § 27 Abs 1 StbG einen verfassungswidrigen Inhalt:

Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 27 Abs 1 StbG ist von der Verwaltungsbehörde bzw dem Verwaltungsgericht zu ermitteln. Auf die Verletzung einer Mitwirkungspflicht ist zwar Bedacht zu nehmen, sie entbindet die Behörde aber gerade nicht von ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes, womit die Behörde die Beweislast für das Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 27 Abs 1 StbG auch nicht auf die Partei überwälzen darf. Lässt sich eine tatbestandsrelevante Tatsache nicht feststellen, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie nicht vorliegt.

Die Annahme, dass im Fall einer rechtlichen oder tatsächlichen Unmöglichkeit für das Verwaltungsgericht, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 27 Abs 1 StbG zu ermitteln, dessen Ermittlungsverpflichtung unter dem Titel einer Mitwirkungspflicht ohne Weiteres auf den Betroffenen überwälzt werden könne und somit im Falle eines von der Behörde geäußerten Verdachts, es könnten die Voraussetzungen des § 27 Abs 1 StbG vorliegen, der österreichische Staatsbürger den Negativbeweis zu erbringen habe, verbietet sich angesichts der der Staatsbürgerschaft zukommenden (und aus ihrem Verlust folgenden) Bedeutung auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht (siehe schon oben Rz 60). Soweit das Verwaltungsgericht in seiner Begründung erkennbar von einer solchen Rechtsauffassung ausgeht, unterstellt es § 42 Abs 3 und § 27 Abs 1 StbG einen verfassungswidrigen Inhalt.

Dies schließt nicht aus, dass die Partei gewisse Mitwirkungspflichten treffen, die in amtswegigen Ermittlungsergebnissen begründet sind und sich im Rahmen der zumutbaren Möglichkeiten der Partei halten (vgl für einschlägige Verfahrenskonstellationen ; , Ra 2018/01/0045).

IV.Ergebnis

1.Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung aus den dargelegten Gründen in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

2.Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4.Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2018:E3717.2018
Schlagworte:
Staatsbürgerschaftsrecht, Beweislast, Mitwirkungspflicht der Parteien, Amtswegigkeit (Ermittlungsverfahren), Entscheidungsbegründung

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